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Die
Gartenkunst
S^eitsclirift
tur
Gartenkunst und verwandte Gebiete,
Herausgegeben
von der
Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst,
redigiert von
C. Heieke
Gartendirektor der Stadt Frankfurt a. M.
►^H^
■^« Neunter Jahrgang •<-
ßOTANlC^
Beplln
Verlag von Gebrüder Borntraeger
SVV 11 GroCsbeeren Strasse !i
1907
Alle Rechte vorbehalten.
Druck von A. W. flayn's Erben, Potsdam.
Inhalt.
LI;
NE'-'
botanical
oaRüen.
16, 30. 178, 18ö, -Jil.
1. Vei'zeichuis der Mitarbeiter.
Barth . . .
Beiahaidt
Berz . .
Cordel . . .
V. Engelharclt
Fuchs
Garrelts
Glogau (H
Goecke 85,
Günther
Hannig
Heerwagen
Heirke." . . ö, 18, 88, 83, 105, 111,
121. 133, 151. 179. 210.
Hoemaiin 20, 27.
Johnson 43, 73, 126,
Kamiiffmeyer
Kiehl 71,
Kiessling 9
Krone
Ledien
Linne
L
Seite
H.
SeitP
Seite
. 140
. 67
. (i7
. 102
248
41
230
117
109
36
132
107
_|UX .
Molz . .
"^ '"hvvadt
tzner .
Koss
Rothe
V. Salisch
Schachuer 163,
Schneider 80, 84.
Schnitze-Naumburg ...... 1,
Schulze-Elberfeld 65,
Schulze-Stettin
Singer 19.
Trip 12
Widmer
Zahn . . . .56, 78. 129. 187, 231,
233
99
146
63
183
, 24
16
62
97
77
82
81
32
89
244
226
149
171
248
. 21
215
31
198
34
191
246
Dresdener, Vereinigung ehemaliger
Gartenbauschüler .149
F.
Fintelmann, Axel F., Ehrung . . . 231
II. Saolirejäi.ster.
A.
Ausstellung, Volkstümliche, für Blu-
men- und Gartenpflege in Hannover 34
B.
Bad Nauheim, der alte Park 1857 bis
1907 111
Baumaterial, das, der heutigen Garten-
kunst 173
Bindekunstausstellung, Erste grosse
Berliner : . . 102
Buchners Garten vor dem Kunstge-
werbehaus auf der Bayr. Landes-
Ausstellung 1906 in Nürnberg . . 16
Bund deutscher Baumschulenbesitzer 170
G.
Kimigl. Lehranstalt Dahlem,
Gartenbaukursus für Gartenfreunde 80
Gartenkunst!. Vortrage 37
Prüfungen 16
Zulassung v. Damen 16
Gärtner oder Künstler' 67
Gartenarchitektur ' '
Gartenbauau.sstellung, allgemeine,
Berlin Sl
Gartenbauausstellung, Internationale
zu Dresden 1-1
Gartenbauausstellung, .Jubiläums-,
Bremen 36
Gartenbauausstellung, .Jubiläums-,
Jlannheim 1907:
Allgemeine Besprechung . . . 133
Prinz Arnulf- Preis 82
Sonderausst. f. Gartenpläne ... 24
Sondergärten von Fr. Brahe, Gebr.
Roethe und Siesmayer .... 233
Sondergärten von Fr. Henkel . . 215
Sondergärten des Prof. Länger. . 191
Sondergärten des Prof. P. Schultze-
Naumburg und des Prof. P.
Behrens .'' 321
Schlussbetrachtungen 236
Schluss der Ausstellung .... 232
Vorbesprechung 60
Vor der Eröffnung lOo
Gartenbauschule Dresden, Obergärt-
nerprülung
Gartenkunstbewegung,unsereStellung
zur heutigen ; ^^
Gartenvorstadt am hohlen Weg bei
Darmstadt . 170
Gerichtliche Klage gegen die Ent-
scheidung bei Wettbewerben . . 81
Gesetzentwurf gegen die Verunstal-
tung von Ortschaften und land-
schaftlich hervorragenden Gegenden 117
Eingabe der D. G. f. G. dazu . . .120
Eingabe des Bundes Heimatschutz
dazu 119
Gesetzgeberische Maßnahmen gegen
die Verunstaltung vonOrtschaftenpp. 62
Golenhofen bei Posen, ein Musterdorf 71
Grossberlin, Vortrag von Landesbau-
rat Prof. Th. Goecke 246
Grundzüge der Landschaftsgestal-
tung 43, 73, 126, 146
llauptversannnlung, XX., der deut-
schen Gesellschaft für Gartenkunst 179
Hausgarten, über die künstlerisclie
! (iestaltung des 198
i Haus- und Obstgarten, Entwurf zu
einem 67
Heikle i>age, eine 185
I Heiraatschutz. Wie wir unsere Heimat
j sehen 99
i Holzhecke im Frankfurter .Stadtwalde,
i ihre hainartige Umgestaltung . . 5
I.
Innengärten 85, 109
>14
Kaiser Friedrichpark, Aachen ... 82
Kongress, internationaler landwirt-
schaftlicher, Wien 37
Künstlerkolonie, Darmstädter ... 63
W. Langes Gartenkunstprinzipien und
sein neues Buch 14
Linnes 200. Geburtstag 121
i
M.
' Mietgärten, .städtische in München 163, 171
i .Muthesius,' der Fall M 148
I ^-
I Naturverschönerung ...... 1, 21
Niedersächsischer Bauerngarten, ein
Beitrag zu seiner Geschichte . . 244
O.
Offenbach a. M., Ludo Mayer-Stiftung 170
Parkpolitik ; •
Perspektive, ihre Bedeutung und Ver-
wertung beim Entwerfen von Gar-
tenanlagen -9
Perspektivisches Zeichenverfahren,
neues
Pflanze, die, als Schmuck für Haus,
Balkon und Fenster
Pflanzenmaterial, welchen speziellen
Pfl. bedarf die Gartenkunst moder-
ner Richtung?
Reform der Gartenkunst und die Tra-
dition ,' '• ■
Rogalin, Schloß, sein Park und seme
Eichen
Rosenfest, das, zu Mannheim . . .
Kosengärten
24
107
129
230
41
183
166
210
IV
Seite
S.
Societe dendrologiiiue de France . . SO
Stauden, die axisdauernden, und ihre
Bedeiituns im ainerikanischeu Gar-
ten . 220
Szenerie, die, in der Gartenkunst . . 65
V.
Verein ausländischer Gärtner von
Paris und Umgegend 2'M
Villenkolonio, Studie zu einer . . , 140
Vilnioriu-Denkmal 108
Vorgarten und StraÜenbepflanzung . 3Ü
W.
Wettbewerb Friedhof Hameln. Ge-
danken über Friedhofsgestaltung
im allgemeinen und mit Bezug
auf den -7
Kachklänge zur Hanielner Fried-
hofskonkurrenz 30
Friedhofsvvettbewerb Hameln,
nochmals der 13
Wettbewerb Friedhof Stahnsdorf . .213
Wettbewerb für die Anlage eines Stadt-
parks in Haniburg-Wiuteihude . . 16
Wettbewerb für Hausgärten, veran-
staltet von der „Woche" .... 232
Wettbewerb Nordmarkt, Dortmund . 247
Wettbewerb Stadtpark Schüneberg:
Wettbewerbsentwurf V. Encke-Belte 49
„ „ Göbel ... 54
„ .. Grossniann 54
,, .. Krüpper . . 48
,. Ullrich . . 51
Betrachtungen ziun Wettbewerb . 56
Wettbewerb Stadtpark Schöneberg
Prämiierungsergebnisse .... 38
Wettbewerb Stadtpark .Schöneberg,
Nochmals der 78
Wettbewerb Zentralfriedhof Mann-
heim. Ankündigung 38
Ergebnis 151
Entwurf v. Bauer 160
, Gerstadt 191
„ . Grossmanji . . .156
„ „ Hoerning-Gaeüt . . .166
„ „ Braband 164
Wilde Garten, der, in England . . 89
Wilhelmshöher Allee, Kassel ... 82
Wiesbadener Kuranlagon, Unterhal-
tung .... .38
III. .M»liil(liiii:;'eii.
Ausstellung, Volkstümliche, f. Blumen-
und Gartenpflege 1906 in Hannover 34, 35
Bad Xauheini.
Lage|]lan der Kuranlagen. . . . 112
Parkbilder 109. 111, 113, 114, 115,
116, 117
Bauerngärten, aus niedersächsischen
244, 245
Baumaterial der heutigen Gartenkunst
174, 175, 176. 177, 17«, 179, ISO, ISl, 1S2
Berz. Uhr. 0., Entwurf zu einem Haus-
garten 67, 68, 69
Buch der Nyraphaen, Aus dem 188, 189
Buchners Garten vor dem Kunstge-
werbehaus auf der Bayr. .lub.-Lan-
desausstellung 1906 in Nürnberg 14, 15
Seite
Fintehnann, A.. Porträt ..... 132
Gartenbauausstellung, Internationale,
zu Dresden 121, 122, 123
Gartenbauausstellung, J ubiläunis-,
Bremen: Lageplan 37
Gartenbauausstellung Mannheim I'.KIT:
Gartenschmuckhof Gebr. Siesmayer
242. 243
Grossherzog Karl Friedrichdenkinal 133
Kunsthalle, die neue 138
Lageplan 1.37
Rosenfest im
Ivosengärten .
Sondergarten
Sondergarten
Sondergai'ten
Sondergarten
Sondergarten
■192. 19:
Sondergarten
Kaumburg
Straßenausschmückung .
\'or der Eröffnung . 85,
Golenhofen bei Posen
doi-f
Nibolungensaal
167. 16S. 109
.207, 208, 209. 210, 211
\on Fr. Brahe . 233.
234, 235, 236, 237
F. Henkel . 215,
216. 217. 218. 219
Gebr. Roethe 238.
239. 240. 241
Prof. Behrens 224,
225. 227
Prof. Länger 191,
194, I9.'>. 197, 199,
21)1. 203, 205
•Schultze-
221, 222 223
. '. V.U. 1.35
104, 105, 10(i
Ein Mnster-
. 70, 71. 72, 73
v.
Prof.
Grundzüge der Landschaftsgestaltung
44, 45,' 47. 74. 7.5, 7(i, 126, 127. 128. 129
Hegi-Dunzinger, Flora. Bildproben
248, 249
Holzhecke im Frankfurter Stadtwalde (5, 8
Mietgärten, städtische in München . 171
Natur u. Kunst im Walde 146, 147, 148, 149
Naturverschönerung . . 1. 2, 3, 4, 5,
21. 22, 23, 24, 25
Perspektive, ihre Bedeutung beiniEut-
werfen von Gartenanlagen 10, 11
12, 13, 2(i, 27
Perspektivisches Zeichenverfahren v.
Heerwagen 107, 108
Reform der Gartenkunst und die Tra-
dition 43
Rogalin. Sihloß, sein Park und seine
Eichen . . . .183, 184, 18.5, 186. 187
Stauden, ausdauernde, im amerikani-
schen Garten .... 228, 229. 232
Villenkolonie, Studien zu einer 1,39.
140. 141, 142, 143, 144, 145
Wettbewerb Friedhof Hameln: Kon-
kurrenzentwurf V. R. Hoemann-
Düsseldorf 30, 31
Wettbewerb Stadtpark Schöneberg:
Lageplan 48
Entwurf v. 0. Krüpper-Düsseldorf 49
„ lOncke-Holte . . . .50, 51
„ „ Ullrich-Berlin .... .52
„ Göbel-Wien 53
, Grossmann-Dresden . 54. .55
Wettbewerb Zentralfriedhof Mannheim :
Lageplan 151
Entwurf v. Bauer 156, 157
, Braband 164
„ Gerstadt . . 1.5S, 1.59, 160
„ „ Grossmann 152, 153, 154, 155
,, „ Hoerning-Gaedt . . . 166
„ Hoemann . . . 162. 163
Wie wir unsere Heimat sehen . . .
100, 101. 102. 103
Wilde Gärten des Kgl. botan. Gartens
zu Kew. aus den, 90, 91, 92. 93, 94, 95
Seite
l\. Lileijiliir.
Conventz. H., .Schutz der natürlichen
Landschaft . . s:',
Encke, F. Der Hausgarten .... 16
Felder, Th. Natur und Kunst im
Walde 149
Flugblätter f. künstlerische Kultur . 40
Gross-Berlin 1S7
Hegi Dr. G. und Dunzinger. Dr G.
Illustr. Flora von ^Mitteleuropa . . 39
Henkel. F.. Kehnelt. F. u. Dittmaun. I>.
Das Buch der Nymphäen .... 188
House and Garden S4, 248
Jekyll, G. Wald und Garten ... 20
Journal of the Royal Horticultural
Society, London 40
Lange, Willv. Gartengestaltung der
Neuzeit ". ' . . 18
Muthesius 248
Nene Aufgaben in der Bauordnuugs-
und Ansiedelungsfrage 63
Pudor, Dr. H. Diverse Schriften. . 84
Schneider, C. K. Illustriertes Hand-
buch der Laubholzkunde .... 189
.Schneider, C. K. Landschaftliche Gar-
tengestaltung 19
Schnitze - Naumburg, Kulturarbeiten
IV. Städtebau ." 38
Schule des Gärtners 40
Wieler, Prof. Dr. Untersuchungen
über die Einwirkung schwefliger
Säuic auf die Pflanzen 82
l'cis(iii;ilii;i<'liriclileii.
Beck Dr. 170. — Beirodt 108. — Berck-
ling 4(1. — Bertram 40. — Bromme 108.
— Buchner, A. 40. — Buchner. M. 40.
Diermayer 214. — Dreher 84.
Elpel 40. — Ende 190.
Fintelmann 132. — Freese 84.
Glatt S4.
Hallervorden 40. — Hampel 170. —
Hartmann 214. -- Heiler 40. - Helle-
mann 214. — Hoffmann, H. 64. — Hoff-
mann. R. 40. — Hoestermann 214.
Kahler 170. — Kalb 170. — Karich 170.
— Karl 170. — Keerl 170. — Kellermann
170. — Kiehl (>4. — Klett 170. — Koenig
170. — Kube 84.
Langenbuch 170. — Ledien 214. —
Lindemuth 214. — Löbner 214. — Lucas
214.
Mader 170. — Maecker 84. — Masters
170. — Mertens 108. — Moncorps 4(1. —
Müller 170.
Ohrt 170.
Peicker 40.
Pfitzer 40. -
108.
_i;ansch 170. — Richter 214. — Kitter
1(0. — Rosenberg 108.
Scharnke 64. -
170. — Sehuste
Stefen 190.
Trip 1.50, 214.
Undeutsch 40.
Veiten 170.
Wortmann 170. — Wychgram 40
Ziwanskv 64.
- Perring 40, 170, 190. —
Roths lOS. — Prestinari
Schle
84. -
ff 40. — Schultz
■ Sieber 170, —
IX, 1
DIE GARTKNKUNST
Natiirverscliöiieruiij!:.*)
Vortraf? vnn
Prof. P. Schultze-Naumburg,
gehalten auC der .lahresversn.mmhiug il.-s Hurnlp^; „Hi-imiitsoliiit/." in München.
l-mk-^.^ r
^EW YORK
i-.OTANICAL
(lARDEN.
Das Wort „NatiirverschömTLinü"
hat keinen seiir guten Ruf. Man
denkt an gar manche alten Sün-
den, die in! Namen der Yer-
schönernng getan wurden, und
sagt sich, dafs die Xatur. wie
unser Herrgott sie gescdiaften,
keiner Verschönerung durch Men-
schenhand bedürfe, um noch
schöner zu werden. Dennoch wird
man dem Thema iiu Leben kaum
aus dem Wege gehen können und
deshalb gut tun. sich mit ihm
auseinanderzusetzen.
Im allgemeinen wird man sich
wohl darüber einig sein, dafs die
vom Menschen unabhängigen
Naturprodukte, wie Wolke, Fels
und Pflanze, kaum einer Ver-
schönerung durch Menschenhand
bedürfen oder auch nur zugäng-
lich sind. Bei Ptlanze und Tier
treten wir jedoch schon in ein Ge-
biet ein, Avo das Wort „unafv
hängig vom Menschen" nicht mehr ganz zutrifft. Wenn
man uralte Rieseneichen oder das Schlinggewächs des
Urwaldes betrachtet, so bewundert man allerdings eine
Schönheit, die mit dem E>asein der Menschen nichts zu
Ai.u. J
1 Mit Genehniio'iina; dts Kunstwartverlags.
Abb. 1.
tun hat, und die wohl durchaus ebenso aussehen würden,
auch wenn der Mensch längst von der Erde verschwunden
wäre. Betrachten wir aber im Pfarrergarten einen Pyra-
midenbirnbaum mit reifen, goldenen Früchten, so wird kein
Empfänglicher umhin können, auch in diesem
Bilde eine wundervolle Schönheit zu er-
blicken, und wir werden unsgestehen müssen,
dafs weder die Form der veredelten Frucht,
noch die zum Pflücken und Betrachten ein-
ladende Zwergform ohne menschliche Kunst-
zustande gekommen wäre. Der Holzbirnbaum
draufsen im Walde hat ja auch seine
Schönheiten, aber in unserm Gartenbaum
liat die Menschenliand die Natur eben doch
um eine Schönheit bereichert. Sogar beim
Tier kann man ähnliches finden. Ein eng-
lisches Vollblut iväre ohne kluge, menschliche
^^Sr^ ■ ~:^ Züchtung nicht möglich, und der wilde Hund
k ■j^.'*'-*:L'**J ist etwas anderes, als der Hund, der durch
ein Jahrtausend alte Anpassung allmählich
unser treuer Freund geworden ist, der
unsere Sprache versteht und dessen Auge
uns manchen Wunsch vom Gesicht abzu-
lesen verma.g. Selbstverständlich sind das
,1
ni 1-: (lAliTKN KUNST
IX. 1
nur kloino Niiaiu-on. dio wir in lioni iin-
iiohouren Fi>imenreichnun dor Natur, dio
unsoiv Krdo trägt, horvorbringou konnton.
.\bor OS sind Spiolarton. die doslialh tur
uns wortvoll sind, weil sio luit doui
nionsoliliohon Lobon in viol näluro Bo-
zioluing troton, als die übrige freie Natur.
Doch auf diese Art der Natuniuiwand-
lung. oder wonu uian will. Naturver-
schönerung, habe ich es heute nicht ab-
gesehen. Die Frage, dio ich stellen
möchte, ist die; kann man dio Natur
durch harmonische Voibindung mit eiuoui
Werke menschlicher Kunst verschönern'
Ich glaube, dafs wir Menschen diese Frage
ganz unbedenklich mit ja beantworten
dürfen.
Ks ist solbstvorsländlich. dafs es auf
unserer Frde Schönheiten gibt, dio gerade
durch ihre Unberührtheit ihre reinen Reize
bewahren und dio durch jedes Hinzu-
fügen von Erzeugnissen der Menschen-
hand nur verlieren können. Wenn wir
in die Fels- und Eiseinöden unserer .\lpon
steigen, so oftenbaren sich uns dort Schön-
heiten von einer grofsartigen und seltsamen Natur, dio uns
gerade deswegen so mächtig orgreift, weil wir an ihrer (iröfso
die Winzigkeit unseres menschlichen Daseins zu orkoiinen
vermögen. Je unentwoihter wir sie erhalten, um so bosser
für uns. Steigen wir aber in dio bewohnten Täler her-
unter, so erkennen wir, dals von dort an das Bild ein
von Menschenhand mitgostaltotes ist. Denn dio Wiesen.
Felde!-, l'fado, Stege und Brücken, die hier das Bild dos
Abb. i. (.iugL'nbci.-piel zu Abb. 3.
Abb. 3.
Landes bestimmen, sind Monsehonkunstprodukto. Man
rechnet sie zwar nicht zur huhen Kunst, aber die allge-
meinen Kulturgedanken und der (iostaltungswille eines
ganzen Volkes, das als Schöpfer dahinter steht, sind doch
so mächtige und gewaltige und zeugen von einer so ricsen
hal'ien Hildnerkraft, dals wir eben doch in dor tiestaliung
unseres Landes ein grofses .-Mlkunstwerk sehen müssen.
wenn auch tausende und abertausendo von Handlanger
händen die .\usführonden waren.
Tun wir einen Blick in irgend ein schönes
Tal unseres Landes u^^bb. 1,) wie ich hier eines
unter tausonden zeige, so erkennen wir auf den
ersten Blick, dafs beinah alles, was hier
wesentlich zu den Bestandteilen des Bddos
gehcirt. menschliche Kunsterzeugnisse sind.
1 lenken wir uns sie fort: die Brücke dos Vor-
tlorgrundes. dafs l^orf im Hintergrund, das
Torwächterhaus. die Strafsen mit ihren Baum-
reihon. dio üärten und das Schachbrett der
l'vldor. so würde ein Waldtal übiig bleiben,
das an sich zwar auch gewifs sehr schön
wäre, aber eben doch durchaus etwas anderes
vorstellte und jedenlalls der besonderen Schön-
lieilen unseres ersten Bildes ermangelte. Wir
wollen aber in unserem Weltbilde beide nicht
■ ntbehren. Fast ein jedes beliebige Bild aus
unserem Lande wird ähnliches bezeugen und
uns ins Gedächtnis zurückrufen, dafs die Ver-
bindung von menschlicher Kunst mit der .Natur
neue Schönheiten gesehafTon hat. die nicht
ganz einseitig als Kunstwerk bei rachtot werden
können, sondern eben als Naturvorschönerung
durch Kultur. Man denke an das Bild irgend
IX, 1
DIK GARTENKUNST
eines schlichten Bauernhauses am Rande
eines Waldes: auch hier erlebt unser Auge
durch das Vorhandensein dieses Hauses
eine reichere Freude, als wenn es nur den
schlichten Waldrand in sich aufnähme.
Man darf das natürlich niclit so auffassen,
als müfste nun vor jedem Waldrand ein
hübsches Bauernhaus stehen. Wir werden-
der Waldeinsamkeit nicht entbehren wollen:
ai>er die gelegentliche Unterbrechung uml
Bereicherung wird uns sogar den Genufs
dei darauffolgenden Kinsamkeit erhöhen,
■la, sogar auf Abb. 2 werden wir den
hellen Saum der Kaistrafsen, die weifs
herausleuchtenden Punkte der Landhäuser.
Kirchtürme und die dunklen F'lecken der
I.aubmassen, der Gärten als eine Bereiche-
rung der edlen Form der Seeküste emp-
tinden müssen. Natürlich immer wieder
mit der 1-jnschräiikung, dafs es Kulmin.'i-
lion^punkte bleiben müssen, diemitStrecken
der Fjnsamkeit abwechseln.
E>as hier Gesagte waren ja eigentlich
beinahe Selbstverständlichkeiten; es sollte
uns auch nur in den Gedanken hin-
geleiten, dafs eine jede gute menschliche .Anlage, wenn
sie sich harmonisch mit ihrer Umgebung verbindet, ein
Stück Naturbereicherung bildet. Das Grauen, das wir
Abb. (i
Abb. 5.
heute vor dem blofson Wnrte „Xaturverschonerung"
empfinden, rührt doch eigentlich allein von den unwürdigen
menschlichen Leistungen her, die seit einigen .Menschen-
altern unsere Erde zu entstellen anfangen. Und zwar in
beiderlei Sinn: sowohl b'M den \N'erken, die in der guten
.\bsicht zu schmücken und zu verschönern, aber mit un-
zulänglichem Vermögen entstehen, wie bei den Werken,
bei deren Gründung nicht der Schmuckwert die Veran-
lassung bildet, sondern die zur Befriedigung unserer mensch-
lichen Bedürfnisse dienen. .Merkwürdigerweise sehen wir
hier, dafs bei fast allen älteren Anlagen wie von selbst
beide Zwecke erreicht werden. Das Werk dient nicht
allein seinem Hauptzweck, sondern es verschönt zugleich,
halb ohne es zu „wissen", die umgebende Natur. Werfen
wir einen Blick auf irgend eine der zahlreichen Gegen-
überstellungen von Gut und Schlecht, wie ich sie oft im
Kunstwart gebracht habe. Bei den Gegenbeispielen wird
die Freude gering sein. Solch ein Bauwerk verschönt die
Natur nicht, aber eben nur deswegen, weil es Züge trägt,
die uns nicht froh machen, die deprimierend auf imd
wirken, mit andern Worten, weil es eben häfslich ist.
Ging man früher daran, irgend ein Stück Natur zu
verschönern, so traf man mit einem bedauernswerten
sicheren Takt stets den Nagel auf den Kopf. Ich zeigte
in einem früheren Jahrgang des Kunstwarts eine Brunnen-
anlage, die ein reizendes Bild ergab (Abb. 3). Nun hatte
vielleicht mancher von diesem Bilde gesagt: Ja, schon
recht, aber das, was das Bild so reizvoll macht, ist ja
eigentlich nur das .Alter und die Zerstörung. -Man kann
ruhig zu geben, dafs auch das seinen gewichtigen Anted
an der Schönheit dieses Bildes hat. Alter und Zerstörung
haben gleichsam zum drittenmal wieder einen neuen Teil
von Schönheit hinzugefügt. Erst war die Natur schön,
DIE GARTENKUNST
IX, 1
Abb. 7.
dann verschönirte sie der Mensch mit einem
Brunnen, und nun verschönt Natur wieder
die Kunst des Menschen. E>afs aljer dieser
dritten Verschönerung nicht der ganze An-
teil zufällt, liann ich bei diesem Beispiel
durch einen glücklichen Zufall zeigen. Ich
fand einen alten Stich, der denselben Brunnen
im einstigen Zustande darstellt. Hier ist von
Zerstörung und l'berwuchern der Natur noch
nicht die Rede, sondern wir sehen die ganze
Anlage noch so, wie Menschenwille sie ge-
wollt und Menschenhand sie geschaffen
hatte. Und trotzdem ist auch hier der
Brunnen von grofser Schönheit. Wenn auch
heute noch Brunnen, Schmuckbrunnen, an-
gelegt werden, die meist ein Grauen für
alle Menschen sind, über deren Empfinden
l'ür sichtbare Erscheinungen noch keine
Hornhaut gewachsen ist, so bestätigt das an
sich noch kaum die Tatsache, dafs der
menschliche Sinn die Natur nicht zu ver-
schönern vermöchte. Gewifs ist ein Brunnen
wie auf Abb. 4 albern und kindisch, und
last alle Brunnen, die heute im Walde oder
sonstwo entstehen, sehen so oder so ähn-
lich aus. Der Beweis ist aber eben damit
nur gegeben, dafs hier dii; menschliche
Gestaltungskraft oder vielmehr das ein-
fachste Empfinden für primitives Gestalten
versagt und dafs eine Verrohung in der
S|iracho der sichtbaren Formen Platz ge-
griffen hat, wie sie tatsächlich die Welt-
geschichte vorher noch bei keinem Volke
und in keinem Lande erlebt hat. Jede
Indianerhütte zeugt da von mehr Gefühl
und Takt in der Verwendung der leisen
Sprache der Formen und des Materials. Und
wo nuui mit der Absicht umgeht, Verschöne-
Abb. 9. Gegenbeispiel zu Abb S.
Abb. S.
lung zu schaftVn. koiunit man auf so
jämmerlich kindische Ideen, tlafs es da fast
noch schlimmer aussieht, als wenn man ganz
darauf verzichtet. Hier als eines der Bei-
spiele für viele auf Abb. 5 einen Haufen
Steine, die man über einen rriedlichen Garten
ausgegossen hat, offenliar in iIit Meinung,
dafs dieser Schutthaufen eine wesentliche
Verschönerungherbeifiihiie. In unsei-nGailen-
schulen wird das oft gelehrt. Oder man
sehe auf Abb. 6, mit welcher Vermessenheit
sich d(!r Geschäftssinn unserer Zeit einem
ehrwürdigen Pelsblock naht. Aber nuin tut
nicht nur etwas für das Geschäft, man tut
aucli etwas IUI' die Poesie. 1 i;i oben liidis
in ilei' iM'ke hat man für Jeden, der es noch
iiiclil weifs, „Teul'el-Stein" aufgemalt. Aucli
eini' .Art (h'r Naturverschönerung unserer
Zeit. Nun noch auf das (ieratewohl hin ein
paar andre Beispiele. Abb. 7 zeigt eine alte
IX, 1
DIE GARTENKUNST
Ruine im Walde auf Bergeshöllen. Sie
war ofl'enbar nnch lange nioht schön
genug. Der Gärtner kummt i.ml ni.irht
sie noch viel schöner, indem er ihr das
Brandmal seiner Bretzelwege. schöner,
sauberer Bordsfcineinfassiingen, Täiin-
chenbosketts und all die anderen lieljüi'hen
Requisiten seiner Kunst anheftet, Abb. 8
zeigt ein anmutiges Bild vor den einsti-
gen Festungsmauern einer alten Stadt.
Häuschen und Hüttchen. Gartenhäuser
und Lauben haben sich da anmutig ein-
genistet und geben ein Bild, das, wenn
man aus der Stadt kommt, im über-
tragenen Sinn beinahe ein schönes
Stückchen Natur genannt werden kann.
Aber es ist den Menschen von heute noch
lange nicht schön genug, es niufs un-
bedingt verschönert werden, wenn es
auch ein grofses Stück Geld kostet.
Merkwürdig, sonst ist ja für nichts Geld
da und an jeder Anlage mufs so viel
gespart und geknausert werden, dafsanstatt
des Ziegeldaches ein Pappdach und statt
des Holzstakets ein Stacheklrahtzaun ge-
wählt werden mufs. Aber in unsererZeit weifs man sehr wnhi.
was man den Idealen schuldig ist, und für eine „Verschöne-
rung" ist Geld da. Auf Abb. 9 sieht man, in wie merkwürdiger
Weise sich ein ähnliches Stadtbild verschönert hat. [la-
bei ist es noch gar nicht mal das Schlimmste, was man
zeigen könnte. Käme es mir darauf an, ganz besondere
Karikaturen festzunageln, man brauchte kaum weit zu
laufen. Mit wie ganz erstaunlicher Sicherheit man stets
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... 4.
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^K^
Abb. 10.
daneben greift, wenn man heute verschönern will, zeigt
dieses Bildchen (Abb. 11). Am Rande einer steilen Höhe
zieht sich ein Weg hin, von dem man einen wundervollen
Blick ins Tal hat.. Um den Weg zu verschönern, pflanzte
man hier seitlich vom Wege Tannen und wieder Tannen.
Die versperren nun jetzt, wo sie herangewachsen sind,
zwar die Aussicht, geben aber da.für auch keinen Schatten.
Das einzige, was zu vermeiden gewesen wäre, ist hier mit
raffiniertem Ungeschick erreicht. Hätte
man an der Seite des Weges, wie es
frühere Zeiten auf der andern Seite schon
getan, Alleebäume gepflanzt, so hätte man
in deren Schatten spazieren gehen können,
während man unter ihren Zweigen den
Blick ins Tal gehabt hätte, wie es unser
Bild (Abb. 10) als ein nicht mal besonders
schönes Exemplar einer Allee erkennen läfst.
tSchlul's folgt,)
Abb. 11. Gegenbeispiel zu Abb. 10.
I»ie liainarti^e Umsestaltiiiij!; der so^e-
uaiiuteii Holzliecke im Fraukfurter Sta<lt-
vvalde.
Voa
Heicke, Stadtgartendirektor. Piankfurt a. M.
Wenn irgend wo auf forstlichem Ge-
biete es ein Gebot der Notwendigkeit ist,
die wirtschaftlichen Rücksichten hinter die
der Ästhetik zurücktreten zu lassen, so
ist es überall da der Fall, wo die benach-
barten Waldungen von den Wohnvierteln
DIE GARTENKUNST
IX, 1
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der stetig wachsenden Grul'sstädte er-
reicht werden. Forstwirtschaft kann in
solchen W'aldtoilen nicht mehr betrieben
werden, ihre technischen Mai'snahmen
versagen vollständig angesichts des Ver-
kehrsstromes, der sich aus der Stadt in
diese Waldteile ergiel'st. Hier inuls die
Forstwh'lschaft durch die Waldptlege
ersetzt werden und es mul's das, was dem
Korstmanne nicht mehr gelingen will,
nämlich die Erhaltung eines ästhetisch
befriedigenden Zustandes, durch das Ein-
greifen des Gartenfa.chniannes angestrebt
werden.
t>amit soll nicht gesagt sein, dal's
dieser Wechsel in (Jen Behandlungs-
grundsätzen auch einen Wechsel in der
Person des verantwortlichen Leiters zur
Folge lia.l)en miitste. Wir haben Bei-
spiele, wo der Forstmann mehr Schön-
heitssinn und künstlerisches Verständnis
an den Tag gelegt hat, um eine solche
Umwandlung durchzuführen, als mancher
Gartenfachmaun. Es liegt die Gefahr
sehr oft nahe, dal's letzterer in vollstän-
digem Verkennen der Aufgabe sein Ziel
darin erblickt, aus dem Wald möglichst
gründlich einen nichtssagenden l^ark mit
Sclilängelwegen. glattem Rasenteppich,
mit obligatem Zierstrauch- und buntblätt-
rigen Gehölzsiirtiment und all dem anderen
Zubehör „landschaftlicher Anlagen" macht,
und also die Saclie soverkehrt wie irgend
möglich aufai'st.
Indessen darf im allgemeinen ange-
nommen werden, dafs er, wie auch in
zahlreichen mit Geschick durchgeführten
Umwandlungen erwiesen ist, infolge seiner
Schulung und fachlichen Vorbildung eher
der geeignete Mann ist, als der Porst-
beamte, bei dessen Ausbildung bisher
allzusehr auf die wirtschaftliche Seite
seiner Tätigkeil Gewiidit gelegt worden
ist. Unter Berücksichtigung dessen ist
.lucli die bainarligi' Unigeslaliung der
sogen, llolzhecke im l'"ranklurter Stadt-
wa,ld tler städtischen Gartenverwaltung
übertragen woiden.
Schitn seil eim'i- Reihe von .lahren
war unten' llinwiMs auf Beispiele in a-nderen
StädtiMi der l'lan einer solchen Um-
wandlung Von Teilen des Frankfurter
Stadtwaldes er''irlerl wdnlen. Xanumllich
ist es der in \ii'li'ii lüngeii recht weil-
schauende vei'si. jleini'icli Siesmayer
gewesen, der gcM'ii jcdr (ielegenheit
w .ihrnalim, dafürSlimmung zumachen und
im l-'nnikfnrterVerschönerungs verein Helen
IX, 1
Dil': 0 AUTEN KUNST
SL'ine Anrr,i;un,n'cii :iiil' rincii IVuchtliarrii Biidm. Xacluli-m
der Verein einige Jalire mit. der Aufwendung von Miiiclii
für kleineren Aufgaben zurückgehalten und daduiidi rincii
grölseren Fund angesamundt lia.tte, koniiti' it im Miiiv,
des Jahres l!H)4 mit ili>m Antrage an die Stadtverwaltuni;
herantreten, den au der Hauptzugangsstrasse zum Stadt-
wald gelegenen Distrikt „Holzhecke" einer hainariigm
L'mgestaltung zu unterzieluMi, und gleichzeitig sich ziii-
('hernähme des Hauptanteils der entstehenden Kosten
bereit erklären.
Nach längeren Verhandlungen, in denen es namentlich
auf die Besi^itigung von laut t;-(<\vordenen Befürchtungcii
ankam, als solle aus dem Wald ein regelrechter und
erhebliche Unterhalt ungskdsten verursachender Zierpark
gemacht werden, wurde das Anerbieten des Verschrme-
rungsvereins angenommen und die Ausführung nach dem
Entwürfe des Verfassers beschlossen.
^^'ir fügen unseren Ausführungen zwei Planskizzen
bei, aus denen der gegenwärtige und der in Ausführung
begriffene neue Zustand ersichtlich sind und lassen den dem
Entwurf beigefügten Erlänteriingsborichtnachstehend folgen :
,,lMe Holzhecke macht, wie es auch sonst bei Wald-
teilen der Fall ist, die, in nächster Nähe einer grofsen
Stadt gelegen, dem nachteiligen Einflulse des Verkehrs
grofser Menschenmengen ganz besonders ausgesetzt sind,
einen höchst unbefriedigenden Eindruck. In der Regel
wächst dieser mifsständige Eindruck in dem Malse, wie
die Rente, welche die Forstverwaltung aus einem derartigen
Waldteile herauswirlschaftet, sich verringert.
Man mul's sich daher wundern, dal's die Stadt Frankfurt
nicht längst dem Beisiiiele anderer Städte gefolgt ist, die
derartige Teile ihres W^aldbesitzes in Anlagen von mehr
parkartigem Charakter umgewandelt habi/n, um so dem
grol'sen Publikum einen angenehmen und gern aufgesuchten
Aufenthaltsort zu bieten.
Wir können als Beispiele das Bois de Bimlogne in
Paris, Bois de la Cambre bei Brüssel, die Eilenriede bei
Hannover, das Rosental und das Connewitzer Holz bei
Leipzig, den König-Albert-Park bei Dresden und andere mehr
anführen. Neuerdings sind bekanntlich auch Teile des
Berliner Tiergartens einer solchen Umgestaltung unter-
zogen worden, die nach dem einstimmigen Urteil aller
Sachkenner als äufserst gelungen bezeichnet werden mul's.
Die Empfindung, dals mit unserer Holzhecke etwas Ähnliches
geschehen müsse und könne, ist nicht neu. Bereits vor
60 Jahren beschäftigte man sich schon lebhaft mit der
Frage, in welcher Weise dieser vom Publikum am meisten
besuchte, den Eingang des Waldes bildende Distrikt in
Zukunft bewirtschaftet werden sollte und fafste im ,, Grol'sen
Hat" am 2. April 1844 den Beschlufs — dal's bei Holz-
tällungen in genanntem W'aldteil nicht allein nach forst-
männischen Grundsätzen zu verfahren, sondern auch
Rücksicht auf die Annehmlichkeit des Pid^likums zu
nehmen sei. Und im Jahre 1863 wurde beschlossen,
auf einen regelmäfsigen Reinertrag bei der Bewirtschaftung
der Holzhecke ganz zu verzichten und der Forstverwaltung
eine plänterartige borst- und gruppenweise Verjüngung
linier miigliidist langer Fi-lialluni;- und Pllege vuii Ober-
slaiid und 1 lierh,-Ul veivji.schreiben.
Xarb iliesem (Iriindsat/.e ist die Holzhecke seit li'') Jahren
liewirts(dia,flet werden. Allein das Resultat läfst, narhdi'iu
aiirh die Silirme der .labre llMlj 19(14 durch Wurf und
Bruch das Waldbild .sehr zu seinem Nachteil verändert
haben, den Winisc li berechtigt erscheinen, dafs man nach
dem N'iirljjlde andei-ei- Grol'städte sicdi bei der fernei-en
Bidmiidlung dei- llelzhi;i'ke die l'berfiiln-iing in eine Aidage
vim melir waldparkarligem ("Imrakter zum Ziele setz(\
Selche Anlagen unterscheiden sich vnn di^ii eigentlichen
Fersten da.durcli, dal's bei ihrer Bew iilscdia.ftung nicht
mehr nach fiu'sttechnis(dn'u Grundsäl/.eii verfahren, viid-
mehr auf Rentabilität verzichti^t und leiligli(di auf Steigerung
der Walilschönheit durch Anwendung di'r dem Lautlscdiafts-
gärtner zu Gebote stehenden Mittel bi'ilacht gennmmeii
wird.
Wenn wir ilie Aiu'egung, welche Nom \'erschiiiiei'ungs-
verein nach dieser Richtung hin l'ür dii' Holzhecke gegeben
wird, begrüfsen und ihre Ausführung befürworten, so
glauben wir dabei voraussetzen zu dürfen, dal's die Um-
wandlung nicht auf diesen Waldteil beschränkt bleiben
wird, sondern dal's, wenn erst gezeigt sein wird, was
sich aus einem solchen Waldteile liei sachgemäl'ser Be-
handlung mit verhältnismäl'sig nicht erheblichen Mitteln
machen läfst, auch noch andere Partien — Biegwald usw.
-- der gleichen Behandlung unterzogen werden.
liabei möchten wir von vornherein der Besorgnis ent-
gegentreten, als solle die Holzhecke in eine moderne und
mit allen Hilfsmitteln der Gartenkunst ausgestattete Park-
anlage umgewandelt werden, deren kurz geschorener
Rasen von keinem Pul's betn'ten werden darf, deren
seltene ausländische Blumen und Gehölze vor jeder Be-
rührung behütet w^erden müssen.
Alle Mal'snahmen müssen vielmehr das Ziel verfolgen,
die Urwüchsigkeit des Waldbestandes zu wahren und, so-
weit sie durch die Forstkultur verloren gegangen ist,
wieder herzustellen. E)enn es besteht ein grofser Unter-
schied zwischen dem malerischen sich aus den verschie-
densten heimischen Baumarten zusammen setzenden
Walde und einem nach modernen Grundsätzen gepflegten
Porste. Jenen malerischen Mischwald, gewifsermassen
in idealisierter Form, wieder herzustellen, mul's das Ziel
bei der landschaftsgärtnerischen Behandlung solcher
Waldungen, wie die Holzhecke, sein.
Dazu ist notwendig, dal's die Gleichförmigkeit der nur
aus ganz wenigen Baumarten bestehenden forstlichen
Bestände durch Unter- und Zwischenpflanzungen von
anderen einheimischen Baum- und Straucharten unter-
brochen wird. Auch können, soweit es die Erzielung
gröfserer Mannigfaltigkeit wünschenswert erscheinen läfst,
einige wenige ausländische Arten mit verwendet werden,
indessen mufs man sich dabei auf solche beschränken,
die schon lange bei uns eingebürgert und auch dem Laien
zur gewohnten Erscheinung geworden sind.
Die geschlossenen Bestände sollen mit Eun-chsichten
und lichtgestellten Baumgruppen abwechseln, zwischen
denen der Boden anstatt der öden Laubschicht eine Rasen-
DIE GARTENKUNST
IX, 1
decke aufweist, wie wir sii^ auf Waid-
liehtungiMi antreffen, niedere und liolie
(Ji'äsiT, b\irne und Waldblumen in bunter
Misrluing oder, wo der Schatten der
Bauino solche nicht zulälst, Efeu und
alliiere weniger lichtliedürftig-e Pflanzen-
arten. Liamit diese grüne Bodendecke
sich enlwit'kcln kann, ist es niitig. auch
an den als Waldlichtungen gedachten
Stellen vorläufig die Auslichtungen nur
in dem Grade vorzunehmen, dal's ge-
nügend Sonnenlicht für die l-]ntwickelung
■ 1er Vegetation auf den Boden gelangen
kann, andererseits aber derselbe noch
unter einem gewissen Halbschatten ge-
halten wird, um die ausdörrende Wirkung
iler Sonnenstrahlen möglichst abzuhalten.
\\'ird aufserdem die richtige Auswahl
unter den sich eignenden Gräsern und
anderen Gewächsen getroffen, so kann
von der Herstellung kostspieliger Be-
wässerungseinrichtungen abgesehen wer-
den, zumal die in der Forsthausstrafse
viii'handenen Wasserentnahmestellen ein
Giel'sen der jungen Anpflanzungen mittelst
üiefsfal's gestatten, soweit solches, um
das Anwachsen zu gewährleisten, in der
ersten Zeit erforderlich ist. Bemerkt sei
indessen, dal's die Anlage eines Wasser-
laufs, der sich an passender Stelle zu
einem kleinen Teiche erweitern könnte,
nicht nur das W^achstum im ganze Be-
zirke fördern, sondern auch das Waldhild
wesentlich verschönern würde und dal's
die Möglichkeit einer solclien Anlage
offengehaften werden sollte.
E)ie zusammenhängenden Pll:inziingen
düi'len keine gradlinigen Begrenzungen
auf weisen, auch an den Wegerändern
keine steifen Linien bil.len; ilire Konturen
müssen in natürlichen Wellenlinien ver-
laufen, ba.ld Vorsprünge, bald iMuliuch-
tungen zeigend, wie überhaupt alle Regel-
mäl'sigkeit und Gleichförmigkeit in der
Anordnung der Pflanzungen einer male-
rischen Ungezwungenheit weichen mul's.
B(\sondere Beachtung isl di'r Fühi-iing
der \\'ei;e zu wiiliiieii. Im f'iirsl bi'a.iudlt
iiia.ii es (lamit nicht so genau zu nidiiiien
und es genügt, wenn sie dem \'er-
kelirsluMJürfnis Rechnung Iragim; im
Waldpark dagegen sollen sie .so geführt
sein, dal's, soweit der Blick reicht, sich
dem Auge i'ine ungesucdit gefällige, der
Bodenbowegung aiigepal'ste Linie bietet,
zugleich i_aber auch die .\usblicke, die
man vom Wege ans in den angrenzen-
den \\'aldieil hal, in si(di abgeschlosseni',
IX, 1
DIE GARTENKUNST
einhr'itlii-lie, a.lier doch auch wiriler alnveflisi/lungsi-iMclie
BililiM- gewähren.
I'ntor Berücksichtigung dieser allgemeinen Grundsätze
hallen wir ein Projekt für die Umwandlung der llolzhecke
aul'gi'stellr, das wir hiermit vorlegen.
Von dem Vorschlage des Vorschönerungsvereins unter-
scheidet es sich im wesentlichen dadurch, dals wir etwas
uiidir Rücksicht auf die vorhandenen Bestände genoinmen
haben und sparsamer in der Anordnung neuer Wege
gewesen sind, als es dort geschehen ist.
Nach vorstehenden allgemeinen Ausführungen können
wir uns zur näheren Erläuterung auf nachfolgende Be-
merkungen fieschränken :
Der gegenwärtige Bestand der Holzhecke besteht im
wesentlichen aus zwei (iruppen; zu der einen gehören
diejenigen Parzellen, wehdie mit einmn dichten Bestand
jungen Holzes bewachsen sind, vorzugsweise jüngere
Buchen mit ^^'eimuthskiefern gemischt, auch etwas jüngere
Eichen sind vorhanden. Diese Parzellen sind von ver-
schiedener Gröfse und unter sich nicht ülierall im Zu-
sammenhang stehend. Zu der anderen Gruppe gehiiren
diejenigen Fläclii'U, welidie in lichtem Stand mit Bäumen
höherer Altersklassen l>estanden sind, untei- denen eben-
falls die Buche vorherrscht.
W'ii" empfehlen, die erstgenannten jüngeren Partien, soweit
erforderlich, zu durchforsten und ihre Konturen durch
Einschnitte und Voi-ptlanzungen malerisch zu gestalten.
Dabei möchten wir nicht unterlassen, auf einen Unter-
schied in der Wirtschaftsweise des Porstmannes und des
Landschaftsgärtners aufmerksam zu machen. Der Forst-
mann pflanzt eng und lälst die Bestände solange als
möglich geschlossen in die Höhe gehen, um die Stamm-
bildung zu fördern: denn es kommt ihm auf schlanke
astfreie Stämme an, die gut bezahlt werden, (daher die
Bezeichnung ..lange Buchen", die dei' Eiistiikt im Volks-
munde führt).
E)er Ijandsohaftsgärtner pflanzt ebenfalls eng, damit
die zusammenhängenden Bestände von Anfang an ge-
schlossen erscheinen; er lockert aber frühzeitiger und
energischer als der Forstmann, damit die Kronen-
entwickelung der Bäume begünstigt wii-d und Bäume
mit reichem, möglichst bis zum Boden herabreichenden
Astbehan.g sich bilden kömnen. Solche Bäume verankern
sich sehr fest mit ihren M'urzeln im Boden und fallen
dem Sturm nicht leicht zum ()pfer: sie können daher
auch ohne tiefahr noch in hohem .\lter freigestellt werden.
Bei Beständen, die nach forstlichen Prinzipien erzogen
sind, ist die Erhaltung der langschäftigen Bäume dagegen
sehr schwierig, sobald, sei es durch Sturm oder andere
Ursachen, einmal Lücken entstanden sind, wie es leider
bei dei' Holzhecke der Fall ist.
Die alten Bestände sind tunlichst zu schonen: nach
ihren Kändern hin, insbesondere entlang der Mörfelder-
landstrafse, empfiehlt es sich, sie durch LTnterptlanzung
geeigneter Baum- und Straucharten dichter zu gestalten.
Im ülirigen ist der Boden zwischen ihnen mit Waldrasen
zu bestellen, damit das unerfi'euliche Bild, welches die
Flächen gegenwärtig fiieten, verschwindet. Bei ihrer
klinfligi'ii Behandlung wini darauf Bedacht zu nehmen
sein, da.rs die abgängigen Bäuuie nur insoweit dur(di
Xachptlaiizungen ersetzt werden, dafs die Wege hinreichend
beschatt(U, sind, im übrigen aber nach und n,-ich einige
Wakhviesen entstehen, die nur mit einzelnen Baumgiaippcii
bestandcm sind iiiul als Spielplätze für die Jugend, sowie
zur .\bhaltung VdU \olksfesten dienen können.
DiiM-iirhandenen Wege lassen hinsichtlich ihrer Führung
zu wünschen übrig. .Namentlich wird störend empfunden,
dal's sie vielfach zu nahe nebeneinander die ofl'enen Partien
durchschneiden und Unruhe in die Situation bringen. Es
kommt dies vorzugsweise daher, weil der Radfahrweg in
seinei' ganzen Länge mit geringem Abstände fast parallel
neben dem Hauptweg für Fufsgänger herläuft. Wir haben
dem in unserem Entwürfe abzuhelfen versucht, indem
wii- den Radfahrweg tunlichst weit von dem Hauptfufsweg
abgerückt haben.
Sonst haben wir uns dara.uf beschränkt, den Verlauf
der verhandenen Wege, deren Hauptrichtung durch das
Vi'rkehrsbedürfnis gegeben ist. etwas zu verbessern und
a.n neuen Wegen nur zwei Fulswege zur Erschliefsung
des Teri-a,in\vinkels zwischen Mörfelderlandstrafse und
Niederräderstrai'se und eine Verbindung von der Mündung
des Wi^ges nach der Oberschweinstiege in der Richtung
nach der Rennbahn vorgesehen. L>er Reitweg ist unver-
ändert belassen worden. Plätze zur Aufstellung von Bänken
sind in ausreichender Anzahl angeordnet, können aber im
Bedarfsfalle auch noch erheblich vermehrt werden.
Was die Kosten der vorstehend skizzierten Umwandlung
der Holzhecke anbelangt, so lälst sich ein genauer Kosten-
anschlag wegen der sich genauer Berechnung entziehenden
.A.rt der verschiedenen Arbeiten nicht gut aufstellen. Wir
schätzen auf Grund der F^rfahrungen, die man anderwärts
bei Solchen .Vrbeiten gemacht hat, die Höhe der erforder-
lichen Mittel bei der auf rund 24 Hektar angenommenen
Gesamtfläche der Holzhecke auf ca. 30000 Mk. E>abei ist
griifste Einfachheit nach jeder Richtung hin angenommen.
Kie BefleutiiUii' uikI ^ ei-weituiin- der Perspektive und
des freien Zeicliueiis beim Entwerfeu vou (Tarteiianlageii.
Von
A. Kiefsling.
Erwägt man den Nutzen der Perspektive für den
Entwurf von Gartenanlagen kritisch, so erscheint der Gebrauch
dem Plan „zum Schlufs" .Ansichten beizugeben, die reinste
Zeitverschwendung. Tatsächlich wohnt der Perspektive
freilieh ein hoher Wert inne, nämlich der eines unbestech-
lichen Kritikers. Ihre höchste Bedeutung zeigt diese
Konstruktion aber während des Entwurfs, nicht nach
Fertigstellung desselben.
Meine Absicht, den Wert der perspektivischen Ansicht
allein zu behandeln, würde nicht erschöpfend gewesen
sein, es erwies sich im Verlaufe der Entwickelung als
notwendig, nicht nur die reine Konstruktion, sondern auch
die .\usführung und damit den Wert des Freihandzeichnens
zu beleuchten. Perspektive und freies Zeichnen sind zu
10
DIE GARTENKUNST
IX, 1
eng verschwistei't. als dafs die Bedeutung der Kunslruktion
erörtert werden könnte, ohne der Ausgestaltung des Ge-
wonnenen ebenfalls gerecht zu werden: haben wir es über-
dies doch mit den freien Gestalten der P'lora zu tun. welche
sich zwar scharf, aber oft nur durch Feinheiten vonein-
ander unterscheiden.
In der neueren Zeit hat man sich mit wachsendem
Interesse der Ausstattung von Plänen mit Perspektiven zu-
gewandt, jedoch kann kein Zweifel bleiben, dafs gerade
dasjenige, was dem Architekten dekoratives Beiwerk ist.
nämlich die Landschaft, von uns ein liebevolles Eingehen
auf ihre Eigenheiten verlangt. E)ekorative Landschaft
und flotteste Technik kann der Architekt in seinen Dar-
stellungen ohne Schwierigkeit vereinigen, denn sein Haus
kommt im Charakter seiner Form, Flächen und Stoffe
nicht schlecht dabei weg — eher ist das Gegenteil der
Fall: Ein Haus in flottem Aquarell sieht auf ilora Papier
leicht schöner aus, als der Bau selbst, doch sein(!n Charakter
verliert es nicht. Die.se Gefahr besteht aber bei der
Landschaft.
Zu grofs und massig gehalten, kann sie z. B. leicht
ihren freundlichen Charakter verlieren und feierlich ernst
erscheinen. Die dekorativ behandelte Szenerie der Vegetation
hebt gerade infolge dieser Ausführung das Haus in seiner
feineren E»urcharbeitung wesentlich, während sie selbst vom
Pachstandpunkte bedeutend verliert, wenn die Charaktere
nicht gewahrt l)leiben.
Es ist viel schwieriger, die freie Pflanze flott dekorativ
und doch charakteristisch in wenigen Strichen wieder-
zugeben als Archtekturteile mit ihren festen Formen.
Wir dürfen nicht auf die wechselvollen Heize unserer
Pflanzenbilder infolge oberflächlicher dekorativer Behandlung
verzichten, denn die rohe Gruppierung der Massen allein
schafft die landschaftliche Schönheit nicht — die Pflanzen-
charaktere mit ihren Kontrasten, ihrer Harmonie bringen
erst die malerischen Reize. Was der Wirklichkeit recht,
ist der Perspektive bitter nötig, wenn sie praktischen fach-
männischen Wert haben soll. Wenige Linien im Umrifs,
der Astzeichnung und der Laubgruppierung sind es, welche
scharf und klar die Schönheit der einzelnen Pflanzen
zeigen, und gerade diese gehen leicht bei dekorativer
Behandlung unter „flottem Schmifs" verloren, gerade sie
verlangen die schärftse Beobachtung. Italienische Pappel,
mehrere Koniferenarten, freie Pyramidenformen anderer
Gehölze kommen in Gefahr, ineinander unterzugehen.
Innerhalb der wichtigsten Charakterlinien bleibt für grofse
breite Behandlung Raum genug (s. die Iteiden Koniferen
vor dem Pavillon der Abb. 4 Seite 13).
Das freie Zeichnen wird oft in Fachkreisen gering-
schätzig beurteilt. E>as ist falsch. Ohne dieses gibt es
kein praktisches perspektivisch-malerisches iJenken, kein
geschärftes Nachempfinden einst gesehener Formen. Dieses
mangelnde „Gedächtniszeichnen" ist die Ursache mancher
verfehlten Anlage.
Ebensowenig ist die perspektivische konstruierte An-
sicht ein Luxus; sie nur zu dem Zweck zu „erfinden", den
Plan appetitlich zu machen, heifst freilich dieses wichtige
Hilfsmittel zur geschäftlichen Spielerei lierabzudrücken.
Wer in letzterem Sinne arbeitet, dem kommt es natür-
lich nicht darauf an, die Ansichten mit einem Beiwerk
auszustatten, welches weder Plan n^ch Anlage berück-
sichtigt — Schaumschlägereil
Sorgfältig gearbeitete Perspektiven haben mit leerer
Phantasie nichts zu tun, sie haben vielmehr, richtig ein-
geschätzt, hohe praktische Bedeutung, indem sie es er-
möglichen, an jeder Stelle des Plans festzustellen, ob dieser
das Gewollte wirklich wiedergibt, und ob er nicht Mängel
enthält, welche eben durch die Perspektive zu finden und
zu beseitigen sind.
Man vergleiche Abb. 1 und 2. „1" gibt die zuerst
gewählte Stellung des Erlengehölzes an, „II" zeigt die
Gruppe in korrigierter Stellung. Bedingung war hierbei
die Un Veränderlichkeit des Sitzplatzes. „11" wurde frei-
händig in die Ansicht hineingesetzt und rückwärts ent-
wickelt in den Plan übertragen. I>er Blick wurde also
einfach konstruktiv l'reigc^legt.
„I^onstruktionl" das ist es eben, was leicht unter-
schätzt oder vergessen wird — eine richtige Konstruktion
kennt kein „Entwedei' — oder"! |-']in AnlVifs, Grundrifs,
Schnitt, sie alle sind auch, wie bekannt, keine Phantasie-
gemälde.
Schnitte geben trulz ihrer technischen Vurzüge fast
IX, 1
DIE GARTENKUNST
11
keine Anhaltspunkte für die spätere Wirklichkeit, weil die
rein geometrische Aneinanden'eihun,ij; ii'enau wie der Plan
keine perspektivischen Verschiebungen und Verkürzungen
der Natur entsprechend ergibt. Das alles leistet aber die
Perspektive, also hat sie praktischen, technischen Wert
auch in der freiesten Landschaft.
Xaturgemäfs besitzt der gewiegte Fachmann einen
ganz anderen Überlilick. als der jüngere, ungeübtere, doch
ist es in manchen Fallen selbst dem Kenner der Perspek-
tive schwer, ein sicheres L'rteil über N'erschiebungen usw.
abzugeben. Die Idee allein tut es dabei ja nicht, weil der
Nivellementsplan „und" die Bepflanzung zusammengehören
und Überraschungen bieten, welche sich zuverlässig erst
in kurzem unter den überwölbenden Haumkronen der Um-
gebung erstickt werden. So gehen dann landschaftliche
Werte verloren. Kine einzige Konstruktionsskizze führt
solche Unmöglichkeiten sofort vor .\ugen!
Das ist das Allerwichtigstc, was für die fachmännische
.Vnsicht spricht! — Der Weg, eine Pe rspek ti ve zu ent-
wickeln ohne Phantasie, ergibt sich unscliwer aus den
F<u\lerungen der Praxis.
Einheitlichkeil und praktischer Wert bedingen die .\n-
nahme eines bestimmten iJurchschnittsalters der darzu-
stellenden Landschaft, weil dieses für den Bindruck der
Szenerie von einscheidendster Bedeutung ist. Jüngste
Anlage — alter Park: Anfang und Ziel!
Abb. 2. Ansicht zu Abb. 1.
durch die Konstruktion ermitteln lassen. Man betrachte
Abb. 3 und 4.
Ein (beispielshalber) krasser, jedoch nicht schwierig
zu beurteilender Fall liegt hier vor. indem die Horizontalen
bei „I" falsch gelegt sind, wenn der Blick über das \\'asser
ganz frei gedacht ist. Durch die so entstehende Erdwelle
würde die Wasserfläche gröfstenteils verdeckt. Die Kor-
rektur bei „II" vermeidet diesen Fehler.
Solche Verbesserungen werden durch unsere ver-
schiedenen Mafsstäbe und die Eigentümlichkeit der
meisten Bepflanzungspläne, nur die Pflanzfläche anzu-
geben, öfter bedingt, als man anzunehmen geneigt ist.
Im Mafsstab 1 : 500 z. B. wirken die Teile des Vorder-
grundes bei weitem nicht so bedeutend, als es sich nach-
her perspektivisch ergibt: die Folge ist Unterschätzung.
Wie es bei Bildern mit dem Format der Fall ist, so er-
geben auch die grofsen Mafsstäbe. wie schon derjenige
von 1 : 100 eine viel natürlichere Möglichkeit der Be-
urteilung.
Es ist nicht verwunderlich, wenn .Anfänger in grofser
Gemütsruhe im Bepflanzungsplan eine schmale Rasenbahn
mit lichtliebenden Stauden besetzen, weiche naturgemäfs
Das Bild der ersteren ist der dürftige Anfang; die
Baumschule ist noch zu stark vertreten, also kommt dieses
nur unter ganz besonderen Umständen in Betracht.
Eine 100jährige Vegetation ist, wenn man zu seiner
eigenen Kritik arbeitet, ebensowenig angebracht, w-eil sie
sich der Berechnung entzieht und man ihr Bild nicht
erlebt. Der letztere Grund mag nicht stichhaltig erscheinen,
jedoch leuchtet ein, dafs man in diesem Fall ständig mit
Bildern zu tun hätte, welche man an den eigenen Anlagen
nie zu sehen bekäme, welche also nicht zum Selbstunter-
richt dienen können. Mit ca. 1,5 Jahren gibt wohl jede
Anlage ein dankbares Bild zur Beurteilung, wenn auch die
Reife der Pflanzung noch nicht die ist, als nach mehreren
Jahrzehnten. Eine bestimmte Norm erscheint verfehlt:
Zweck, vorhandener Bastand u. dgl. entscheiden von Fall
zu Fall.
Bei der Zahl der Ansichten kommen die wertvolleren
Teile des Plans nur in Betracht — um nicht unnötig Zeit
zu verlieren. Aus demselben Grunde greift man als Fun-
dament jedes „Blickes" zunächst „Standpunkt" und „Kern-
punkt" heraus. Da es in der Ansicht nicht möglich ist,
durch veränderte Stellung vor dem fertigen Bilde die
12
DIE GARTENKUNST
IX, 1
Szenerie wie in der Natur wechselnd nach wirken zu lassen,
so ist es ganz selbstverständlich, dafs man den günstigsten
Punkt im Plan hierfür wählt. In der Ansicht gibt man.
wie bekannt, der Mitte des Bildes den Vorzug, doch wirkt
die rein zirkelrechte Einteilung leicht langweilig.
Der „Kernpunkt" erhöht oder vermindert den Wert
der Szenerie, von seinem Vorhandensein hängt die Ein-
heitlichkeit der Wirkung ab. Das Auge verlangt einen
Ruhepunkt in der Gruppierung und wendet sich unbefriedigt
ab, wenn es von einer Fülle gleicher Werte bestürmt, einen
solchen nicht findet.
Nicht das „Glatte", „Geleckte" der Gärten ist es in
Im Bilde:
1. Bestimmung der Bildgröfse (Planteile mit vielen
Einzelheiten, wie reicher Vordergrundpflanzung ver-
langen gröfseres Format).
2. Bestimmung des Formates (Hoch- oder Breitformat.
Ersteres ist in vielen Fällen vorzuziehen).
3. Bestimmung der jeweiligen Horizonthöhe, ..1.50 über
dem Fufspunkt!"
4. Festlegung des Augpunktes (und damit dos Kerns
der Landschaft).
5. Konstruktion des Kernes (Haus. Teich, wertvolle
Bhimcnzusammenstellungen).
6. Konstruktion der zunächst des „Stand-
punktes" liegenden Gehölze usw. wegen
ihrer verdeckenden Kulissenwirkung (der
Kernpunkt darf nicht durch diese leiden).
7. Konstruktion dessen, was die vorderen
Gruppen von der dahinterliegenden Land-
schaft noch sichtbar lassen. In derselben
Weise werden nach und nach die ferneren
Gegenstände ermittelt.
L>urch diese Arbeitsweise wird nichts
Überflüssiges entwickelt und Zeit gespart: z. B.
ist es bei einem im Bilde quergelagerten
Blumenstück von ungegliedertem L^mrifs nur
bei hohem Standpunkt nötig, die hinteren
Grundrifslinien zu ermitteln. Dasselbe gilt von
dichten Gehölzgruppen, denn man kann die
auf der abgelegenen Seite befindlichen Gehölze
nicht sehen. (Schlul's folgt.)
f. ,t^ luft
ff. 4^u*. ./«t.
Abb. 3.
diesem Fall, welches einen wohltuenden Eindruck beein-
trächtigt, sondern der Mangel eines wohlempfundenen
kraftvollen Schlusses.
Für eine zielbewufste Entwickelung hat sicli nach
stehende Disposition bewährt:
Im Plan:
1. Bestimmung des Kernpunktes, ) je nach Sachlage
2. Bestimmung des Standpunktes,/ auch umgekehrt.
3. Bestimmung der den Kernpunkt uniialimenden Land-
schaft (Bildgrenzen).
4. Bezeichnung der für die Konstruktion wichtigsten
Punkte mit Zahlen oder Buchstaben.
Nocliinals der Friedhofswettbewerb in
Hameln.
Leider kann "ich eine Entgegnung auf die
Hömannsche Kritik nicht umgehen, weil der
Verfasser in seiner Besorgnis um die Inter-
essen der Stadtgemeinde Hameln und unseres
gartenkünstlerischen Nachwuchses meinen Plan
als unausführbar bezeichnet hat. Er verur-
teilt ihn hauptsächlich wegen des Mifsver-
hältnisses der einzelnen Gräberklassen zuein-
ander, die, wie er sagt, jedem Friedhofspraktiker
ins .\uge springen mufs. Sollte der Verfasser
nicht doch besser daran getan haben, ehe er mir die
Qualität als Friodhofspraktiker abspricht, einmal ernstlich
den Versuch zu machen, meinen Gedankengang zu
verstehen?! Wenn wir, in Betätigung der doch heute
immer mehi' anerkannten Anschauung, dafs bei eiuci' Rofciriu
der Fricdhofsgeslaltuiig vor allem gegen die Massen-
belegung Fi'ont gemacht werden mufs, N'orschläge ge-
legentlich eines Wettbewerbes machen, so müssen wir
dieses meines Erachtens in weitgehendstem Mafse, prinzi-
[•iell und ohne Rücksicht auf eventuelle wirtschafllicli
mundgerechtere ['Entwürfe vcm Friedhofspraktikern tun.
.Mein Bestreben war es. lediglich in Verfolgung solcher
IX, 1
DIE GAKTENKUNST
13
Anschauungen nachzuweisen, dafs eine Belegung des Pried-
hdtes für weit mehr als einen Belegungsturnus — für
37 Jahre — . durch meine f5rabverteilung zu erreichen und
trotz der hohen Ausfühi'ungskosten und der schwachen
Ausnutzung des Geländes dennoch zu Ende dieser Periode
eine Rentabilität zu erzielen sein würde. Es lag mir prinzi-
piell so wenig daran, eine grüfsere Belegungszahl hei aus-
zubekommen, dafs ich bei der Grabeinteilung über das
Normalmafs der einzelnen Reihengräber erlieblich hinaus-
gräbern nach Mafsgabe der Bevölkerungsverhältni.sse. zu-
rückschrauben soll. Es kann dadurch ohne Härte ein leiser
Druck auf die Bevölkerung, unter Ansporn des Ehrgefühls
in dieser Richtung, ausgeübt werden, um sie, wenn die Ver-
hältnisse es irgend zulassen, zum Ankauf der billigen Kauf-
gräber 11. und 111. Klasse zu veranlassen. Für eine Grofs-
stadt würde das Verhältnis entsprechend der weit gröfseren
Zahl der unbemittelten Bevölkerung allerdings nicht durch-
führbar sein. Kür eine Stadt wie Hameln, die sehr wenig
Abb. i.
gegangen bin und eine .Abmessung gewählt habe, wodurch
die einzelnen Grabhügel noch durch verhältnismälsig breite
Wege voneinander getrennt werden können. Mir schwebte
dabei der Friedhof einer kleineren Stadt unserer Provinz
vor. wo das Gräbermafs von 3,9 qm für Erwachsene
Trennungen durch 1 m breite und breitere Längswege er-
möglicht. Jeder Praktiker konnte auch ersehen, dafs ich
mit meiner Berechnung, welche ich nur annähernd gemacht
hatte, lediglich eine Unterlage für den Rentabililätsnachweis
haben wollte, weil ich Kindergräber überhaupt nicht beiiick-
sichtigt habe. Wenn ich das bislang bei der scheraatischen
Anordnung der Friedhöfe übliche Verhältnis der Gräber-
klassen zueinander wesentlich verschoben habe, so geschah
das aus der Anschauung heraus, die ich jederzeit empfehlen
und vertreten werde, dafs man, um eine Besserung in der
Fi'iedhofsgestaltung zu erzielen, das Angebot an Reihen-
Pabrikbevölkerung hat, liegt die SacheJ jedoch wesentlich
anders.
Ich habe die Hamelner Ausschreibung zunächst als
Ideenwettbewerb aufgefafst. Bezüglich der Ausführung
wird die Stadt dann selbstverständlich alle einschlägigen
lokalen Verhältnisse bei der endgültigen Festsetzung der
Friedhofseinteilung mit in die Beratung ziehen. Entgegen
der Behauptung des Kritikers, wird man bei näherer Prüfung
meines Planes die Überzeugung gewinnen müssen, dafs
sich die Einteilung auch ohne Schaden oder wesentliche
Verschiebung des Gesamtcharakters recht gut im Sinne
weiterer Anordnung von Reihengräbern ändern lassen wird.
Ich möchte in dieser Beziehung darauf hinweisen, dafs man
nur nötig haben würde, die breite waldartige Randpflanzung
entsprechend zu verschmälern und den die einzelnen Teile
verbindenden Umfahrtsweg näher nach der Grenze anzu-
14
DIE GARTENKUNST
IX, 1
auf etwaige in diese landschaft-
liclie Anordnung iiineingezogenu
points de vue würde die Wirliung
dieses Motives stören. Auge und
Sinne von der wirkungsvollen
Gruppierung der Grabdenkmäler
ablenken. Ein schöner Rund-
blick über die Bäume des Fried-
hofes hinweg auf Stadt und
Umgebung bietet sicli nach
meiner Planung von der Platt-
form der höchsten Terrasse,
aufweicher ich als wii'kungs-
vollen Endpunkt der Mittelachse
einen Rundtempel mit anschlies-
senden .Vrkadi-n geplant habe.
Tri p.
ordnen, wndurch die Grabfelder wesentlich gröfser würden.
Auch die geschmähten landschaftlichen Sichten zu beiden
Seiten der Hauptachse könnten nötigenfalls Reihengräbern
Platz machen. Der Plan zeigt gerade in dieser Beziehung
sehr günstige Verhältnisse, da man diesen Besehlufs erst
dann zu fassen brauchte, wenn sich die Notwendigkeit
während der Ausführung herausgestellt hat, die ja in
mehreren Etappen vorgesehen ist.
Zur Beruhigung der Priedhofspraktiker noch die Be-
merkung, dafs sich die Zahl der Reihengräber — falls die
Stadt das Normalmafs wählen sollte und die Zahl der Kinder-
gräber mit 40% der Gesamtzahl in Berechnung gezogen
würde — nach meiner Zeichnung auf 8500, davon .3500
Kindergräber bringen läfst, ohne an der Gesamteinteilung
irgend etwas zu ändern. Dies auch zur Beruhigung der
etwaigen irregeführten jüngeren Fachgenossen.
Die übrigen Bemängelungen,
die sich lediglich als Ansichts-
sache darstellen, möchte ich,
um nicht zuviel Raum zu ver-
.schwenden, übei'gehen. Nui' sei
es mii- gestattet, im Bezug auf
die Kritik der landschaftlichen
Szenerien der von Herrn Hömanii
geäufserten Ansicht entgegen/.u-
treten, als ob solche Sichten nui-
dann wirken könnten, wenn sie
einen Bück auf einen aufser-
halb derPriedhofsgrenzen liegen-
den .\ussichtspunkt umrahmen.
Im Gegenteil! .Mir scheint vor
allem das Ziel der Ruhe und Ab-
geschlossenheit des an kahlem
Abhang gelegenen Friedhofes
in solchen Szenerien das .Motiv
der landschaftlichen Gestaltung
sein zu müssen, fier Anblick
Verschiedenes.
Willy Langes Gartenkunstprinzipien und sein neues
Buch. Seit etlichen Jahren hat sich in ilor Fachpresse Willy
Lange einen Namen erworben durch seine liebevollen
und lebenswahren Natnrschilderungen; und wenn aucli
die Neuerungen, die er für den (rarten daraus folgeite. nicht
allgemeinen Beifall finden konnten, so kommt ihm doch
zweifellos das Verdienst zu, in unserer Zeit der Heimat-
beweguni;- die Heimat und ihre Reize erneut für den Park ent-
deckt zu haben. Der Vereinigung seiner Studien und Er-
fahrungen konnten deshalb die Fachgenossen mit Erwartung
entgegensehen. In einem Bande von gediegener Pracht der
Ausstattung liegen sie jetzt vor.
Was wir von Lange nicht < rwarteten. ist ein eigentliches
(iartenburli. das ebensnwobl die re"elmidVi2'e Gestaltuno; bi -
KVNSTGEWERBWAVS
GARTENANLAGE
AYER.LANDESAVSSTELLVNG
NÜRNBERG 1906.
IX, 1
DIE; G AKTENKUNST
15
greift, wie es über [ir.-iktische und technische Fragen Auskunft
erteilt. Man hat darauf leider nicht verzichtet, doch scheidet
naturgemäfs das alles, so sachlich und nützlich es sein mag,
für die Beurteilung vom fachlichen Standpunkte völlig aus.
Langes Forderung der Naturwahrheit im Garten ist aus
seinen frühereu ^'eröffentlichungen wohlbekannt, doch will uns
bedünken, dal's in diesen minder lehrsamen Arbeiten grofse
Gesichtspunkte besser zur Gellung gelangten. Wir haben
Lange geschätzt als eine Art von Dichternatur, von der wir
wertvolle Anregungen gew ärtigten für unsere oft allzu nüch-
ternen und schulmassigen Anlagen. Das Schicksal hat ilin
zum bildenden Künstler bestellt, und im schulmässigen Lehr-
gange verhärten sich zu grob-stofflichen Vorschriften die Ideale.
Wenn im angestrebten, bodenständigen Heimatgarten die
Kunstgriffe, die mit bildender Kunst rein gar nichts zu tun
haben; an sich freilich manchmal eine vorzügliche Beobachtung
in den vielfach zu Unrecht übersehenen Einzelheiten bekunden.
.\ber Langes naturwissenschaftliche Ansclianung vermag da-
durch an künstlerischem Adel nicht zu gewinnen.
Das scheint er stlbst zu fühlen, und so sucht er nach
weiteren Mitteln der Steigerung, um seinen Szenerien Inhalt
zu geben, pflanzt tote Bäume und errichtet allerlei Menschen-
werk von vorgetäuschtem Zweck und Alter, schafft damit
selbst ganze „Garten"-Partien und merkt niclit, wie weit er
sich beispielsweise in seinem „Dorfweiher" von allem entfernt
hat, was Kunst und was Natur heilst.
Selbst die ganze Sentimentalität des achtzehnten .Jahr-
hunderts glaubt er in seinem Naturgarten zu Rate ziehen zu
Gesamtansicht des Buchner'schen Gartens
vor dem Kunstgewerbehaus auf der Bayrischen Jubiläuras-Landesausstellung 190(1
in Nürnberg.
fremden Pflanzen, welche zum Teil längst Heiniatrecht er-
hielten im deutschen Parke, geduldet werden sollen durcli
physiognomische Angleichung zu ähnlichen Erscheinungen der
heimatlichen Flora, so ist das als vorzüglicher Ausweg und
als Anerkennung ihrer Schönheit zu loben. Soll dieses Mittel
aber gleichzeitig als erste und anscheinend wichtigste Stufe
dienen zur „Steigerung der Natur zur Idee hinauf", zum Nach-
weis der Kunst in der landschaftsgärtnerischen Tätigkeit, dann
wird das künstlerische Niveau zu nahezu mechanisclier Han-
tierung herabgedrückt, zumal säuberlich bearbeitete Tabellen
dafür bereitgestellt sind.
Als weiteres Mittel der Kunst ist die Verwertung bunt-
laubiger Pflanzen zu einheitlichen Farbeneffekten empfohlen
unter Innehaltung der natürlichen Vegetationsmotive. Ein
andermal wird als Steigerung der Natur die erhöhte Aus-
nutzung des Raumes durch reiche Verwendung von Lianen an-
geboten und schliesslich sogar die Darstellung besonderer
Bilder zur Anreizung der dichterischen Phantasie. — Das sind
sollen. Nach seinen besonderen Angaben kombiniirte Szenerien
hält er für geeignet, durch sie eine wohltätige Gymnastik des
(iemütes zu exerzieren und sucht die Wirkungen sicherzustellen
durch Einfügung allegorischer, märchenhafter und mytholo-
gischer Gestalten sowie durch inschriftliche Hinweise. —
Hirschfeld redivivusl
— — Wir wollen trauern, dafs wir unseren Willy Lange
nicht mehr haben, der uns von seinem schönen Dietharz aus
erzählte \ on Wasserfällen und Bauerngärten und versonnenen
Plätzchen, der da anregte und ermunterte, „wer Augen hat
zu sehen". Sein Naturgarten von damals war ein Ideal, ein
kunstfrenides freilich, aber voll von Anregungen, die in den
Rahmen des Bestehenden vortrefflich sich eingliedirten: was
er fürKunst hielt, hat alles zerstört, ist Rückschritt,
An sich betrachtet, stellt das Werk eine ungemein fleifsige
und sorgfältige Arbeit dar; aber die Panoptikumbildnerei, die
Spekulation auf seelische Affekte und der Mangel künst^
16
DIE GARTENKUNST
IX, 1
lerischer Anffassnug macht es dem gewissenhaften Fachmanne
unmöglich, zur Verbreitung irgendwie beizntragen.
Krone.
Der Garten vor dem Kunstgewerbehaus auf der Bayr.
Landesausstellung vorigen Jahres, der von Mich. Buchner,
München, entworfen und ausgeführt war, ist auf Seite 14 und
15 in drei Ansichten wiedergegelien, die gewifs jedem, der die
meisterhafte Anlage gesehen hat. eine willkomraone Erinnprung
sein werden.
Einem Briefe, den uns Herr Buchner mit Bezugnalime auf
die Kritik geschrieben hat, welche sein Garten in unserer
Zeitschrift (Seite lti2 und IGT des Jahrgang 1906) gefunden
hat, entnehmen wir folgende Stellen:
„Wie der Laie als Kunstkritiker den Garten liourteilt, hat
die Gartenkunst im vorjährigen Augnsthefte gebracht. Auch
die augenscheinlich aus fachmännischer Feder im gleichen Hefte
herrührende Besprechung mufs ich im greisen und ganzen als
ein saclüiches l'rteil anerkennen. Es ist da ohne Rückhalt ge-
sagt worden, was man aucli im mündlichen Verkehr sich
gegenseitig sagen würde, nur mit dem Unterschiede, dafs
manches Urteil milder ausfällt, wenn man die mafsgebenden
Umstände gekannt hätte; so z. B. ist der Buxus rotundifolia
nicht zum Sclilinggewächs „gequält" worden, sondern tatsächlich
so gewachsen, wie er verwendet wurde. Die Unterbrechung
der weifsen Sockellinie des Gebäudes durch dunkelgrün war
notwendig und was ich mit dieser Anordnung wollte, hatte
ich auch erreicht, obschon die Anpflanzung erst am 2. Juni
nach Fertigstellung des Baues bewirkt werden konnte. Längs
der Seitengänge hätte ich vierkantig geschnittene Buxus ge-
pflanzt an Stelle der Büsche, wenn ich welche gehabt hätte:
Pyramiden- oder kugelförmige hätten zu den Kugellorbeern
nicht gepafst. Die Nicotiaua-Sanderaegruppe hat von Anfang
bis zu Ende sich bewährt. Abgesehen davon, dafs ich in dem
Garten auch Material aus meinen Kulturen vorsehen wollte,
Wülste ich nicht, welche Pflanze eine unauffällige, bosser zum
Ganzen passende Farbe geboten hätte.
Die ganze Anlage ist nicht unter Berücksichtigung eines be-
stimmten Stils entworfen, sondern mehr dem Gefühl entsprungen.
Im Gedankenaustausch mit Herrn Bauamtmann Bertsch, dem Archi-
tekt desKunstgewerbegebäudes, hat das, was meiner Phantasi e vor-
schwebte, sich zu der der Architektur des Gebäudes angepafsten
Anlage entwickelt; so auch die Einfriedigung mit ihren lauben-
artig ausgebildeten Eingängen : ebenso wie die Mittelpartie mit
der Prinzregentenbüste sozusagen durch die Arcliitektur vor-
geschrieben war.
Der Kirchenausstellung mufste ein passender Garten an-
gegliedert werden, der durch Halblauben begrenzt einen klostcr-
gartenartigen Charakter erhalten hat. Mit Absicht ist dieser Teil
durch die grofsen La wsonzypressen nach aul'sen zur Steigerung
seiner intimen Wirkung abgeschlossen worden.
Der von den beiden Eingangslauben gebildete vorhofartige
Raum mit seinem bescheidenen Brunnen und der entsprechend
angeordneten Bepflanzung erinnerte an oft- uud genigcsclienr
italienische Motive.
Mit Bedenken habe ich während der Ausführung oft vor
der kahlen weifsen Wand der Kunsthalle gestanden. Ein Ver-
kleiden mit Baum- und Strauchwerk war der Jahreszeit wegen
nicht mehr möglich, eine architektonische Lösung hätte viel-
leicht ungünstig auf die anderen Teile meiner Anlage gewirkt.
Deshalb habe ich aus Blattpflanzenmaterial ein südländisches
Vegetationsbild aufgebaut, das sieb mit den vorhandenen
Föhren, die die Dachflächen der Bauten teilweise vorteilhaft
verdeckten, zu einem Ganzen verband. Dafs im übrigen die
durch den Garten zerstreut stehenden Föhren den Eindruck
der regelmäfsigen Anordnung durchaus nicht störten, wird jeder
aufmerksame Besucher gefunden haben.
Die Gartenplastiken, welche einen Teil meines Geschäftes
bilden und von meinem Sohne Ludwig hergestellt werden,
kamen mir zur Vervollständigung der Anlage sehr zustatten."
Prüfungen an der Kgl. Gärtnerlehranstalt zu Dahlem.
Am 2(). September d. Js. faml die Allgangsprüfung an der
T>ahlemf'r Kgl. Gärtnerlehranstalt unter dem Vorsitz des Min,-
Direktors l'r. Thiel statt, nachdem die schriftlichen Prüfungs-
arbeiten vorher ihre Erledigung gefunden hatten. Es unterzogen
sieh 10 Herren der Prüfung in Giirtenkunst, 4 im Obstbau,
1 iui Pflanzenbau; alle 15 bestanden die Prüfung, 4 mit Aus-
zeichnung. — Im Anschlufs daran faiul eine Obergärtnerprüfung
statt, der sich 22 Kandidaten unterzogen, die alle bestanden-
davon 2 im Obstbau, I im Pflanzenbau, ilie ülirinen in Garten-
kunst.
Die Königl. Gärtnerlehranstalt in Dahlem bei Steglitz-
Berlin hat mit Genehmigung des Herrn Ministers für Land-
wirtschaft, Domänen und Forsten beschlossen, auch Damen
als Hospitantinnen uud Praktikantinnen zu ileu einzelnen Lehr-
gängen zuzulassen. Die Anstaltsleitung kommt mit diesem
Beschlüsse den seit längerer Zeit zahlreich an sie herangetrete-
nen Wünschen entgegen. Den eintretenden Teilnehmerinnen
ist Gelegenheit gegeben, nach eigener Wald sowohl den all-
gemeinen Lehrgang, als auch die Lehrgänge für Garten-
kunst, Obstbau oder Pf lanzenbau zuhören. Weitere Aus-
kunft erteilt auf Anfrage die Direktion der Kgl Gärtnerlohr-
anstalt in Dahlem bei Steglitz.
Ideenwettbewerb für die Anlage eines Stadtparkes in
Hamburg-Winterhude. Die schon längere Zeit schwebenden
Verhandlungen betr. Schaffung eines grofsen Hamburger Stadt-
parkes haben sich in letzter Zeit zu einem greifbaren Ergebnis
insofern verdichtet, als vom Hamburger .Senat bei der Bürger-
schaft die Zustimmung zur Ausschreibung eines Ideenwelt-
bewerbe« beantragt ist. Das in Aussicht genommene Gelände
umfafst rund 140 ha (also ungefähr soviel als der Bremer Bürger-
park). Seine Entfernung vom Stadtmittelpunkt (Rathausmarkt)
beträgt fünf Kilometer. Es ist teilweise mit Laub- und Nadel-
wald in 10 — 2njährigem Alter bestanden. Das Aussohreiben
wird sich an alle deutschen Künstler (auch solche die
ihren Sitz im Auslande haben) wenden. Aufgabe des Wett-
bewerbes wird die Gestaltung des Parks einschliefslich der
erforderlichen Baulichkeiten und der den Park begrenzenden
StraCsen sein. An Baulichkeiten, von denen je ein Grundril's und
die Hauptansicht geliefert werden sollen, werden in Aussicht
genommen, ein Hauptrestaurant, ein Kaffeehaus, eine ländliche
Wirtschaft, eine Milchwirtschaft und ein Aussichtsturm, zum
Gesamtkostenbetrag von öMO 000 Mk. Auf den Park (grolse
.Spielwiesen, Teichanlagen u. dgl ) können einschl. der Kosten
für die Herstellung der ihn begrenzenden Strafsen drei Millionen
Mark aufgewendet werden. An Preisen gelangen zur Ver-
gebung ein erster Preis (i\lk. 10(1(11)) zwei zweite Preise (je Mk.
6 000), zwei dritte Preise (je Mk. 4(100). drei weitere Entwürfe
sollen für je 1500 Mk. angekauft werden köiuion. II.
Bücherschau.
Fritz Euckc. Der Hausgarten. Vetlegt bei Eugen
Diedrichs, Jena 1007.
U'nd wie es sich gestalten wird, mein Freund,
Und wie es sich gestalten wird'?
In welcher Richtung in welchem Sinn?
Ob zu Verdcrbenv ob zu Gewinn?
IX, 1
DIE GARTENKUNST
17
Die Jungen hüben es in der ll;inil,
Die Jungen mit ihrem TugenJraut,
Mit ihrer Kraft, mit ihrer Glut!
Und wenn sie furchtlos festen Blicks
Hinaussehen über ilir kleines Heut'
Und über Parteigezänk und Neid . . .
Dann, glaub ich, gestaltet sichs gut, mein Freund,
Dann, glaub ich, gestaltet sich's gut!
Caesar Flaischlen.
Genide vor zwei Jahren hatte icli mir erlaubt, in der alti'u
„Garteukimst" gelegentlich der Besprechung des Schneiderschen
Buches id>ev den Stand, über den Rückstand unserer Kunst
meine Ansicht auszusprechen. Mit den obigen Worten Flaisch-
lens hatte ich damals geschlossen. Heute stelle ich sie als
Motto an die Spitze, denn wahrlich — es gestaltet sich gut.
Der Wunsch, endlich Taten zu seilen, und nicht soviel ^\'orte
zu wechseln, wie er danuils in dem „verständnisvollen" Nach-
trag der Redaktion geäulsert wurde, ist ja begreiflich, aber in
unserer Kunst schwerer erfüllbar, als in jeder anderen. „Das
Wort aber ist nahenden Taten ein Herold." — Encke, Schneider,
Lange wenden sich, joder in seiner Weise mit eiudringlicheu
Worten an uns. Die scharfen Angriffe gegen die Scholastik
flauen ab und positive Gedanken über das „Wie" aufrichtiger,
gesunder Gestaltung treten in den Vordergrund. Heute willichnur
eine der erwähnton Schriften zum Gegenstand einer kurzen Be-
sprechung wählen. „Der Hausgarten" von F. Encke ist ein
Buch, das mit herzlichem Dank als ein Gewinn zu bcgrüfsen ist.
Den Hausgarten bezeichnet Encke im (Gegensatz zum Park
als das dem Hause durchaus untergeordnete Stück Land,
welches sich dem (.'harakter und der Tonart des Hauses anzu-
passen hätte. Da nun die Möglichkeiten künstlerischer Form
und Ausschmückung eines Hauses unendlich mannigfaltig sein
können, so ist auch die Gestaltungsweise des Hausgartens
keiner allgemeinen Regel unterworfen. In jedem Einzel-
fall werden aber besondere Rücksichten zu nehmen sein,
welche die Gestaltungsweise bald nach dieser, bald nach jener
Richtung beeinflussen.
Einige dieser bestimmenden, aber nie feststehenden Fakturen
nennt der Verfasser (p. 1-ij: Die Grölse des Grundstücks, die
Gestalt der Oberfläche, die Umgebung und Lage des Hauses,
sein Stil und Charakter, Eingänge, Fenster, innere Rauni-
verteilung, alte Bäume oder Baulichkeiten, die im Grundstück
vorhanden sind, schlietslich die Geldmittel und nicht zuletzt
der dem Bedürfnis des Besitzers entsprechende Zweck des
Gartens, — alles dies sind Dinge, die bei der Einrichtung des
Gartens mitzusprechen haben. Maii mufs sie liören — man
mufs aber auch Dire Sprache verstehen. Das ist die erste Be-
dingung, um ihren bestimmenden Einfluss mit künstlerischem
Takt zu verstärken oder durch Gegenmittel zu dämpfen. Es
ist selbstverständlich, dafs in jedem einzelnen Fall mindestens
einer, meist aber mehrere dieser Faktoren sich ändern, wodurch
die dem Künstler gestellte Aufgabe und somit auch die Lösung
derselben jedesmal eine andere wird. .Sinnlos und ver-
werflich ist jede schematische Behandlung des Gartens, die
sich den bestimmenden Einflüssen jener Faktoren verständnislos
oder rücksichtslos entzieht. Des Verfassers weitere Ausführun-
gen über die mannigfaltigen Möglichkeiten künstlerischer Ge-
staltung je nach der wechselnden Konstellation jener Faktoren,
deren Vorzüge er geschickt auszunutzen weifs, deren störende
Mitwirkung er zu unterdrücken versteht, berechtigen ihn zu
dem Ausspruch: „Ich glaul)e, hiermit ist auch die Frage gegen-
standslos geworden, ob die Hausgärten streng architektonisch
oder in zwangsloser Anordnung gestaltet werden raüfsten.
Nicht Regeln und philosophische Erörterungen sollen meines
l->rachtens die Gest.ilt des Hausgartens bestimmen: seine Eigen-
art soll vielmehr durch die Bedürfnisse und Wünsche dos
Bauherrn festgelegt werden, welclie durch die cirtHchen Ver-
hältnisse und durch die Erfahrung des zu Rate gezogenen
Gaitenkünstlers ihre Beschränkung erleiden." — Freilich ist
dadureli dem Schematiker ein .Anhaltspunkt entzogen, an den
sich in neuerer Zeit ein Dogma kristalhsieren wollte. Es ist
dankenswert, dals Encke dies(> Stütze zerbriclit und sich auf
den freien künstlerischen Stamlpunkt stellt, jeden Fin ze If al'l
als besondere Aufgabe anzusehen, deren Lösung durch
künstlerisches Erfassen der besonderen Umstände und dem-
gemäfs durch freie Selbstbeschränkung zustande kommt. So-
viel über den allgemeinen Teil, der im Rahmen des oben
(Jesagten eine FüUe sehr beachtenswerter Gedanken birgt, die
oft nur ihirch einige Worte angedeutet sind oder gar —
wie fast immer bei Schriften, die sich an das Empfinden
wenden — zwischen den Zeilen gelesen sein wollen. Ganz
besonders ist das der Fall im zweiten Teil des folgenden
Kapitels über die Bepflanzung. Nachdem dort die Gehölze
als plastisches Baumaterial mit Licht- unii Schatten-. Form- und
Farbenwirkungeu, allgemein besprochen worden sind, gelit der
Verfasser auf die Niederflora ausführlicher ein und schildert
die Verwendungsmöglichkeiten der Stauden, der einjährigen
Kräuter und Schlingpflanzen im Hausgarten. Je nach der
Tonart des Gartens bevorzugt er die regelmäfsigen Blumen-
rabatten, warnt vor unvnrsiiditiger Zusammenstellung, in der
die eine Blume die andere in der Wirkung stört, räumt dem
Teppichbeet nur in seltenen Fällen Daseinsberechtigung ein, —
ilnnn wieder wird die Schlingpflanze als wiohtiger, leider so
oft verständnislos angewandter Schmuck behandelt und schliels-
lich folgt ein Abschnitt, bei clem der Verfasser sich offenbar
auf Widerspruch gefal'st macht. Er sagt ip. 49): „Mancher
Leser wird vielleicht einen Widerspruch darin finden, dals ich
für den Hausgarten die architektonische Gestaltungsweise
bevorzuge und gleichzeit'g den Vegetationsliildchen das Wort
rede," — Man lese dort selbst weiter und urteile dann selbst.
Ich für mein Teil stimme darin Encke durchaus bei und weil's
aus eigener Erfahrung, aus meinem früheren Garten auf dem
Laude, wie sich regelmäfsige Anlage der Wege, Sitzplätze mit
Gartenmöbeln — kurz gemütliche Wohnungsbehaglichkeit mit
solchen „Vegetationsbildchen" vereinigen lälst. Wohlgemerki
vereinigen „läfst". Damit ist nicht gesagt, dafs es überall
zulässig ist; ja wohl nur in seltenen Fällen. Und es ist auch
nicht mal gesagt, dafs, wenn man die von Encke genannten
Gewächse hinpflanzt, ein „Vegetationsbildchen" entsteht. Dazu
gehört viel Naturstudium und zwar liebevollstes Natur-
studium. Was als sogenannte „jVIpenpartien" und „Natur-
szenerien" in Vorgärten geboten wird, wo hohe Quarzblöcke
auf umgegrabenen Beeten wie ein campo s.anto angeordnet
sind und ein Staudensortiment einer Handelsgärtnerei wohl-
gesäet zwischen gepflanzt ist, solche ekelhafte Albernheiten,
die sich mancher „gebildete" Grofsstädter heute noch von
seinem Hofgärtner hinzaubern läfst, und ich fürchte — sogar
selbst Gefallen daran findet — diese meint Encke natürlich
nicht. Seine anziehenden Bilder auf p. 53, äi, .35, 5(1 bewahren
ihn vor solchem, doch vielleicht möglichen Mifsverständnis,
Man denke sich nun an den reizvollen Szenerien, die auf den
genannten Seiten abgebildet sind, einen gradlinigen horizontalen
Weg vorbeiführend und einen rechteckigen, etwa 3 X 5 m
grofsen, sauber gehaltenen Kiesplatz in den natürlich gestalteten,
höher gelegenen Boden hineingeschnitten. Mit seinen Farn-
kräutern und Moospolstern, Heidelbeeren, Glockenblumen.
Fingerhut und Waldmeister: ja sogar mit seinen trocknen ab-
geblühten Gräsern und Staudenfruchtständen beginnt das
18
DIE GARTENKUNST
IX, 1
Waldterrain gleich an der Grenze des Platzes. Man hüte sich,
viel daran herxmizn frisieren oder „Ordnung" zu machen und
dadurch das Malerische zu stören. Nun setze man sich auf
diesem Kiesplatz in einen bequemen Gartenlehnstuhl an ein
Gartontischchen und genielse die kleine reiche Umwelt, die
sich in jeder Jahreszeit anders schmückt und immer neue Reize
entwickelt. Wenn die Situation dazu geeignet ist vind wenn
der Besitzer des Hauses ein Blumenfreund ist und an Moos-
l)oeren, Anemonen und Farnkräutern mehr Freude hat, als an
zehn Geranium „Meteor", die auf geschorenem Rasen eine
Dracaeue umgeben, w-arum soll er sich denn all dieser Freude
begeben'! Aufrichtige Liebe und persönliche Pflege des Gartens
ist für diese Art Gartengestaltung allerdings eine condicio sine
i|ua non. Koketterie und geheuchelte Naturliebe können diese
wichtige Bedingung nicht vortäuschen und auch dann nicht,
wenn die „ordnende Hand" des Gärtners in ein so zartes En-
semble verständnislos dreinfährt. — Wir kommen zum Kapitel
über die Wege. Auch hier finden wir keine Regeln, sondern
Betonung des Zwecks. Der allein bestimmt die Behandlung
des Weges, seine Führung, seine Breite, seine Umgebung. Wie
in einer gut eingerichteten Wohnung jedes Zimmer auf den
ersten Blick seine Bestimmung erkennen läl'st, so soll auch die
Eigenart des Weges auf den Zweck hinweisen, dorn er dient.
In ganz ähnlicher Weise ist im weiteren Abschnitt die Be-
sprechung der Baulichkeiten im Garten durchgofiihrt. Das
Alberne und Unzweckmäl'sige, was sich auch auf diesem Gebiet
immer noch vielfach breit macht, ja heute noch neu entsteht,
wird mit gebührender Schärfe verurteilt — mehr aber das
Wünschenswerte durch Wort und Bild betont. Häuschen,
liauben. Brücken, Bänke sollten in bezug auf ihre Form und
Brauchbarkeit mit mehr Sorgfalt geprüft werden. „Man braucht
sich nur den Garten als Wol\nung zu denken, so wird man
leicht herausfinden, was geeignet ist, für den Garten und was
nicht." (P. 90) sagt der Verfasser und weiter (p. 91): „Je mehr
sich der Gedanke durchsetzt, dafs Garten und Wohnung zu-
sammengehören, desto selbstverständlicher wird es sein, den
Garten von Geschmacklosigkeiten freizuhalten." Hier möchte
ich doch vorsichtigerweise einen skeptischen Zusatz machen:
l>t denn die Wohnung schon frei von Geschmacklosigkeiten.'
Haben wir da schon einfache Aufrichtigkeit ohne l'rotzentum .'
Läl'st sich das Publikum nicht täglich betören vom Jahrmarkts-
kram, der dem Wunsche mehr zu scheinen, als man ist, billig
seine Dienste anbietet? ^^'enn unsere Gesellschaft in ihrer
Gesinnung sich nicht ändert, wenn grofstuerisches Scheinwesen
— ach gar zu oft noch aufrichtigem Sein vorgezogen wird,
werden auch Haus und Garten nicht anders werden. Denn
dafs auch hier, wie in jeder Kunst die Persönlichkeit alles ist,
läfst sich aus den nun folgenden reizenden Schilderungen des
Pfarrgartens, des Hausgärtchens des Freundes und den weiteren
Besprechungen und bildlichen Wiedergaben bestehender, meist
vom Verfasser selbst angelegter Gärten deutlich entnehmen.
Wer die Wärme der Darstellungsweise Enkes, die liebevolle
Vertiefung in den Stoff, die Betonung des persönlic'.en Ver-
wachsenseins von Mensch, Haus und Garten hier niclit durch-
fühlt, der wird von dem Buche nicht mehr haben, aJs von
Gartenleitfaden, wo drin steht „wies gemacht wird". Ich halte
diese Schilderungen für den Glanzpunkt des Büchleins: sie
erinnern stellenweise an die warme, naive, kindlich-frohe Tonart,
die Heinrich Seidels Schriften so herzerfrisfhond durchziehen,
wenn er seine Odysseusgeschichte erzählt oder von Ijeberecht
ilülinchen plaudert. Ein „Referat" kann man nicht geben von
einem Herzensbekenntnis. So darf ich diesen Teil des Buches
wohl nennen — seine Sprache verrät ihn. Enckes ganzes
inneres Trachten als Gartenkünstler, in erster Linie aber als
Mensch, geht daliin, die Beziehung zwischen Mensch und Natur
zu knüpfen und zu vertiefen, weil er selbst in der Liebe zur
Natur und im Zusammensein mit ilir so viel Glück gefunden
hat, das er ,iuch anderen zuführen will.
Doch nun zum Schlufs. Dafs die Vorgärten und die Garten-
höfe dem Verfasser weniger „liegen", weil sie ihi-em Wesen
nach die wünschenswerte Wohnungsintimität nicht so zum
Ausdruck bringen können, sieht man aus den beiden letzten
Kapiteln, die trotzdem aber wichtige Fingerzeige für die Ge-
staltuugsmöglichkeiten dieser niejir für die Öffentlichkeit ge-
prägten Gartenform enthalten.
So sei denn Enckes Buch allen denen warm empfohlen,
die das Aufblühen gesunder Gartenkunst nicht von neuen
Dogmen und technischer Uoutine erwarten, sondern von der
aufrichtigen Gesinnung, von liebevoller Beziehung zur Natur
und inniger Vertiefung in die Geheimnisse künstlerischen
Taktgefühls. W. von Engelhardt, Gartendirektor.
Willy Lange: ,, Gartengestaltung der Neuzeit." Unter
Mitwirkung von Otto Stahn. Kiinigl. Heg.-Baumi'i^.tiT. \'erlag
von F. J. Weber, Leipzig 1907.
Mit einer gewissen Erwartung ist nicht nur in Fachkreisen
dem Werk Langes entgegengesehen worden; liefsen doch seine
gelegentlichen Veröffentlichungen in Tages- und Fachblättern,
seine Aufserungen in Vorträgen und im Unterricht vermuten,
dafs er zu einer selbständigen Auffassungdes gartenkünstlerischen
Problems gelangt war, und man durfte gespannt sein, wie er
sich mit der Darstellung und Begründung dieser seiner Auf-
fassung abfinden würde.
Das nun vorliegende Werk bereitet wohl nur wenigen, die
sich ernstlich mit dem neuzeitlichen Entwickelungsgang der
Gartenkunst befafst haben und nicht zu der von manchen „Moder-
nen" geforderten grundsätzlichen Verwerfung landschaftlicher
Gartenkunst gelangt sind, eine Enttäuschung, mag man auch in
Einzelheiten anderer Meinung sein als der Verfasser. Lange ist,
wie Hoemann in seinem Nürnberger Vortrag sagte, auch ein
Moderner, aber von Jenen trennt ihn eine ganze Welt-
anschauung. Trotzdem läfst er ihrer Auffassung volle Ge-
rechtigkeit widerfahren; denn wer sich von dem Gefühl des
Herrenrechtes nicht frei machon kann, das als Ausfluls des
menschlichen Ordnungssinnes sich des Gartens in früherer Zeit
bemächtigte und die geometrischen Kunstgärten schuf, mit ihnen
geköpften Bäume, geschorenen Heckenwänden und in geometri-
scher Ordnung angepflanzten Pilumen, dem mul's es unbenommen
bleiben, sich auch heute noch seinen Garten ganz nach seinem
Geschmacke zu gestalten. Man darf niemandem etwas auf-
drängen wollen, was seiner Persönlichkeit nicht gleichgeartet
ist. Während aber in ältester Zeit der Mensch sich unter die
Naturgewalten beugte, später sein Herrenrecht über sie geltend
machte, stellt ihn die neue Zeit nicht unter und nicht
über, sondern in die Natur.
Diese Auffassung, welche auch der Pflanze das gleiche
Recht auf Leben und Entfaltung ihrer Art zugesteht, wie uns
selbst, kommt im Garten zum Ausdruck, wenn man der Eigenart
der Pflanzen Rechnung trägt, ihr die günstigsten Entwickelungs-
bedingungen bietet, darüber hinaus aber innerhalb der er-
mittelten Gesetze von Ui-sache und Wirkung nicht eine
Nachahmung der Natur, sondern eine künstlerische
Steigerung gegenüber der Natur versucht. Grundbe-
dingung dazu ist die Liebe z.ur Pflanze, die liiebe zu allem
Lebendigen; wer die gewonnen hat, der kann in seinem (i:u-ten-
leben als Persönlichkeit seiner Zeit sich ausleben.
Diese Sätze, welche das Leitmotiv des Jjangeschen Buches
bilden, sind mir aulserordentlich sympathisch, wie jeder, der
meine persönliche Auff:issung kennt, begreiflich finden wird.
.Vuf einzelne Kapitel des Buches näher einzugehen, dürfte
hier wohl zu weit führen, und erübrigt sich auch, weil wohl
erwartet werden kann, dal's sich an sein Erscheinen lebhafte
Erörterungen knüpfen werden, die sich eingehend mit den
verschiedenen Teilen des Stoffes befassen werden. Einiges sei
nur hier gestreift. Im Kapitel „I'lanung" finden wir sehr be-
herzigenswerte Mahnungen über das Zusammenarbeiten von
Baumeister. GartenUünstler und Besitzer, im Abschnitt über
IX, 1
DIE GARTENKUNST
li)
„Wahl der Gartenform" wiederholte Hinweise darauf, dafs die
malerische \Yirkiing regelmälsiger Gartenanlagen nicht zum
wenigsten auf dem reizvollen Gegensatze zwischen der Strenge
der Grundrifsanordnung und der übersprudelnden Lebensfülle
des ri'lanzonwuchses beruht. In dem vom Reg. -Baumeister
Stahn verfalsten Kapitel über die „Architekturgarten" begegnen
wir einem im Gegensatz zu manchen Wahrnehmungen der
letzten .Jahre aufserordentlich wohltuenden Verständnis des
Baukünstlers für Gartenfrageu.
Das bedeutungsvollste Kapitel des Buches ist wohl das-
jenige über den „Natuigarten" und in ihm ersclieint mir der
Abschnitt „die Pflanzung" iler wichtigste. Hier entwickelt
Lange seine Tlicorie. Er legt das Hauptgewicht nicht auf die
formale iiulseiliche .Schclnheit des einzelnen Pflanzeninilivi-
duums. sondern auf die Schönheit, welche auf der Erkenntnis
innererWechselbeziehungen, organischer Not wendigkeiten beruht,
auf die „lebendige" Schönheit. P> führt die wissenschaft-
liche Erkenntnis des inneren Zusammenhanges der natürlichen
Pflanzengesellschaften in die Gartenkunst ein, er baut auf ihr
als Grundlage des künstlerischen Fortschrittes seine moderne
.\\iffassung der Gartenkunst auf. Die Pflauzenphysiognomie
bietet ihm das künstlerische Wahlgesetz für die Pflanzungen
im Natur-(d. h. Landschafts- iGarten, er will Harmonie
zwischen Standort und l'flanzung herbeigeführt wissen. Mau
konnte einwenden, dals verstandesgemäfse Wissenschaftlichkeit
nicht die Grundlage für künstlerisches Wirken und Können
l)ilden dürfe nach dem auch von Hoemauu in Nürnberg zitierten
Wort: In der Kunst ist Verstand gar nichts, Verständnis etwas,
Gefülil alles! Aber die Ursachen müssen studiert und erkannt
sein, wenn man Wirkungen hervorbringen will, das ist Ijei einem
lebendigen Stoffe wie die Pflanzen unabweislich — und auch der
Bildhauer studiert die Anatomie des menschlichen Körpers!
Von programmatischer Bedeutung ist ferner das Kapitel
„Das Leitmotiv". YiS wird sicher viel Widersprucli finden,
nicht so sehr wegen des Leitmotivgedankens an sich, dem ich
im Prinzip um so weniger widersprechen kann, als er das
logische Ergebnis der ganzen Langeschen Auffassung bildet.
Indessen kann ich mich mit der Dorfanger-Idee — ich habe
ihre praktische Durchführung in Dahlem freilich noch nicht ge-
sehen — nicht befreunden, ich meine, es sei ein etwas ver-
unglücktes Beispiel.
Überhaupt wird dasLaugesche Buch viel Widers[)ruch fimlen,
die Kritik wird an die Tintenfässer eilen — allein das kann ihm
nicht schaden. Soll ein solches Buch wirken, so mufs es nicht
nur Beachtung, sondern auch Widerspruch und Kritik, scharfe
Kritik finden, nichts kann ilim nachteiliger sein, als die übliche
wohlwollende Besprechung und — • Schweigen. Heicke.
Landschaftliche Gartengestaltung von Camillo Tvarl
Schnei der: Als ich vor genau li Jahren die „Gartengestaltung
und Kunst" des gleichen Verfassers aus der Hand gelegt hatte,
war ich mit mir selbst nicht einig, wie eigentlich das Werk und
sein (mir persönlich nicht bekannter) Verfasser zu beurteilen
seien, da ich neben einem gut Teil trefflicher, von künst-
lerischem Geiste durchleuchteter Ausführungen und Anregun-
gen auch recht viel minderwertige Auslassungen tendenziöser
Art gefunden hatte; immerhin hatte ich Freude an dem frischen
Draufgänger, und es deuchte mir, dafs aus dem gärenden Most
wohl noch ein klarer Wein zu erhoffen wäre. Nun ist C. K.
Schneider mit einer Fortsetzung hervorgetreten, deren Titel
„Landschaftliche Gartengestaltung" in der jetzigen Zeit heifsen
Ringens um das grundlegende Prinzip der Gartenkunst all-
gemein das lebhafteste Interesse erwecken mu(s; und um mein
Enduiteil vorweg zu geben: Schneider hat meine Hoffnung
grofsenteils erfüllt und in dem gegenwärtigen Werke ganz
wesentlich Besseres. Greifbares geboten, und ich kann das
durchaus flott und anregend geschriebene Buch einem jeden,
der mit unserer Kunst als Fachmann oder Laie Beziehungen
liat. aufs wärmste empfehlen, wenn ich aucli. um mit Schneiders
eigenen Worten zu reden, „als einzelner mehr oder weniger
eine schmal begrenzte individuelle Auffassung vertrete."
Schneiders ganze Denk- und Schrcnbweise ist so, dals man
eigentlich zu jeder seiner Äui'scrungen ein ganz bestimmtes
„.la" oder „Nein" liinzusetzeu und begründen müCste, au dieser
Stelle aber kann nur eine generelle Würdigung gegeben wer-
den: Im 1. Kapitel erläutert Schneider den Hegriff „laudschalt-
licho Gartengestaltung" im Gegensatz zur „architektonischen"
und unterscheidet wie früher den (arcliitektonischeni llaus-
und Volksgarten und den (landschaftliclien) Privat- und Volks-
park; diese Unterscheidung ist im allgemeinen wohl richtig,
nicht aber in dem strengen Sinne, den Schneider in einem
späteren Kapitel (bei der im übiigen ausgezeiclmeten kritischen
'Würdigung SckelLs) dahin präzisiert: „Der , Garten' in unserem
Sinne kann nie landschaftlich sein", was ich trotz derer um
Schnitze-Naumburg, Muthesius etc. doch bestreiten möchte; ich
weise nur auf solche Gärten hin, die direkt in eine vorhandene
Landschaft hiueinkomponiert werden, für welclie Fälle aller-
dings Bauer-Magdeburg die niedliche Plu-ase geprägt hat: „So-
weit die natürliche Umgebung eines Landhauses etwa erhalten
worden ist, hat man eben auf Gartenbildung verzichtet"; ich
weil's nicht, ob und wie Schneider und Bauer eine älmliche
Aufgabe schon gelöst liaben, i c h würde solch einen I^all lieber
im Sinne Willy Langes bearbeiten. — Es folgen dann einige
ansprechende Kapitel über „die Vorbilder der Natur und ihre
künstlerische Bearbeitung", in denen viel brauchbares Material
mit anerkennenswertem Fleii'se aus der Natur und Literatur
zusammengetragen ist. Sehneider fordert — selbstverständlicli —
dafs „die Lirnndlage der landschaftlichen Gestaltung ein syste-
matisches Erforschen der Natur bilden muls", doch geht er
nicht so weit wie Lange, dem „die Nachschöpfaiug der Pflanzen-
genossenschaften nach dem Vorbilde der Heimatnatur das
höchste Ziel der Gartenkunst ist"; ich meine nun, dals Lange
die äul'serste logische Konseijuenz aus dem Prinzipe der land-
schaftlichen Garteugestaltung zieht, Schneider aber allzuviel
Konzessionen an eine bequemere Durchführbarkeit des Prinzips
macht, insbesondere beim Privatpark. — Nach einem sehr
interessanten „Rückblick auf die Anfänge der landschaftlichen
Gestaltung" (wobei meines Erachtens die neuerlichen Aus-
fälle gegen Gustav Meyer, dessen Einflufs auf die zeitgenössi-
sche Gartenkunst Schneider wohl nicht genügend würdigt,
besser weggeblieben wären) kommt ein Überblick über die Be-
strebungen der Gegenw.'irt", in dem viel zu viel Platz und Be-
deutung dem Kunstbekenntnisse Bauers zugemessen wird; die
zugehörigen englischen und französisclieu Parkstudien lassen
Schneider als scharfen, treffenden Kritiker erkennen.
Der Kern des Werkes ,,die Hauptformen öffentlicher, land-
schaftlich zu gestaltender Anlagen" (Volkspark, Friedhof, Pal-
mengaiten) bringt sehr viel lehrreiche Kritik und gleichviel
beherzigenswerte Hinweise, ganz besonders gefielen mir die
Abschnitte über Gehölze und Stauden, Wasser, Gesteinanlagen
und Blumenschmuck. Hier scheint mir die ureigenste Indi-
vidualität Schneiders am schärfsten zum Worte zu kommen,
drum lesen .sich diese Abhandlungen am besten.
Gleich darauf aber folgt das schwächste Kapitel ,,der
Privatpark'', zwar wird dabei ein scheinbar neues Priirzi[]. „die
landschaftlich-architektonische Gestaltungs weise'', eingeführt
worunter Schneider „einen Ausbau von Parkanlagen ohne Rück-
sicht auf Naturwahrheit" versteht. Der Künstler setzt sich an-
scheinend rücksichtslos über die Forderungen der Natur hin-
sichtlich des Auftretens der Vegetationstheorien hinweg und
behandelt die (iehölze, Stauden etc. rein ihren künstlerischen
Wesenszügen nach. Wozu dann der Lärm? Und Schneider
selbst schreibt weiter: „Man wird sagen, wenn ich überhaupt
eine solche Landschaftsgestaltung zulasse und für künstlerisch
gerechtfertigt erkläre, so hätte ich nicht erst das bisher übliche
Verfahren zu verurteilen brauchen, da ein in landschaftlich-
architektonischem Sinne ausgearbeiteter Park el)enso atissehen
20
DIE GARTENKUNST
IX, 1
würde, wie die gewohnten Anlagen." Der einzige Beweis, den
Schneider für die Richtiglveit seines Prinzips beibringt, ist der.
dal's es malerisch-schöne Werke der Gartenliunst gibt, die nicht
auf völliger Naturwahrheit fufsen. Ich vermute, dal's in einer
2. Auflage der „Privatpark" von Sclmeider wesentlich anders
wird behandelt wenlen !
Sehr befriedigend sind die Ausführungen über „Landes-
verschönerung und Heimatschutz'', doch möchte ich den Leit-
satz, „dafs es meistenteils viel wichtiger ist, dafür Sorge zu
tragen, dafs an Stelle des dahinschwindenden Alten etwas
künstlerisch wertvolles Neues trete", nicht mitunterschreiben,
schon nicht in trauter Erinnerung an Alt-Nürnberg, wo wir
alle uns köstlich über die „Reste einer uns innerlich fremden
Vergangenheit" gefreut haben. Druck und Ausstattung dos
250 Seiten starken Bandes sind sehr gut, von den 73 Abbildun-
gen sind die meisten (auch die Gegenbeispiele) glücklich ge-
wählt und von anerkennenswerter technischer Vollkomuieaheit.
Werden auch demjenigen, der die neuzeitliche Literatur
verfolgt und unsere letzten Vereinsversamiulungeu aufmerksam
besucht hat, nicht gerade neue, welterschütternde Offenliarun-
gon im Schueiderschen Buche verkündet, so sei's doch noch-
mals als ein sehr beachtenswertes Bekenntnis eines energisch
vorwärts strebenden Künstlers und Kritikers rühmend empfohlen.
Gertrude .Jekyll: „Wald und Garten." Praktische
und kritische Anmerkungen eines arbeitenden Amateurs. Aus
dem Englischen ütiersetzt von Gertrud von Sanden. Verlag von
Julius Baedeker, Leipzig. 1907.
Auf der Nürnberger Hauptversammlung der D. G. f. G. iin
August d. .J. streifte ich in meinem Vortrage die englische
tiartenkunst und sagte unter anderem „der Engländer hat eine
Wahrhaftige Liebe zur Gartenkunst; in Verwendung der Blume
im Garten, insbesondere der Staude ist er Meister".
Gleichsam wie eine Bestätigung für die Richtigkeit dieser
Ansicht erscheint mir ein soeben im Buchhandel (Verlag von
Jul. Baedeker, Leipzig) erschienenes Werk „Wald und Gai'ten".
Die Verfasserin ist Gertrude Jekyll, eine bekannte englische
Gartenschriftstellerin, die nach mehr als dreifsigjähriger Praxis
ihre Ansichten über den Garten in einfach, schlichter, er-
zählender Form niederlegt. Übersetzt ist das Buch von Gertrud
V. Sanden. .Ja, eine walirhaftige, tiefe Liebe zu Garten und
Walil weht einem aus jeder Zeile dieses Werkes entgegen.
Gertrude Jekyll ist die Besitzerin eines in England als vor-
bildlich geltenden Gartens. Durch diesen Garten und den an-
stoCsenden Wald führt uns die Verfasserin zu jeder Jahreszeit,
zu jeder .Stunde des Tages.
Ihr selbst ist der Garten ein Ort der Rast, der Zurück-
gezogenheit der stillen Beobachtung, er ist ihr Studierzimmer,
ihr Wohnraum im Freien. Diese Worte sind hier aber wohl-
gemerkt nicht Theorie, es sind hier goldene Worte des Lebens.
Möchten Gartenbesitzer und Garteugestalter von dieser Dame
lernen und zwar zuerst, wie man seinen Garten, seine Pflanzen
und Blumen lieben kann und soll. Ohne diese Liebe kann
kein Garten jene Schönheit erlangen, welche Gertrude Jekylls
Garten zu eigen ist. Möchten recht viele erkennen, wie un-
endlich viel und mannigfaltiges Geniefsen köstlicher .Schönheit
Garten und Wald <lem .Sehenden, dem Erkennenden bieten.
Des weiteren aber möge der Leser lernen, wie man diese
Gartonliebe praktisch betätigen kann. Manch nützlicher Wink
in anregender Form wird hier erteilt, sowohl nach der künst-
lerischen, als nach der praktischen Seite hin. Als ich das
Buch las, da liels ich mich gerne von der praktischen Künstler-
gärtnerin führen, die in schlichte Worte, dabei aber so lebenswarui
und so anmutig ihre Erfahrungen und Auffassungen mitzuteilen
verstellt. Lebhaft streitet man heute über die Art der Garten-
gestaltung, hier „architektonisch" dort „landschaftlich" ist das
Losungswort. Die einen nennen dies die höhere Entwickelungs-
stufe, die anderen jenes. Wie ist nun der Garten von Gertrude
Jekyll, welchen Stil hat dieser als vorbildlich bezeichnete Garten.
Er hat im landläufigen Sinne tibei'haupt keinen Stil und
doch hat er einen. Er hat den Stil seiner Besitzerin, er hat den
Stil Gertrude .Jekylls, den ausgeglicheneu. Stil ihrer Persönlichkeit.
Zweifelsohne ist gerade dieser persönliche Stil der richtige
Der eigentliche Garten ist tektonisch gegliedert, wie es
kaum anders sein kann, wenn man all unsere schönen Garten-
stauden sowie die ein- und zweijährigen Florblumen ziehen
will. Es bietet diese Gartenform auch zweifelsohne in erster
Linie den Genufs der Gartenarbeit, des Säens, Pflanzens und
der Ernte, wenn es auch nur Blumenernte ist.
Der anstoCsende W'ald ist langsam und geschickt in den
Garten übergeleitet, die Schönheit des Waldes ist durch Ein-
fügen geeigneter Blumen gesteigert, übrigens nicht nach öko-
logischen Gesetzen, sondern wieder lediglich nach dem Gefühl
der feinsinnigen Künstlergärtnerin. (Gelbe Narzissen im Hain,
Trillium im wilden Garten, Rhododendron, wo Hain und Garten
sich treffen etc. etc.) Diese Gestaltungsweise von Gertrude
.Jekyll erscheint mir wieder ein überzeugender einwandfreier
Beweis für die Berechtigung der landschaftlichen Gestidtungs-
weise. Mit welchen Zaubermitteln bannt Gertrude Jekyll
überall im Wald und Garten die Schönheit. Der Leser wird's
wohl schon ersehen haben. Zunächst also ist es ein fein aus-
gebildetes künstlerisches Gefühl, welches die Schönheit der
Pflanzen im einzelnen, sowie in der Zusammenstellung mit
anderen also in der geeigneten Verwendungsart klar erkennen
läl'st, es ist ferner eine umfassende Sach- und Pflanzenkenntnis,
und dann das Prinzip, jede Arbeit zur rechten Zeit mit peinlichster
Sorgfalt, Gewissenhaftigkeit und Gründlichkeit auszuführen.
Alles dies verbindet eine reine Liebe zum Garten in einer
lebensfrohen Arbeitsfreudigkeit. Diese Zaubermittel sollten im
unveräufserlichen Besitze jedes Gartcngestalters und jedes
Gartenbesitzers sein, dann wird das Werk schon werden. Beob-
achte man z. 1'., wie Gertrude Jekyll ihre Rhododendron
pflanzt. Ein Jahr vor der Pflanzung besucht sie während der
Blütezeit die besten Gärtnereien, beobachtet sorgfältig Farbe,
Art und Zeit der Blüte etc. Dann aber stellt sie als Ergebnis
ihrer Beobachtung mit dem Endziel der malerischen Wirkung
ihre Gruppen zusammen. Sie benötigt zu der einen Gruppe
vielleicht 40 Pflanzen, aber nicht etwa in 40 Sorten, auch
nicht in einer Sorte, nein, vielleicht 10 von einer Sorte, dann
2 — 3 mal fünf von je einer anderen Sorte, ein paarmal 3 und
dann noch ein paar einzelne Exemplare. Die Farbe ist dabei
leuchtend scharlachrot über rosa in weil's übergehend <jder in
einer anderen Gruppe, ein in den besten Tönen sorgfältig aus-
gesuchtes lila, welches über purpur nach und nach in weil's
ausklingt. Dabei steht die lila, purpurne Gr\ippe fein be-
rechnet im Schatten, die scharlachrote aber in der prallen
Sonne. Also feinste Harmonie in Farbe, MassenverteiUing und
Form. Wer von uns geht mit ähnlicher Sorgfalt zu Werke?!
Oder ein anderes Beispiel, „die mit gemischten Stauilen be-
pflanzte Blumenrabatte". ..Nichts ist so schwierig, wie das
Bepflanzen einer solchen Rabatte und die Aufgabe, sie während
des ganzen Sommers schön zu halten. Gertrude Jekyll zeigt
wiederum wie's gemacht werden kann (nie will sie zeigen,
wie's gemacht werden mufs). Möchten recht viele hier lernen,
wie die Farben zum vollen Akkord, die Akkorde zur reinen
Harmonie zu verbinden sind. Trotz all dieses ausgeprägten
Farbensinnes fühlt Gertrude .lekvU nie mit der Farbe allein,
nein, immer mit der ganzen, lebenden Pflanze. Doch genug der
Beispiele, man lese selbst, man urteile selbst und handle in
ähnlicher Auffassung wie diese Künstlergärtnerin. Dem Werke
aber möchte ich weiteste Verbreitung wünschen, möchten seine
Anregungen recht matichen veranlassen, sich in die wunder-
reiche (!artenw-elt liebevoll zu vertiefen. .ledom, der's tut,
wird der («arten eine <^luelle reiner, scbiiner Freuden sein uml
bleiben.
Düsseldurf im I )ezcuilii'r l'.KKl.
K. Hoemann.
Ftlr die Redaktion verantwortlich: Stadt-Gariendirektor Heicke. Frankfurt, a. M. - Verlag von Gebrüder Borntraoger, Berlin SW. 11,
Dessaaer Strasse 2». — Druck von A. W. Hayu's Erben, Potsdam.
IX,
DIE GARTENKUNST
21
Natur vei'scli ö ii eriiiip;,
V^oitriff von Prof. P. Schultze-Naumburg,
gehalten auf der Jaliresversamnilinig ilrs Fiundes „llfiinatsclnit/," in Miinfheii.
(Scklul's.)
Qakoen.
Überall zeigt sich dieselbe Erscheinung.
Jede neue Anlage schändet neu das Bild der
uns traut gewordenen Natur, während man
früher die Kunst besafs, die Menschengebilde
harmonisch in die Natur hineinwachsen zu
lassen. Fast drängt sich uns ein \\'nrt wie
Romantik auf. wenn wir ein Bild wie Abb. 12
sehen. Li.is Wort Romantik hatte bei uns lange
Zeit keinen sehr guten Klang. \\'ir sollten
dabei aber doch nicht vergessen, dafs es
die Romantik war. die uns gewisse Teile von
Schönheitserkenntnis gab. die wir nicht zu
verlieren brauchen. Wenn uns das frühe
Mittelalter mächtige, finstere Zyklopenwei-ki^
gab. die Gotik uns himmelanstrebende Luinie
schuf, die Renaissance Städte und Rathäusi.-r
baute, das Rokoko die Form des Palais schul
und die ^^'ende des 18. Jahrhunderts die
Grundideen des bürgerlichen Landhauses
festlegte, so hinterliefs uns die Romantik
das Verständnis für den geheimen Zauber
dieser überlieferten Schätze. Was unsere
Zeit auch neu hinzufügen möge, wir brauchen das Er-
worbene nicht zu verlieren, mag es Form, oder mag es
Erkenntnis sein, und noch niemals hat man die Schönheit
unseres Landes mit besserem Verständnis angeschaut, als
in der Romantik. W'iv sehen das aus alten Itarstellungen.
in denen zum erstenmal die Gefühle festgelegt wurden.
Abb. Kl
Abb. \-2.
mit denen empfindende Menschen bis heute die Natur
sahen. Ich zeige ein Früliwerk des Wiener Altmeisters
Rudolf Alt (Abb. 14). Das Werk war für die damalige
Zeit neu, weil es die Gefühle aussprach, mit denen man
damals die Vergangenheit anzuschauen begann. Auch in
unserer Zeit hat sich den Ruinen ein breites Interesse zu-
.gewendet, wir sind aber in unserm Ge-
fühlsleben kaum übel- das hinausgekommen,
was uns jene Romantiker sehen lehrten. Bei
der Allgemeinheit sind diese Gefühle schon
vollkommen verkümmert. Wenn wir heute
i wissen wollen. wie wir Ruinen sehen
: müssen und wie wir uns ihnen gegenüber
zu verhalten haben, so können wir immer
noch nichts Besseres tun, als uns an jene
einstigen Pioniere der Romantik zu wenden
und uns von ihnen führen zulassen. Sie
erkannten mit feinstem Takt die Rolle, die
eine Ruine als Naturverschönerung spielt,
und da es sich gegenüber einer Ruine nicht
mehr um neues Gestalten handeln kann,
sondern eigentlich nur um ein Einstellen
unseres Gefühlslebens, so wird auch unsere
heutige Zeit kaum eine bessere Stellung
finden können.
Abb. 1.5 ist ein Fnihwerk Ludwig
Richters, der auf diesem Gebiet mindestens
22
DIE GARTENKUNST
IX, 2
Abb. 14.
und Tiirmchen und Erkerchen bedürfte, um
einen Schlofsbau weit ins Land hineinscliauen
zu lassen, um ihn frei auf waldigen Berges-
höhen zu lagern und aus ihm einen edelsten
Höhepunkt von Xaturverschönerung zu machen.
Von seinem Takt der Natur gegenüber können
noch Generationen zehren.
auch so Auf Abb. 16 sieht man eine der interessantesten Burgen
ein Pfad- aus dem mittleren Deutschland. Ich glaube, wir werden
finder uns einig darüber sein, dafs die geschlossene Silhouette
war. Sein der mächtigen Baukörper einen wundervollen Kulminations-
Künstler- punkt des Bergzuges ergibt, der mit Recht eine mächtige
äuge er- Steigerung der Naturschönheit hervorbrachte. Die Burg
kannte, ist eine der drei Gleichen in Thüringen, die, wie bekannt,
welche die Merkpunkte der ganzen Gegend ausmachen. Auch
Formen bei ihr wiederholt sich das alte Spiel: Für nichts ist Geld
sich der zu haben, aber um eine schöne alte Burg nochmals zu ver-
Land- schönem, dafür wii'd es gefunden (Abb. 17). Der Turm an sich
schaff- ist noch gar nicht mal schlecht, aber er steht nicht in
ein- richtigem .Mafsstabe zur Burg, die er erdrückt und klein
schmieg- macht und deren Silhouette er in keiner Weise verbessert,
tet], dafs Er ist zudem vollkommen unnötig, denn die unbewohnte
es nicht Burg dient keinem andern Zweck mehr, als dem der Natur-
Spitzen Verschönerung, und als Aussichtsturm kommt er kaum in
und Betracht, da die Burg ohnehin frei auf höchster Bergspitze
Zacken liegt und man von allen Fenstern den freien Blick ins
Abb. I.-
Abb. 16.
Tal geniefsf. (.)fi man denselben Blick noch
10 Meter höher hat, kann für den wahren
Xiiturfreund docli wahrhaftig nicht in Fra.ge
kommen.
Aber die .Aussichtstürme! Sie bilden ein
böses Kapitel im Buche unserer Naturver-
schönerung, Ich will wahrhaftig nicht be-
haupten, ein Aussichtsturm sei in jedem
Fall ein Übel und könne nicht schon sein.
Ich zeige auf Abb. 18 einen der bekann-
testen und vielleicht schönsten Aussichts-
türme l.k'utschlands. den Fuchsturm bei
Jena. Seine einfache, schlichte Z.vlinder-
foim iiafst vortrefflich auf den langgestreck-
ten Buckel des Ilausbergcs und gibt auch
sonst das Bild ab, das wir hier trotz aller
Einfachheit als eine gute architektonische
Form erkennen. Er ist vor kurzem abgebrannt,
ist aber in seiner alten Form von neuem
IX, 2
DIE GARTENKUNST
23
Abb. 17. Gegenbeispiel zu Abb. Ki.
orstandon. Aber wie selten ist heute so etwas! Das
Tuniniiiki-aiit. das heute überall auf unsern Bergen
wuchert, sieht meist so aus wie Abb. 19. Ohne diese
beinahe krankhaft zu nennenden Formen scheint unserni
Spiefsbiirger und gar manch einem, der kein Spiefsbürger
sein sollte, ein Aussichtsturm nichts Rechtes zu sein. Und
doch müfste das natürliche Empfinden ihnen sagen, dafs
nirgendsmehr, als auf diesen exponierten Bergspitzen, ge-
schlossene Ruhe und mächtige Gedrungenheit erste An-
forderung ist. Als zweite, ja kaum minderwertigere For-
derung müfste hinzutreten, dafs der richtige
Mafsstab für das ganze Bauwerk gewählt wird,
lue Sünden, die gerade hierbei, auch von sonst
bedeutenden Künstlern, bei Türmen und Berg-
(lenkniiilern begangen werden, sind gar nicht
aufzuzählen. Es ist doch sehr leichl einzu-
sehen, dafs, je grofser das 'Bauwerk auf dem
Berge ist, um so kleiner der Berg erscheinen
mufs. Die Mächtigkeit des Eindrucks hängt
durchaus nicht mit der absoluten Grofsc des
Bauwerks zusammen, sondern im (iegenteil
scheint ein Wachsen der Gröfse des Baues
übel' dieses Mafs hinaus dem Gesamteindruck
eine gewisse Kleinlichkeit aufzudrücken. ■') Mie-
ses nirgends Mafshaltenkönnen ist Ja ein
allgemeines Kennzeichen unserer Zeil, nicht
nur im allgemeinen, sondern auch der ge-
samten Architektur im besonderen. l.Hich
Abb. IS.
bleiben wir hier beim Aussichtsturm. Bei der Bestimmung
seiner Gröfse genügt es ja vollkommen, wenn er hoch
genug ist, um über die ersten Hindernisse des Vorder-
grundes hinwegblicken zu können. Bei höheren Bergen,
denen dei' Hochwald mangelt, genügt es zumeist, den
freien Ausblick über Unterholz und die kleinen Terrain-
unebenheiten zu gewinnen. Als ein Beispiel von feinem
Takt hierfür zei.ge ich auf Abb. 20 den kleinen Aussichts-
turm auf der Hornisgrinde im Schwarzwald, dessen primi-
tiver Form und sogar der Seltsamkeit seines Aufstieges
eine .2;ewisse Gröfse, trotz absoluter Kleinheit, nicht er-
mangelt. Liabei hat die hohe Architektur noch keinen
Finger gerührt, sondern es ist eigentlich alles schlichtes
Maurermeisterhandwerk, wie es sich gehört; und wie
prächtig sitzt das Spitzchen oben über den mächtigen Ein-
öden und Moortlächen des Hochplateaus, wenn man es
von den Nachbarbergen aus sieht. Wie steigert es den
Eindruck des (»den. Gewaltigen dieses Berglandes. Aber
wer weifs heute noch etwas davon I In [»eutschland
Abb. 19. Gegenbeispiel zu Abb. 18.
*) Mau denke z. B. an die Hotelkaserneu auf manchen
Bergen !
24
DIE GARTENKUNST
IX, 2
Abb. 22.
herrscht der Restaurateurgeschmack. der mit breiten Buch-
staben ansclireibt: „Aussichtsturm 30 Meter hoch, gi'ofs-
artige Aussicht. Vornehmes Restaurant, der Neuzeil ent-
sprechend ausgestattet!" Zu was für einfachen und doch
äufserst stimmungsvollen P'^ormen man früher für einfache
Schutzhütten auf den Bergen kam, zeigt .\bb. 21. Es ist
das die Kopie des Häuschens auf dem Kickelhahn, in das
Goethe sein Xachtlied anschrieb. I»er Hochwald ist aller-
dings weg, und an seiner Stelle steht eine jener hohen
Balkenfabriken, zu denen moderne Forstwirtschaft unsern
Wald umzuwandeln beginnt. Aber auch so liegt in dem
Häuschen eine Mahnung, die auch unsere Zeit noch wohl
vertragen kann.
Endlich in Abb. 22 noch ein versöhnendes Bild, das
einstige Brockenhaus, wie es noch am Anfang des 19. Jahr-
hunderts stand. Auch in diesem Bilde bekundet sich eine
Grofse der Auffassung und Wucht der architektonischen
Gestaltung, dafs man vor ihm durchaus bekennen mufs:
der Mensch vermag es, mit seinen Bauwerken sogar die
Einsamkeit und tJde von Bergeshöhen zu steigern.
Kic l{»'(lciitiiiig und Verwertiiii;;- dei' ri'i'.si»('ktive und
des freien Zeiclinens heim Entwerfen von (iartenanlajien.
\'oii A. Kiefsling.
(Schlufs.)
Auf das eigentliche Konstruktionsverfahi'en einzugehen,
ist nicht Zweck dieser Zeilen. Es sei gestattet noch die
zweite Form der Perspektive an dieser Stelle vergleichend
heranzuziehen, die aus der Vogelschau.
Zu bestimmten Zwecken eine äufserst wertvolle Kon-
struktion, ist ihr Wert doch nur auf die anschauliche
Orientierung gegründet. Um die malerische Wirkung einer
Garlenanlage zu prüfen oder auch nur zu zeigen, sind
ihre Bilder viel zu sehr planähnlich und damit unzulänglich,
als dafs sie hierfür Belang hätten. Der Hauptfehler ist,
dafs die Unien und l-'ormen des Geländes mit Bezug auf
die Wirklichkeit ungenügend perspektivisch
erscheinen. (Man vergleiche Abb. 5. S. 26.)
Scharf zeigt sich hier das Vers;igen
der Vogelperspelvtive (III) gegen die Wie-
dergabe „H"' bei natürlichem Horizont
(Gesichtshöhe über dem Boden: l.!"; über
0,5 Geländehöhe). Die Vogelperspektive
kann auch die möglichen Ijberschneidungen
naturgemäfs nicht fassen, sn liegt denn
der Weg bei „IH" völlig übersichtlich und
die Senkung von 1,50 m nach A hin wird
nur ganz schwach angedeutet.
Zeit ist Geld: Die alten Perspektiven
waren sehr kostspielig, indessen ist es
anders geworden, die neueren Mittel ge-
statten eine bequeme und schnelleEntwicke-
lung. Auf den einzelnen Punkt in einer
Ansicht kommen jetzt durchschnittlich bei
einiger Übung 2—3 Min. Das neueste
Ableseverfahren mittelst Strahlenlineals
ermöglicht ohne Zirkel und zeitraubende
Hilfskonsti'uktionen genaue Arbeiten selbst bei einem Mafs-
stabe von 1 : 500 in kurzer Zeit.
r>amit hat die Peispektive als technisches Hilfsmitfol
Anspruch darauf, berücksichtigt zu werden, selbst wo es
sich um freie, nicht architektonische Pormen handelt.
„Ja, wenn die zeitraubende Auszeiclinung nicht wäre."
wird mancher entgegnen! Die Kohle erledigt diese Be-
denken. Mit wenigen breiten Zügen steht die dunkle
Masse eines Baumes in der Ansicht: noch etwas Abtönung
und die Kronen lösen sich voneinander. Zur Selbstkontrolle
in den Hauptpunkten des I'lans genügt solch derbe Be-
handlung vollkommen. Es hiefs diese Tätigkeit zu weit
treiben, wenn man die I^flanzungen jetzt schon auf ihre
Abb. 20.
IX.
Dlt; GAHTENKUJSST
Feinheiten prüfen wnllte, darin wird man sich auf
bestimmte Falle und für die Offentlichlieit beschränken
liönnen.
Ich glaube nicht den Vurwurf der grauen Theorie
hervorzurufen, wenn ferner hier gesagt wird, es sei sicher
nutzbringend, wenn allgemeiner als bisher der Entwerfende
sich selbst in rohen ..nichtkonstruierten" Skizzen seine
Ideen fesselt, oder solche vom Chef orhült. Nicht nui-,
dafs der Plan dann nach wirklich „festen" Gesichtspunkten
entsteht (was ganz sicher von Nutzen ist): man will doch
Natiu-bilder schaffen, wie der Maler sein \\'erk. luu'ch
die naclifolgende Konstrukti(Ui wird das perspektivische
[)enken zensiert — und geschärft! Abb. 4 (Seite 13) und
ihi- Plan zeigen, wie die gmfse Tiefe des Teiches (im
Grundrifs) in der Ansicht gegen die Breite des Vorder-
grundes völlig ablallt; davon kann der Unge-
übte keine Ahnung haben. Ahnliches s. Abb. 6
(Seite 27).
E]in interessanter Fall einer infolge fehlen-
der Vor|irüfung verunglückten Anlage existiert
in einem Stadtwald: ein Bachlauf mit Wasser-
fällen und daran Felsbauten. Vom zunächsl-
gelegenen Platze ist trotz Überhöhung nui'
ein winziges Wasserfleckchen sichtbar, oli-
gleich man sich in kaum 10 m Abstand be-
findet. C)er Bach liegt zu sehi' in den Erdwellcn
der L'fer gedeckt. \'on anderen Punkten aus
hat man zwischen sich und Bach die grofse
Teichfläche, nur eine kurze Strecke der Mün-
dung ist sichtbar jedoch so klein, dafs sie
ohne Wirkung bleibt. Am schlimmsten kommt
der „Blick" weg. wenn man ihn vom Restaiu'a-
tionsplatz geniefsen will, vor welchem er lieui.
Das Ganze ersclieint spielerisch, da 100 in
.Abstand für seine Abmessungen viel zu grofs
sind, da hätten viel gewaltigere Massen
und Flächen angewendet werden müssen
oder die Anlage mufste verlegt werden von vorherein. Wenn
es sich um Verwendung so vieler Tausende handelt,
rentiert sich die Perspektive; die Fehler, welchen man in
früherer Zeit ausgesetzt war. können jetzt billig vermieden
werden.
Was die bildliche Ausarbeitung selbst l)etrifft. so ist
es mit .\usnahme besonders hervortretender wirkungs-
voller Einzelpflanzen unnötiges Bemühen, die einzelnen
Gewächse am Gruppenrande i)einlichst durchzuarbeiten.
Am glücklichsten arbeitet die Ansicht in der Prägung der
grofsen Massen mit ihrer Kulissen- und charakteristischen
Silhouettenwirkung. Hierzu kommt noch die Schatten- und
Ferntönung. L>afs dunkleren Gehölzen den helleren gegen-
über eine entsprechende Abstimmung' zuteil wird, braucht
nicht besonders erwähnt zu werden (s. Abb. 4. Seite 13|.
Auf diese \\'eise entsteht das Bild rein maschinen-
mäfsig.
Der beabsichtigte Eindruck der Landschaft ist bekannt.
der Bepflanzungsplan gibt den technischen Anhalt. Ist
man nun über das Charakterbild der Pflanzen in den
Hauptabschnitten ihres Lebens unterrichtet, so gehört
gowifs keine hoho Künstlerschaft zu ihrer Wiedergabe.
Gute Unterstützung gewähren sorgfältige Katalogdar-
stellungen, photographischc Ansichtskarten (nur nach der
Natur). Photographien selbst und vor allem eigene Zeich-
nungen von Pflanzencharakteren. Es hält nicht schwei'.
diese Vorbilder in .u-owünschtcr Gröfse der Ansicht ein-
zuverleiben.
.Malerisrho Heli'uchtung. pilloreske Formen sind wegen
der Gefahr der Selbsttäuschung unzulässige Darstellungs-
luittel. mit ihnen wird schlechte (irupjjierung nicht ver-
bessert; die Kritik wird bei schlichter Wiedergabe am un-
befangensten sein. Es sei nur .in die überraschende
Wirkung erinnert, welche ein paar abenteuerlich geformte
Kiefern auf einem nichtssagenden Sandhügel bei düsterer
Aliendljcleuehtung hervorrufen. Sind sohdie Häiinie nicht
Al,b. Ji,
von vornherein in der Anlage, oder werden sie nicht dort-
hin gesetzt, so ist es eine grobe Unwahrscheinlichkeit, in
der dargestellten Ansicht der Natur derartige Vorschriften
machen zu wollen. Es fällt der letzterem ja gar nicht
ein, sich an unsere Behauptungen zu halten und im wohl-
gepflegten, geschlossenen Parkbestande so etwas hervor-
zuzaubern. Dort entwickelt sich nicht die romantische
sturmzerzauste Kiefer. Die Anordnung der Aniage gibt
Zeugnis von der künstlerischen Begabung des Fachmannes,
obige malerische Mittel hat nur der Maler in der Hand,
für uns kommen normale Charakterformen in schlichter
Beletichtiing in Betracht.
L»er Gartenkünstler mufs im nüchternen Tageslicht
reizvolle Bilder zu schaffen wissen — auf effektvolle Be-
leuchtung ist kein \'erlafs. Sie macht sich auf der
Zeichnung ganz gut. in der Wirklichkeit läfst sie uns im
Stich. Das bezeugen nicht nur Gartenanlagen, sondern
oft recht drastisch Denkmäler und Bauten.
Wertvoller ist es, die Darstellung in gröfseren Ab-
messungen zu halten, weil diese eine natürlichere Wirkung
gewährleisten. .'Ansichten unter 20 X 30 cm sind fast
26
DIE GARTENKUNST
IX, 2
wertlos für die Beurteilung, denn die schwere Krone eines
Laubbaumes z. B. erscheint dort höchstens in der Gröfse
einer Spanne. Dabei wird dann das halbe Bild von ihr
allein verdeckt. Das günstigste Format ist 3Ü X 50 cm.
wenn man es nicht gut gröfser wählen kann, sonst 40 X 60 cm.
Die noch gröfseren Blätter werden leicht zu unhandlich,
doch ist ihre Wirkuug kraftvoller und natürlicher als die
kleineren.
Wieviel Umrahmung erhält der Kernpunkt'.' Es ist
nicht gut. zu einem ..Blick" das nur irgend Erreichbare zu
vereinen. Die vernteintliche Zeitersparnis bei der Zu-
sammenschachtelung nach Art eines Panorumas ist zu
gering, um es zu rechtfertigen, solchergestalt den einzelnen
Motiven ihren Reiz zu nehmen. Geniefst man von einem Platz
einen Rundblick oder mehrere Durchblicke, dann kann man
von diesem selben Standpunkte aus eine Teilung vornehmen,
welche auf folgendem fufst:
Bei der Betrachtung eines Gegenstandes wird dem
Auge dessen Umgebung nur innerhalb eines Strahlenkegels
von ca. 30" Öffnung deutlich sichtbar. Benutzt man die
A
fs, ^.^. ÜU.
JJ.
^/>,/<V.^,A.
Abb. .').
Beweglichkeit des Auges, so ergibt sich der Winkel von
ca. 60°. Letzterer ist also das normale Grundmafs. nach
welchem man die seitlichen Grenzen im Plan für die
.Vnsicht festlegt. Nimmt mau zum Kernpunkt hin die
Winkelhalbierende vom Standpunkt aus an. so begrenzen
rechts und links von dieser die freien Schenkel die zum
Bilde gehörige Landschaft. Bei ganz weiten Blicken kommen
30" zur Verwendung.
Kurz gefafst gliedert sich der obenstehenden Dis-
position an:
L bei Festlegung des Horizonts ist die jeweilige Gelände-
höhe (0.5 usw.) zu berücksichtigen, also
0.5 -i- 1,5 -= 2,0 m, oder 32.0 + 1,5 = 35,5:
2. jede Ansicht erhält nur „einen" Kernpunkt, vom
Panorama'sieht man möglichst ab;
3. der Standpunkt gewährleistet den günstigsten Blick
auf den Kernpunkt:
4. es wird nur konstruiert, auch bei Pflanzenformen
(Höhe. Breite):
5. Annahme eines Lturchschnittsalters der .Anlage,
6. die Pflanzencharaktere werden in die konstruierten
Mafse nach Vorbildern eingefügt;
7. die Ausarbeitung befafst sich nur mit grofsen Charakter-
zügen:
8. das Format der Ansicht nimmt man möglichst grofs
an, bei schmalen „Blicken" empfiehlt sich Hochformat.
Bei derartig konstruierten .Ansichten herrscht nüchterne
Berechnung, zielbewufst und sicher erhält man das ge-
suchte Bild. Die Phantasie kommt allein bei der Abstimmung
der Landschaft zu Wort, doch läfst sie sich nach Obigem
leicht zügeln. Etwas anderes ist es mit der Schärfe der
Naturbeobachtung — auf geistloses mattes Kopieren der
Vorlagen darf es nicht hinauslaufen. Fernbehandlung und
Vordergrundausführung lassen sich nicht erzwingen, wenn
man nur mit leichteren Tönen hier, mit schweren dort
arbeitet. .Man läuft Gefahr, eine dunstige Ferne zu er-
halten, während der Plan nur 30 m Abstand der fernsten
Gehölzmassen angibt. In solcher Tiefe erscheint kein
Baum duftig, sondern markig, scharf ausgesprochen, und
doch wirken die nälierliegenden Sträucher usw. noch aus-
drucksvoller. Es kommt also darauf an. dafs die Tiefen
in der Landschaft sich durch geschickte Behandlung sach-
gemäfs voneinander lösen. Das verlangt ein geschärftes
Auge und gut geschultes perspektivisches Empfinden. Lias-
selbe ist niitwendig, um den Verlauf von konstruierten
Linien ohne weiteres als möglich ansprechen zu können,
weil trotz aller Sorgfalt auch hier Fehler vorkommen können.
Hieraus ergibt sich der Wert des Freihandzeichnens vim
selbst, denn luu' dieses ermöglicht eine verstandesmäfsige
\'eikörperung der^uns umgebenden Gegenstände im Bilde.
Die Photographie ist in dieser Hinsicht geradezu Gifi für
den Anfänger, da sie das Wesentliche vom Belanglosen
nicht trennt — si(? wirkt nur verwirrend durch ihre Fülle,
und in dieser erstickt die Beobachtung des Ungeschulten!
Selbst in mehreren Hundert .Metern erblickt er noch Blätt-
chen usw. Erst ein raffinierter Zeichner ist imstande, sie
mit Vorteil zu benutzen. Es ist daher dringend nötig, sich
die Prinzipien des freien Zeichnens anzueignen, um nicht
IX, 2
DIE GARTENKUNST
27
JLvzUA^'')
Ju '/l/tt9»^^f^ *. .-» /^*. .fl^ÄMt* j^B, ,:^c/.^
. . Abb. (i. - ,
in geistloser Weise aus Blättern Pflanzen zusammen-
zukleben. Umgekehrt ist es richtig: erst den Umrifs, dann
gröl'sere und zuletzt kleinere Einzelheiten. Liiese Taktik
kommt auch den Entwürfen zugute: an Einzelheiten ohne
grol'se Aufteilung erlahmt die Arbeit. Dem geübten Zeichner
fällt klares Urteil, geschickte und geschmackvolle Auf-
fassung fast von selbst zu.
Es ist nun ein weitverbreiteter Aberglaube, dafs nur
wenige Gottbegnadete zeichnen können. Das ist durchaus
unrichtig, besonders, da wirkliches richtiges Zeichnen und
dilettantische Spielerei und Stümperei durcheinander-
geworfen werden. Hauptsache ist aber, dafs gezeichnet
wird, das „Wie" spielt keine Rolle. Dieses Vorurteil hat
die Folge, dafs recht gut veranlagte Zeichner, welche un-
geduldig oder übertrieben ehrlich gegen sich sind, in der
Meinung, „es nie lernen zu können", ihre schöne Gabe
vernachlässigen. Der Schlufs ist, dafs sie tatsächlich nicht
zeichnen können. Keine ernste Tätigkeit erlernt der Neu-
ling vollkommen in wenigen Versuchen, wenn er nicht
Ausdauer besitzt.
Pur eine Abhandlung über die Grundsätze eines mit
Verstand ausgeübten Zeichnens ist hier nicht der Ort, aus
einem einfachen Beispiel geht jedoch hervor, dafs. wer nur
will, auch zeichnen lernt, falls er nicht geistig minder-
wertig ist. Zum Zeichnen gehört Augenmafs — das besitzt
jeder — ; ein Kind greift nach dem grofseren Stück, wenn
es darf! Damit ist die Grundbedingung gegeben.
Auch der Künstler mufs sich im „Sehen" schulen
genau wie der Soldat erst „gehen" lernt. Die wenigsten
„sehen", was sie erblicken, das ist das gröfste Hindernis.
Wir haben sehr viel mehr gutveranlagte Zeichner, als man
kennt, die Gabe schlummert nuri Gerade in unserem
Fache wird die Beobachtungsgabe durch die Sortenkenntnis
bedeutend geschult, es mufs ja alles scharf „beobachtet",
nicht nur erblickt werden. Wir könnten also über eine
noch weit gröfsere Zahl von guten Zeichnern verfügen als
bisher. Glücklicherweise macht sich in den letzten .Jahren
ein Umschwung in dieser Richtung bemerkbar — das Fach
kann nur Segen davon haben.
Es müfste feste Bedingung bei Prüfungen. Preis-
ausschreiben und in der Praxis sein, dem Plan gewissen-
haft konstruierte, schlicht ausgeführte Ansichten beizufügen
als Beweis für das, was der Plan besagt — Wandorna-
mente würden dann bald völlig verschwinden. Die ge-
schickte Atisübung der Technik ist es nicht, welche dank-
bare Bilder liefert, sondern die Kunst des Fachmannes, zu
gleicher Zeit malerisch einheitlich zu wirken. Diese Kunst
baut sich auf der Ausübung des Zeichnens und der Perspek-
tive auf.
„In der Prüfung und Verbesserung des Entwurfs be-
ruht der volle Wert der Perspektive!"
(iedaiikeu iilier Krie(lliot'si!;«',staltiiii^' im allgeineiueii iiud
mit Bezug auf den Hamelner Wettbewerb.
Von R. Hoemann, üüsseldoif.
Auf meine kritischi'n Betrachtungen betreffend den
Fi'iedhofswettbewerb Hameln erhofl'te ich eine recht aus-
giebige Besprechung des Gegenstandes. Leider hat nur
Herr Gartendirektor Trip eine Entgegnung gebracht.
I>iese Entgegnung scheint mir jedoch keine Wider-
legung meiner Kritik zu sein, vielmehr in gewissem Sinne
sogar ein Zugeständnis, denn es erhellt aus derselben,
dafs der kritisierte Entwurf ohne ziemlich erhebliche
.\nderungen für die Praxis noch nicht brauchbar ist.
Gemeinsam mit Herrn EUrektor Trip bin ich der
Meinung, dafs bei einer Reform der Friedhofsgestaltung
vor allem gegen die jetzt übliche Art der Massenbelegung
Front gemacht werden mufs. Freilich bedienen wir uns
zur Erreichung dieses gemeinsamen Zieles teilweise ver-
schiedener Mittel,
Im vorliegenden Falle macht sich Herr Direktor Trip
insofern seine Aufgabe verhältnismäfsig leicht, als er das wirt-
schaftliche Moment recht sehr in den Hintergrund stellt. In
Verfolgung seiner Besserungsvorschläge, die zum grofsen
Teil darin bestehen, möglichst viele Kaufgräber einzurichten,
versucht er dann den Nachweis zu führen, dafs nach
seiner iMethode trotz hoher Ausfülirungs kosten und
trotz schwacher Ausnutzung des Terrains am Ende
einer gewissen Periode (hier 37 Jahre) eine Rentabilität
zu erzielen sein wurde. Zunächst halte ich es für einen
28
DIE GABTENKÜNST
IX,
Fehler, dafs das wirtschaftliche Moment so sehr in den
Hintergrund gestellt wird (in der rauhen Wirklichkeit
steht es meist mehr als uns lieb im vordersten Vorder-
grund). Ich werfe hierbei die Frage auf. ist nicht die-
jenige Lösung der hier gestellten Aufgabe unter sonst
gleichen Verhältnissen die weitaus bessere, welche unter
Wahrung des wirtschaftlichen Momentes die erkannten
Mifsstände beseitigt':'
Doch nun zu unserem Spezialfall. Das Programm
fordert, dal's das Verhältnis der Gräberklassen zu einander
sich nach den bei Städten gleicher Gröfse gemachten Er-
fahrungen zu richten habe. Mir ist keine Stadt bekannt,
bei welcher das Verhältnis zwischen Kauf- und Reihen-
gräliern 1 : 1 ist. Meines Wissens ist die Zahl der Reihen-
gräber überall erheblich, meist das vielfache griifser ist
als die der Kaufgräber (authentisches, statistisches Material
hierül>er wäre sehr wünschenswert). Wenn dem aber so
ist, dann verstöfst der Plan des Herrn Direktor Trip in
diesem Punkt gegen das Programm. Und wenn dem leisen
Druck, den Herr Direktor Trip ausüben will, die von ihm
angestrebte Verhältniszahl zu erreichen, nun nieht in dem
gehotften Umfange Folge gegeben wird' ! Da sich be-
stehende Bräuche höchst selten rasch umstofsen lassen
(also hier etwa in 30 Jahren) ist es kaum wahrscheinlich,
dafs diesem E)rucke in so radikaler Weise nachgegeben wird.
Selbst wenn die Bevölkerung Hamelns (w-as höchst unwahr-
scheinlich ist) sich ganz der Autfassung des Herrn Trip
anschliefsen würde, würden die wirtschaftlichen Verhältnisse
der ärmeren Bevölkerung die Erfüllung dieses Wunsches
meist unmöglich machen. Die ärmere Bm-ölkerung ist
numerisch aber bei weitem die stärkste.
Und was haben wir hieraus zu folgern'.'! Die Ren-
taliilitätsberechnung, die auf dem Erh'is aus den Kauf-
gräbern basiert und zwar aus einem Erlös bei einem Ver-
hältnis von 1 : 1 zwischen Kauf- und Reihengräbern,
stimmt nicht oder doch nur sehr bedingungsweise. Da-
mit wäre also der versuchte Nachweis der Rentabilität
nicht erbracht. Zu einem ähnlichen Rechenergebnis käme
man, wenn die Zahl der Kaufgräber infolge einer Dis-
positionsänderung erheblich vermindert würde, was sicher
der Fall ist, wenn man dem bisherigen Bedürfnisse auch
nur annähernd Rechnung trägt.
Und nun zu einem anderen Punkt. Herr Trip will
der Eintönigkeit der Massenquartiere dadurch b(>gegnen,
dafs er möglichst viele gut umpflanzte Kaufgräber ein-
richtet. Für die AUerärmsten aber, die den Luxus des
Eigengrabes sich nicht leisten können, bleibt dann immer
wieder das Massen(|uartior iilirig und er wird sein Los
noch liitterer empfinden.
Cordes und Bauer lösen diese Frage anders uml
ich nähere mich ihrer Auffassung, l'nd nun bitte ich
zum Schlul's noch einmal zusammenhängend rekapitulieren
zu dürfen, wie die moderne Lösung einer Friedhofsgestal-
tung nach meiner Auffassung zu erfolgen hätte, einer
Auffassung, zu der ich nach gewissenhafter Beobachtung
und eingehendem Studium der bestehenden Friedhofanlagen
gelangte.
Ich frage zunächst:
Was haben uns die Friedhofneuanlagen der letzten
20 Jahre gelehrt'?
In praktischer Hinsicht erkannte man vor allem die
Notwendigkeit einer durchaus klaren, üliersichtlichen
G r u n d r i s s d i s p 0 s i t i 0 n .
Vom Eingang oder der Priedhofkapelle aus mul's jedes
Grabfeld leicht und bequem zu erreichen sein. Eine kurze
Beschreibung dos Friedhüfwärters mul's auch dem Fi-emdeu
eine sichere Auffindung des Grabfeldes und des Einzelgral)es
ermöglichen, ebenso notwendig ist leichte Erreichbarkeit
der Quartiere für die Leichenwagen, Welche Gliederung
ermöglicht eine einwandfreie Lösung dieser Aufgaben''
Ich antworte klar und liestimmt überall, wo ihre
Diuxhführung nach Terrainlage und den verfügbaren
Mitteln im Bereiche der Möglichkeit liegt, „die tek-
tonische Gliederung". Die alten Friedhöfe zeigen
meist eine solche Gliederung, sie zeigen dabei al)er leider
sehr liäufig eine grol'se ermüdende Eintöni.gkeit. Man
versuchte nun diese Einöde zu bannen und zwar dadurch,
dafs man den Friedhof landschaftlich gestaltete, man ver-
lor dabei zunächst in vielen Fällen die Übersichtlichkeit
(Beisp.: Friedhof Tannenwäldchen, Düsseldorf, entstanden
als Resultat eines Wettbewerbs). Einen Ersatz der graden
Wege durch Bogenwege, eine parkartige Bepflanzung der
Quartierecken, das nannte man zumeist „landschaftlich".
Zwischen diesen Gruppen lagen dann die Massenquartiei-e
in gleicher Eintönigkeit wie früher in den Rechteck-
quartieren. E)ie Übersichtlichkeit ging also verloren. E>ie
Schönheit der Landschaft oder des Parkes zog aber nicht
dort ein.
Jetzt wird man mir entgegenhalten, der Ohlsdorfer
Friedhof (Hamburg), welcher doch zum grölsten Teil nach
landschaftlichen Prinzipien angelegt wurde, ist doch das
Muster eines Friedhofes. Wieviel Schönheit, welch stiller
Fi'iede wohnt auf diesem schönsten unserer deutschen
Friedhöfe. Ja. dort wohnt die Schönheit, dort herrscht
ein weihevoller Friede, aber nicht wegen der Kurven-
wege, die dort übrigens sehr einfach und schlicht zweck-
dienlich laufen, sondern trotz der Kurvenwege, Die Wege
bedingen eben nicht den landschaftliehen ('hara,kter, sondern
der .\ufbau der Pflanzungen und die Verteilung der Ge-
hölzmassen, und in bezug hierauf hat sich Herr Cordes als
genialer Meister gezeigt.
Ähnliche Beoba('htungen in positivem und negativem
Sinne machen wir auf vielen anderen Friedhöfen. Kommt
man auf (irund dieser Beoliachtungen nun dazu, für die
Grundrifsaufteilung eine vorwiegend geometrische Auf-
gliederung zu wählen, so könnte man auf den Gedanken
kommen, nun auch häufig, reich ausgestattete Monumental-
liauteii zu verwenden und hierdurch die Schönheit des
Friedhofes zu steigern. Das kann unter Umständen richtig
sein, wenn ein schöner Bau in schöner Umgebung steht,
und sich der Umgebung organisch um! harmenisch ;in-
gliedert, wird er dies sicherlich tun.
Die Schönheit der Bauten allein kann aliei- ileni l""ried-
hofe selbst weder Ruhe imch Frieden noch Sclu'inheit
geben. Dies beweisen in au.n'enfälligei-weise die Münchener
Friedhöfe, Was aber verleiht dem l''rie(lhii|'(^ diese fried-
IX,
UlK ÜAHTENICUNST
29
volle Schönheit. Ich antworte: das Überwiegen der Natur,
in diesem Falle der Ptlanzenvegetation über die Architektur-
werke (ich rechne hierzu auch die Grabdenkmäler). Ob
die Vegetation nun in regelmässigen Formen sich dem
Auge bietet oder ob sie in freien ungezwungenen Formen
in Erscheinung tritt, scheint mir d,-i.liei zunächst neben-
sächlich.
In jeder dieser Formen kann bei richtiger Verwendung
vollendet Schönes gegeben werden, jede dieser Formen ist
also auch in diesem Falle sinngemäl's zu verwenden, wie
auch in Hameln das Programm solches bedingte.
Nachdem so über die allgemeine Disposition sowohl
im Grundrifs wie im .Vufliau Klarheit geschaftVn wurde,
sei es gestattet, auf einige wichtige Einzelheiten einzu-
gehen. Einer der wichtigsten Punkte ist da für mich die
Verteilung und der Ausbau der grofsen Massenquartiere.
iJie meisten Friedhüfe, auch solche, die man gemeinhin
für gut hält, zeigen da eine trostlose Öde. Ich erinnere
an die Massenquartiere der grofsen Friedhöfe Cölii. München,
Düsseldorf etc. Gleichviel ob die Grabfelder in regel-
mäfsigen Formen umgrenzt sind oder ob geschwungene
Wege unregelmäfsige Quartierformen entstehen lassen.
Grabstein an Grabstein, Holzkreuz uml Eisengitter, recht
vieles in geschmacklosester Form starrt uns entgegen,
nirgends ein Huhepunkt fürs Auge, überall dieselbe Öde
und Leere.
E»ies hat man auch sehr wohl erkannt, statt aber dem
Übel von Grund aus abzuhelfen, hat ein Vertuschungs-
system Platz gegriffen, man umschliefst die lieihengrab-
quartiere mit einem Pflanzungsgürtel, hinter welchem die
Trostlosigkeit aber stetig fortdauert. Haben die Angchi'irigen
jener Armen nicht auch Anspriicli d;i.rauf. durch die .Xatur
erfreut und getnistet zu werden'!
\\'ie anders in Hamburg! Die Grabstätte des Armen
ist dort ebenso idyllisch, ebenso liebevoll behandelt, wie
die Ruhestatt des Reichen. Wenn zwischen den Grab-
reihen schmale Pflanzungen mit Bäumen von mancherlei
Art die Gräber anmutig umrahmen, gleichsam liebevoll
beschützen, wenn so stimmungsvolle, malerisch ausser-
ordentlich schöne Totenhaine entstehen, so haben wir für
die Behandlung dieser Quartiere eine Lösung, die einwand-
frei ist.
Wenn hier auch nur ein einfaches Holzkroirz das
Gral) ziert, ja wenn das Grab selbst vergessen und pfiege-
los liegt und Efeu und Sinngrün den Hügel wild um-
wuchern. Hier wohnt trotzdem Ruhe und Frieden, Poesie
und Schönheit. Lüose Methode wollen wir deshalb für
unsorn Friedhof auch übernehmen. Vielleicht wird man
hier einwerfen, die Methode erfordert viel Platz. Jawohl,
das ist wahr, aber das Erreichte ist des Opfers wert.
Übrigens könnte man ähnliche Wirkung erzielen, wenn
man statt der reihenförmigen Pflanzflächen einzelne Grab-
stätten unbelegt liel's und auf denselben einzelne Bäume
nach einheitlichen Gesichtspunkten pflanzte, diese Pflan-
zungen durch Nachpflanzungen auf ungepflegten Gräbern
ergänzte. So denke ich mir über jenen Kindergräbern-
cinen lichten Birkenhain oder den zierlichen .\cer dasy-
carjium mit den zugehörigen Beipflanzen, auf jenem
Quartier (Erwachsene) grünt ein Eichenhain, darunter
Weilsdorn. Schlehe, Efeu umi Gaisblatt, so könnten ver-
schiedene der ()rtlirhkeit jedesmal angopal'ste Vegetations-
bildcr abwechseln. l.Jas ist übrigens landschaftliche
Pflanzweiso trotz umschliel'sender gradliniger Wege, trotz
der einfassenden Hecken.
Nachdem wir so eine L''sung für die Behandlung der
Keihengräber gefunden haben, erübrigt es die Behandlun;.
der verschiedenen Arten von Kaufgräbern ins .Vuge zu
fassen. Wir kennen in den gröl'seren Städten Familien-
gräber, Kaufgrälier 1. uml 11. Klasse (Einz(-lgräbor). Es
lie,gt nahe, daJ's nuui diesen lirabstellm, welche meist
recht gilt bezahlt werden, bevorzugte l'läl7.e anweist. Trotz-
dem man überall in dies(^m Sinne vorging, finden wir auch
bei Annrdnung der Kaufgräber in bezug auf ästetische
Wirkung recht grobe Verfehlungen, So sehen wir auf
di^n Kaufgräbern oft kostbare Denkmäler errichtet, oft mit
edlem Geschmack erbaut, oft auch mit protzenhafter Ge-
schmacklosigkeit erstellt. Alle FormiMi und Stilarten sind
\ertreteii. Wie aber ist <lie Wirkung?
Nur dann ist sie gut und vornehm, wenn die um-
geljende Vegetation den Grundton aligibt, auf dem sich
das einzelne Denkmal stimmungsvoll abhebt. Man beob-
achte und vergleiche, um die Richtigkeit zu erkennen, den
mit kostbaren, teils hervorragend schönen Denkmälern be-
standenen Teil des Düsseldorfer Hauptfriedhofs (auf der
höchsten Höhe des Geländes hintm- der Kapelle) und da-
neben beobachte m;in die vornehmen Einzolgruppen in-
mitten eines Fichtenhaines auf dem Hamburger Zentral-
friedhof. Dort eine Häufung reicher Denkmäler, davon
keines auf das andere rücksichtigt, wo eines die Wirkung
des anderen totschlägt, hier aber die friedliche Ruhe der
Einzelgruft in stiller Waldeinsamkeit. Jedes Denkmal,
auch das schlichteste, kommt in seiner Eigenart zur Gel-
tung. Der Leidtragende ist allein und ungestört bei seinen
Toten. Auch hier hat der Hamburger Meister das richtige
getroffen.
Luis Familiengrab sei deshalb durch regelmäl'sige
oder landschaftliche Pflanzung je nach den iirtlichen Ver-
hältnissen ganz umrahmt, es sei von abgeschlossener,
intimer Wirkung, niemals beeinträchtigt durch ein vielleicht
prunkvolleres Nachbargrab. Gern würde man eine gleiche
Behandlung auch den Einzelkaufgräbern zukommen lassen,
wenn die Raumausnutzung solches gestattete. Jedenfalls
aber sollte es durchgeführt werden, dafs jedes Kaufgrab
für sein Denkmal eines grünen, geschlossenen Hinter-
grundes nicht entbehrt.
Noch eins lehrt uns die Beobachtung der Kaufgräber
auf fast allen Friedhöfen. Die Gräber liegen zumeist an
den Verkehrswegen. Das kann unter Umständen, be-
sonders bei graden Wegen schön sein, aber einen Nach-
teil hat eine solche Anordnung, und zwar einen grofsen
Nachteil. Der Mensch zeigt seinen tiefsten Kummer nicht
gerne den fremden Menschen, am Grabe des Toten möchte
man mit seinen Gefühlen gerne unbelauscht, gerne ganz
allein sein. Liegt das Grab aber an den Hauptverkehrs-
wegen, so ist dies sidten der Fall. Der Vorübergehende
30
DIE GARTENKUNST
IX,
stört den Leidtragenden uml auch der Störende empfindet
iinangenelim, dal's er der Störenfried ist.
Die Abgesclilossenfieit der Grabstätten aller Klassen
kann strenge und ülterall durchgeführt werden, das zeigen
Von keinem der Haupt-
mehrere der eingegangenen Pliine
FRlLMOFZUHfinaN
'm
riKimim
HflIN DL$ FRi[0[N5,
Konkurrenz-Entwurf für den Friedhof zu Hameln von R. Hoemanu-Diisselilorf
Wege, diu tleu Verkehr leiten, seilte ii'geiul ein Grabdenkma
sichtbar sein. Überall könnten wir von grünender, blü-
hender Natur, sei es in regelmäl'siger (iestaltung, sei es
in freier, ungezwungener Anwendung umgeben sein. So
bieten diese derartig gestalteten Wege dem Leidtragondrn
einen hofTnungsfreudig summenden Spaziergang, nirgends
ein Zeichen des Todes, überall freudiges, fröhliches Leben
der umgebenden Vegetation.
.\uf diesen Prinzi|)ii'n aufbauend, versuchte ich eine
Lösung für den llamelner Frii'dhof zu linden und ich folire
gerne der Aufforderung der Ri'dakiion unserer Zi'ilschi'ift,
denselben zu verötfentlichen.
Nach dem vorher Gesagten bedarf es kaum eines
greisen Erläuterungsberichtes, doch seien in bezug auf
die Beptlanzung einige knappe Erläuterungen gegeben.
E»er Hauptzugang zur Kapelle zeigt seitlich dunkle
Tannenpflanzung, während die auf dem eingeschlossenen
Rasenstück emporstrebenden Bäume als Rirken gedacht
sind. Die Hainptfanzung vor dem Ivapellen-
platz ist aus düsteren Blutbuchen gebildet.
Die beiden mit Laubengängon durchquer-
ten Rechtecke (Schaubild) sind als flieder-
umschlossene Rosengärten gedacht, den In-
habern der dort liegenden Kaufgräber ist
die Rosenpflanzung des Grabes nach einheit-
lichen Gesichtspunkten vorzuschreiben (ein
Versuch).
Der grofse, ellipsenförmige Fahrweg ist
malerisch landschaftlich umpflanzt, in der
Tiefe mit Laubholz beginnend, auf der Höhe
in Nadelholz ausklingend.
Die den oberen Teil durchquerenden
Rundwege sind einheitlich bepflanzt (der eine
mit Flieder und Goldregen, der andere mit
Kirschäpfeln etc.). Auch die Heckenpflan-
zungen sind sehr verschieden: Buche, Linde,
Eibe. Cypresse, Thuja etc. etc.
Pyramideneichen stehen vor der Carpinus-
hecke der beiden mittleren Diagonahvege,
eine Thuja Lobbi-Allee führt nach dem Kre-
matorium (Schaubild) etc. Ich führe diese
Pflanzungen an, weil auch darin mein Ent-
wurf von dem üblichen erheblich abweicht.
r)ieso Pflanzungen sind nicht nur vom künst-
lerischen Gesichtspunkte aus, wie angegeben,
angeordnet, vielmehr haben sie auch einen
wesentlich |:iraktischen Zweck. Die scharf
charakteristische Bepflanzung prägt sich dem
Gedächtnis der Besucher sehr markant ein,
man wird sagen: an dem Fliederweg, an
dem Rotdornweg, an der Lindenhecke, an
der Thujaallee etc.
Mithin trägt auch diese Bepflanzungs-
art sehr zur raschen und sicheren Orientie-
rung bei. Alles übrige erhellt wohl aus dem
ein,2:ehenden Studium des Pianos.
So will ich denn meine Erörterung über
den Hamelner Friedhofwettbewerb schliefsen,
die nur den einen Zweck hatte, einen Beitrag zu liefern
in dem Streben, das Schöne und das Zweckmäl'sige zu
erkeinien, zu verliinden und diesem Vcreinigune; zu ver-
wirklichen.
Naciikliiiire zur Ihtiiieliier Kriediiorskoiikiureiiz.
Zur Kritik der Hamelner Priedhofskonkurrenzent-
würfe durch Hoemann. Die Streitfrage betreffend die
IJainclner Friedhoiskonkurren/. niitigt mich zu einer Bemerkung,
die m. Iv nicht unausgesprochen bleiben kann, wenn anders
diese Streitfrage sacnlich fruchtbringend erörtert werUea soll.
IX,
DIE UAKTENKUNST
31
Es ist etwas Ungewöhnliches, wenn ein Bewerber trotz
seiner Niederlage die jn-ümiierten Pläne einer Kritik unterzieht,
wie Herr Hoemann ps getan hat. Es ist ein Wagnis, weil da-
mit verständlicherweise Gefahren für die Person des Kritikers
verbunden sind. Um so dankenswerter ist es, wenn diese Ge-
fahr um der Sache willen nicht gescheut wird. — Die „Be-
sorgnis um die Interessen der Stadtgemeide Hameln
und unseres gartenkünstlerischen Nachwuchses" —
wie Herr Gartendirektor Trip sich mit leisem Sarkasmus in
seiner Antwort ausdrückt — , diese „Besorgnis" ist nicht ganz
unbegründet. Die Veröffentlichung prämiierter Pläne bringt
für einen recht grofsen Teil der Leser eine Gefahr mit sich:
Die Prämiierung an sich identifiziert sich bei vielen
mit bedingungsloser künstlerischer Wertschätzung
während in Wirklichkeit nur der Geschmack und das Urteil des
betreffenden Preisgerichts dadurch zum Ausdruck gelangt, über
dessen künstlerische Fähigkeiten selten etwas bekannt ist.
Diese Gefahr liegt bei anderen veröffentlichten Plänen nicht
vor, weil sie ohne Begleitung einer Prämie nicht so leicht als
mustergültig aufgenommen werden. Eine Serie mehrerer Kon-
kurrenzpläne ist für den Leser weit wertvoller, als ein einzelner
Plan, wenn er auch den ersten Preis erhalten hat. Ein solcher
Einzelplan bleibt meist unkritisiert, weil aufser dei\ Bewerbern
kaum jemand mit der Aufgabe sicli gründlich beschäftigt hat und
die Nichtprämiierten aus obigen Gründen in der Hegel schweigen.
Daher finde ich es erfreulich, wenn Hoemann — dessen Kritik
ich auf Grund persönlicher Besichtigung der Planausstellung
im wesentlichen beistimme — seine Bedenken gegen die Aus-
führbarkeit und die vorgeschlagene Ausgestaltung unverhohle n
äufsert; nicht etwa um den Ruhm der Preisgekrönten zu
schmälern, sondern lediglich, um der von ihm als richtiger er-
kannten, seiner Ansicht nach praktisch wertvolleren Lösung
der gestellten Aufgabe Geltung zu verschaffen und die Ent-
würfe von Bauer-Magdeburg u. a. höher zu werten, als das
Preisgericht es getan hat. Daraus ergibt sich denu auch von
selbst die „Besorgnis für die Stadtgemeide Hameln", die dank-
bar sein sollte für die Hinweise, die vom Preisgericht schein-
bar nicht berücksichtigt worden sind. — Auf die Pläne selbst
will ich hier nicht näher eingehen, möchte aber, um Mifsver-
ständnissen vorzubeugen, hinzufügen, dal's ich nicht etwa
wegen der erwähnten Gefahr gegen Veröffentlichung prämiierter
'■■?
Scluiubihl zum Konkiirrenzentwurt l'iU den Hamelner Friedhof von U. Hoemani!
Schaubild zum Koukurrenzeutwurf für den Hauieluer
Friedhof v. R. Hoemann.
Pläne mich ausspreche, wohl aber ernste sachliche Kritiken
der Mitb'ewerber als wünschenswerte Begleit-
erscheinung derselben ansehe,
weil, wie gesagt, meist nur die
Mitbewerber sich in die Sache
vertieft haben und daher ihr
l'rteil — wenn auch nicht für die
Prämiierung mafsgebend, so doch
für den Leser sachlich interessan-
ter ist, als das des Preisgerichts.
Soviel nur als Randbemer-
kung zu der durch die Hoemann-
selie Kritik aufgeworfenen inter-
essanten Streitfrage: Wie ist
die Hamelnsche Friedhofsaufgabe
praktisch und künstlerisch zu lösen 7
W. von Engelhardt,
Gartendirektor.
n.
Landschaftliehe Friedhöfe.
Die letzte Nummer des vorigen
Jahrgangs der „Gartenkunst"
brachte die Entwürfe für den
Hamelner Friedhof, begleitet
32
DIE GARTENKUNST
IX, 2
von kritischen BetraL-htungen des Heirn Hoemann-Diisseldorf.
Mit dem sachlichen Inhalt der Ausführungen kann man sich
wohl einverstanden erklären, da Herr Hoemann seine Auffassung
präzise und klar begründet. Als Nichtbeteiligter am Wettbewerb
hätte ich jedoch gewünscht, es wären die Personen der Ver-
fasser aus dem Spiel geblieben und der Kritikus liätte es
unterlassen, Schlüsse- auf deren „Qualifikation- zu ziehen-
zumal doch die Schuld nicht die Preisemptänger, sondern
die Preis Verteiler trifft. Die Angriffe hätten sich also
billigervveise dahin richten sollen, sonst wird man an den Mann
erinnert, der den Sack schlägt.
Doch wegen des Ergebnisses der Preisverteilung zu
liadern, war nicht meine Absicht. Ich wollte vielmehr ;in den
Wettbewerb die Frage knüpfen: Haben die sogenannten
landschaftlichen Friedhöfe wirklich einen so hervor-
ragend künstlerischen Wert, sind sie der Ideal-
zustand des neuzeitlichen Friedhofes, dafs wir mit
allen Mitteln auf ihre Verwirklichung hinstreben
sollen?
Die sogenannten ,landschaftlirhen" Friedhöfe sind eine Er-
rimgenschaft der neuesten Zeit. Die Anzahl der bestehenden
fertigen Anlagen ist noch gering. Sie haben jedoch genügt,
um daran zu studieren, was zu erhalten ist und was ver-
worfen werden muss. Es lässt sich nicht verkennen, dass die
abgebildeten Pläne auf diesem Gebiet wieder einen Schritt
vorwärts bedeuten. Wie sah z. B. ein solcher Entwurf vor
einem oder zwei Jahrzehnten aus? — Er unterschied sich nur
sehr wenig von einem Plan für eine Parkanlage. Hier wie da
war das Hauptaugenmerk auf Schaffung möglichst tiefer,
gehölzumrahmter Rasenbahnen gerichtet. Bei den Friedhofs-
plänen waren diese freien Flächen zur Aufnahme der Reihen-
gräber bestimmt. Also gerade die Quartiere, die in erster
Linie dem Auge entzogen werden sollten, traten am meisten
in die Erscheinung. Alle Vorschläge, den Blick über solche
Grabfelder durch einheitliche Blumenbepflanzung u. dgl. m.
erträglich zu machen, sind wohl nur auf dem Papier stehen
geblieben. Mit Recht und bitterer Ironie dürfte man beliaupten:
„Dieser parkartige Friedhof würde sehr schön sein, wenn nur
keine Gräber darauf wären."
Heute ist diese Idee als unbrauchbar wohl allgemein fallen
gelassen, und man bepflauzt die Wegeränder mit dichten Gehölz-
gmppen oder heckenartig. Hiermit ist aber ein grosser Teil
der ursprünglichen Idee der landschaftlichen Gestaltung zu-
sammengesunken. Als Überbleibsel hat sich nur noch der ge-
schwungene Weg zu uns herüber zu retten gewufst. Sind
nun aber solche beiderseits dicht zugepflanzten Kurvenwege
tatsächlich so schön, dal's man ihre Existenzberechtigung an-
erkennen mufs? — Ich möchte diese Frage — insofern es sich
nicht um breite Fahrstrafsen handelt — ganz entschieden ver-
neinen. Es sei hier nur auf die Wegezüge des Hannigschen
Entwurfes (weil es hier am augenfälligsten hervortritt) hinge-
wiesen. Solche langen, schmalen Wege, die weder nach links
oder rechts, und infolge ihrer Krümmungen auch nicht nach
vorn oder hinten einen Oricntieruogs- oder Ausblick gestatten,
gehen zu müssen, kann nur als etwas Lästiges, Unbequemes
empfunden werden.
Daran ändern auch die sonst sehr gefälligen Kurven nichts;
denn in Wirklichkeit tritt die Schünheitslinie gar nirht in Er-
scheinung, weil kein Standpunkt vorhanden ist, von dem sie
in ihrem Verlauf übersehen werden kann. Das Beengende
solcher zugepflanzter, jeden Ausblick versperrender Wege habe
ich sowohl auf dem Berliner Friedhof in l'riedriclisi'elde als
auch hier in Stettin auf unserem Hauptfriedliuf unangciieliiu
empfunden. Da nun in rein praktischer Hinsicht die gekrümmten
Wege keine Vorteile, wohl aber Nachteile im Gefolge haben,
so sollte man auch hiermit aufräumen. Eine Berechtigung
haben sie nur da, wo stark bergiges Gelände ihre Anlage er-
fordert.
Die Hineintragung rein landscliaftlicher Motive in die
Friedhofsanlagen scheint mir nur in der auf dem Tripschen
Entwurf ersichtlichen Form zulässig als gehölzumschlossene
Wiesenfläche, an deren Rändern oder in Gehölznischen vor-
nehme Erbbegräbnisse mit monumentalen Aufbauten, Tempeln,
Mausoleen und dgl. verteilt sind. Da hierduixli aber die Aus-
nutzbarkeit des Geländes wesentlich leidet, so ist die Aus-
führung nur bedingungsweise möglich. Gestattet doch der
Tripsche Entwurf nach Hoemann nur 18 o^,^ der Gesamtfläche
für Grabstellen zu benutzen, während der doppelte Prozentsatz
etwa das Jlininium sein sollte.
Der mit dem ersten Preis ausgezeichnete Entwurf zeigt
nur ganz wenige rein landschaftlich liehandelte Partien. Er
zeichnet sicii sonst durch Klarheit ans. Würde er wohl in
schönheitlicher Beziehung Einbufse erlitten haben, wenn die
Verfasser die krummen Wege zugunsten gerader eingeschränkt
hätten? — Ich glaube nicht.
Alle liier abgebildeten Pläne gleichm sirli in einem Punkt:
sie zeigen alle da, wo es darauf ankam, grofse Effekte
herauszuarbeiten, regelmäfsige architektonische Be-
handlung, das ist stets so gewesen. Auch die hier zitierten
Kowellekschen Entwürfe machen hiervon keine Ausnahme.
Unser .Stettiner Hauptfriedhof weist in seinen landschaftlich be-
handelten Partien ohne Zweifel viele Treffer auf, seinen Höhe-
punkt erreicht er aber in der grofsen rogelmäl'sig gehaltenen
Partie vor der Hauptkapelle, die Le Nötreschen Geist atmet.
Meine Auffassung geht deshalb dahin, d.-ifs wir bei unseren
neuzeitlichen Friedhöfen, den Friedhöfen der Zukunft, uns
immer mehr frei machen sollten von den hinein-
gebrachten, sogenannten landschaftlichen Ideen und
dal's wir noch mehr, wie schon geschehen, zu der regel-
mäfsigen architektonischen Beha, ndlung zurück-
kehren. Wenn man dafür denselben Raum opfert, wie für die
landschaftlichen Anlagen, so läfst sich Hervorragendes schaffen.
Was sich mit den geraden Wegen anfangen läfst, zeigen
die Bauerschen Skizzen. Der zugehöiige Plan hält sich voll-
ständig frei von landschaftlichen Szenerien und Kurven-
wegen und trotzdem wird diese Arbeit nicht allein von Hoemann
als am „höchsten stehend" bezeichnet. Viele der Bauerschen
Anregungen, wie z, B, die Einteilung der grofsen Reihen-
quartiere in kleinere Kanuuern, um ihnen die schauerliche Öde
und Leere zu nehmen, sowie die fein durchdachte Behandlung
der Wegekreuzungen, werden von dauerndem Wert sein. Sie
haben aufserdem wohl den Vorzug der Neuheit.
Ich möchte meine Ausführungen nicht schliel'seu, ohne auf
die lnkonse(juenz hingewiesen zu haben, die darin liegt, dal's
man jetzt, wo man der geraden Linie in unseren Gärten
wieder mehr Geltung zu verschaffen bestrebt ist, dieselbe aus
drii l'r iedhofsanlagen zu bannen sucht. Nirgends alier
scheint mir der krumme Weg weniger berechtigt zu sein, als
auf dem Friedhof, wo doch alles, von den vornehmen Grab-
moninnenten und Erbbegräbnissen bis zu den schlichten Keilien-
gräbern, auf die gerade Linie hinweist.
(). Schu Ize. Stettin.
III.
Noch einmal Friedhöfe. ISeim i^ricillmlswctlbew nb in
Hameln bringt Trip in seinem Erläuterimgsbericht zu dem mit
dem zweiten Preise prämiierten Projekt eine Reihe von Leit-
IX,
DIE GARTENKUNST
33
Sätzen,*) die hier unten angeführt sind und mich zu einigen
Betrachtungen veranhisseu. Abgesehen soll dabei werden da-
von, ob es überhaupt opportun ist, derart grundlegende An-
schauungen, denn das sollen sie zweifellos sein, in einem
Erläuterungsberichte niederzulegen in der Absicht, gewifser-
malsen so den Preisrichtern eine Direktive für die Bewertung
der Entwürfe, mindestens aber des Entwurfes selbst, zu geben.
Die Tatsache, dafs derartige Leitsätze, wie es auch der Ver-
fasser wohl wollte, über den engen Kreis der Preisrichter
ihren Weg finden hinaus in die Fachpresse und schliel'slich zu
allen, die sich mit der Frage der modernen Friedhöfe be-
schäftigen, berechtigt uns. an sie den Mafsstab öffentlicher
Kritik anzulegen.
Trip sagt: 1. Die schönheitliche, versöhnende Wirkung des
Friedhofes ist weder durch eine rein architektonische, noch
rein parkniäfsige Anlage zu erreichen. — Das ist doch, sollte
man meinen, Ansichtssache! Oder sollte es einem berufenen
Künstler nicht möglich sein, auf die eine oder andere Weise
diese fragl. Wirkung in einem Falle vollkommen zu erreichen?
Hierher gelnirt w-eiter No. .^ seiner Leitsätze, welcher be-
sagt: Ijine klare, übersichtliche Einteilung und die Einfügung
von Architektur in Ge.stalt einer Kapelle, Leichenhalle und
anderer Zweckbauten weisen auf die Anwendung architekto-
nischer Kunstformen auf die Friedhofsgestaltung als folge-
richtig und zweckmäfsig hin.
Ferner (i. Der Zweck des neuzeitlichen Friedhofes in schön-
heitlicher Richtung weist aber noch mehr auf die ausge-
dehnteste Anwendung des natürlichen Kunstprinzips in bezug
auf Pflanzung und Flächeneinteilung hin, jedoch ist zweck-
entsprechend, mehr eine waldartige, :ds eine parkartige tie-
*) 1. Die schönhoitliche versöhnende Wirkung des Fried-
hofs ist weder durch eine rein arcliitektonische. noch rein park-
niäfsige Anlage zu erreichen.
2. Der Friedhof muls Friedliof bleiben. Parkmäfsiges oder
architektonisches Kunstprinzip hat sich bei der Anlage vor
allem der Bestimmung des Objekts unterzuordnen.
3. Ästhetische und wirtscliaftliche Gesichtspunkte sind bei
der Gestaltung sorgfältig gegeneinander abzuwägen; sie er-
geben das Mals des Erreichbaren im .Sinne schiinheitlicher und
ethischer Absichten. Demgemäfs ist aus wirtschaftliclicn Rück-
sichten auf Gräberflächen bis zu einem gewissen Grade nicht
zu verzichten, aber das tiesichtsfeld über diese Flächen ist durch
Bepflazung nii'iglichst einzuschränken.
.5. Eine klare, übersichtliche Einteilung und die Einfügung
von Architektur in Gestalt einer Kapelle, Leichenhalle und
anderen Zweckbauten weisen auf die Anwendung architekto-
nischer Kunstformen auf die Friedhofsgestaltung als folge-
richtig und zweckmäfsig hin.
(i. Der Zweck des neuzeitlichen Friedhofs in schönheitlicher
Richtung weist aber noch mehr auf die ausgedehnteste An-
wendung des natürlichen Kunstprinzips in bezug auf Pflanzung
und Flächeneinteilung hin, jedoch ist zweckentsprechend
mehr eine waldartige, als eine parkartige Gestaltung anzu-
streben.
7. Auch die Eigenart der Grabdenkmäler, je nachdem das
Architektonische oder das rein Malerische in ihrer Ivompositiou
vorwiegt, weist auf architektonische sowohl, als auf landschaft-
liche Gruppierung hin.
8. Weiterhin wird der verschiedenartige Geschmack, die
gesellschaftliche Stellung und das Vermögen der Leidtragenden
von mafsgebender Bedeutung für die Gruppierung, Einteilung
und Bewertung der Grabstellen sein,
i). Für die Bepflanzung in der Nähe von Grabfeldern wird
auch die Denkmalserhaltung und die Möglichkeit dauernder
Grabpflege avif ilie Bepflanzung mitbestimmend sein müssen.
10. Das Mals für parkartige Perspektiven mit Rasenflächen
erhalten wir durch das Abwägen zwischen ästhetisch Wünschens-
wertem und wirtschaftlich Erreichbaiem. Solche l'artieu werden
sich immer nach MaCsgahe des geschlossenen waldartigen
Charakters im Rahmen von mehr oder weniger engen Wald-
wiesen einfügen lassen müssen.
staltung anzustreben. Abgesehen davon, dafs es für nuch
persi'inlich immer einen etwas unangenehmen J5cigeschmack
h.at, von Kunstprinzipien zu sprechen, meine ich docli, dieser
fünfte Leitsatz ist zu unterschreiben, wenn noch das Wörtchen
„vorzugsweise" eingefügt wird vor „Anwendung architekto-
nischer Kun.stfornien-; denn es ist nun einmal Tatsache, dafs,
wenn nicht ein so verhältnismäfsig kompliziertes und kost-
spieliges Kartierungssystem angewendet wird, wie in Oldsdcn-f,
die meisten unserer landscha.flJichen Friedliofsaidagen an der
Schwierigkeit leiden, sich sofort auf dem Friedhofe zu orientieren,
bzw. ein nach Grabfeld, Reihe und Nummer bezeichnetes Grab
auch wirklich ohne Hilfe aufzufinden. Diesem Übel.stand läl'st
sich in der Tat nur begegnen durch eine vorzugsweise architek-
tonische Grundrifslösung.
Somit kann ich den sechsten Leitsatz nur mit Kiiisclu-änkung
gelten lassen und glaube, darin mehr eine Konzession Trips
an die Allgemeinheit der Fachkreise zu erblicken.
Leitsatz 2 besagt: Der Friedhof muCs F'riedhof bleiben.
Parkmäfsiges oder architektonisches ICunstprinzip hat sich bei
der Anlage vor allem der Bestimmung des Objektes unterzu-
ordnen. — Das Wesen eines sachlichen Zwecken dienenden
Kunstwerkes verlangt, dafs es diese Zweckbestimmung rein
und restlos zum Ausdruck bringt. So ist Trips Leitsatz in
diesem Falle wohl mehr als eine Mahnung an die Adresse der
Preisrichter aufzufassen, denn sonst wäre er überflüssig, weil
selbstverständlich.
3. Ästhetische und wirtschaftliche Gesichtspunkte sind bei
der Gestaltung sorgfältig gegeneinander abzuwägen; sie er-
geben das Mafs des Erreichbaren im Sinne schönheitlicher und
ethischer Absichten. Deshalb ist aus wirtschaftlichen Rück-
sichten avd' Gräberflächen bis zu einem gewissen Grade nicht
zu verzichten, aber das Gesichtsfeld über diese Flächen ist
durch Bepl'lanzung möglichst einzuschränken.
10, Das Mafs für parkartige Perspektiven mit Rasenflächen
erhalten wir durch das Abwägen zwischen ästhetisch Wünschens-
wertem und wirtschaftlich Erreichbarem. Solche Partien werden
sich immer nach Mafsgabe des gescldossenen, waldartigen
Charakters im Rahmen von mehr oder weniger engen Wald-
wiesen einfügen lassen müssen, — Es handelt sich hier also
um im wesentlichen subjektives Ermessen des Projektierenden.
Darüber, was nun wirklich aus wirtschaftlichen Rücksichten
wünschenswert ist, scheinen die Meinungen gegenwärtig doch
noch sehr auseinanderzugehen. Jedenfalls sind wir, scheint es,
noch weit davon entfernt, eine gewisse Norm*) hierfür gefunden
zu haben.
7. Auch die Eigenart der Grabdenkmäler, je nachdem das
architektonische oder rein malerische in ihrer Komposition
vorliegt, weist auf architektonische sowohl, als auf landschaft-
liche Gruppierung hin. — Das mag richtig sein, aber nimmt
nicht hier Trip etwas voraus, worauf ihm als Projektierenden
ein Einflufs überhaupt nicht zusteht? Oder ist es richtig, in
einem Friedhofsprojekte gewisse Teile zu gestalten mit Rück-
sicht auf die Eigenart eines Deukmales, was speziell an diesen
Punkt einmal hinkommen soll! Doch wohl nur mit äufserster
Einschränkung!
8. AVeiterhin wird der verschiedenartige Geschmack, die
gesellschaftliche Stellung und das Vermögen der Leidtragenden
von mafsgebender Bedeutung für die Gruppierung, Einteilung
und Bewertung der Grabstellen sein, — Das ist doch ganz
verfehlt! Man kann beim Entwürfe eines Friedhofes wohl all-
gemeine Rücksicht nehmen auf die Bevölkerungsklassen, die
auf die Benutzung des Friedhot es angewiesen sind, aber damit
*) Mufs es denn für alles eine Norm geben'? Heicke.
34
DTE GARTENKUNST
IX,
ist doch alles erledigt. Dem verschiedenartigen Geschmacke
der Leidtragenden Rechnung zu tragen, ist doch wohl im
Rahmen eines Konkurrenzprojektes schwer möglich und m. E.
nicht angebracht.
!). Für die Bepflanzung in der Nähe von Grahfeldern wird
auch die Denkmalserhaltung und die Mcigliclikeit dauernder
Grabpflege auf die Pflanzung mitbestimmend sein müssen. —
Von der Vulkstüralichcii Gartenbau-.VusstcUung zu llaimovoi
Dieser Leitsatz geht im ersten zu weit und ist im zweiten
selbstverständlich.
Ist nun damit alles gesagt oder hätte Trip niclit besser
getan, auf die Leitsätze überhaupt zu verzichten '•
Was den Entwurf Trips für Hameln anlangt, so spielt doch
bei allen derartigen Wettbewerben der Wunsch der Aus-
schreibenden, ein für ihre speziellen Ver-
hältnisse als vollkommen zu bezeiclinendes
Projekt zu erlangen, die Hauptrolle, andern-
falls würden diese doch wohl einen Ideen
Wettbewerb ausgeschrieben haben. Was unter
der Hand der Ausführenden schlielslich aus
den bestgemeinten Anregungen und „Ideen"
in der Praxis oft wird, ist ja genugsam be-
kannt.
Auf dem (iebiete der Architektur pflegt
die preisgekrönte Arbeit ausgeführt zu
werden, mindestens aber sichert man in den
meisten Fällen sicli die Mitwirkung des Ver-
fassers der preisgekrönten Arbeit. Sollte
das für imsern Beruf nicht auch wünscliens-
wert, ja sogar erreichbar sein? Oder soll
man das einfach preisgeben und siih darauf
beschränken, bewufst nur Anregungen und
Ideen bieten zu wollen? (cf. Trip, G.-K.-
IM IX, 1 I
Hans Pietzner, Breslau.
Volkstiiiiiliclie Aiissfpllini^ für Blumen- und (lartcnpflege,
Septcnibcr 19(M» in Hannover.
Zur Feier der zehnmaligen Wiederkehr der Veranstaltung
der Blumenpflege durch Schulkinder, für die der Provinzial-
gartenbauverein jährlich .">000 Pflanzen zur Verfügung stellt
und ungefähr ein Fünftel der nach einigen Monaten zur
Prämiierung eingereichten Exemplare mit
^Medaillen, nützlichen Gegenständen, Büchern
über Gnrtenbau und Diplomen prämiiert, fand
im Anschlufs an die Prämiierung eine volks-
tinnliche Ausstellung für Blumen und Gar-
tenpflege statt, bei welcher der Ausstellungs-
leitung das Ziel vorschwebte, einen Uber-
bick zu gewinnen und darzubieten über die
volkstümlichen Bestrebungen im Gebiete des
Gartenbaues und verwandter Betätigung.
Sie war, trotzdem sie ganz neue Ziele ver-
folgt, und als erster Versuch auf diesem
(icliiete anzusehen ist, durchaus befriedi-
gend, wenn auch der Besuch durch die
von Anfang bis zu Ende herrschende regne-
rische Witterung sehr zu leiden hatte. An
die ISIumenpflege durch Schulkinder der
Stadt Hannover, die den Schwerpunkt der
ganzen Veranstaltung bildete und bereichert
wurde durch die Ausstellung der prämiier-
ten Pflanzen fast sämtlicher anderer Lokal-
vereine der Provinz Hannover, welche
gleiche V^eranstaltungen alljährlich pflegen,
schlössen sich die folgenden Abteilungen
an, welche mit Unterstützung der hiesigen
Aijuarien- und Terrarienvereine, des Vogel-
schutz- und Bienenzuchtvereins und durch die hiesige Lehrer-
schaft ins Leben gerufen waren, an: Zunächst in einer ge-
-schlossen Veranda des Gartenetablissements Bella Vista die
Pflanzen der häuslichen Pflege, dann in einem gleichen
Räume die Erzeugnisse der Lauben- und Hausgärteu, welche
einen ersten Versuch darstellen, auch deren Pfleger für
der \'olkstümliclicii (iiiiirnliau .Xusstcilun" zu llaiwiijver.
IX,
DIE [GARTENKUNST
:i5
Alis der Volkstümlichen Gartenbau-Ausstellung zu Hannover.
die BeteiligUiig an der Ausstellung heranzuzielien, Daim Kamen
im Freien sowohl wie zum Teil unter Bedachung die Auswahl-
gruppen für den Pflanzenbedarf des Gartenfreundes, die
von den Handelsgärtnern gestellt wurden, desgleichen die
Aufzuchtgrnppen, welche die verschiedenen
Stadien der Anzucht der Topfpflanzen dar-
stellten.
Eine eigene Vorgartenstrasse zeigte von
hannoverscheu Landschaflsgärtnern ausge-
führte einfache Vorgärten. In der Abteilung
Obstbau wurden neben den verschiedenen
Produkten der Baumschulen und Mitteln und
Geräten zur Bekämpfung der Obstschädlinge
einfache volk.stümliche Obstgärten vorge-
führt.
Die Aufgabe „unter Blumen" zeigte in
einem besonderen Zelte eine Zusammen-
stellung von .abgeschnittenen Blumen leicht
zu erziehender Stauden, einjähriger und
solcher Pflanzen, welche durch den Blumen-
fi'eund leicht zu kultivieren und aus Samen
zu ziehen sind.
Die hiesige Lehrerschaft hatte sich der
Mühe unterzogen, einen botanischen Muster-
schulgarten auszustellen, dessen Inhalt zur
Belehrung der Jugend über die nützlichen
und schädlichen, sowie allgemein für den
Unterricht wichtigen und interessanten Pflan-
zen dienen soll. Der Obst- und Gartenbau -
verein Harburg brachte eine naturwahr zusammengestellte
l'ilzlandschaft, in welcher die nützlichen und schädlichen Pilze
getrennt nach ihren natürlichen Vorkommen und Wachstum,
sowie in ihrer natürlichen Umgebung zusammengestellt waren.
Ein eigener grosser Saal umfasste die reiche .\usstellung
der Aquarien- und Terrarionliebhaberei, welcher seitens de"-
Lehrerschaft eine reichhaltige, didaktische Abteilung von Lehr-
mitteln aller Art angegliedert war, welche in das naturwissen-
schaftliche Gebiet im weitesten Sinne eingreifen.
Staudenabteilungen, teils farbenweise geordnet, teils nach
ihrem pflanzengenossenschaftlichen Vorkommen zusammen-
gestellt, ein grösseres Wasserbassin mit heimischen Wasser-
und Sumpfpflanzen von der Stadtgärtnerei und eine lehrreiche
Sonderausstellung des Vogelschutzvereins, sowie eine sehr
vollständige und lehrhafte Darstellung der Bienenzucht ver-
vollständigten das Ganze.
Aus dem Baumschulenbetrieb wurden Koniferen für die
\'or- und Hausgärten in gegen Rauch und Rufs unempfindlichen
Arten, Gehölze zu gleichem Zwecke mit Unterabteilungen für
die verschiedenen Zeiten der Blüte, schattenertragende Bäume
und Sträucher u. a. m. im Wettbewerb vorgeführt.
Entsprechend der Tendenz, eine volkstümliche Garten- und
Blumenpllege auf allen Gebieten einzuführen, war seitens
der Stadtgärtnerei auch ein kleiner Friedhot unter dem Schatten
hoher hainartig stehender Bäume ausgeführt worden, um dem
Publikum klar zu machen, wie die traurige Öde und Schablonen-
haftigkeit unserer landläufigen Friedhöfe mit der regelmäfsigen
Anordnung der Reihengräber durch entsprechende garten-
künstlerische Behandlung abgeschwächt werden kann und wie
wenig Aufwand schliesshch dazu gehört, ein einfaches schli('hte.s,
aber stimmungsvolles Grab in würdiger landschaftlicher Um-
gebung herzustellen. Die beigefügten Abbildungen stellen
einzelne Gruppen aus diesem kleinen Friedhof dar; sie
lassen vor allem das Bestreben erkennen, zwischen der
Umgebung und der Ausstattung des Grabes eine sinngemäfse
harmonische, jedem Beschauer fühlbare Verbindung herzustellen.
Neben ganz einfachen, mit einem Holzkreuz in Form von
„Marterln" versehenen Grabstellen in der stimmungsvollen
Umgebung von Knieholzkiefern, Wacholder, Brombeere, und
Aus der Volkstümlichen Garteubau-Ausstellung zu Hannover.
36
DIE GARTENKUNST
IX, 2
Heide, sind die Muster etwas reicher ausgestatteter bürger-
licher Grabstellen vorgeführt worden, welche alle das Bestrebeo
zeigen, in einfacher landschaftlicher oder auch architektonisch
gestalteter pflanzlicher Uragebun- stinimungsvoU und ver-
söhnend zu wirken.
Es besteht die Absicht, diese allgemein als muster-
gültig anerkannten Versuche in erweiterter Form und grösserem
Rahmen in nicht zu ferner Zeit zu wiederholen. Sollte diese
Absicht zur Tat werden, so werden wir rechtzeitig darüber
berichten, da wir hoffen, dass sie in den Kreisen unserer Ge-
sellschaft Anklang und Unterstützung durch reiche Beteiligung
finden werden. irip.
Verschiedenes.
Vorgarten und Strafsenbepflanzung. Die Vorgarten-
frage ist noch nicht gelöst, sagte Gartendirektor Encke in
einem Vortrag über dieses Thema. Gibt es überhaupt eine
Vor^artenfrage? Um dies zu beantworten, luufs man sich erst
darüber klar sein, welchem Zwecke der Vorgarten dienen soll
Gehört derselbe zum Haus oder zur Strafse? Offenbar zu
beiden denn er dient zur Verschönerung des Hauses und der
StraCse. Wenn icli den Vorgarten als Hausgarten betrachte,
dann mufs ich, wie Camillo Schneider, eine recht hohe Mauer
darum setzen, damit nur ja keiner hineinsieht; aber dann ist
es eben kein Vorgarten mehr. Man stelle sich nur vor, stun-
denlang zwischen hohen Mauern dahinwandeln zu müssen
selbst wenn stellenweise Schlinggewächse und Bäume über-
hängen. Für das Strafsenbild ist aber nicht der einzelne,
sondern die Gesamtheit der Vorgärten von Einflufs. Das
sclilechte Aussehen unserer heutigen Vorgartenstrafsen ist
Hauptschuld des Städtebauers und der Arcliitekten, für
Rechnung der letzteren gehen auch die wunderbaren Ein-
friedigungen. Die Fehler von gärtnerischer Seite werden na-
türlich nicht in Abrede gestellt, aber die Fehler, die im ein-
zelnen Vorgarten gemacht sind, treten für das Strafsenbild
nicht so sehr in die Erscheinung.
Auch für den Vorgarten möchte ich die landschaftliehe,
oder sagen wir natürliche, Anordnung empfelüen. Die Gliede-
rung des Hauses, die Stralsenfront mufs zwar für die Anlage
des Vorgartens bestimmend sein. Aber nach den heutigen, be-
stehenden Verhältnissen ist meines Erachtens in den weitaus
meisten Fällen die natürliche Anordnung möglich.
Bei der schlechten Behandlung, die den Vorgärten zuteil
wird, ist der regelmäfsige sicher auch im Nachteil. Wenn wir
die zwecklosen Wege herauslassen, dann kommen wir der
Sache .schon wesentlich näher und auch der regelmäfsige Vor-
garten wird meist der Wege entbehren können, weil sie eben
keinen Zweck haben.
Für das Slrafsenbild ist der Baum der Hauptfaktor. Breite,
gut bepflanzte Vorgärten würden eine AUeepfhinzung entbeiir-
lich machen.
Der Vorschlag Enckes, den Vorgarten vom Hause zu
trennen und zwischen Fahrdamm und Schrittweg zu legen, ist
mir ungemein sympathisch. Durch einem solchen 5 — 8 unil
mehr Meter breiten Anlagestreifen würden sich al)wechselungs-
reiche Strafsenbilder schaffen lassen, natürlich unter Berück-
sichtigung der einzelnen Bauwerke. Dazu käme nocli die An-
nehmlichkeit, in VorgartenstraCsen Verkaufsläden mit Scliau-
fenstern einrichten zu können, einigermal'seu Schutz gegen
Strafscnstaub und gröfsere Sicherheit für den Fufsgänger zu
bieten. Die Strafsen würden etwa folgende Einteilung er-
halten: (i m Schrittweg, S m Anlage, 3 m Rad-, 12 m Fahr-,
4 m Reitweg, S m Anlage und (i m Sehrittweg, dazu offene
Bebauung.
Bei Alleepflanzung ist die Mittelallee vorzuziehen. An
einer der Kölnei' Hauptstrafsen ist folgendes Profil angewandt:
lieiderseits Fahrdämme und schmale Schrittwege, als Mittel-
allee 4 m Reitweg, Baum, 0 m Promenade, Baum, 3 m
Radweg. Diese Einteilung hat den Vorteil, dafs die soweit
zurückstehenden Bäume nicht mit den Oberleitungen der elek-
trischen Balinen in Konflikt kommen.
Die Fehler, die früher bei der Bepflanzung von Strafsen
durch Auswahl zu grofser Baumarten auf schmalen Bürger-
steigen gemacht worden sind, rächen sich nur zu bald. Be-
sonders hier in Bonn sind sehr viele solcher Strafsen. Cm den
Bewohnern dieser Strafsen Luft und Licht zu verschaffen, ist
man genötigt, die Bäume alle 2—3 Jahre zusammen zu schnei-
den. Den Eindruck, den solche verschnittenen Alleen, beson-
ders während des Winterhalbjahres, macheu, brauche ich nicht
zu schildern. Leider sind wir mit tauglichen, kleinen und
mittelstarken Alleebäumen nicht sehr gesegnet. Eine Aussprache
über die Verwendbarkeit solcher Bäume in Strafsen würde
gewil's sehr nützlich sein.
DieWirkung, die der einzelne Baum (z.B. Dorf linde) im Strafsen-
bild liervorzubringen imstande ist, wird noch nicht genügend
gewürdigt, wenn auch die Schwierigkeit, einen Einzelbaum mit
Geschick in unseren heutigen Strafsen unterzubringen, niclit
verkannt wird; vor allen Dingen dürfen solche Bäume nicht zu
steif gewachsen sein. Die un regelmäfsige Anordnung von
Bäumen kann auch noch in der Weise zur Ausführung kommen,
dafs statt <ler geraden Alleen die Bäume bald vor, bald zurück-
stehen, liald in Gruppen von drei und mehr unter Verwendung-
verschiedener Baumarten zusammengepffanzt werden, was aller-
dings mehr o<ler weniger auf die bereits empfohlenen Anlage-
streifen herauskäme.
Leider fehlt es bei der Strafsenbepflanzung noch immer
an einem verständnisvollen Zusammenarbeiten mit den Strafsen-
technikern. Bei Anlage von Kanälen, Gas- und Wasserrohren,
bei Legung der Kabel usw. wird mit den vorhandenen Bäumen
mit einer solchen Rücksichtslosigkeit verfahren, <lafs es von
Seiten der Gartenbeamten eines ordentlichen Kampfes bedarf,
um che Bäume vor dem Abhauen der Wurzeln zir schützen.
Zum Schlufs möchte ich noch auf die in amerikanischen
Städten angewandte Art hinweisen, die verschiedenen grofsen
Parks durcli Anlagestreifen zu verbinden.
G ü nther, Bonn.
Jubiläums - Gartenbauausstellung in Bremen. Die
Gartenbauausstellung, welche von Ende April bis Ende Sep-
tember 1!)0T in Bremen zur Feier des SOjährigen Bestehens
des Gartenbauvereins für Bremen und Umgi'gend statt-
findet, wird auf einem Wiesengelände des Bürgerparks ein-
gerichtet. Das Ausstellungsgebiet ist von schönen Gclu'ilz-
rändern umsäumt und hat eine sonnige geschützte Lage; es ist
von der Stadt und vom Bahnhofe leicht zu erreichen und
liegt neben der Hauptpromenade am Hollersee in der Nähe
des grossen Parkhausrestaurants. Der llaupteingang befindet
sich an der Hollerallec, der fhiilstation der elektrischen üalin.
Das Ausstellungsgebäude, welches bereits im Aufbau begriffen
ist, erhält (une (Jrundfläehe von 1200 Quadratmeter und schöne
lichte Räume für die Ausstellungsobjekte unter Dach.
Sonderausstellungen werden I'^nde April, Ende Juni und
Ende September stattfinden, die Freilandausstellung ist den
ganzen Sommer geöffnet. Für beide Abteilungen sind 274 Kon-
kurrenznummern mit beträchtlichen Preisen vorgesehen. Vom
Senat sind silberne und goldene Staatsmed.-iillcn und ein lioher
1\.
DIE GARTENKUNST
:i7
LagopLui der Brrnii-)- ( iarti-nb:in:iussti'lliing.
(Ji'lilpri'is bewilligt; Fi-eiiude des ( iarteiibaues stil'teten Ehren-
preise in beträchtlichen Geldsummen.
Preisbevverbungen sind nur zulässig aus der l'rovinz
Hannover, dem Grossherzogtum Oldenburg, und den Städten
Hamburg, AVandsbeck und Bremen, es stehen aber ausserdem
dem Preisrichterkollegium bedeutende Geldmittel und Medaillen
zur Verfügung für hervorragende Leistungen solcher Aus-
steller, die aulserhalb des genannten Bezirkes ihren Wohnsitz
haben, alier nur aulser Konkurrenz ausstellen können. In der
Abteilung Gartenkunst ist für die beste Gesamtleistung die grofse
goldene und die grol'se silberne tStaatsmedaille bewilligt worden.
Ausstellungen aufser Konkurrenz können in dieser Abteilung
des beschränkten Raumes wegen nicht stattfinden.
Das Programm der Jubiläumsausstellung ist jederzeit von
dem Schriftführer des Vereins Herrn 'M. W. Schlenker, Bremen,
kostenfrei zu beziehen, auch ist die aus den Herren Garten-
bauinspektor Heins, Garteningenieur Karich und Parkdirektor
Ohrt bestehende Ausstellungskonnnission gern bereit, in allen
Angelegenheiten Auskunft zu geben.
Internationaler Landwirtschaftlicher Kongrefs, Wien.
21. --25. Mai 1907. Das Progranini, welches vom E.xekutiv-
komitee des Kongresses versandt ist, gibt eine Übersicht über
die grofs angelegte Organisation dieser Kongresse, deren erster
1S91 im Haag stattfand und dem andere inzwisclien in Brüssel
1SÜ.3, Budapest 1S9G, Lausanne 18<JS, Paris 1!)()() und Rom 1908
gefolgt sind. Der Kongrefs in Wien wird sich in 11 Sektionen
gliedern, von denen die Vorhandlungen der letzten Sektion uns
besonders interessieren dürften, da sie siidi auf Obst-, Geniüse-
und Gartenbau erstrecken und in ihrei' (i. Abteilung den .städti-
schen Gartenbau und seine technisi'hen und künstlerischen
Gesichtspunkte behandeln sollen. Als Keferenti-n sind ge-
wonnen: Kgl. Gai-teuDaudirektor Siebort, Erankfurt a. JI.. Stadt-
garteudirektor Kuphalt, liiga, Gartenbaudirektor Bertram, Dres-
den und .los. ,Vug. Lux, Schriftsteller, Herausgeber cler Zeit-
rlirilt „ll.ihe Warte", Wien. — [n der .i. Abteilung: , Bedeu-
tung i\fV in den letzten '2't. Jahren neu eingeführten oder neu
gezüchteten Gelndze für die Gärten Mitteleuropas mit Berück-
sichtigung der Erfahrungen über die Akklimatisation der Xeu-
einführungen" werden referieren: Graf v. Schwerin, Wendisch-
Wilniersdorf bei Ludwigsfeldc, Vorsitzender der D. D. G. ;
Mauiicc il,. X'ihn.uin, l'aris; Rudolf Seidel, Handelsgärtnerei-
liesitzer, G rüngräbchi'U ; Dr. Heinr. Mayr, Professor an der
Universität Alüncheu: Hofgartendirekt.or Graehener, Karlsruhe
und ('. K. Schneider. Wien.
Gartenkünstlerische Vorträge in der Kgl. Lehranstalt
zu Dahlem. In der Königlichen Gärtnerlehranstalt zu Dahlem
Ijei Steint z-lleilin (früher Wildpark) werden vnm 4. — S. Februar
I'.IIIT fiiid' giirtenkünstlei-ische Vorträge mit Liiditlülilern ge-
halten und zwar werden sprechen: I. Montag, dun 4. ['"ehruar
d. Js. Kgl. GarteninspektorZahn über „Parkanlagen"; 2. Dienstag,
den ."). Peliruar d. .Is. Kgl. Garteniuspektor Lange über ,. Uie
Eutwii kelung der Gartengestaltung" : 3. Mittwoch, den (i. f'ebniar
il. Js. Kgl. Gartenins[iektor Lange über „Die landschaftlich-
naturkundlichen < u-undlagen moderner tiartengestaltung" :
4. Donnerstag, den 7. Februar d. .Is. Kgl. Garteninspektor Zahn
über „Die Gartenkunst im Städtebau"; .j. Freitag, den S. Februar
d. Js. Dr. Graebuer über „Die Lebensbedingungen natürlicher
Vegetatinnsfurmationen". Anmeldungen sind umgehend an
die Direktion der Anstalt einzureichen. Das Honorar für die
fünf N'cutriige beträgt für Inländer nebst Postbestellgeld
!) Mark ."> Pfg., und ist dieser Betrag nach der Aufnahme in
die Teilnehmerliste an der Kasse der Königli(dien Giirtnerlehr-
anst;ilt zu Dahlem bei Steglitz einzusenden. Die Vorträge be-
ginnen jedesmal nachmittags .7 Ihr.
In Berlin fiiulet voiaussichtlich am 14 März d. Jahies auf
die Dauer von li Tagen eine Allgemeine Gartenbau- Aus-
stellung in der Ausstellungshalle di/s Zoologischen (4artens
statt.
Endzweck der Ausstellung ist die Schaffung von Mitteln
für eine Stiftung, um die Krankenhäuser von Grols-Berlin
dauernd mit frischen Blumen zu versehen.
Das Protektorat ist I. M. 'der Kaiserin angetragen worden.
Ehrenpräsident ist Geh. Rat Prof. Dr. von Bergmann. Exzellenz.
Dem fachmännischen Arbeitsausschufs gehören u. a. an die
Herren Kgl. Hofgartendire^ktor Fintelmann, Potsdam, Garten-
baudirektor Fintehnann-Beilin. Kreisobergärtner Hübner, Stadt-
obergärtner Thieme-Wilmersdorf, unser Mitglied E. Chaste u. a.
Platzmiete wird nicht erhoben.
Erwünscht sind Pläne, Modelle, vor allem aber szenische
Daistellungen kleine)' Gärten, Pflanzendekoration in Verbindung
mit künstlerischer Plastik. Das grofse Hauptparterre wird in
einer bisher noch nie gezeigten Weise ausgestaltet werden
und zwar nur mit getriebenen Winterblumen in gewaltiger
Anzahl. Nähere Auskunft durch E. Ghaste. Berlin W., Wilmers-
dorf, Augustastr. ."i."), tl I . Pt.
Jubiläumsausstellung Mannheim 1907. Dem Programm
der Ausstellung ist eine Abteilung für Gartenpläne, Modelle,
zeichnerische Darstellungen von Gartenzubehör (Lauben, Bänkeu.
Einfriedigungen, Springbrunnen u. dgl.) eingefügt worden. Da
in dieser Abteilung eine Übersicht geboten werden soll über
das, was in den letzten Jahren an hervorragenden iind be-
achtenswerten neuen Anlagen geschaffen worden ist und in
welcher Weise sich dabei der Einflul's der modernen Kunst-
bestrebungen geltend macht, so sollen nur solche garten-
künstlerische Arbeiten zugelassen werden, welche in den
38
DIE GARTENKUNST
IX,
letzten fünf Jahren entstanden sind. Die Beteilii;ung soll
jedem offen stehen, der sich gartenkiinstlerisch betätigt. Die
Dauer dieser Planausstellung ist berechnet auf die Zeit
vom 15. Mai bis gegen Ende August. Sie wird untergebracht
in einem angemessen ausgestatteten Räume der grulsen Aus-
stellungsliallen. Anmeldungen sind bis zum 1. April an die
Ansstellungsleitung, Friedrichsplatz 14 in Mannheim zu richten,
von der auch die Programme und Ausstellungsbedingungen
zu beziehen sind. Es wird ein Ausschufs eingesetzt werden,
welcher die eingelieferten Ausstellung,sgegenstände einer Prüfung
zu unterwerfen hat und befugt ist, Ungeeignetes zurückzu-
weisen (Hängekommission). Diesem Ausschufs, der auch zugleich
als Jury fungieren wird, stehen zur Auszeiclniuug hervxuTageiider
künstlerischer Leistungen Medaillen und Ehrenurkunden zur Ver-
fügung. Sollten die Anmeldungen zu dieser l'lanausstellung zahl-
reicher einhüllen, als in den zur Verfügung stehenden Riiumen
untergebracht werden können, so ist in Aussicht genommen im
Monat Juli noch eine Sonderausstellung von kürzerer, etwa
litägiger Dauer zu veranstalten, die dann mit der Ausstellung
der Pläne im Zusammenhang stehen soll, welche in dem
seitens der Stadt Mannheim beabsichtigten Friedhnfswettbowerb
eingereicht werden.
Priedhofswettbewerb Mannheim. In dem bereits mehrfach
erwähntL'U Ausschreiben eines Wettbew'erbes zur Gewinnung
von Entwürfen für einen Zentralfriedhof in Mannheim ist
nunmehr die Frist bis zum 1 . Juni d. Js. festgesetzt. Das in
Frage kommende Gelände liegt etwa (i Kilometer vom Mittel-
punkt der Stadt in nordöstlicher Richtung, ist ca. 3,.") ha grol's
und besteht, abgesehen von einer etwa (i Meter hohen Er-
hebung, aus ebenen Acker- und Wiesenflächen. Das Programm
besagt: Der Friedhof soll parknrtigen ('harakter erhalten.
Indessen läfst ein Zusatz, wonach geradlinige Alleen nicht
ausgeschlossen sein sollen, erwarten, dafs die ausschreibende
Stelle unter dem Begriff „parkartig" nicht notwendig eine
Anlage mit lauter krummen Wegen nach Art eines „englischen"
Parkes verstanden wissen will. Sonst enthält das Programm
Angaben über die in Grundrifsandeutung vorzusehenden Bau-
lichkeiten, Verkehrs- und Zugangsverhidtnisse, Grabgrölse u. dgl.
und schreibt „Rücksichtnahme auf möglichste Ausnutzung des
vorhandenen Raumes" vor.
Das Preisgericht wird unter dem Vorsitze des Oberbürger-
meisters Beck bzw. seines Vertreters sich zusammensetzen aus
den beiden Mannheimer Bauräten Eisenlohr und Perrey, Garten-
direktoi Trip-Hannover, Friedhofsinspektor Ibach-Köln, Kgl.
Gartenbaudirektor A. Fintelmann-Berlin und Professor Behrens,
Düsseldorf. Es sind drei Preise zu l.öOII, 1000 und .100 Mk.
ausgesetzt, weitere Entwürfe können zu .")00 Mk. auf Voischlag
der Jury angekauft werden. Die eingegangenen Entwürfe
werden gelegentlich der Jubiläumsausstellung öffentlich aus-
gesteUt werden.
Die Unterhaltung der Wiesbadener Kuranlagen, welche
seither der Firma Gebj-. .Siesmayer in l'raTikfint :\. M. oblag,
ging am 1. Januar an die seit April vorigen Jahres bestehende
selbständige städtische Gartenverwaltung über. Damit sind
nun Wiesbadens gesamte Anlagen in städtischer Regie vmter
Leitung des Garteninspektors Zeininger vereinigt. Der seit-
herige Vertreter der Firma Gebr. Siesmayer, Oborgärtner
Traulsen, und das gesamte Personal wiirdrn von der Ver-
waltung übernommen.
Wettbewerb Sehöneberg. In dem seitens der Stadt
Schöueberg au.sgeschriebenen \\'ettbewerb zur Erlangung von
Entwürfen für einen Stadtpark ist dem Einliefei'ungstermin
der am 29. Dez. v. Js. ablief, ziemlich prompt die Prämiierung
am 19. d. Mts. gefolgt. Das Ergebnis ist folgendos: Den
1. Preis (Mk. 3000.— ) erhielt Gartenarchitekt Krüpper-Düssel-
dorf, den 11. Preis (Mk. 2000,—) Gartendirektor Encke
und Bauinspektor Bolte-Cöln, den III. Preis (Mk. 1000, — )
Obergärtner F. Ulrich-Berlin. Zum Ankauf wurden empfohlen
die Entwürfe von V. Goebel-Wien und P. Grossmann-Dresden-
Leipzig. Im ganzen waren gegen 40 Entwürfe eingelaufen.
Entgegen der bei solchen Anlässru übliidien (Gepflogenheit
scheint man in Schöneberg von einer liffentlicheu Ausstellung
der Wettbewerbsentwürfe abzusehen ; wenigstens hören wir
bisher nur, dafs die prämiierten Arbeiten am 20., 21. u. 22. Jan.
einige Stunden der Besichtigung zugänglich waren. Von einer
öffentlichen Ausstellung des ganzen Materials verlautet ilagegen
nichts.
Das entspricht nii'ht dem Programm; denn seinem Wort-
laute nach sollten für ilcn Wettbewerb die Grundsätze für das
Verfahren bei öffentlichen Wettbewerbungen auf dem Gebiete
der Gartenkunst malsgebend sein, die vom Verein Deutscher
Gartenkünstler (heuteD. (4. f. G.) aufgestellt worden sind. Inihrem
§ Ki heilst es: Sämtliche zur Bewerbung angenommene Arbeiten
sind mindestens zwei Wochen lang öffentlich auszustellen, in
der Regel gleich nach der Kntscheidung des Preisgerichtes.
Wir möchten dazu liemerken, dal's es für die allgemeine
Beurteilung des Wettbewerbsergebnisses von Belang ist, nicht
nur die prämiierten Entwürfe kennen zu lernen, sondern auch
die übrigen, unter denen zweifellos manche gute Arbeit sich
befinden dürfte. Auch ist mau es denjenigen, deren Arbeiten
leer ausgegangen sind und die also umsonst Zeit und Können
geopfert haben, schuldig, durch gemeinsame .-Vusstellnng ihrer
Arbeiten mit denen der Sieger Gelegenheit zu Studien und zu
verarleichender Kritik zu geben.
Bücherschau.
P. Schultze-Naumbu lg, Kulturarbeiten. Band IV:
Städtebau. \'erlag von (ieorg 1». W. OalUvey. München. Ein
neuer Band der Kulturarbeiten ist bei der Beachtung, die
Schultze-Naumburg durch seine auf Helning unserer künst-
lerischen Kultur und gegen die Verunstaltung unserer Heimat
gerichteten Bestrebungen gefunden hat, in gewissem (jrade ein
literarisches Ereignis. Auch wir können das Erscheinen dieses
Buches nicht mit Stillschweigen übergehen, um so weniger,
als das behandelte l^hema eine groCse Reihe von Berührungs-
punkten mit unserem Tätigkeitsgebiet hat.
Seh. stellt sich nicht auf den Standpunkt, in seinem Buche
eine Reihe von Vorschlägen und Rezepten zu geben, welche
den vielen, allgemein empfundenen schweren Mil'sständen in
der Gestaltung unserer Grofsstädte abhelfen sollen, er gibt
vielmehr zu erwägen anheim, ob denn überhaupt die Grol'sstadt
so sehr erstrebenswert ist und wirklich das Ideal darstellt,
dem alle andern Städte nachstreben sollten. Auch bestreitet er,
da(s die heutige Zeit so ganz andere Anforderungen an die
Städte stelle und deshalb der moderne Städtebau nach ganz
anderen Grundsätzen sich entwickeln müsse als früher; er be-
streitet, dafs mit der Lösung der Verkehrsfragen, insbesondere
der schnolk'Ti und ])rompten Verbindung der weit draulsen
liegenden Wohnviertel mit der City, ein wirklicher Erfolg be-
züglich der Hebung der allgemeinen Woldfahrl erreicht sei,
er erklärt sich nielit überzeugt davon, dafs die dauernde und
immer mehr imi sicdi gieil'ende Trennung von Familie und
Wii'kungskreis zum erhöhten (Uück der Menschheit beitrüge.
Zwar bezwiufelt er. dal's das Weiterwachsen unserer Riesen-
IX. 2
DIE GARTENKUNST
8!)
Städte vorläufig durch Gartenstadt- und sonstige Bestrebungen
aufgehalten wird, aber er hält es für sehr wünschenswert und
möglich, dafs ihm schlicCslich Einhalt getan werde. Mas
schlimmste ist ihm die Art, wie sich das Wachstum der
Städte vollzielit. Als ein besonderes Merkmal unserer Zeit
bezeichnet er es, dal's nnser 1'un sich mehr im Bereich des
Bewul'sten abspielt als früher. Das ist nicht so 7ai verstehen,
als ob die Alten hall)e Schlafwandler gewesen seien; ihr Arbeiten
vollzog sich nur mehr auf dem Wege erfahrungsmäfsiger
Übung als heute, wo die Theorie meist eher da ist als die Tat.
Fnd die Folge davon ist die traurige Einlörmigkeit in der
Entwickelung unserer Städte, der grol'sen wie der kleinen,
denn selbst die kleinste hat nur das eine Ziel vnr Augen,
miiglichst der Grol'sstadt niichzustreben und alles abzustreifen,
was sie von jener unterscheiden könne.
Schultze-N. untersucht dann eingehend die unseligen Folgen
dieser Grol'sstadtsucht. er wägt die Vorzüge des (Irofsstadt-
lebens und seine Nachteile ab und kommt zu dem Ergebnis,
dafs es ein verhängnisvoller Irrtum ist, alle Städtebaufragen
immer wieder allein anf die tirofsstadt zu bezieben, er hofft
vielmehr, dafs die Grolsstadtkranbheit doch einmal überwunden
werde und dafs dann die kleinen und kleinsten Städte wieder
zu grofser Bedeutung gelangen, und deshalb läl'st er sie
bei seiner Besprechung der Hauptgrundsätze für die Aus-
gestaltung menschlicher Ansiedelungen oft in den Vordergrund
treten.
Er weist nach, dal's die H;irmonie, mit drr das lüld einer
schönen alten Stadt sich zusammenschliel'st, nicht ohne weiteres
der „landschaftlichen Schöidieit" zuzuschreiben sei; in Wahrheit
handelt es sich um ein Kunstwerk, an dem freilich Tausende
von Köpfen, und weitere Tausende von Händen tätig gewesen
sind. Untersucht man ein solches Städtebild, so wird man
erstaunt sein, wie wenig eigentlich die Schönheit von dem
Werte der einzelnen Bauwerke, als einzelne Kunstwerke be-
trachtet, abhängig ist, sondern von den wohlabgestimmten Ver-
hältnissen, in denen die einzelnen Bestandteile des Bildes zu-
einander und zum Ganzen stehen.
Sch.-N. bespricht dann die einzelnen Bestandteile der Stadt-
anlagen, die Strafsenzüge und die Gestaltung der Plätze als
Organe des grofsen Verkehrs, die kleinen Verbindungswege
zwischen den grofsen Verkehrsadern, die die moderne Reifs-
brettstädtebaukunst allerdings verächtlich als unzeitgemäfs
nicht mehr zur Anwendung bringt, ebenso wie die kleinen
Plätzchen und Höfe, welche an solchen Durchgängen liegen
und sehr reizvolle Architekturbilder bieten. Er untersucht die
Lage und Stellung, welche man früher den Monumentalgebäuden
gegeben, hebt ihre Bedeutung gegenüber den anderen Bau-
lichkeiten und die Mittel, sie in ihrer Wirkung zu steigern,
hervor, wobei sich naturgemäfs viele Berührungspunkte mit
Camillo Sitte ergeben. Er ergeht sich eingehend übei' die ver-
derbliche Wirkung der gedankenlosen Begradigungen und
Fluchtlinienfestsetzungen für alte Stadtanlagen, die nacli
Schema F vom grünen Tische uns gemacht wurden und die
das Todesurteil für manche cliaraktervolle, alte Stadtanlage ge-
worden sind.
Ein sehr interessantes Kapitel ist der Behandlung der
Niveauunterschiede gewidmet und dabei manches harte — aber
zutreffende Urteil über die Verflachungs- und Nivellierungs-
sucht gefällt, die nicht einmal vor den altehrwürdigen Mauern
und Wällen der Städte Halt gemacht und bei ihrer Um-
wandlung in anlagengeschmückte Bingstral'sen unersetzliche
Schönheitswerte und ungezählte Millionen vertroddelt hat.
Nürnberg mit seinem wohlerhaltenen Wall- und Mauergürtel
wird denen, die immer wieder die Überwindung der Verkehrs-
schwieri.<^keiten in den Vordergrund zu schieben suclirn. als
klassisches Beispiel ents-egengehalten.
Interessant ist ferner das Kapitel „Die Vorstadt", wo der
Verfasser nachwei.st, wie gerade die Bestrebungim, die auf die
W'oldfahrt der Menschen gerichtet sind, oft genau das Gegen-
teil von dem erreichen, was sie anstreben. So ist der trostlose
Eindiuck vieler Vorstadtstrafsen eine Folge des schablonen-
mäl'sig durchgeführton Bauwichs, der wiederum ein Ergebnis
der an sich ganz löblichen Absicht ist. etwas luftiger und
geräumiger zu bauen, als in der eigentlichen Stadt, Wir
müssen Sch.-N. unbedingt recht geben, wenn er nachtlrücklich
auf den trostlosen öden Eindruck hinweist, den solche Stailt-
teile machen, wo die Häuser, anstatt in geschlossener Reihe,
in „offener" Ordnung mit regelmäfsigen Lücken von einigen
Metern zwischen je zwei Häusern angeordnet sind; diese
Lücken geben den Blick auf die mangelhaft ausgebildi^ten
Seitenfronten und Rückseiten frei und lassen, weil die Fläche
des Bauplatzes in Vordergarten, Hintergarten und den schmalen
Streifen zwischen den Häusern zerrissen wird, auch keine
brauihharen (iärteu entstehen! Es kann nicht leicht etwas
l'nsiimigeres erfunden werden, als diese in allen neuzeitlichen
Bauordnungen wiederkehrenden Bestimmungen. Auch in den
sogenannten Villenstrafsen, wo die Baugrundstücke auskömm-
licher bemessen sind, so dafs Gärten entstehen könnten, macht
die chem.itische Bauordnungshandhabung dies wieder illusorisch.
Es kann nicht der Zweck dieser Zeilen sein, alle die
treffenden Bemerkungen des V^erfassers zu zitieren — wir
wollen zur Lektüre des Buches, das nicht etwa für den Nur-
Städteliauer geschrieben ist, anregen. Vorgartengestaltung, Ein-
friedigungen, Baumpflanzungen und vieles andere wird im Zu-
saramenhang mit den anderen Gegenständen besprochen und
mancher beherzigenswerte Wink gegeben.
Das letzte Jvapitel,' welches sich mit den öffentlichen An-
lagen beschäftigt, fällt gegen die anderen etwas ab, ich
möchte es f.ast dürftig nennen und es ist wohl auch verständ-
lich, dal's in ganzen 2.50 Zeilen nicht viel über dieses Thema
gesagt werden kann, selbst wenn man das Wort in so aus-
giebiger Weise durch das Bild unterstützt, wie Sch.-N. es zu
tun pflegt.
Das sei zum Schlul's noch hervorgehoben, dafs auch in
diesem Werke wieder durch die Einschaltung zahlreicher Bei-
spiele und Gegenbeispiele die Wirkung des Gesagten nach-
haltig vertieft wird. Sch.-N. ist in dieser Methode Meister
und man mul's es geradezu bewundern, wie ihm für alles, was
er zu sagen hat. stets geeignete und gut ausgewählte Bilder
zur Verfügung stehen. H.
Illustrierte Flora von Mitteleuropa, von Dr. Gustav
Hegi und Dr. Gnst. Dunzinger. München, J. ¥. Lehmanns
Verlag. — Von dieser auf 70 monatliche Lieferungen berechne-
ten neuen Flora ist das erste Heft erschienen. Soviel sich
danach beurteilen läfst. haben wir es mit einer wärmste Emp-
fehlung verdienenden Erscheinung des Büchermarktes zu tun.
Für viele wird das Werk besonders wertvoll durch die bei-
gegebenen ausgezeichneten Farhentafeln, deren 280 in Aussicht
gestellt werden. Das vorliegende Heft enthält einen Teil der
Farne und es fällt angenehm auf, dal's den botanischen Namen
recht gut gebildete deutsche Bezeichnungen beigefügt sind, die
sich voraussichtlich schnell da einbürgern werden, wo ein
gangbarer deutscher Name Bedürfnis ist, aber bisher fehlt;
als Beispiele seien angeführt Buchentarn für Aspidium phego-
pteris. Eichenfarn für Asp. dryopteris, Dornfarn für Asp. spinu-
losum. Wir werden nach dem Erscheinen weiterer Lieferungen
auf das Werk zurückkommen. H.
40
DIE GARTENKUNST
IX, 2
Flugblätter für künstlerische Kultur. Im Verlag von
Strecker u. Sohröder, Stuttgart, erscheinen seit einiger Zeit
unter diesem Titel Hefte in zwangloser Reihenfolge, in denen
von bernfenen Autoritäten die wichtigsten Fragen, welche
sich bei der unaufhaltsam im Gange befindlichen Umwälzung
auf allen Gebieten modernen Kunst; und Kulturlebens auf die
Tagesordnung drängen, in fesselnder und jedem Gebildeten
verständlicher Form besprochen werden. Von den Heften,
welche uns vorliegen, behandelt das eine das Thema „Neue
Theaterkultur-" und in der Bearbeitung teilen sich Reg -Bau-
meister Moritz, Dr. Herbert Friedrich und Dr. Felix Poppen-
berg. Ein anderes, welches den bekannten Nürnberger Kunst-
kritiker Prof. Dr. Ree zum Verfasser hat, erörtert das Thema;
„Habe ich den rechten Geschmack.'" In geistreicher Weise
geht der Autor dem Satze de gustibus non est dispiitandnm
zu Leibe und weist nach, dafs die Verschiedenartigkeit der
Urteile einem Kunstgegenstaud gegenüber weniger dadurch be-
dingt ist, dafs der eine mehr, der andere weniger Geschmack
hat, als vielmehr durch die Verschiedenartigkeit unseres Natu-
rells, unserer Sinne, unseres Gemütes und vielleicht auch
unserer Weltanschauung. Hier zu streiten, wäre mülsig, so
mflCsig wie der Streit, ob die Eiche ein schönerer Baum sei
als die Linde, oder ob die Buche vor beiden deft Vorzug ver-
diene. .Wo es sich um wirkliche Kunstwerke handelt, da mufs
man jedes Urteil gelten lassen, nicht als kritisches Welturteil,
denn dazu fehlt uns der Mafsstab, sondern als Bekenntnis, das
in persönlicher Sj'inpathie seinen Grund und seine Grenze hat.
Daneben wird man freilich immer bestrebt sein, die anderen
für seine Anschauungen zu gewinnen und, soweit man sich
seiner Einseitigkeit bewulst ist, aus dieser herauszutreten und
der künstlerischen Eigenart der anderen gerecht zu werden.
Das Christuswort: „In meines Vaters Hause sind viele Woh-
nungen" gilt auch in der Kunst. — Ein drittes Heft handelt
vom Kulturgefühl und kommt zu dem Schlufs, dafs wir den
Genufs harmonischer Lebensführung nur allein durch Auf-
richtigkeit und Gradheit unserer Forderungen vuid Wege
wiedergewinnen können. Besonders interessant ist das Heft,
welches „Kultur der Feste" betitelt ist, und wenn wir dem
Autor in seinen Betrachtungen folgen, so werden wir schnell
und sicher überzeugt, dafs es auf keinem Gebiet unserer
modernen Kultur mehr der Reform bedarf, als in der Art. wie
wir unsere Feste feiern. — Der Verlag hat dem Unternehmen
eine gediegene Ausstattung gegeben. Textabbildungen und
Tafeln unterstützen die Ausführungen der Autoren. .Daneben
darf auf den billigen Preis hingewiesen werden : Das einzelne
Heft kostet 80 Pfg., bei Bestellung von 12 Heften (die einen
Band bilden) stellt sich der Preis auf 60 Pfg. Allen denen,
die sicli für künstlerische Fragen interessieren, können die
„Flugblätter" warm empfohlen werden. H.
Journal of the Royal Horticultural-Society, London.
— Das .lahrbuch der Londoner Royal Horticultural-Society für
1900 ist erschienen. Es bildet wieder einen stattlichen Band,
der eine ganze Reihe interessanter Aufsätze und Mitteilungen
enthält. Wir erwähnen: „.lapanische Pflanzen und Gärten"
von R. Farrer; „Japanischer Gartenbau"' von N. Hagashi;
von demselben Verfasser: „Chrysanthemum-Kultur in Japan".
Ein reich illustrierter Aufsatz beschreibt den Garten der Ge-
sellschaft zu Visley. Von Interesse ist eine Zusammenstellung
von Gehölzen zu Anpflanzungen in Städten von R. L Castle.
— jVus dem vorjährigen Jahrbuch werden wir in dem näch-
sten Hefte dieser Zeitschrift einen gartenkünstlerisch inter-
essanten Aufsatz in Übersetzung von ( '. K. Schneider- Wien
bringen. H.
Die Schule des Gärtners. Herausgegeben vom „Bund
der Gärtner" tiohlis-Dresdcn. Wir machen diejenigen unter
den Mitgliedern der D. G. f. G., welche Gartenkunst, Garten-
bau oder Kunstgärtnerei in ihren verschiedenen Zweigen be-
rufsniäfsig betreiben und unter ihrem Hilfspersonale junge
Gärtner und Gärtnerlelulingv beschäftigen, auf diese neue,
monatlich zweimal erscheinende Zeitschrift aufmerksam, die
vierteljährlich durch die Post bezogen nur Mk. 0.75 kostet.
Das Blatt wendet sich an diese jungen Gärtner und diejenigen,
welche es werden wollen, und will ihnen Anregung und Be-
lehrung bringen Wie die uns vorliegenden Probenummern
erkennen lassen, ist der Inlialt recht geschickt in Form und
Ausdrucksweise dem \'erständnis der Kreise, auf die das Blatt
berei'hnet ist, an.gepalst.
Personal nach richten.
Berckling, Stadtobergärtner in Nürnberg, ist die kürzlich
ausgeschriebene Garteninspektorstelle in Halle a. S. übertragen
worden. — Perring, W., Inspektor des kgl. botau. Gartens zu
Berlin-Dahlem feierte am L.lanuar d. J. sein ^.öjähriges Dienst-
jubiläum. - - Moncorps. Rob , Kgl. Garteninspektor, Gärtnerei-
besitzer zu Hohenschonliausen bei Berlin ist am .5. Dezember
vorigen Jahres gestorben. — Buchner. Aug.. Kgl. Ökonomie-
rat und Heiler, Jac, Stadtgärtendirektor und Kgl. Ökonomie-
rat in Münclien. Iiaben die Prinzregent Luitpoldmedaille in
Silber erhalten. — Peicker, W., Räuden O.-S., ist anläl'slich
seines 70. Geburtstages vom Herzog von Ratibor zum Hof-
gartendirektor ernannt worden. — Wychgram, J., bisher in
Eutin, ist die .Stadtgärtnerstelle in Jena übertragen worden.
— Hoffmann, R., in Weifsensee ist der Titel Kgl. Garten-
baudirektor verliehen. — Elpel, Garteninspektor in Nürnberg,
ist nach fast 'i.jjähriger Tätigkeit im städtischen Dienste der
Titel Stadtgartendirektor verlielien worden. - Buchner, M.,
München, ist von der „Grofsen französ. Gartenbau.gesellschal't"
in Paris zum „Membre honoraire" ernannt worden. — Dr Pfltzer,
E.. Geh. Hofrat, Professor der Botanik in Heidelberg, ist aui
3. Dezember v. J. gestorben. Pf., der Vizepräsident der Deut-
schen Dendrol. GeseUscliaft war. ist duicli seine erfolgreichen
Anbau- und Kulturversiichc immergrüner Gehölze und Bam-
busseen, die er in den Anlagen des Heidelberger Schlosses
betrieb, in gärtnerisclieu Fachkreisen bekannt geworden. —
Undeutsch, G., .Stadtgärlner in Flauen erliielt den Titel Stadt-
garteninspektor. • — Bertram, Rieh., elienda. ist zum Stadt-
öbergärtner ernannt worden. — Halleroorden, H., bisher
Stadtgärtner in Osnalu'ück, liat sich als Garteiuirchitekt in
Cliarlottenl)urg niiMlergelassen. — Schlerff. A.. Obergarten-
direktor im Dienste des .Sultans, ein Frankfurter von Geburt,
ist 7:i Jahre alt gestorben.
Ftir liif Redaktion vprantwortlirli : Stadt-Gartt'nrliroktor Heicke, Frankfurt a. M. — Vorlag von Gebrüdnr Homtrapger, Berlin SW n.
DpSBaanr StrasBC 2P. — Dyuuk von A. W. Hayn'ti Ki-heu, Pot.sdam.
IX. 3
DIE GARTliNKUISST
41
••i/'l'X»
i^4i^M^rjttl34i;fc^i^NßföKiM.
'r,'f,::f Wy, - ',7 nfr ^in^imi:^;-- •).7.':.7:iiS.'J7/l^T.'-*.7''^>"Cu''5«r.7^* W'' \]^> 'S''.''''.'' "
Zeit- und Streitfragen.
Die Rcforin der (Jarteukimsf uimI die Tradition.
\'on Ludwig F. Fuchs.
Es ist eigeiitlicli merkwürdig, dal.i es immer nochi
Leute gibt, die glauben, dalJ ein Umschwung auf irgemi-
welchem Gebiete möglich sei, ohne dalj Kämpfe, oft heftige
Kämpfe, daraus entstehen. Wer immer den goldenen
Mittelweg vorschlägt, wer zu Frieden und Ausgleich
mahnt, dessen .Aufrichtigkeit und wahres Interesse sollte
beargwöhnt werden, vielleicht auch seine Zuständigkeit in
der Sache.
Solche Kampfe toben heute auf allen Gebieten des
Lebens. Das politische in fortschreitender Kräftigung be-
griffene Xationalbewuütsein sucht die entsprechenden Aus-
drucksmittel der neuerrungenen Kräfte. Ein solches Aus-
drucksmittel, und zwar eines der wichtigsten und charakte-
ristischsten, ist vor allem auch die Kunst in ihrem vollen
Umfang, die Kunst als die rhythmische LebensäuLlerung
der Kultur, und der Kampf um dieselbe, wie sie unserer
neuen Zeit entspricht, hat nichts Entweihendes, sondern
ist weihevoll und vor allem gesund. Ich glaube nicht fehl-
zugehen, wenn ich annehme, datl diese Erkenntnis den
Leiter dieser Zeitschrift bewogen hat, einem Kämpfer die
Feder in die Hand zu geben.
Meine Absicht ist. zu zeigen, daij alle Gebiete der
bildenden Kunst in solchen Krisen stehen, wie die ist, in
welche die Gartenkunst vor ein paar Jahren eingetreten
ist, ja eintreten mutlte, zu zeigen, daß vielfach schon ein
Anlauf genommen wird zu einem Aufschwünge im höheren
Sinne. Ich verstehe unter „höherem Sinne" die Betonung
der rhythmischen Gestaltung. Wir werden sehen, dal.) die
Kraft zu diesem letzten, bedeutungsvollsten Schritt gewonnen
wird im Anschluß an die Tradition, das will heilien an die
Kunstübung derjenigen Zeit, die dem Verfalle des natio-
nalen BewulJtseins voraufgegangen ist.
Am markantesten zeigt sich diese Erscheinung in der
Malerei. Nach einer Periode heftigsten Haders, die jede
Saison ein anderes Schlagwort als Parole ausgab, ist eine
solche ernstester Arbeit und tiefster Vei'innerlichung ge-
folgt. Keine Verinnerllchung des E'arzustellenden. des
r-- Sujets, denn das wäre ein Rückschritt gewesen, sondern
cn eine Yerinnerlichung. Vergeistigung der formalen und
_, koloristischen Ausdi-ucksweise. Man begriff: Kunst ist
Csj Rhythmus, in diesem Falle Rhythmus der Form und der
n- Farbe. Woher kam nun dieser plötzliche Umschwung,
dieses Licht, das den rechten Weg gewiesen hat? Nach
all dem Sturm und Drang, nach dem Tohuwabohu von
Kunstrichtungen und Kunstansichten fand mau einen sicheren
Halt an den alten Meistern. An jenen, die wie eherne
Felsen herausragen über das Hasten und Treiben zu ihren
Füssen durch alle Zeit, l'nd zwar waren es nicht allein
die Meister der weiter zurückliegenden Jahi-lmnderle
sondern vor allen auch diejenigen des 18. und des auf-
gehenden 19. Säkulums, denen man sein Studium zuwandte.
Wer dies nicht glaubt vergleiche die Erscheinung der retro-
spektiven Ausstellungen, er prüfe dieJahrhundertsausstellung.
die im vorigen Sommer in Berlin so groLles .Aufsehen er-
regte, und er wird sich eines anderen besinnen. Hat man
doch, seit uns diese Erkenntnis überkam, viele ältere Maler
erst würdigen gelernt und hat entdeckt, dal.'i diese einsamen
Menschen ihrer Zeit voraus waren.
In der Bildhauerkunst liegt die Parallele deshalb nicht
so nahe, da die bis jetzt unerreichte Plastik der Helenen
und der Renaissance bis auf weiteres als Autorität zu
gelten hat. d, h, auch sie sucht den Anschlul.l an die Tra-
dition. Ebenfalls AnschluL) an die Helenen verlangen
energische .Stimmen, die in allerletzter Zeit laut werden,
und die eine stilistische Reform der Schaubühne und des
Tanzes fordern.
Wer hat noch vor 15 Jahren der Volkskunst anders denn
als Sammler gegenüber gestanden'? Heute haben wir die
stilistische Wahrhaftigkeit der bodenständigen Volkskunst
erkannt, die zu pflegen, zu erhalten und, da wo sie
durch Unverstand und die Surrogatwii'tschaft unserer
modernen Zivilisatiiui zertreten wurde, wieder aufzurichten
unsere ernsteste Pflicht ist. Überall sogar schon auf
Dörfern existieren Museen oder sind solche im Entstehen
begriffen, die sich die Pflege der Volkskunst zur Aufgabe
machen. Vortreffliche Publikationen existieren über dieses
Thema. All dies geschieht, um dem Landvolk zu zeigen,
wo es anzuknüpfen hat zur Wiedererlangung einer eigenen,
selbständigen Kultur, die es braucht als Prophylaxe gegen
die verzweifelte Erscheinung der Landflucht.
Ein Kunstgebiet, das direkt auf unser Thema überleitet,
ist die Architektur. Sie ist die einzige Kunst, die von
denen, die sie ausüben, von je bewuBterweise als Rhythmus
behandelt wurde. Das vielgebrauchte Wort: Architektur
ist versteinerte Musik, weist daraufhin. Trotzdem konnte
es auch hier geschehen, daß dieser Fundamentalsatz ver-
i-l
DIE GARTENKUNST
IX, 3
gessen wurde, vielmehr es geschieht noch jetzt, und zwar
in unheimlichem Maßstiibe. Fast unsere sämtlichen modernen
städtischen Bauten vom Rathaus bis zum einfachsten Zins-
haus sind beredte Zeugen. AU diese albernen Kästen mit
dem aufgepappten Renaissance-, Rokoko- etc. -Zeug sind
Versündigungen gegen das oberste Gesetz. Es ist daher
nicht weiter erstaunlich, aber um so erfreulicher, daLl hier
der Ruf nach sachgemäßer Bodenständigkeit so kräftig er-
klingt. Aber was heißt in diesem Falle Bodenständigkeit?
Ks heiüt in den meisten Fällen nichts anders als: Anknüpfen
an diejenige Blüteperiode der Baukunst, die unseivm Emp-
finden, unseren Bedürfnissen am nächsten steht. Man nennt
diese Zeit — oberflächlich genug — „Biedermeierzeit".
Allerdings ist zu bemerken, dal.l bedeutende moderne Archi-
tekten sich mit viel Glück auch in Barock, Renaissance usw.
versucht haben. An die Tradition anknüpfen heißt eben
nicht die letzte Blütezeit sklavisch nachahmen, sondern
ergründen, was früheren Werken das Eindrucksvolle, die
zwingende Wirkung verleiht, kurz wie in ihnen die ewigen
Gesetze aller Kunst gewahrt sind, die uns in den ver-
schiedensten Stilen entgegentreten. Bezüglich der ange-
wandten Künste wie Haus- und Gartenarchitektur muß uns
dies Verfahren da am leichtesten werden, wo wir die meisten
persönlichen Berührungspunkte finden. Dies ist wohl fast
immer bei einer nicht allzuweit zurückliegenden Epoche
der Fall. Unzweifelhaft sind die geometrischen Gärten,
die dem 18. Säkulum ihre Entstehung verdanken sowohl
in ihrer Wahrung der rhythmischen Stilistik der Anlage
und des Anschlusses an die Architektur, die sie zur Voraus-
setzung haben, als auch in ihrer bequemen Bewohnbarkeit
und sachgemäßen Bepflanzbarkeit für uns das Vorbildlichste,
was uns zur Verfügung steht. Solche Gärten sind be-
sonders in Residenzstädten noch in großer Zahl vorhanden
und haben zum Teil eine außerordentliche Berühmtheit
erlangt. Sie wirken heute noch durch ihre vornehme
Ruhe erhebend auf unser Gemüt und haben nichts Fremdes
für uns. Ich dächte dasselbe gelte auch von den einfachen
Hausgärten, wie sie jedem von uns wohl in einigen Exem-
plaren bekannt sind, und wie sie uns Schultze-Naumburg
in Hülle und Fülle vorführt. Ich dächte, das sei gerade
das Erstrebenswerte bei einer Gartenanlage, was in diesen
oft außei'ordentlich primitiven Gäi'ten so wohltuend und
rein zum Ausdr-uck kommt. Wie gesagt, für mich unter-
liegt es keinem Zweifel, auf welcher Grundlage unsere
Gartenreform zu beginnen hat.
Bezeichnend für das Gesagte ist die Tatsache, daß der
Niedergang der Gartenkunst zeitlich zusammenfällt mit
dem der anderen Künste, und daß zur gleichen Zeit, in
der diese sich zu einem neuen Leben aufraffen, auch
Stimmen laut werden, die gebieterisch, eine Reform der
Gartonkunst verlangen. Das sollte den Verteidigern der
englischen oder vielleicht besser gesagt natürlichen Rich-
tung zu denken geben. Alle und zwar ausnahmslos alle
Vorkämpfer einer modernen Gartenkunst halten diesen
„natürlichen" Stil für eine Entartung und weisen auf die
rhythmische Gestaltung früherer Epochen hin. Denn man
mag sagen was man will, der natürliche Garten ist und
bleibt eine versuchte Nachahmung eines Naturausschnittes.
Aber geradesowenig als eine angemalte Photographie
eines solchen Naturausschnittes ein Kunstwerk ist, obwohl
sie der Natur vielleicht näher kommt als das Gemälde des
vortrefflichsten Malers, geradesowenig ist die Nachahmung
der Natur ein Garten, Sei das Vorbild auch noch so
idyllisch. Man darl nie vergessen, daß der Maler von
vornherein gar nicht die Absicht hat, uns dies oder jenes
Stück Natur vorzuführen, sondern daß er irgend ein solches
Stück als Mittel benutzt, uns etwas zu sagen, seine reiche
K'ünstlerseele auf uns wirken zu lassen. Je reicher diese
Künsflerseele ist, desto intensiver wii'd die Wii'kung des
Kunstwerkes sein. Genau so verhält es sich in der Garten-
kunst. Wir sollen die Natur nicht nachahmen, sondern
dieselbe lediglich benutzen, ein Kunstwerk zu schaffen,
das vermöge seines künstlerisch durchdachten Aufbaues,
seiner angenehmen stimmuugserweckenden Benutzbarkeit.
kurz durch seinen Rhythmus eine bestimmte von dem
schaffenden Künstler gewollte Wirkung auf jeden ein-
drucksfähigen Menschen ausübt.
\y\e reizvoll steht ein Garten, der nach den Gesetzen,
die der künstlerisch schaffenden Menschenhand vorge-
schrieben sind, unter dem Zwange der dominierenden
Architektur entstanden ist, in der natürlichen Umgebung.
Für einen solchen Garten kommen ganz andere Bedingungen
und Möglichkeiten in Betracht, als wie für den Stadtgarten.
\\'ährend letzterer die strengste Abgeschlossenheit zu
wahren hat, muß ersterer bei aller Ungestörtheit den Genuß
der landschaftlichen Schönheit von bevorzugten Punkten
aus ermöglichen. Außerordentlich reizvoll ist dieser Kontrast
zwischen gesetzmäßiger Schönheit und der schrankenlosen
Erhabenheit der freien Natur in einem mir bekannten —
leider nur noch als Ruine erhaltenen — Garten in der
Umgebung von Darmstadt ausgenutzt. Der Garten, welcher
ungefähr im Jahre 1760 entstanden ist und eine geometrische
Anlage von großem Reize darstellt, ist am Rande der Rhein-
ebene gelegen, jener Ebene, die Herder als eine „melancho-
lische Zaubergegend" bezeichnet. Von den Fenstern des
entzückenden Barockschlößchens und von dem vorgelagerten
großen Rasenparterre aus, dem Lieblingsaufenthalt der
früheren fürstlichen Besitzer, schweift der Blick ungehemmt
über das halbmondförmige Wasserbecken und den Zaun
hinweg nach der weiten Ebene, deren Abschluß gebildet
wii'd durch die majestätische Scheitellinio des Taunus.
Vom Wasser aus wird der Blick geleitet von einer Allee
lombardischer Pappeln, die vom Beschauer weg konvergent
verläuft. Diese Konvergenz ist es, die uns hier interessiert.
Sie soll als willkürlich herausgegriffenes Beispiel beweisen,
mit welchen raffinierten Mitteln die alten Meistor unserer
Kunst gearbeitet haben. ui\d soll zeigen, was bei ihnen
alles zu lernen ist. Das Zusammenlaufen der beiden Baum-
tluchten erweckt in uns die optische Täuschung, als liege
der Von den beiden letzten Pappeln unu'ahmte Naturaus-
schnitt bedeutend weiter von uns weg, als dies in Wirk-
lichkeit der Fall ist. Das Auge nimmt eben an, dal.1 die
beiden ßaumreihen parallel laufen und die Konvergenz
durch ihre große Länge hervoi'gerufen werde. Dies bewirkt
abei'. daß der Vordergrund, die vollkommen Hache Ebene
an Interesse verliert, während der landschaftlich inter-
IX, 3
DIE GARTENKUNST
43
essantere HinternTund an Bedeutung gewinnt. Im Verein
mit der Spiegelung des Wassers entstellt auf diese Weise
ein Hild. das man bei der zwar poetischen, aber auf die
Dauer doch bedrückenden Momifonie dos Geländes nicht
für möglich gehalten hätte. Man muü mir das Gesagte
schon auf guten Glauben hinnehmen, denn unser neben-
stehendes Bild zeigt lediglieh
die Anlage dieses Zaulier-
kunststückes, die Landschaft
ist vom Nebel bedeckt. Die
Photographie wurde damals
nicht aufgenemmen um Oben-
stehendes zu demonstrieren.
Die Landschaft selbst sehen
wir durch den Aha, der als
Kopfleiste (S. 41) verwandt
wurde und der sich im neueng-
lischen Teile des Gartens be-
findet. Wir haben es hier mit
dem strikten Beweis zu tun —
und der Beispiele könnten
viele erwähnt werden — , dal.!
man sich bei der Anlage des
Gartens absichtlich in dia-
metralem Gegensatz zurNatur
setzte. Man betonte aufs be-
stimmteste, wo die Kunst auf-
hört, ließ aber die schöne
natürliche Umgebung gerne
in sparsamer Weise hinein-
klingen. Daß man dieses
Hineinklingen sehr vorsichtig
behandelte und eventuell so-
gar künstlich beeinflußte,
geht aus unserem Beispiele
hervor.
Ich glaube, noch eins
können wir als Resultatobiger
Auseinandersetzungen fest-
stellen. Die Frage ob der landschaftliche oder der geo-
metrische den Garten der Zukunft vorstellt, ist füglich
gleichgültig. Es ist auch gleichgültig, ob „feinste, aller-
feinste Züge" der Natur, wie Herr Gamillo Karl Schneider
in No. 7 des Jahrgangs 1906 dieser Zeitschrift sagt, auf uns
befruchtend einw-irken oder ganze Landschaften. E)ie Haupt-
sache ist eben das Resultat. Entspricht dasselbe den An-
forderungen, welche wir vom künstlerischen Standpunkt
aus an ein Kunstwerk stellen, so ist der eingeschlagene
Weg richtig: entspricht es nicht, so ist er eben falsch.
Es wäre ja möglich, daß jemand auf dem Wege der hind-
schaftlichen Gartengestaltung zu einem stilistisch und ästhe-
tisch einwandfreien Ergebnis käme. Bis jetzt ist dies
— meines Wissens wenigstens — noch nicht geschehen:
ich kann mir auch nicht recht vorstellen, wie das zu-
gehen sollte.
In der Beschränkung zeigt sich der Meister. E>em
Maler und Bildhauer werden durch seine Vorbilder tausend
Schranken gezogen, in deren harmonischen Zusammen-
schluß die Betätigung seiner künstlerischen Arbeit besteht,
l'nd ist nicht gerade die Musik dui'ch die starke Bo-
scliränkuiig, die in der geringen Anzahl v(ui .Mitteln besteht,
die feinstt^ aller Künste? Dem Architekten ziehen die
(iröße des Menschen und dessen Platzbedürfnis ganz be-
stimmte Grenzen iunei'lialli deren er seinen rhythmischen
Aulbau vornimmt. Ohne diese
Gesetzmäßigkeiten, als welche
wir diese Schranken Irtztcn
iMides zu verstehen haben,
herrscht Zügellosigkeit in
allen Künsten.
Dies gilt aucli für die
Gartenkunst. Insbesondere
das von der Architektur Ge-
sagte. Außerdem wird von
l)eiden verlangt, daß sie das
Gepräge tragen der künst-
lerisch schattenden Men-
schenhand, d. h. der ge-
meisterten Natur. Dieses
Gepräge hat aber nichts zu
tun mit dem, das durch die
tektonischen Kräfte unseres
Erdballs im Laufe von Jahi-
millionen gestaltet w'urde.
Gestaltet wurde nach Ge-
setzen, denen auch unser
kleines Menschenhirn seine
Existenz verdankt, und die
uns ewig unergründbar sein
werden.
Die (ii'uudzüse der Laud-
schafts^estaltuiif?.*)
Hinweise, wie man die natürlichen .Schönheiten vini (ieblischen
tinil Waliinnsen in Ersclicinung treten lassen kann.
Von J. Forsyth Johnson.
(Aus dem Englischen frei übertrugen von U. Iv. Schneider.)
(Hierzu Fig. 1—3.)
E i n 1 e i l u n g.
Johnson leitet seine I)arlegungen mit dem Hinweis
auf ein Wort Richard Wagners ein, worin dieser sagt, daß
die erste Bedingung für künstlerische Betätigung ist, „sehen
zu lernen". Wer zu sehen versteht, der kommt zu allen
Dingen, und insbesondere zur Natur, ins rechte Ver-
hältnis.
*) Unter dem Titel: „The Lavvs of developing landscape:
showing how to make thickets and woodlauds reveal their
natural beauty" hat John.son im Journal of the Roy. Horti-
eultural Society, London, vol. XXIX, p. 593 eiQeu Beitrag zum
■14
DIE GAETENKÜNST
IX, 3
Johnson will nun In dem Artikel eine Anleitung geben hängt davon ab. dal.i wir die rechte Pflanze an den rechten
zum Verständnis natürlicher Schönheiten. Wir müssen die Platz setzen.
lebendigen? Züge in der Natur, ihre lileibenden. immer Ehe wir das Werk beginnen, müssen wir wissen, wo
wiederkehrenden ewigen Schönheiten erkennen lernen. wir |itlan/.en und bauen, und wo nicht. Wir müssen das
r-^-i
WEST
Groanä
Fi^-. 1. lioher Situationsplan eines Geländes. + Höhen, Q 'liefen. Die Karrees stellen lOinzäiinungen dar.
Wir müssen die Wirkungen von i-and, Wasser. Pflanze. Terrain im grollen skizzieivn und uns Vdi- allem die Sichl-
llimmel erforschen, um Landschaften zu gestalten. Ist es linien einprägen.
doch das Ziel der Landschaftsgestaltung, die pflanzliche Amerika besitzt immense Flachen wilden ■ Landes,
Schöne so recht in Erscheinung treten zu lassen. Alles dessen Schönheiten so recht entwickelt werden könnten,
Thema „Landschaftsgestaltung" publiziert, dessen Wiedergabe reich und die Ausdrucks weise des Verfassers ziemlich weit-
in der ,, Gartenkunst" um so mehr von Interesse sein dürfte, schweilig ist. Ich war aber bemüht, das Wesentliche getreu
als damit in unserem Blatte einmal ein Vertreter der neuen zu übertragen und betone, daU der Hauptwert gerade in den
englischen Gartenkunst zu Worte kommt, der eine selbständige sehr interessanten Bildl)eigaben lie.gt. Für die Erlaubnis zur
und charakteristische Auffassung vertritt. Einige Stellen mufsten Übersetzung und die Uberinittelunf; des Klischees sei dem Sekre-
gektirzt werden, da der Artikel mit den Figuren sehr umfang- tariat der Society vcrbindliclist gedankt Schneider.
IX, 3
DIR GARTENKUNST
45
unter Verbergung oder Entfernung alles Unschönen. Auch sprechend und in Harmonie mit dem Ganzen bekleiden will,
für Europa gilt dies, selbst iiir England, wo die Striche Alle unsere Figuren zeigen solche Beobachtungspunkte,
wilden Landes notwendigerweise viel kleiner sind. von denen aus radial die Sichtlinien ausstrahlen. Vor Beginn
'ki^k.
Sca/e o/~ c/ar-dS.
200 300 4- 00
T'/i'e ///?es s/?oiv/7 re/ea/ r//e ^?ai^iyra/ P/c/e/res
£/pat t/^e /3r?c/possesses, r/fese ex/^/M
ParA /a/7a^6 /br /!'es/cye/7i/ä//?ro/aer^/.
/
Fig. 2. Die Linien lassen die natürlichen Bilder, die die Landschaft besitzt, in Erscheinung treten, sie zeigen an, wo man
pflanzen mnl) und wo niclit, oder wo vorhandene W.ddungen zu lichten sind, um Parkliindereien für Wohnsitze zu bilden.
B e 0 b a c h t u n g s s t e 1 1 u n g e n .
Man muß zuerst die Stellungen auswählen, welche den
reichsten Szeneriewechsel darbieten und danach die Haupt-
linien festlegen. Höhen, Täler, Gruppen, je nach dem
natürlichen Wechsel des Geländes. Hat man die allge-
meinen Umrisse sicher erfal.U. so wählt man die Vegetations-
charaktere, womit man die Erde ihren Eigenarten ent-
des Werkes ist es von der gröL5ten Wichtigkeit, diese
Punkte festzulegen, wo auch immer irgend etwas gesehen
werden kann, seien es lange oder breite Landflächen. Ge-
hölze, Gewässer usw.. derart daß sie dazu dienen können,
die Wege so anzulegen, daß sie die Besucher nach den
rechten Beobachtungspunkten leiten. Die Figuren in Kontur
und Profil zeigen Bodenerhebungen, die diese Stellungen
46
DIE GARTENKUNST
IX, 3
beherrschen. Das Ziel ist. unter Verbergung alles Un-
schönen die natürlichen Effekte zu erschlleüen und Woh-
nungen. Wege usw. mit landschaftlichem Leben zu umgeben.
Die Beobachtungsstellungen, welche die weitesten
und atisgedehntesten Sichten bieten, sind die zuerst zu
berücksichtigenden und werden Hauptpunkte genannt. Nicht
immer sind die höchsten und die tiefsten Punkte die besten
für die Beobachtung. Im Hochland sehen wir oft, daß die
Hauptpunkte etwas tiefer liegen, als die höchsten Punkte,
denn eine ein wenig tiefere Position wird manche andere
Punkte und Merkmale in Sicht biingen und doch die
Weite derhöchsten Fernsichten nicht beeinträchtigen.
In Fig. 1 sind einige hundert englische Acker Landes
für die Beobachtung angenommen und zwecks Erklärung
die hohen und tiefen Punkte als Hauptpunkte festgelegt,
obwohl diese, wie gesagt, in Wiiklidikeit niclit die eigent-
lichen Hauptsichtpunkte sind.
Wechsel von Licht und Schatten.
Landschaft besteht aus einer Serie von \\'ellenbe-
wegungen, zusammengesetzt von unbegrenzten Lichtern
und Schatten. In der Natur gibt es keine Linien. \\'ir
brauchen solche, um sie zu erschließen, nicht um Natur
zu machen. Wenn v.'ir Szenerien in Übereinstimmung mit
dem Charakter der natürlichen Vegetation jedes Landes
gestalteten, würde die Erde ein immerwährendes Entzücken
für den Beobachter darbieten. In Übereinstimmung mit
den Gesetzen der Natur müssen wir arbeiten und lernen,
wie wir diese Schönheiten erschließen, von denen iMenschen-
geist nur eine schwache Vorstellung hat.
Zuerst arbeiten wir in grober Weise, mit dem Verstand
wie mit der Feder, die verschiedenen Höhen und Täler,
Punkte und Sichten heraus, die den Boden charakterisieren
und unterscheiden.
AUeLändereien bergen eigene Schönheiten und Vorzüge.
Jedes Stückchen Land besitzt seine eigenen malerischen
Schönheiten, und diese müssen wir sehen lernen, das ist
das erste Gesetz der natürlichen Gestaltung.
Das richtige Verhältnis ist wichtig in allen Dingen.
Ohne die rechten Proportionen keine Harmonie. Um die
wahren Proportionen erkennen zu lernen, muß man die
Ausdehnung des Landes, seine hohen und tiefen Punkte,
die Entfernungen, den Forniationscharakter usw. studieren.
Fig. 1 zeigt rohes Land, mit Höhen und Tiefen und
Einzäunungen in der üblichen Art. Die + zeigen die
Höhen an, deren eine als Ort für das Wuhnhaus odei-
Schloß ausgewählt ist.
Das Gebäude bildet natürlich einen Hauptpunkt für
die Beobachtung, deshalb müssen die von dort ausstrahlenden
Sichten ausgestaltet werden. Man muß die Bilder, welche
das Land selbst besitzt zeigen und sie zur weiteren Ent-
wickelung studieren.
In Fig. 1 sind die Hauptpunkte so angedeutet, daß
die + die Höhen, die i^ die Tiefen und u den Platz fürs
Haus zeigt.
Fig. 2 veranschaulicht nun die Ergebnisse, ilie u)an
durch Festlegung dieser Hauptpunkte nach Entfernung der
Zäune erzielte, indem sie die natürlichen Vorzüge des Ge-
ländes ins rechte Licht treten läßt. Jede Sichtlinie ent-
spricht einem Bild, und indem wir die Höhen bepflanzen
und das Wasser vergrößern, beginnt unendliche Schönheit
sich von selbst zu entwickeln. Wir sehen sieben Höhen,
von denen aus die Sichtlinien die natürlichen Bilder an-
deuten und auf die Punkte weisen, deren schweigendes
Leben zu entwickeln ist. Das Wasser wird dort ver-
breitert, wo die meisten Linien sich schneiden, und in
der Achse des Hauses wird es in einem kleinen See um-
gewandelt, mit einer Insel, die so liegt, daß ihre Grenzen
vom Hause aus nicht erkannt werden können.
Ausstrahlung (Radiation).
Ausdehnung nach allen Seiten. Ausstrahlung gehört
zur Natur, Uhe Blumen strahlen aus vom Stamm, der
Baum strahlt aus von seinen Wurzeln, die Hügel strahlen
aus von den höheren Bergen, die Schluchten von den
Tälern, und die Täler vom Hauptland, die Bäche von den
Flüssen, die Flüsse von den Strömen und die Ströme von
den Ozeanen. Licht strahlt aus von der Sonne, und das
Menschengeschlecht sieht, atmet und lebt durch Ausstrah-
lung. Land, \\'asser und Leben betätigen ihr Sein in Aus-
strahlung und der Mensch empfängt und vermittelt Eindrücke
durch die Mächte der Ausstrahlung. Fig. 2 veranschaulirlu
die bedeutende Entwickelungsfähigkeit auf den Strahlungs-
linien der Hauptpunkte. Wenn wir den Plan ülierschauen.
werden wir wertvolle Züge hervm'treten sehen. Abstands-
wahrnehmungen gehören zur Ausstrahlung. Sie regiert
die Richtung der Kurven. EUe so oft in der sogenannten
Landschal'tsgärtnerei zu beobachtenden Auswüchse sind
darauf zurückzuführen, daß der Gestaller nicht der .Strahlung
seiner Szenerie bei Bildung der Kurven seiner Landschaft folgte.
Fig. 3 veranschaulicht, wie eine einfache Handlinie
durch Entwickelung ihrer Charaktere auf ihren Strahlungs-
linien sich in Vielheit von Kurven autlösen läßt, die doch
eine harmonische Einheit bilden. Dies Beispiel erklärt, wie
natürliche Regeln kleine wie große Szenerien beherrschen.
Landschaft. Natürliche Gestaltungsgesetze als
Grundlage für Schönheit.
Um zu planen, bauen und anzulegen, derart daß man
Land und Gebäude in vorteilhaftester Weise ausnütze, gibt
es sieben fundamentale Gesetze, deren jedes zu einem be-
stimmten Ziele hinleitet und in sich selbst unendliche Mög-
lichkeiten birgt, zur Entwickelung von Schönheit beizutragen.
Landschaft ist die Umwaiuiluiig stillen Lebens in
unaufhörlich bewegtes.
Wir beginnen unsere Arbeit mit dem Boden, finden
Stellen zum Bauen, zum Pflanzen, für \\'ege. zum Aus-
lichten usw. Um mit dem llausbati zu beginnen, ist es
notwendig zu wissen, wie man bauen soll. Es geht nicht
an, einen Menschen anzuweisen, eine bestimmte Sorte von
Türen, Fenstern oder Bögen einzusetzen, wenn er nicht
weiß, wie er das eine oder andere machen soll. \\'ir
wünsclien unsere Wohnungen in ])arkähidicher Umgebung,
in der Stadt wie auf dem Lande. Alle trachten, wissentlich
oder unwissentlich danach, ihnen solche Umgebung zu geben.
Eine rechte Voi'stellung von Landschaft zu gewinnen,
ist der Entwickelungskeim für den Künstler, so wie die
IX, 3
DIE GARTENKUNST
47
Erlernung!; von Zeichnen und Malen das gleiche für den
Maler bedeutet. Zu zeichnen ist die Grundlage für Rein
Werk: das Malen ist die Pflanzung und Entwickelung wirk-
lichen Pflanzenlebens auf dem Grund.
Landschaftsgestaltung besteht darin, jedem f)ing den
rechten Platz zu geben. Nichts ist wichtiger; finden wir
doch überall Leute, die, nachdem sie ihr Geld geopfert
haben, zu spät wahrnehmen, dal.! sie falsche Stellen für
die verschiedenen Objekte gewählt haben.
Je nach dem Beob-
achtungsstandpunkt sind
Effekte besonderer oder
allgemeiner Art. Die
folgenden Pläne, zeigen
nicht nur die besten
Effekte und Entwicke-
hingsgrade im Land, son-
dern beweisen oft. dalJ
kein anderer Punkt so
gut ist. und geben somit
die passenden Stellen
für die verschiedenen
Wünsche.
Johnson spricht
dann enthusiastisch aus.
unsere viel schönere Na-
tur selbst sei also das
beste Gemälde. Betrach-
te, so etwa ruft er zuletzt
aus. durch eine ent-
sprechend große reine
Glasfläche eine gut ent-
wickelte natu i'li che Land-
schaft, voll von bewegten
und stillen Leben, ver-
gleiche damit das beste
Wandbild, und Natur
wird alle Gemälde über-
treffen; wie natürliche
Schönheit die Schönheit
des Inneren von Men-
schen geschaffener Wohnungen übertritt't. so wird jeder Blick
in die Natur mit der ihr eigenen Schöne, bedeckt von einem
unendlichen blauen Himmelsgewölbe, vergoldet vom Sonnen-
schein oder erhellt von den Sternen der Nacht den Eindruck
übertreffen, den irgend eine Wohnstätfe auf uns ausübt.
Die sieben Gestaltungsgesetze sind folgende:
1. Beobachtung, Hauptpunkte. — 2. Ausstrahlung. —
3. Umrili (Abstände und Maüe). — 4. Profile. — 5. Szenerie,
Zentrum und Grenzen. — 6, Wege. — 7 Pflanzung (Himmels-
linie, mittlerer Abstand. Rasenbahnen). (Forts, folgt.)
Pis. 3.
Wettbewerb . Stadtpark Scliöiieberg".
Bereits in unserem Februarhefte haben wir das
Prämiierungsergebnis dieses Wettbewerbes mitgeteilt. \X\r
bringen im folgenden eine kurze Übersicht über die in dem
Preisausschreiben gestellten Bedingungen und lassen dann
die prämiierten Entwürfe folgen. Zu den einzelnen Entwürfen
geben die auszugsweise beigefügten Erläuterungsborichte,
soweit erforderlich, Aufschlüsse und Erklärungen. Die
Berichte ungekürzt zu bringen, ist uns des beschränkten
Raumes wegen nicht möglich.
Das Programm für den Wettbewerb „Stadtjjark Schöne
berg" enthielt im wesentlichen tnlgonde Bestimmungen:
In dem vom „schwarzen Graben" durchflossenen „Penn-
gelände" soll ein Stadt-
park im Charakter einer
natürlichen Landschaft
angelegt werden. Größe-
re regelmätlige Blumen-
beetanlagen sind dabei
ausgeschlossen. Das
gärtnerisch auszugestal-
tende Fenngelände er-
streckt sich in einer
flachen Talmulde, die
sich in westlicher Rich-
tung zur Wilmersdorter
Gemeindegrenze hin-
zieht. Es findet seine
Fortsetzung auf Wilmers-
dorfer ] Gebiet bis zum
Wilmersdorfer See, wo
der genannte schwarze
Graben entspringt. Die
Gemeinde Wilmersdorf
hat sich entschlossen,
die Parkanlage, unter
Einschränkung der Brei-
tenabmessungen, bis
zum Wilmersdorfer See
(einschl.) fortzusetzen,
so daß eine zusammen-
hängende Parkanlage
von rund 1800 m Länge
entstehen wird, von
denen rund 630 m auf
Schöneberg entfallen. Das Fenngelände hat zum Teil bis
auf Tiefen von 15 m moorigen Untergrund und eignet sich
nicht zur Bebauung. Nur der Nord- und Ostrand des
Parkgeländes soll landhausmäüig bebaut werden.
In der übrigen Umgebung des Parks ist die Efrichtung
von fünfgeschossigen Reihenhäusern zulässig.
I»er mittlere Grundwasserstand (+ 32,.50 m über
N. N,) ist maßgebend für den Wasserspiegel der in dem Stadt
park anzulegenden Teichanlagen.
Bei dem Entwurf braucht auf die moorige Beschaffen-
heit des Untergrundes keine Rücksicht genommen zu
werden, ebensowenig auf die jetzige Oberfiächengestaltung.
Durch Anschüttung schwerer Sand- und Lehmmassen soll
der schlammige Untergrund in der ganzen Talmulde seitlich
herausgedrängt und mit der oben aufgebrachten Boden-
schicht zu einem guten Pflanzboden gemischt werden.
Eine größere Bodenaufschüttung ist bereits vorhanden und
Entwickehingslinien einer Szenerie aus bestimmten Gi-enzen in
freie Natürlichkeit.
48-
DIE GAETENKUNST
IX, 3
wird in geeigneter Weise bei der Anlage des Parks um-
zugestalten sein.
Als Höhenpunkte für den Park sind die Ordinaten der iiin
umgebenden und durchschneidenden Straßen zu betrachten.
In der Achse der Straße P ist in der Breitenausdehnung
des Parks die Anlage eines unterirdischen Bahnhofs
geplant, der vom Park und von der Straße aus zugänglich
gemacht werden kann.
Da der Zusammenhang der beiden Parkteile hierdurch
empfindlich gestört wird, so wird anheimgegeben, zu über-
legen, ob es möglich ist, die Einheitlichkeit der Parkanlage
dadurch besser zu wahren, daß der Bahnhof teilweise oder
I.
Motto: „Was Ihr wollt".
Verfasser: Gartenarchitekt O. Kniepper-Düsseklorf.
(I. Preis.)
Dem Programm gemäß sind zwei große, geräumige Teiche
projektiert. Dieselben liegen in einem Längstal, von Höhen-
zügen umrahmt.
Die Vegetation schmiegt sich dem Goliinde im. Die Ge-
hölze bewalden die Höben, während Gras und Stauden die
Niederungen begrünen.
Nur :in den steilsten Abhängen, besonders dort, wo das
Wasser nagt, können zur Erhöhung des malerischen Reizes
Felsen angebracht werden ; besser jedocli Pi'ahlrammungen,
Lagejjlan des Geländes für den proj. Schöneberger Stadtpark.
ganz mit flachen Erdböschungen und Pflanzenanlagen über-
deckt und eine unterirdische, grottenförmige Verbindung
der beiden Parkhälften hergestellt wird.
Der Stadtpark soll von allen Seiton frei zugänglich sein.
Erwünscht ist die Herstellung von Teichanlagen bzw.
Wasserläufen, die im Winter als Eisbahn zu benutzen sind.
Die Ausführung einer Kestauration oder dergl. bleibt
der Privatspekulation auf dem angrenzenden Baugelände
vorbehalten.
Größere Spielplätze (für Ball- und Laufspiele) sind aus-
geschlossen. Dagegen ist auf die nichl störende Ein-
gliederung kleinerer Plätze für jüngere Kinder Bedacht zu
nehmen.
Für die Aufschüttungen sind Kosten nicht in Ansatz
zu bringen.
Ijie Anlagekosten dürfen 250,000 Mk. nicht übersteigen.
Für die Bepflanzung sind einheimische und Winterhärte
Pflanzen in Aussicht zu nehmen.
Lias ganze Parkareal ausschließlich der umgebenden
Straßen- und ßauflächen umfaßt rund 67000 i|m.
Faschinen, Zyklopenmauerwerk, die ebenso malerisch wirken
können. Man kann in dieser Hinsicht viel von den Japanern
und ihren Gärten lernen.
In der kleineren Parkhälfte finden wir, vom Wasser ent-
fernt, für die Kinder ungefährlich, die Spielplätze.
Um ein unbehindertes Ein- und Ausfahren der Schlitt-
schuhläufer aus dem einen Teich in den anderen zu ermög-
lichen, sind die Wasserflächen durch zwei Arme miteinander
verbunden. Zufluss erhalten die Teiche aus einem Bach,
welcher von der städtischen Wasserleitung gespeist wird.
Bei der Projektierung der Wege ist Bedacht darauf ge-
nommen worden, dem Fußgänger den Weg zu kürzen und
angenehmer zu gestalten, bei gleichzeitiger Entlastung der
lUirgersteigo.
Über die Pflanzungen berichten die Erläuterungen des
Arbeitsplanes. Als I5auwerke kommen in Betracht drei Jb-ückiMi,
die je nach den zur Verfügung gestellten Mitteln aus Stein
oder Holz hergestellt werden können. Gleiches gilt von den
Bedürfnis:instalten usw.
Die Baulichkeiten dürften am hosten im Biedermaierstil
auszuführen sein; derselbe leistet auf diesem Gebiete viel
Schönes.
IX, 3
DIE GARTENKUNST
49
Ö
CS
II.
Motto: „Schlicht".
Verfasser : Stadtgarten Jirektor
E n ck e u. Stailtbauinspektor B o 1 1 e -
Köln.
(II. Preis )
Durch die Forderung größerer
Grundwasserteiche und die Höhen-
lage der angrenzenden Straßen und
Baugrundstücke bei einem Höhen-
unterschied von etwa 6,6 m ergibt
sich eine talartige Vertiefung, die
im Zuge der Straße P durch die
Untergrundbahn dui'chschnitten
wird. Im westlichen Teile ist die
vorhandene Anschüttung (Lager-
platz) bis ca. 40,6 m höher geführt
und als Aussichtspunkt behandelt.
Die dadurch entstehende Ein-
engung des Tales ergibt ein von
dem alltäglichen abweichendes,
charakteristisches Bild.
Die künstlerische Bodengestal-
tung des Geländes erfordert hierzu
außer dem Bodenabtrag auf dem
Terrain selbst noch etwa 30000 cbm
Boden, da sonst die durchschnitt-
liche Höhenlage des Parkes noch
tiefer angenommen und die
Böschungen steiler gemacht wer-
den müßten, was beides nicht er-
wünscht erschien, zumal durch
häufigere Verwendung von Felsen
und durch sorgfidtigere Befestigung
der Böschungen die Ersparnis wie-
der aufgehoben worden wäre.
Es sind zwei durch die
StralSe P getrennte Wasserflächen
vorgesehen, die östliche 4800 ipu.
die westliche 7800 i|m groß.
Letztere 'hat eine für den Eissport
unter den Brücken ist sie noch 6
fe
I
CS
LJ
Die Untergrundbahn kann man vom Park aus nicht be-
treten, falls die der Unterlage beigegeljene Entwurfskizze zur
Ausführung kommt. Es fehlen
nämlich in derselben Außenperrons.
Ich habe solche eingezeichnet iniil
durch Ivanipen, die längs der Bahn-
hofswände laufen, ihr Betreten er-
möglicht.
Sollte dieser Vorschlag ak-
zeptiert werden, so kann der
Bahnhof gelüftet und mit Fenstern
versehen werden. Anderseits wird
der unglückliche Hauptausgang
nacli der Straße P entlastet.
Platz V ist auch, dem Verkehr
Rechnung tragend, reguliert wor-
den.
Gesamtsumme des Kostenan-
schlages 250000 Mk.
haben eine Scheitelhöhe über dem Wasserspiegel von 2,6 m.
Zur Frisclihaltung und Ergänzung des Wassers sind Wasser-
^ [:s]
o
bß
o
erwünschte große Länge,
m breit. — Die Brücken
zulaufe und ein Springstrahl vorgesehen, die aus der Wasser-
leitung zu speisen sind. Die Abführung kann durch Überlauf-
50
DIE GARTENKUNST
IX, 8
Schaubild zum We'ttbewei'bsentvvurf für den Schöntherger Stadtpark.
Bauinspektor Bolte-Köln.
\'(in t uirtoudiri'Utor Eiiekc- und
röhre in die Kanalisation erfolgen. Auf dem westlichen
Weiher bieten mehrere Inselchen dem Wa.ssergeflügel Unter-
schlupf; auch im östlichen Teiche ließe sich eine kleine Insel
anbringen. Von Enten- und Schwanenhäuschen in dekorativer
Ausbildung wurde abgesehen.
Bei den Hauptwegen wurde ein Gefälle von 1 : 10 nicht
überschritten. Da, wo Treppen vorgesehen sind, ist auch für
bequeme treppenlose Verbindungen getorgt. Die Breite der
Hauptwege beträgt 6 m.
Bei der Behandlung der Bamberger Strafie wurden
ca. 7 m breite Gehölzstreifen angeordnet, welche es ermög-
lichen, höheren Baumwuchs ungezwungen mit Buschwerk
abwechseln zu lassen, so daß das Trennende der StralJe nach
Möglichkeit aufgehoben wird.
Die Untergrundbahn ist als ein willkommenes, architek-
tonisches Motiv in der Parkanlage angesehen worden.
Von einer gänzlichen oder teilweisen Einschiittung des
Bahnbaues wird dringend abgeraten. Auch die Verbindung
der Parkteile durch eine tunnelartige Unterführung ersclieint
nicht ratsam, da derartige immerhin schmale und schlecht-
beleuchtete Gänge schwer zu beaufsichtigen und rein zu halten
sind. Übergänge an den beiden Enden der t'berführiing er-
scheinen hinreichend beijuem und natürlich.
An Stelle der in den Unterlagen angenommenen .Vuskragung
der Fußsteige in Eisenwerk
sollten massive Bögen aus
Beton treten, wie aus der
beigegebenen Ansichts
Zeichnung ersichtlich ist;
dabei sind in bewußter
Weise kleinliche Zier
formen, Gesimse usw. ver-
mieden.
Diese Anordnungmaclit
den ganzen Bahnhof hell,
gewährt schöne Einblicke
von den Bahnsteigen ii^
die Parkteile und es Lassen
sich zwanglos Abortan-
lagen, Geräteräume etc.
unterbringen.
■Scliaiibilil /,uin Weltbewt^rbsentw
Von Gartendirektor Encke-
Kin weiteres Abortgebäude kann an der Bamberger Straße
bei Punkt A durch Buschwerk verdeckt angeordnet werden.
Da die Länge der Bautluchtlinie bei X mehr als 40 m
betlägt, mithin eine zusammenhängende Bebauung ausge-
schlossen ist, so wurde für den Eingang X der Bauwich zwischen
den zwei Eckhäusern benutzt und von einer besonderen Portal-
bildung abgesehen: es wurde vielmehr angestrebt, statt de.ssen
einen einladenden Laubengang anzuordnen. Der vor dem
Eingang belegene dreieckige Platz ist als Vorplatz zum Park-
eingang zu einem einfachen, baumbestandenen Platz mit Ruhe-
bänken und Strauchwerkumrahmung au.sgestaltet worden.
Die Höhenlage des Einganges, gegenüber dem nahen
Teiche ließ die Anordnung einer Terrasse angemessen erscheinen.
Hier ist der einzige Platz, an welchem Blumenschmuck in
regelmäßiger Beetform verwandt ist. Für die etwa notwendig
werdende Verlegung des Eingangs nach dem Punkt Y ist eine
Variante beigefügt. — Bei der Kreuzung der Straße P mit
der Straße R geht der Zugang über eine kleine Anhöhe
(4- 40,00 m). die einen interessanten Überblick über den Ver-
kehr der hier zusammenlaufenden Straßen gewährt. Sie ist
mit Pyramidenpappeln bepflanzt, die, von Westen aus gesehen,
der Brücke einen guten Abschluß geben. — An der Südwest-
ecke dos Parkes befindet sich eine Treppenanlage mit Wasser-
becken unil Figurengiu|ipen. Von liier aus hat man einen
liesonderen schönen Bück
iibereine kleine, von einem
liach urchflossene Wiese
.luf den Teich.
An den steilalif.iilen-
<\rn Hängen des Platzes
II, suwi(> an den gegcn-
liber liegenden Teich-
ufern, gleichfalls an dem
t iefeingeschnittenen Quel-
lauf, welcher der .Vnhiihe
1 1 iiitstrünit, sind Kalk,
fcisenschichtungeu ge-
plant, ähnlich wie sie im
Victoriapark in Berlin in
so vorzüglicher Weise zur
.\n Wendung gekommen
Ulf für den Schöneberger Slailtpaik.
und Bauinspektor Bolte-Köln.
IX, 3
DHC GARTKNKUNST
sind. Das Plateau ist «liircli eine Pergola iM^kriliit,
beiderseits durch überdeekto Pavillons abf^escldossen \v
In beiden Parkte ilen ist je ein Spielplatz
für kleinere Kinder vorgesehen (K l und K 2),
Auch wird Platz W am Tfer des östlichen
Teiches gern von Kindern aufgesucht werden.
Im östlichen Parkteile soll die reichhaltige
und im Herbstbuntgefärbte Flora Nordamerikas
unil Ostasiens vorherrschend sein, jenseits des
Stral.ienüberganges dagegen Nadelhölzer den
Hauptbestandteil bilden; an dem Abhang nach
dem größeren Teiche zu gel.t die Pflanzung
in die Bruchvegetation über, ("her die Misch-
vvaldvegetation, bei dir Kielicn vorherrschen
können, gelangt man in die Buchenwaldforma-
tion, wobei bis die Buchen herangewachsen
sind, schnellwüchsige Bäume (Ahorn, Linde)
das Skelett der Pflanzung bilden sollen.
Ivrautartige Blumen haben nur unter-
geordnet beetartig Verwendung gefunden. I'ni
so mehr sollen ausdauernde Stauden, vvelche zu
den verschiedenen Vegetationsbildern passen,
angepflanzt werden. In dem fremdländisch
bepflanzten Teile mag ein buntes Gemisch
der schönblühenden .Staudenarten unserer Gär-
ten die Abhänge zieren. Am Bande des
Tannenwaldes mögen die einheimischen, hier-
hergehörigen Kräuter bescheiden sprießen, wäli-
rend an den Hängen, Pflanzungsrändern und
Bachufern des westlichen Teiles die deutsche
Stauden Vegetation in reichster Fülle wuchern
soll.
Gesamtsumme des Kostenanschlages 24'JOOO
Maik.
welche Umgebung immer und immer wieder entzückt, muß hier in
rd. maßvoller Steigerung vereint werden, besonders die malerische
111.
Motto: „Sonnenwende".
Verfasser: F. Ullrich- Berlin.
(III. Preis )
Um das ganze Gelände zn einer einheit-
lich wirkenden Parkanlage umzugestalten, ist
es notwendig, das Trennende der Slraße P zu
beseitigen durch Gliederung des Ganzen in
einen scheinbar höher und einen tiefer gelegenen
Teil, wobei die Straße P terrassenartig ver-
mittelnd wirkt.
Der Ausführung dieser Idee kommt zu gute,
daß der von den Straßen P und R, sowie der
Erfurter- und Martin Lutherstraße umgrenzte
liätliche Teil durch die Umbauung eine gewisse
Abgeschlossenheit erhält. Größerer Anschüttun-
gen bedarfes nur an den Straßen P und li, an
letzterer nur so weit sie nicht bebaut wird.
Nach innen senkt sich das Gelände wieder
zur alten Lagehinab. Für die weitere Ausge-
staltung des Geländes ist das Motiv gegeben.
In dem Flußbett von einst sind zwei kleine
Teiche von 11256 qm projektiert, die sich als
Überreste aus früherer Zeit darstellen. Damit
ist die Möglichkeit gegeben, fesselnde Bilder
zu schaffen im Geiste jener kleine idyllischen Seen, an
die Mark so reich ist. Alles, was an ihnen und
denen Wirkung der Birke und des Schilfes, ein buntes und reiches
n ihrer Pflanzenleben am Ufer, auf dem Wasser Seerosen Imit
52
DIE GARTENKUNST
r
IX, 3
I-
O:
a
00
a
ihren iächim-
raernden Blüten.
VonOrottenbau-
ten zur Unter-
führung der
Straße P, resp.
der Untergrund-
bahn rate ich ab,
da sie mit dem
ganzen Charak-
ter des Geländes
nicht vereinbar
sind. Meine Ab-
.sicht geht dahin,
einfach einen
Tunnel unter
der Untergrund-
bahn durchzu-
führen. Wie auf
dem Plan er-
sichtlich, ist an
der Straße P.
gegenüber der
Treppenanlage,
ein Gebäude im
Grundriß projek-
tiert. (Das Ge-
lände ist hier,
wie bereits er-
wähnt, in Stra-
ßenhöhe aufge-
schüttet.) Dieses
Gebäude ist als
Eingangshalle
zum Tunnel und
damit zurl'nter-
grundbahn ge-
dacht. Von hier
aus führt eine
Treppe von
ÖL' Stufen (16 : 25
cnii zu dem 8 m
tiefer gelegenen
Tunnel hinab,
an dessen ande-
rem Ende, nach
beiden Seiten
einer grossen
l'reitreppe, Aus-
gänge in den
tiefer gelegenen
westlichen Teil
•Icr Anl.age füh-
len. Auch hier
sind, entsprech-
end der Höhen-
lage, Trep|>en
Mirgeschen. L'n-
i;ffähr auf der
.Mitte des Tun-
nels befinden
sichdie.Vufgänge
/.umUntorgrund-
bahuhof. Dieser
IX, 3
DIE GARTENKUNST
53
ist, wenn nicht von oben, d. li. von
der Straßenniitte, nur so erreichbar.
.Seitliche Peirons sind, da immer nur
nach einer Richtung benutzbar, auf-
geschlossen und wären außerdem ohne
Tunnel nicht gleichzeitig von beiden
Teilen des Parkes erreichbar. Uie
Eingangshalle kann ausserdem noch
verschiedenen Zwecken nutzbar ge-
macht werden, z. B. als Verkaufsraum
für Milch und Erfrischungen. .Sie
soll in ihrer Architektur der landschaft-
lichen T'mgebung zum Schmuck dienen
und als architektonischer Absclilul.! zur
Treppenanlago die Vorstellung vom
höher gelegenen jenseitigen Teil ver-
stärken.
Die Verbindung der Straße T mit
dem Platze V ist durch einen 6 m
breiten Fußweg mit schönen Blicken
über den See hergestellt. Der Platz K
ist architektonisch behandelt. Den
Unterbau bildet eine nach dem Wasser
zu offene Halle, die als Bootshaus zu
verwenden ist. Kleine Spielplätze
sind, dem Programm entsprechend,
an mehreren Stellen vorgesehen.
Die vorhandene Aufschüttung ist
erhöht und zu einem Promenaden-
platz mit Pavillon und Ausblicken
durch die ganze Anlage umgestaltet.
Zur Gartenstraße S gelangt man mit-
telst einer Treppe und über die Brücke,
Die Brücke kann vermöge ihrer Höhe
sowohl im Kahn als auch beim Schlitt-
schuhlaufen bequem passiert werden.
Eine Treppenanlage führt zu dem
tiefer gelegenen Teil der Anlage hinab
und mündet auf einen terrassenartig
in den Teich vorspringenden Platz.
Gegenüber liegt der Platz mit Blick
nach der Anhöhe mit dem Pavillon,
links Dlickt man nach der Brücken-
partie und dem übrigen Teil der
Anlage.
Den Tunnel zur Eingangshalle
emporsteigend, hat man vor sich
einen ruhigen, von Blumen durchwirk-
ten Wiesenplan, den Gruppen- und
Einzelbäumo in natürlicher Anord-
nung malerisch umgeben. — Ein Pro-
menadenweg führt zu einem großen
Sitzplatz im östlichen Teile, an dem
der Ausgang nach dem Platze R liegt.
Eine Bedürfnisanstalt befindet
sich am Platze V, weitere können im
Tunnelaufgang geschaffen werden.
Ein Aufbewahrungsort für Geräte ist
im Unterbau des Pavillons zu schaffen.
Die Ausfülirungskosten der An-
lage betragen nach überschläglicher
Berechnung 95 271,76 Mk. ausschliess-
lich Eingangshalle, Treppenanlage,
Bodenanfuhr.
54
DIE GARTENKUNST
IX, 3
Schaubikl zum Wetlbtwerbsentw urf für der Scluinfbcrger Stadtpuil
von J. P. Grossmann-Leipzig.
Die Bepflanzinig soll [sich durchaus im Charakter dir
märkischen Landschaft halten, wie sie jene J^eenketten bieten,
die ihr Vorhandensein auf ehemalige Flußläufe zurückführen
Überall ist eine reiche Verwendung von Stauden und so weiter
beabsichtigt, sowohl der heimischen wildwachsenden, als auch
ihrer Kulturformen. Ebenso fremde, winterharte Gehölze, so-
weit sie ähnlichen Vegetationsgemeinschaften angehören. Jede
Einzelheit im voraus festlegen zu wollen, ist nicht möglich.
■Wien.
IV.
Motto: „200 000".
Verfasse]': Gartenarchitekt tioehe
(Zum Ankauf empfohlen.)
Aus der Hidienlage der den Park umgebenden Straßen, dem
Wasserspiegel des geforderten Teiches und der Straße P mit dem
unterirdischen Hahnhofe ergibt sich die Bodengestaltung für
die Neuanlage des Parkes. Sie wird wie bisher ein langge-
strecktes Tal bilden, dessen Mitte tiefer als jetzt ist, weil der
Wasserspiegel des Teiches (gleich Grundwasserspiegel) 1,50 m
unter dem derzeitigen Terrain liegt, die Hänge werden steiler
und höher, da sie sich bis zu den hoch angeschütteten Straßen
hinaufziehen müssen.
Die Mitte wird Licht- und
Sjchlraum bleiben, die Ränder
werden bepflanzt mit beschat-
tenden Gehölzbeständen, bald
dicht, bald locker, Einblicke
von Straßen und Wegen nach
bestimmten Punkten gestattend.
Infolgedessen sind die Wege
nahe den Grenzen und mit
Hedacht auf die Verkehrs- und
Steigungsverhältnisse, die Be-
pflanzung und die Sichtlinieu an-
geordnet. Sie durchschneiden
die Talmitte in jedem Parkteile
nur einmal zum Zwecke dei-
erforderlich bequemen Durch-
i|uerung des Parkes.
Der Hauptweg läuft fi m
Scliaubild zum Wettbewerbsentwurf für den SchiJneberger
Stadtpark von •!. P. Grossuuinn-Leipzig.
breit .ils ununterbrochener ümgangsweg, die Straße P
unter dem B:ihnhofe tunneliereud, oder über sie hin
wegführend, durch den ganzen Park, mit Verbindungen
nach allen Straßen.
Der Teich (ca. 14'200 ipii Fläche) nimmt die Tal-
mitte zur Hälfte ein. Die bedeutende Größe hat
außer schönheitlichen Vorzügen die praktischen Vor-
teile einer besseren Wassererhaltung, größere Aus-
nutzung für Eislauf und Gondelspoit nnd ermöglicht
die zur Mischung d.,'r angeschütteten Sandmengen
erforderlichen schweren Schlamm- und Moormassen
durch die Ausscliachtungen zu erhalten.
Die Wasserversorgung geschieht durch das Grund-
wasser und durch den Abfluß aus dem Springbrunnen
am Eingange an dir Bambergerstraße vermittelst des
Bachlaufes, den Wassersturz und event. auch durch
die zwei zu Seiten der Straße P eingezeichneten
Springstrahle, die zur architektonischen Entwiokelung
dieses Parkteiles hinüberleiten , die durch die ge-
plante Bahnhofsanlage unter der Straße P bedingt
wird. Duich eine geschickte .Vusführung der Ufer-
mauern längs der Straße P, die tiefe biückenbogen-
aitige Scheindurchlässe enthalten müßten (wirkliche Durchlässe
sind zu kostspielig), wird man an eine Zusammengehörigkeit
der beiden Teichteile glauben und atdJerdem wird durch die
architektonische Übereinstimmung zwischen Bahnhofanlage,
l firmauerii, Wasserhorizontale, Springstrahl die Einfügung
der Hahnhofsanlage und Straßenüberführung in die Parkland-
schaft gelöst sein. Die Verbindung der beiden Parkteile
unter dem Hahnhofe hindurch muß ebenfalls eine architek-
tonische Form erhalten. Der Nivellementsplan gibt die zu-
künftige Terraingestaltung, der Bepfhmzungsplan die ungefähre
Veiteilung von Laub- und Nadelholz in verschiedenfarbiger
Tönung an. —
V.
Motto: „Grunewiese''.
Verfasser: Garteningenicur J. P. Grossman u- Leipzig.
(Zum Ankauf empfohlen.)
Wie das Motto „tirunewiese" besagt, ist der Stadtpark
zum größten Teile im Charakter einer Wiesen- oder .Viien-
landschaft gehalten.
Bestimmend hierzu war, daß das Terrain eine sumpfige
Niederung ist uml im Programm größere Wasserflächen ge-
fordert werden. Es ist also das
Nächstliegende, dem Gelände
die charakteristischen Eigen-
schaften eines Niederungsge-
liiudes zu belassen und sie neben
Uücksichtnidime auf die prak-
tischen und hygienischen Erfor-
dernisse künstlerisch zu steigern.
Auffüllungen müssen sich
darauf beschränken, die An-
schlüsse an lue Straßenhöhen zu
vermitteln und das Terrain, so
weit als niitig, trocken zu legen.
Dabei sind l''elspartien zu
vermeiden, da diese hier nie
die ini]iosaute Wirkung hervor-
rufen können, wie der Wasser-
f:ill des Viktoriaparkes an
dem .Vbbansie des Kreuzberges
IX, 3
DUO GAKTIONKI NS'I'
Mit Konsequenz dagegen sei eine Niederungslandschuft mit
allen den schönen Kinzelheiten, welche ihre Flora uns bieten
kann, durchgeführt.
Besondere Rücksicht ist auf Verkehrs-
verbindungen und Zugänge zu dem Park
und dem Untergrundbahnhof, starke ße-
sonnung und Durchlüftung der tiefliegen-
den Wiesenflächen l)ei trotzdem schattigen
Wegen, Vermeidung größerer, unnötige]
Erdarbeiten, insbesondere Erhaltung ' der
bestehenden Aufschüttung, Einheitlichkeit
der Parkanlage in künstlerischer und prak-
tischer Beziehung trotz der den Park
durchiiuerenden Straßenzüge zu nelimen.
Wenn ich den kleinen abgetrennten
Teil in dem vollständig anderen Charakter
einer regelmäßig geometrisch-architekto-
nischen Anlage au.sgestaltet habe, so mag
das scheinbar ein Widerspruch sein. In
Wirklichkeit lä(3t sich die Einheitlichkeit der
Parkanlage nur dadurch lösen, daß beide
Teile ganz verschiedenen Charakter erhalten
und in dem l'ntergiundbahnhof ihren ge-
meinsamen Alischkil.) finden. Bei gleichem
landschaftlichen t 'harakter würde der Unter-
grundbalinhi)f sich trennend einschieben,
und man würde stets das unangenehme
(refühl haben, daß etwas Störendes sich
in die Parklandschaft gedrängt hat.
Da sich die Schaffung einer Hügellaml-
schaft in dem kleineren Teile der Örtlichkeit
wegen von selbst verbietet, so bleibt nur
die geometrisch - architektonische üestal-
tungsweise übrig. Durch Eindecken de^
Untergrundbahnhofs die Einheitlichkeit der
Parkanlage lierzustelleii, wüide sowohl
praktisch wie künstlerisch nur einen Not-
behelf bilden.
Auch ein Verdecken dun-li Pflanzung
kann nicht empfohlen werden. Der Unter-
grundbahnhof muß nach außen als das in
Erscheinung treten, was er seinem Zwecke
nach ist, und der Gartenkünstler muß ihn
zum Mittelpunkt des Parkes machen.
Durch Angliederung von Terrassenmauern
usw. kann man in den Park überleiten.
Dann wird der Bahnhof nicht trennend
wirken, .sondern vereinigend als Mittelpunkt
des Ganzen.
Der Haupteingang ist an dem Platze
R geplant. Ein 4 ni breiter Weg führt
direkt auf das Eingangstor zu, und in seiner
Mittellage liegt die große Fontaine des
regelmäßigen Teiches. Das Tor ist einfach
gehalten.
Durch das Tor tritt man in einen
laubengangartigen Weg. Derselbe ist nach
oben offen gehalten, damit die Sonne den-
selben durchfluten kann und die rechts und
links angepflanzten Stauden, Schlingrosen,
Klematis usw. recht üppig gedeihen
können. Der Gang endet in einer Laube, von welcher rechts
und links Laubengänge halbkreisförmig weiter zum Parke
führen. Über das vertiefte Parterre hat man von der Laube
einen schönen Blick auf den Teich mit Fontaine. — Kastanien-
alleen umgeben den großen regelmäßigen Teich und führen
auf den Untergrundbahnhot zu. Ihr Zielpunkt sind die höher
als die Alleen liegenden Pavillons, zu welchen Treppenanlagen
hinaufführen.
56
DIE GARTENKUNST
IX, 3
Um die lange, horizontale Gerade des Bahnhofs und der
darüber führenden Straße P zu unterbrechen, ist in der Mitte
ein kleines Gebäude (Cafe) angeordnet, das sowohl als Warte-
raum des Bahnhofs wie auch als Erfrischungsraum für die Park-
besucher dienen kann. Die über dem Cafe liegende Terrasse
liegt in gleicher Höhe wie die Straße P und ist mit ihr durch
einen Säulengang verbunden.
An den Untergrundbahuhof schließen sich zwei Erdterrasseu
mit den oben erwähnten Pavillons an und bilden eiuen sehr
guten seitlichen Abschluß der Gesamtanlage. Man könnte
glauben, das Ganze sei ein unbedingt zum Park gehöriges
breitgelagertes Gebäude.
Um ohne Treppensteigen den Besuch des Parkes zu er-
möglichen, ist hinter den Terrassen je ein sanft nach der
Straße ansteigender Weg vorgesehen.
Vor den Fenstern des Untergrundbahnhofs ist nach der
Ost- und Westseite eine Kolonnade vorgelegt, deren Säulen
oder Eisenträger das darüber führende Trottoir stützen. Da-
durch treten die naturgemäß sehr großen Fenster des Unter-
grundbahnhofs nicht zu sehr in Erscheinung. Gleichzeitig
wird ein Unterstand für Parkbesucher und ein Wandelgang
bei schlechtem Wetter geschaffen. Eine unter dem Kolonnaden-
gang bindurchführende unterirdische Verbindung nach dem
Untergrundbahnhof dient gleichzeitig als Verbindung der beiden
Parkliälften.
Durch den unterirdischen Verbindungsgang gelangt man in
bequemer Weise ohne Überschreitung der Straße P in den
landschaftlichen Teil des Parkes. Die Aufgangstreppen sind
ebenfalls durch eine Säulenhalle überdeckt.
Überraschend wird für den Parkbesucher der Blick sein,
wenn er aus dem Halbdunkel des Verbindungsganges tritt und
die sonnige, vom schwarzen Graben durchflossene Wiesenland-
schaft mit den glitzernden Wasserflächen vor sich sieht. Die
bestehende Aufschüttung ist in eine sich von Norden in das
Gelände einschiebende Anhöhe umgewandelt worden und mit
einem Pavillon gekrönt.
Hierdurch erhält der „schwarze Graben' eine Ablenkung
nach Süden. Nachher wendet er sich wieder nach Norden.
Die Treppenanlage, welche an der Straße S den Zugang
bildet, setzt sich als Brücke über den schwarzen Graben fort.
Der große Teich ist an dem einzigen Platze angelegt, der
eine Ausbreitung des Wassers ohne größere Erdarbeiten er-
möglicht. Nach Osten hin begrenzt ihn der unbedingt nötige
6 m breite Verbindungsweg zwischen Bambergerstraße und
Straße V. Nach Westen hin bildet die Grenze die Bamberger-
straße.
Im Interesse der Parkanlage und auch des Städtebildes
wäre es dringend erwünscht, wenn die BambergerstralJe als
Brücke über den Park führen würde. Icli habe hierzu zwei
Vorschläge gemacht, von denen der eine eine große Brücke
mit drei Bögen und zwei Wegdurchgängen vorsieht und
allerdings ziemlich bedeutende Kosten verursacht. Der andere
sieht nur einen Bogen und zwei Wegdurchgänge vor.
Die Verbindung des Schöneberger Stadtparks mit dem
Wilmersdorf er Park wird am besten durch Fortführung des
„schwarzen Grabens" unter dieser Überbrückung hindurch bis
an den Wilmersdorfer See bewerkstelligt.
Die Bepflanzung muß im allgenieinen in dem (Charakter
einer Wiesenlandschaft gehalten sein. Einige kleine Sumpfstelltn
am „schwarzen Graben", welche von den Wegen schwer zu er-
jeichen sind, mit Sumpfpflanzen, namentlich Iris, Caltha pal.,
Vergißmeinnicht u.dergl. Größere einfarbige Blumenmassen sollen
wieder Ruhe in die bunt durcheinander angepflanzten Blumen
bringen. Dem Charakter der Wiesenlandschaft entsprechend
Süllen namentlich Einzelbäume angepflanzt werden. Pappeln,
Weiden, Erlen, Espen, Birken, Eichen, Nadelholz in großen
Trupps an den hochgelegenen Stellen. Den jetzt meist übliclieu
Mischmasch von Ziersträuchern muß man vermeiden.
Der Hauptschmuck soll in den blumigen Wiesen liegen,
auf welchen namentlich Stauden zu Anfang im größeren Maß-
stabe angepflanzt werden müssen, damit während der Zeit, in
der sich die Einzelbäume zu voller Schönheit entwickeln, der
Parkbesucher sich an der Blütenfülle der Wiesen erfreuen kann.
Hefraclitiiiijieu zum Wettbewerb Stadtpark Schönebei-fi-.
Von F. Zahn, Steglitz.
Nachdem bereits in der Pebruarnummer die Namen
der Verfasser der prämiierten und angekauften Entwürfe
veröffentlicht sind, folgen heute die Entwürfe mit ihren
Erläuterung.sberichten selbst. Abweichend von den Ge-
pflogenheiten bei früheren Wettbewerben sind die tech-
nischen Pläne mit ihren Höhenlinien und Profilen, nicht
die sogenannten Hauptblätter zur Veröffentlichung gewählt.
In Rücksicht auf das bewegte Gelände schienen sie dem
Verfasser von größerem Wert für die Beurteilung und
den Vergleich, als der diese Hauptsachen nicht zeigende
Grundplan, der nur die Plächendisposition erkennen läßt.
Der Gesamteindruck der eingegangenen Entwürfe ver-
dient, abge.sehen von einigen, sich bei jedem Wettbewerb
findenden unvollkommenen Arbeiten, die Bezeichnung gut.
Zweifellos ist ein Aufschwung zu verzeichnen, Aufschwung
sowohl in der Auffassung und Durcharbeitung, als auch in
der zeichnerischen Darstellung. Wenn ich auch diese
letztere Tatsache mit großer Freude konstatiere, so soll
gerade sie der Ausgangspunkt einer kritischen Beleuchtung
sein. Ich verstehe es sehr wohl, daß man eine gute
Idee auch in ein gutes Gewand kleiden möchte, daß man
auf eine mit allem Raffinement malerischer Fertigkeit aus-
gestattete Itarstellung Gewicht legt, um auch hierdurch
die Arbeit in das rechte Licht zu setzen. Wenn ich
mich hiergegen wende und fordere, daß bei Wettbewerben
einfachste, einfarbige Darstellung der Grundpläne vorge-
schrieben werden möge, so sind verschiedene Gründe
hierfür bestimmend.
E>aß ich noch Vorschläge anderer Art über die Grund-
sätze für das Verfahren bei öffentlichen Wettbewerbungen
auf dem Gebiete der Gartenkunst der Besprechung dieses
Wettbewerbes voranschicke, und diese nicht in einem be-
sonderen Artikel behaiulle, liegt daran, daß gerade dieser
Wettbewerb zum Studium nach jeder Richtung hin Ge-
legenheit gegeben hat und zeitlich zusammenfällt mit der
I)urcharbeilung und Verbesserung der genannten (irund-
sätze. .\us diesiT Tatsache hera,us wollen auch die
Beteiligten, deren .\rboit gewisscn'maßen den .\usgaiigs-
punkt der kritischen Bemerkung bildet, die Kritik \er-
stehen.
Nun die Grüiule, welche micii bestimmen, für ein-
fachste, einfarl)igo I »arstellung der Grundpläne einzutreten.
Es soll nicht di(> Zeichnung, sondern die Idey
prämiiert werden. .Man darf wohl annehmen, daß trotz
der festen .Vbsicht aller Preisrichter, sich größter Ob-
TX, 3
D]E GARTENKUNST
57
jektivität in der Bewertung der Idee, der Durchführbarkeit
des Projektes usw. zu befleißigen, doch bei dem End-
urteil auch die ganze Aufmachung mit bestimmend sein
kann. Es ist ja auch ganz natürlich, du ein in raffi-
nierter Zeichentechnik dargestellter l"]ntwurf schon hier-
durch besticht, sich dem Auge und dem Geiste scharfer
einprägt und somit leichter auf ihn zurückgegriffen wird,
als OS bei einem einfachen, einfarbigen Entwurf der Fall
sein dürfte.
r»ie einfache Darstellung empfehle ich im Interesse
der Bewerber selbst. Sie erfordert weniger Zeit: gestattet,
die so notwendigen .\bcnd- und Nachtstunden zu Hilfe
zu nehmen, ohne in der FarbenzusammiMistellung das
Auge beleidigende Mißgriffe zu tun. n)iese einfache Dar-
stellungsweise, die in scharfen Linien alle Einzelheiten
klar und deutlich vor Augen führt, verdient auch schon
wegen ihrer schärferen Reproduktion den Vorzug. Mit
welchen Schwierigkeiten selbst ein in der .Aufnahme von
Zeichnungen geübter Photograph zu kämpfen hat, habe
ich hier zur Genüge erfahren. Gerade die Arbeiten, die
durch ihre malerische Wirkung am besten gefallen, sind
meistens für die Reproduktion weniger gut geeignet.
Als weitere Forderung, gegen die hier auch gefehlt
ist, muH genannt werden: Anfertigung der Entwürfe in
gleichem .Maßstabe. Nicht darf ein Teil der Zeichnung
z. B. im Maßstab 1 : .500, der andere 1 : 250 dargestellt
sein. Der letztere Maßstab gestattet eine ganz andere
malerische Wirkung in das Blatt hineinzulegen, gestattet
die Einzelheiten schärfer, genauer und übersichtlicher dar-
zustellen, was einen Vorteil denen gegenüber bedeutet,
die den gleichen Maßstab in ihrer Arbeit innegehalten
haben. Die Verdoppelung des Maßstabes bedingt ein
größeres Blatt, das wiederum durch seine Größe anzieht
und auffällt. Es erscheint aus alledem die Forderung:
gleicher Maßstab, gleiches Format, berechtigt. Ich be-
merke, daß in den Bedingungen ein bestimmter Maßstab
für den technischen Plan nicht gefordert war, so daß
vielleicht hieraus der Schluß gezogen werden konnte, die
Wahl desselben sei dem Bewerber überlassen. Gleiches
Format, das in seinen Längen- und Breitenmaßen genau
vorgeschrieben sein sollte, fordere ich noch aus einem
rein praktischen Grunde. Eias Aufhängen der Pläne, die
Verteilung derselben wird dadurch erleichtert und die
ganze Planausstellung übersichtlicher, ein Vorteil für die
Preisrichter einerseits, für die Bewerber anderseits. LUe
letzteren haljen den Nachteil, wenn ihre Arbeit an zwei
verschiedenen Stellen, etwa an der Vorder- und der
Rückwand der Stellage hängt, wenn die Zeichnungen des
einen übergreifen in das Gebiet des anderen und tech-
nische Zeichnungen einer Arbeit z. B. mit Klammern an
den Hauptplan des Nachbarn befestigt sind.
Unangenehm war es auch, daß scharfe Trennungs-
linien zwischen den Arbeiten der einzelnen Bewerber nicht
vorhanden waren, wodurch der Überblick gestört und das
eingehende Studium erschwert wurde. Zudem hingen die
technischen Pläne häufig so hoch, daß es kaum möglich
war, die Einzelheiten zu erkennen.
Der meistens in kräftiger F'arbe gehaltene Gesamt-
plan hätte es viel eher vertragen können hoch zu hängen ;
in Augenhöhe aber mußten sich die technischen, die Profil-
und Horizontalen-Pläne befinden, denn aus diesen erst
ist bei so bewegtem Gelände zu erkennen, ob der Ver-
fasser es verstanden hat, die Eigentümlichkeiten auszu-
nützen und zu gesteigerter Wirkung zu bringen.
Ich erwähne dies, um bei künftigen Wettbewerben
diesen ^langet an Übersichtlichkeit vermieden zu sehen
und kann nur empfehlen, zur Erleichterung der Übersicht-
lichkeit auch die Größe des Formates der Pläne vorzu-
schreiben. Die verschiedenen Blattgrößen, die oft nahezu
das Doppelte der erforderlichen Größe zeigten, haben den
mit dem Aufhängen der Pläne Beauftragten die Arbeit
sehr erschwert und es kann wohl behauptet werden, daß
die Bewerber zum Teil selbst die Schuld tragen an der
geringen Übersichtlichktiit.
[»er Situationsplau gibt das Format an, dies braucht
nur innegehalten zu werden. Für Ansichten und Einzel-
zeichnungen kann diese Vorschrift allerdings keine An-
wendung finden, doch werden sich diese, weil kleineren
Formates, leichter einordnen lassen.
Wenden wir uns von den Grundplänen jetzt den An-
sichten zu. so ist zunächst festzustellen, daß diese in ver-
hältnismäßig geringer Zahl beigegeben waren, was wohl
darauf zurückzuführen ist, daß ihre Beifügung nicht Be-
dingung, sondern den Einsendern anheimgestellt war.
Sollte es nicht vorteilhaft sein, diese nicht dem freien
Ermessen zu überlassen, sondern zur Bedingung zu machen?
Die Ansichten besagen mehr als der Grundplan, geben
erst das richtige Bild der Einzelteile der Anlage. Die
Forderung der Beigabe von .\nsichten und Einzelzeich-
nungen wird den Verfasser zwingen, nicht an der Fläche
des Grundplanes zu kleben, sondern „räumlich" zu denken.
iJer Standpunkt, daß aus dem Grundplan allein der Fach-
mann das Bild der Anlage sich konstruieren kann, ist —
glücklicherweise — überwunden. Aus ein paar parallelen
Linien, die den Grundriß einer Mauer zeigen, aus einem
Kreis oder Sechseck, dem Grundriß einer Laube, eines
Pavillons, kann man unmöglich schließen, wie der Ver-
fasser sich die einzelnen Gartenbauwerke im Aufriß, in
der Ansicht gedacht hat, kann man nicht ersehen, ob das
betr. Bauwerk hineinpaßt in das Bild, oder nicht.
Es kann eingeworfen werden, daß die mit malerischen
Fertigkeiten weniger begabten Bewerber im Nachteil sind,
weil sie diese Forderung nicht erfüllen können. Dem ist
entgegenzuhalten, daß es unbenommen ist, die Zeichnungen
von einem anderen Künstler — wie es auch hier vielfach
geschehen ist — anfertigen zu lassen. Zu fordern ist
jedoch auch hier einfache, einfarbige Darstellung möglichst
ohne Stimmungseffekte (vgl. Artikel Kießling Seite 25 dieses
Jahrgangs), aufgenommen von den richtigen Standpunkten,
die denen der Wirklichkeit entsprechen. Nichts soll die Ansicht
versprechen, was sich nicht erfüllt, nicht soll eine Wirkung
vorgetäuscht werden, die vielleicht Jahrzehnte auf sich
warten läßt. Selbst auf die Gefahr hin, mit meinen Forde-
rungen mich vielleicht im Gegensatz mit einer größeren
Anzahl Fachgenossen zu setzen, als zu nüchtern, zu
praktisch, zu wenig künstlerisch denkend angesehen zu
58
DIE GAETENKUNST
IX, 3
werden, kann ich diese Forderung für Wettbewerbe
nicht unausgesprochen lassen. Die Gründe sind die
gleichen wie die eingangs beim Grundpian genannten.
Nicht betroffen von dieser Forderung sollen sein: Entwürfe.
Ansichten im Geschiiftsleben, hier mag jeder frei vom
Zwang irgend welcher Bestimmungen tun, was ilini gut
und nützlich scheint.
Die gleichmäliigo BehaiuUung bei Wettbewerben be-
dingt aber auch, wenn aus irgend welchen Gründen
Einzelzeichnungen nicht notwendig erscheinen, daß ihre
Beigabe nicht dem Einsender überlassen bleibt. Werden
sie trotzdem beigefügt, so müssen sie bei der Beurteilung
vollständig ausscheidi^n, dürfen überhaupt nicht zum Aus-
hang, den Preisrichtern nicht zur Vorlage kommen.
Soweit die allgemeinen Bemerkungen, die von Wichtig-
keit sein können für die Neuaufstellung der Wettbewerbs-
grundsätze. Noch ist es ja nicht zu spät, die eine oder
andere Bestimmung mit aufzunehmen, oder sie, weil zum
Teil von geringerer Wichtigkeit oder nur von Bedeutung
für das Aufhängen der Pläne als zu beachtende Wünsche
in einem Anhang anzufügen.
Nun zu den Entwürfen selbst.
Leider ist das Preisrichterprotokoll nicht zur Ver-
öffentlichung freigegeben. Ich bedauere dies außerordent-
lich, und ich glaube, mit mir die gesamte Fachwelt, vor allem
aber die Bewerber, die Zeit, Mühe und Kosten aufgewendet
haben, denen doch sicher daran liegen muß, zu erfahren,
weshalb sie ausgeschaltet, wesh.alb sie nicht prämiiert
sind. Selbst wenn jemand auf Zuerkennung eimvs Preises
nicht rechnet, wenn er die Beteiligung nur ansieht als
Übung, als Prüfstein seines Könnens, selbst dann, oder
vielmehr gerade dann möchte er wissen, was er gefehlt.
was er unbeachtet gelassen hat, um in Zukunft für ähn-
liche Fälle seine besondere .Aufmerksamkeit diesen Punkten
zuwenden zu können.
Weiter sehe ich in einem Protokoll, das in knapper
Form eine Kritik der Entwürfe enthält, eine Anerkennung
für die gehabte Mühe. Wer nicht zu den Auserwählten
gehört, zum ersten Male auf dem Kampfplatz erschienen
ist und mit heiligem Eifer gearbeitet, sein bestes Können
hineingelegt hat, des.sen Herz wird höher schlagen, wird
ihn zu weiterem tapferen Vorwärtsschreiten ermutigen,
wenn er aus dem Protokoll ersieht, daß seine Arbeit den
besseren zuzuzählen ist.
Wünschenswert ist es auch, aus dem Protuknll er-
sehen zu können, worauf außer den im Programm ge-
nannten Bedingungen das Preisrichterkollegium das Haupt-
gewicht gelegt hat, welche nicht bekannt gegebenen
Sonderbedingungen die Richtschnur der Bewertung ge-
wesen sind.
Diese Sonderbedingungen herauszuschälen, sri im
folgenden versucht.
Die größte Schwierigkeit lag in drr richtigen Be-
handlung des Untergrundbahnhiifes im Zuge der Straße P.
Vis war den Bewerl)ern anheim gestellt, sich aus den
angeführten Möglichkeiten der Lösung, il'w. ihnen am
meisten zusagende auszusuchen. Von dieser Erlaubnis
ist dann auch ausgiebiger Gebrauch gemacht. Ich halte
es mit der gänzlichen Freilassung des architektonisch aus-
zugestaltenden Bahnhofes; ist dieser doch das einzige,
kräftige, architektonische Motiv in der ganzen Anlage. Es
mußte hierauf um so mehr Rücksicht genommen werden,
da andere größere Bauwerke ausgeschlossen waren, da der
Bau eines Restaurationsgobäudes, das vielleicht die Basis des
Aufbaues hätte geben können, der Privatbautätigkoit in dem
angrenzenden Gebiet überlassen war. In dem ganzen oder
toihveisen Einschütten des Untergrundbahnhofes kann ich
weder einen Vorteil, noch eine besonders gute Wirkung für
das Gesamtbild erlilicken. Ein unmittelbarer Zusammen-
hang der beiden Parkteile ist weder auf die eine noch die
andere Art zu erreichen, eine Trennung wird bestehen,
ein Emporsteigen auf die Höhe der Straße P, ein Über-
schreiton des verkehrsreichen Fahrweges wird stets er-
forderlich sein, denn die Verbindung unterirdisch durch
einen Tunnel, eine Grotte zu bewerkstelligen, halte ich
für die un.glücklichste Lösung, selbst wenn die Schwierig-
keiten des Baues bewältigt würden. Ohne Treppen ist
auch hierbei nicht auszukommen, angenehm ist das
Passieren eines dunklen, kellerartigen Gowöllies, dem
Licht und Luft felilt, auch nicht, darum kann diese Lösung
auf Verwirklichung am wenig.^ten .Vnspruch erheben.
Vau Stadtpark im Charakter einer natürlichen Land-
schaft war verlangt. Diese Natürlichkeit wird aber ni E.
dadurch erst recht zur Goltun.g .gebracht, wenn man nicht
etwa die einschneidenden Werke der Menschen verdeckt,
den Glaul.)en erweckt, als seien sie nicht vorhanden, sondern
wenn man sie wirklich zeigt. Nehmen wir an, die Park-
anlage sei schon vorhanden, erst später hätte sich der
Bau der Bahn notwendig gemacht. Würde man in diesem
Falle das Bauwm-k mit Fleiß verdeckt haben? Ich glaube
nicht. Man hätte die nähere Umgebung dos Parkes mit
dem Bauwerk in Übereinstimmung gebracht, beide zu
einem Gesamtlülde vereinigt. Was ferner dafür stimmt,
den Bahnhof frei zu zeigen, gewissermaßen als Brücke
die Straße P durch das Tal hindurchzuführen, ist die da-
durch gegebene Möglichkeit, den Park in seiner beider-
seitigen Ausdehnung den Passanten der Straße P vor
Au.gen zu fuhren, ihnen Gelegenheit zu geben, trotz größter
Eile einen Blick wenigstens hineinzuwerfen, sich am Bilde
der Natur zu ergötzen. Wie mancher, dem berufliclK^
Tätigkeit niciit Zeit zum Lustwandeln läßt, wird sich mit
dem Anschauen begnügen müssen, wird so auch s(^inen
Genuß von der Anlage haben.
Nur als Fußweg war die Verbindung der Straße T
mit Platz V vorzusehen. Hat der .Vnschluß an ilie Straße
keine Schwierigkeiten, so ist doch bei der JMnmüntiung
nach Platz V des öfteren gefehlt, selbst die prämiierten
iMitwürfe .sind von diesem Fehler teilweise nicht frei,
während l'Jitwiirf Goel)el-Wien den zu berü(d<sichtigend(>n
Punkt erkannt hat. Es war entschieden am voi-teilhaftesten,
durch eiitsprecluniih' Gabelung de.s Weges die Pass.'iliten
auf die beiden schuial.sten Stellen der Straßenkreuzung
hinzuführen, so dali auch i'in Anschluß an die Sl.ralie (J
bei|uem erreicht wii'd.
Nicht zu vermeiden war es für diesen Verbindungs-
weg, daß er uns von der Straße hinab in das Tal und
IX, 3
DIE GARTENKUNST
59
ati dnr anderen Seite wieder in die Hiilic fülirt. r>ie-
jenigen Verfasser, die auf Führung in annäliernder Straßen-
höjio Gewiclit gelegt iiaben in dci- liiliiMiswei'ti'ii Absiciit,
den l^assanten die Unliequemliclil<eit des Auf und Ab zu
ersparen, habon dadurch einen neuen Wall geschaH'en,
eine neue Trennungslinie der Anlage eingefügt, eine Ver-
kürzung der Liingenwirkung erreicht Hieran kann selbst
vollständiges Aufhiihen des Gebindes zwischen diesem
Weg, der Bamberger und der Straße R nichts bessern.
Die Überschneidung der dahinter liegenden Wasserfläche
wäre für den Einlilick von der Ecke der genannten Straßen
aus eine zu große.
ha mit den Straßen als vorhanden zu r.'chnen war,
mußten dieselben auch Berücksichtigung linden, hauiit-
sächlich gilt diese Forderung für die Siraße S. Wenn
eine Straße von 24,0 m Breite sich gegen die Anlage
auf 36,0 m erweitert, zu einer Gartenstraße mii Mittel-
anlage sich ausbaut, dann kann wohl angenommen werden,
daß der Entwerfer des Stadtplanes diese Er\veiterung in
der ganz bestimmten Absicht vorgenommen hat, von der
Straße überzuleiten zu dem Park, daher \erlangt auch
die Straße eine Fortsetzung hinein in die Anlage oder
eine Betonung der Achse. Bei mehreren Entv/ürfen ist
dies von den Verfassern erkannt, aber nicht immei' richtig
durchgeführt.
Schafft man einen Abschluß für dii.' Achse durch ein
Bauwerk, dann muß es auch so hoch liegen, daß es sich
über das Straßenniveau erhebt, muß so krältig sein, daß
es der Straßenbreite und der Länge gegenüber zur Wirkung
kommt. Jier Entwurf Encke-Bülte hat dui-ch die I^^rbauung
der Pergola mit den seitlichen [Pavillons auf dem Plateau
H diese Forderung in l.iester Weise geliist, ebenso Goebel-
Wien, während im Entwurf Krüpper durch die große Frei-
treppenanlage nur vom Park, vom Wasser aus die Straße S
eine Betonung erfahren hat, von der Straße her jedoch
dieser architektonische Aufbau wegen seiner tieferen Lage
trotz der beiden seitlichen Pavillons nicht genügend in die
Erscheinung tritt. Entwurf Ulrich führt die Straße w'eiter
durch einen F'ußweg in der Achse derselben, baut einen
baumbestandenen Promenadenplatz auf, läßt aber leider
den Platz unter Straßenhiihe liegen, anstatt ihn kräftig
herauszuheben.
Als weitere zu erfüllende F\ii'derung nenne ich die
richti,ge Behandlung des am Ausgang zum i^latz K
liegenden dreieckigen Platzes. Hier mußte von der Spitze
ein direkter Weg zum Eingangsportal geführt, oder ein
größerer Platz, wie bei Entwurf I und II angeordnet
werden. Das Dreieck als eine Fläche zu behandeln, ist
dagegen als ungünstig zu bezeichnen, da es die über den
Platz kommenden Besucher des Parkes zwingt, um das
Eireieck herumzugehen, um zum Eingang zu gelangen.
Außer diesem und den vorstehend bereits besprochenen
Eingängen (Straße T, S, Platz V) bedurfte besonderer
Betonung der Zugang von der Bamberger Straße, Ecke
der Straße R.
Wer von Süden kommend die Bamberger Straße
entlang geht, wird unwillkürlich auf die durch den Schnitt
mit der Straße R gebildete spitze Ecke hingewiesen.
Hier mußte daher etwas Besonderes geboten, mußte
der Blick in die Anlage nach Möglichkeit offen gehalten
wiTdeu. i'berhaupt er.scheint es mir wünschenswert,
nicht durch allzu dichte Grenzpllanzung die Anlage ab-
zuschließen gegen die Straßen, vielmehr zahlreiche Ein-
blicke besonders von dem Promenadenweg der Straße R
in dieselbe zu ötln.'n uml den Passanten die Bilder des
Parkes zu bieten.
Selbst wenn beabsichtigt war, dem Park den Cha-
rakter möglichster Geschlo.ssenheit zu geben, den fiinfluß
der hohen Reihenhäuser auszuschalten, so war dies auch
bei lockerer, Hinldicke freilassender Grenzbebnndlung
möglich, da durch die tiefe Lage an sich schon ein Ab-
schluß bedingt ist.
Besondere Aufmerksamkeit in der Gestaltung er-
forderte die Bamberger Straße, die laut Programm als
r)ammschüttung durch das Parkgelände geführt werden
soll, infolgedessen eine trennende Wand darstellt. AUee-
ptlanzung auf dieser Strecke auszuführen, erscheint mir
als noch stärker trennendes Moment, daher sei der
Lösung im Entwurf Encke-Bolte besondere Beachtung ge-
schenkt. Die 7 Meter breiten Gehölzstreifen mit den un-
gezwungen verteilten Bäumen und dem Buschwerk
werden, da sie keine scharfe Linie wie die Allee dar-
stellen , da sie sich in ihrer Silhouette der ül.irigon
Parkptlanzung anpassen, weniger trennend wirken. Es
erinnert das Qmjriirofil dieses Dammes an amerikanische
Parkstraßen, die auch den unregelmäßigen Baumwuchs mit
teilvveiser Unterpflanzung zeigen. Ich verfehle nicht, auch
an dieser Stelle einer teilweise freieren Behandlung der
ßeptlanzung an Straßen das Wort zu reden.
„Grunewiese" stellt sich über die Programmbestimmung
der Wallschüttung und wartet auf mit einer Überbrückung,
mit einer Durchführung des Sees nach Wilmersdorfer
Gebiet. Hier gibt es keine Trennung mehr, hier ist in
großzügiger Weise die Frage gelöst. Man vergegen-
wärtige sich das Bild. Dar Durchblick durch den Rahmen
der hochgespannten Brücke über die blumigen Wiesen
und die große Fläche des Sees. Nur schade, daß es nur
Projekt bleibt, nicht \^'irklichkeit werden kann, denn ge-
rade hier lagert eine Moorschicht von so gewaltiger
Mächtigkeit, daß die Fundierungen der Pfeiler nur unter
Aufwendung immenser Mittel ausgeführt werden können.
Dies sind außer den im Programm genannten, die
wesentlichsten Punkte, deren künstlerische Lösung den
Erfolg lirachte. Über die von den einzelnen Verfassern
getroffenen Maßnahmen, über deren eigene Ansicht, geben
die Erläuterungsberichte genügend Auskunft, so daß ein
Eingehen darauf sich erübrigt.
Außer den prämiierten und angekauften Entwürfen
verdient der Entwurf: „Einheitlich" Beachtung. Er ist einer
von den glücklicherwoisevielen gleichwertigen, von denen, die
sicher mit zur Wahl gestanden haben, aber bei engerer und
engster \\'ahl ihren mit größeren Vorzügen ausgestatteten
Brüdern weichen mußten. Ruhe in der Disposition, in der
Pflanzung zeichnet ihn aus. Es ist versucht, die beiden durch
die Straße P getrennten Parkteile in Beziehungen zuein-
andei zu bringen durch die Aussicht auf den hoch-
öO
DIE GARTENKUNST
TX, 3
gelegenen Pavillon im westlichen Teil. Würde derselbe.
was sehr wohl durchzuführen war, noch in die Achse
der Straße S. gerückt, so wäre der Wert des Entwurfes
hierdurch um vieles gehoben.
Anerkennung sei ferner gezollt den Entwürfen: Wald,
Wiese, Wasser — Fink — Treu dem Ideal — Birken
und Eichen — Tallandschaft — Penngelände.
Durch architektonische Lösungen fallen auf: Birke —
In magnis voluisse sat est. Beide haben wegen der
Großzügigkeit der Disposition Vorzüge, namentlich der
zweite wegen des Aufbaues auf die Straße S.
Ich bedauere, daß ich nicht als Ersatz für das nicht
veröffentlichte Preisrichterprotokoll, mit einigen kurzen
Bemerkungen der einzelnen I-]ntwürfe Vorzüge und Fehler
hervorheben kann, doch war die Dauer der Ausstellung
zu kurz, gebunden an nur einige Tagesstunden. Vielleicht
ist es möglich, in der kommenden Nummer dies nach-
zuholen, da der Magistrat Schöneberg die Entwürfe noch-
mals ausstellt in der Zeit vom 18. Februar bis 3. März.
Das Schlußwort möge sein der Dank den Bewerbern
für ihre Arbeil, der Stadt Schöneberg dafür, daß sie durch
das Ausschreiben sich als Förderin unserer Kunst ge-
zeigt hat.
Verschiedenes.
Jubiläumsausstellung 1907 in Mannheim. Aas Mann-
heim wird uns geschrieben : Nach einer grollen Vergangenheit
hat sich die Gartenkunst .Jahrzehnte lang in Bahnen bewegt,
die eigentlich mit Kunst nicht viel gemein hatten. Wenigstens
mit geringen Ausnahmen! Erst der neuesten Zeit sollte es
vorbehalten sein, wieder ernsthafte künstlerische Bestrebungen
Miit dem Gartenbau zu verbinden. Noch aber gärt alles, und
die Meinungen platzen oft scharf aufeinander, zumal seit sich
Maler, Bildhauer, Architekten, Keramiker und andere der
gärtnerischen Architektonik bemächtigt haben, um, nachdem
sie das Haus mit allen seinen einzelnen Räumen, die Schul-
stube, die Kanzlei und anderes nach künstlerischen Grund-
sätzen umgestaltet haben, nun auch den G.irten neu zu
stilisieren. Man macht ihnen zum Vorwurf, daß sie Bäume
und Sträucher wie Requisiten und Staffagen behandeln und
von der Blume wenig mehr als die koloristische Wirkung zu
verwerten wissen. Deshalb ist in den Kreisen der Garten-
künstler von Beruf eine andere künstlerische Bewegung wach
geworden, die in der Pflanze das individuelle Moment betont.
Diese höhere Anschauung von der Gartenkunst „stellt" nicht
schöne Landschaften, sie „koloriert" auch nicht weite Flächen
mit leuchtenden Blumenbeeten, sondern sie pflanzt nach
künstlerischen Grundsätzen. Bei ihr sind also Blumen
und Bäume nicht künstlerische Mittel zur Dekoration, bei ihr
ist der Garten Selbstzweck, und die künstlerische Behandlung
hat zum Ziele, eine Anlage harmonisch zu gestalten, zu ver-
edeln und zu verschönen.
Bei aller Gegensätzlichkeit, die zwischen dem Gärtner
vom Fach und dem dem Gartenbau von Haus aus fremd
gegenüber stehenden Künstler besteht wäre es doch ungerecht,
wenn man verkennen wollte, daß die Gartenkunst von ihrer
älteren .Schwester zahlreiche wertvolle Anregungen erfahren
hat. Teils bewußt, teils unbewußt nimmt doch der oder jener
Gartenarchitekt Ideen auf, die dem Atelier eines Künstlers der
Palette oder des Meißels entstammen, und ebenso läßt sich
umgekehrt der Maler oder Bildhauer gern von dem Fachmann
belehren. Diese Wechselwirkung erzeugt einen Wettkampf,
den man allenthalben beobachten kann, gleichviel, ob man
durch einen öffentlichen Park geht oder durch das Gitter in
einen Privatgarteu blickt. Dieser Wettkampf spiegelt sich in
den Spalten der Fachpresse genau so wieder, wie bei den
mannigfaltigen Preiskonkurrenzen, er erreicht aber seinen
Höhepunkt erst auf einer Ausstellung.
Es war in Düsseldorf im Jahre 1904 als zum ersten Male
andere Künstler mit den Gartenarchitekten in die Schranken
traten, dann folgte 190.Ö Darrastadt und jetzt wird im Sommer
1907 dieses Ringen hier in Mannheim fortgesetzt, wo am
1. Mai in Verbindung mit einer Internationalen Kunstausstellung
eine Grosse Gartenbauausstellung eröffnet wird. Allem
Anschein nach wird es eine fesselnde Konkurrenz absetzen
die dadurch noch um so interessanter wird, als die ver-
schiedenen Richtungen durch hervorragende Vertreter und sehr
zahlreich vertreten sind.
Wenn Mannheim eine Gartenbauausstellung in Verbindung
mit einer Kunstausstellung veranstaltet, so ist eine solche
Vereinigung von zwei an sich verschiedenen Ausstellungen
bei den engen Beziehungen zwischen Kunst- und
Gartenbau sehr wohl berechtigt. Im Interesse der Garten-
kunst ist zu begrül.ien, daß auch bei der Gartenbauausstellung
selbst Künstler anderer Schaffen.sgebiete von der Ausstellungs-
leitung zur Mitwirkung berufen und zum Wettbewerb zuge-
lassen worden sind. Unter ihnen findet man: Behrens,
Schultze-Naumbu rg, Läuger, Billingusw. Es wird ihnen
genau so wie den Fachvertretern gehen. Sie können wohl mit
|)hantasievoller schöpferischer Kunst Ideen und Entwürfe ge-
stalten und diese auch zu Wirklichkeitsgebilden unischaffen,
aber sie können oder wollen nicht immer im voraus analy-
sieren, was sie sich gedacht haben und wie es wirken soll.
Das fertige Gebilde mul! selbst zu den Beschauern sprechen
und jeden Kommentar überflüssig machen.
Die Vorarbeiten für die verschiedenen Gärten sind sclion
weit gediehen ; wenn man trotzdem bei einem Durchwandern
des Ausstellungsgeländes noch nicht viel davon zu sehen be-
kommt, so liegt das an der .lahreszeit und den\ Fehlen des
größten Teiles der Bepflanzung.
Zunächst fällt der Garten des Professor Läuger, des Er-
bauers der Ausstellungsgebäude auf, der anscheinend durch
ganz besonders eigenartige Ideen zu wirken sucht. Aus den
vielen Scheinmauern, die den Platz umschließen und durch-
ziehen, ist zu folgern, daß er stark mit Architekt\ir wirken
will, während er bezüglich der Bepflanzung vorerst noch auf
das Frühjahr vertröstet. In der Hauptsache handelt es sich
um eine in großen, streng regelmäßigen Linien ausgeführte
Anlage, die wohl in einzelne Gärten zerfallen, aber doch nach
einheitlichen Gesichtspmikten harmonisch gestaltet werden soll.
Ein etwa für den Park eines Milliimärs gedachtes Luxusbad,
in besonders reicher Ausstattung wird einen interessanten
Mittelpunkt der ganzen Gartenaidage bilden.
Professor Schnitze-Naumburg wird soino Auffassung von
einem intimen Hausgarten praktisch vorführen. M.au darf hier
ein fein abgestimmtes Idyll erwarten und hoffen, daß durch
dieses Beispiel alle die Bestrebungen unterstützt werden, die
darauf abzielen, dem Mittelstande wieder die Liebe zum
Garten nahe zu bringen. In ganz anderer Weise wird sich
Professor Behrens betätigen, der schon in Düsseldorf als
moderner Vorkämpfer auf gartenkünstlerischem (iebiete auf-
getreten ist. Er hat eine Gartenanlase im Stile eines Natur-
IX, 3
DIK GARTENKUNST
61
theaters entworfen. Man darf gespannt sein, wie er von der
Zeit des graziösen Rokoko, dem solche Theater im Grünen
ihre Entstehung verdanken, in die nKjderne Industrieavia hinüber
leiten wird.
Einen eigenen Garten wird aiicli Professor Billing-
Karlsrnhfc, der Erbauer der Kunsthalle, anlegen, der es eben-
falls liebt, besonders stark die Architektur auf die ganze Ge-
staltung der Anlage wirken zu lassen. Ferner wäre nutli
Professor Bruno Schmitz zu erwähnen, der den von ihm vor
Jahren geschaffenen monumentalen Friedrichsplatz künstlerisch
ergänzen und teilweise umgestalten wird: insbesondere war es
die Yergrrißerung der Wasserkünste, die eine teilweise neue
Kaumeinteilung und Bepflanzung zur Notwendigkeit machte.
Diesen Künstlern steht eine Gruppe von Gartenarchitekten
gegenüber, deren künstlerische Begabung sich verbindet mit
praktisch-gärtnerischer Erfalirung. Es finden sich unter
ihnen Persönlichkeiten, die zu der Erwartung berechtigen, dall
Leistungen vorgeführt werden, welche dem Beruf, dem ilne
Schöpfer angehören, Ehre machen werden.
Gartenbaudirektor Siesmeyer - Frankfurt a. M. hat siidi
die ungemein schwierige Aufgabe gestellt, einen vertieft ge-
legenen Bauplatz vor dem Biliingschen KunstaussteUungs-
gebäude in einen Garten umzugestalten. Hie Kunsthalle
nämliidi ist so gelegen, dalJ sie ihre schmucklose Rückseite
der Ausstellung zukehrt. Erst später soll ein Museum mit der
Front nach dem jetzigen Ausstellungsgelände gebaut werden
und der dafür bestimmte Bauplatz ist Siesmeyer überlassen
worden. Er ist durch eine zum Eingang der Kunsthalle
führende Brücke in zwei Felder geteilt, wodurch die zu lösende
Aufgabe noch wesentlich erschwert wird.
Die Firma Goos & Könemann-Niederwalhif a. Rh. wird
einen Staudengarten ausstellen. Die Firma versucht, die von
ihr gezogenen Pflanzen plastisch wirken zu lassen und
stellt sie auf den Untergrund einer weiten Wiesenfläche.
Zur Belebung des ganzen sind Koniferen und Sträuclier
eingepflanzt, wodurch ein abwechselung.sreiches, malerisches
Bild entstehen kann. An anderer Stelle führt Gartenarchitekt
Heinrich Henkel -Darmstadt einen Garten unter Verwendung-
japanischer Motive aus, der die seltensten und kostbarsten
Wasserpflanzen enthalten wird, deren Kultur einen erfolgreich
betriebenen Zweig der Henkeischen Gärtnerei bildet. Nebenbei
errichtet er auch ein Warmwasserbassin, so daß er imstande
sein wird, die auserlesensten Blumen Japans zur Blüte zu
bringen. Gartenarchitekt B rahe-Mannlieim wii'd einen alt-
romischen Garten in architektonischem Stile vorführen und
läßt schon jetzt Pergolen, Brunnenwände, Wasserbassins usw.
errichten.
Von besonderem Interesse wird es ferner sein, bei der
Gartenanlage der Gebrüder Rothe-Bonn und Weii.'ienfels zu
beobachten, wie durch das Zusammenschaffen von Architekt,
Bildhauer und Gartenkünstler ein Werk der Gartenkunst ent-
steht. Die Firm.i hat den Architekten Krug aus Darmstadt
mit der Ausführung des architektonischen Teils ihres Gartens
betraut, während Bildhauer Paul .Jnckutf die Anlage mit
Skulpturen schmückt. Das Ganze wird einen Hausgarten dar-
stellen, der in Verbindung mit einem herrschaftlichen Wohn-
sitz vornehmen Anstriclis gedacht ist.
Auch Michael Büchner- München, welcher im vorigen
Jahre in Nürnberg den allseitig sehr beifällig beurteilten Garten
vor dem Gebäude der Kunstgewerbeausstellung entworfen und
ausgeführt hat, wird in ^Mannheim mit einer kleinen Garten-
anlage vertreten sein, die durch plastischen Schmuck bereichert
sein wird.
Diese kuizeu Daten beweisen zur Genüge, daß es sich in
Mannheim um eine Reihe sehr eigenartiger, künstlerischer
Veranstaltungen handelt, denen auch jeder gärtnerische Fach-
ni.um das größte Interesse entgegenbringen wird.
Nach den ursprünglichen generellen, von Professor Länger
gefertigten Plänen sollte das ganze Ausstellungsgelände ein-
heitlich nach dessen Ideen behandelt werden. Es darf als ein
glücklicher Zug der Ausstellungsleitung bezeichnet werden,
diili sie sich entschloß, einer gegebenen Anregung zu folgen
und innerhalb des im allgemeinen beibehaltenen Rahmens des
Ijäugerschen Entwurfes die verschiedenen G-ärtner, Garten-
architekten und Künstler zur selbständigen Geltung kommen
zu lassen.
Das wurde dadurch erzielt, daß die Ausstellungsleitnng
den einzelnen Ausstellern bestimmte Flächen zur Au.sgc-
staltung nach eigenen Ideen überlassen konnte ; jedem dieser
.\ussteller wurde so Gelegenheit geboten, ein bestimmtes Areal
nach seinem Geschmack und seinen Intentionen in vollkommen
freier Weise zu beaibeiten, Naturgemäl.i mußte da schon bei
der Aufteilung des Geländes auf die künftige Gesamtwirkung
Rücksicht genommen worden. Durch die Aufteilung und die
dadurch bedingte verschiedenartige Behandlung der einzelnen
Flächen ergibt sich auch, vielfach zufällig, eine reizvolle Ab-
wechselung. So wirkt an sich die Augustaanlage als ein
Straßenzug von seltener Großartigkeit; im Grundriß der Aus-
stellung wäre sie aber als ein breites langgestrecktes Band
erschienen, das leicht seiir monoton hätte werden können.
Durch Vertiefung der einen Hälfte der Augustaanlage, durch
mehrfache Teilung der übrigen Fläche, Plazierung einiger Ge-
wächshäuser und verschiedener anderer Hochbauten wurde
aber die Eintönigkeit gründlich beseitigt. In die Um- und
Ausgestaltung der einzelnen Abschnitte selbst teilen sich ver-
schiedene gärtnerische Verbände; dann ist durch Anlage von
Farbengärten, durch Rampen und Treppen, Balustraden und
Hecken ein Übergang zu dem übrigen Ausstellungsgelände
geschaffen. Bei all diesen Maßnahmen kam der Ausstellung
sehr zustatten, daß die .Stadtgemeinde Mannheim schon vor
längerer Zeit den Garteningenieur Keerl engagiert hatte, der
von Düsseldorf her in allen gärtnerisclien Kreisen im besten
Andenken steht. Die Ausstellimgsleitung war so in die Lage
gesetzt, für die Leitung des gartentechnischen Teil der Aus-
stellung in der Person Keerls eine Kraft zu besitzen, der ein-
mal eine große Erfahrung zur Seite steht, und die zudem eine
besondere Begabung für dieses Spezialgebiet schon mehrfach
an den Tag gelegt hat.
Keerl wird übrigens auch mit einer nach seinen eigenen
Entwürfen ausgeführten Anlage vertreten sein, und zwar mit
einer Schwarzwaldlandschaft, durch deren reizvollen Aufbau
gleichzeitig der Nebenzweck verfolgt wurde, den Blick nach
der unschönen Rückseite benachbarter Mietskasernen tunlichst
zu verdecken. Diese Schwarzwaldlandschaft wird als eine
Kombination von natürlicher Plastik und gemalter Kulisse
gewiß von reizvoller Wirkung sein.
Unser Bericht würde unvollständig sein, wenn die beiden
Rosarien unerwähnt blieben, welche rechts und links neben
dem Haupteingang am Friedrichsplatze vor dem Wasserturm
angeordnet sind. Sie werden nach Entwürfen von Professor
Länger reich mit Hecken und Architektur ausgestattet
sein. Die Bepflanzung wird von Peter Lambert in Trier und
F. Boehm in Oberkassel bei Bonn ausgeführt werden.
Wenn mau auch um das Gesamtbild der Ausstellung
richtig zu beurteilen, erst die Vollendung abwarten muß, so
läßt sich doch schon heute voraussehen, daß es sich hier um
eine Fülle schöner Einzelheiten handelt, und es wird mit zu
den schönsten Überraschungen geliöien. z\i beobachten, wie
(,2
DIB GARTENKUNST
IX, 3
all die einzelnen Kunstschöpfungen zusammenklingen werden
in eine einzige harmonische Gesamtleistung.
in. Internationale Gartenbau-Ausstellung, Dresden
1907. Bereits in No. B des .Jahrgangs 1906 der Gartenkunst ist
auf die in Vorbereitung begriffene diesjährige Dresdener Aus-
stellung hingewiesen und es wird dem Leser nicht unerwünscht
sein, wenn jetzt, nachdem der Termin der Ausstellung (4. — 12. Mai
d. J.) näher gerückt ist und sich dasAusstellungsunternehmeu
in seinen Einzelheiten überschauen läßt, nochmals darülier be-
richtet wird.
Die Ausstellung gliedert sich dem ausgegebenen Programm
gemäß in Abteilungen für Palmen, Warmhauspflanzen, Frühjahr-
blüher usw. (A), Orchideen (B), Wissenschaftliche Grundlagen
des Gartenbaus fC), Bindekunst (D). Gartenkunst und Garten-
technik (E), Wasserpflanzen (P), Obstbäume (G), Frische Ge-
müse (Hl, Baumschulartikel (1). Zwiebeln, Knollen usw. (K|.
Eine Gartenbau-Austeilung, die nur acht Tage dauern
kann und mit Hücksicht auf ihren Hauptzweck — die Winter-
blüher in der größten Vollkommenheit zu zeigen — spätestens
auf Anfang Mai gelegt werden muß, kann naturgemäß nicht
die Gelegenheit bieten, die Gartenkunst in derart liebevoll
ausgeführten Mustern vorzuführen, wie dies 190.'i in Darmstadt
mit so großem Erfolge geschehen ist. Wir müßen unweiger-
lich acht Tage nach Schluß der Ausstellung das Terrain selbst
mit den schönsten Objekten wieder geräumt haben. Wir
haben mit Bedauern für Dresden darauf verzichten müssen,
die Darmstädter Hauptaufgabe auch bei uns nbenanzustellen.
nämlich die Darstellung des zeitgemäß entwickelten
Hausgartens. Uns fehlt Raum und Zeit für diese Aufgabe,
ja wir müssen uns in der Hauptsache für alle in Frage
kommenden Wettbewerbsobjekte auf die graphischen Dar-
stellungsverfahren beschränken. Das Spezialprogramm für
Gartenkunst und Gartentechnik enthält eine ganze An-
zahl recht interessanter Aufgaben, die zum Teil ja auch schon
von geeigneten Kräften in die Hand genommen worden sind
und es brauchen sich die Leute in unserer Kunst, die etwas
zu sagen haben, von der Beteiligung nicht abhalten zu lassen.
Das Sonderprogramm, dessen Versand auf Wunsch jederzeit
durch das Geschäftsamt Dresden-A., Neumarkt 10, erfolgt, ist
wohl in den Händen aller, die es angeht und es genügen
einige Hinweise.
Interessant ist von den Aufgaben, welche öffentliche An-
lagen betreffen, deren Ausführung früher oder später einmal
kommen muß, ein „Volkspark" mit anliegender Villenkolonie
auf dem Gelände des Kamuiergutes Gorbitz bei Dresden.
Das stark bewegte Terrain bietet dem erfahrenen Garten-
künster eine sehr dankbare Aufgabe. In dankenswerter Weise
sind außerdem von der städtischen Gartenverwaltung eine An-
zahl Aufgaben zur V^erfügung gestellt, die in nicht allzuferner
Zeit auszuführende Platzanlagen des Stadtbezirkes Dresden
betreffen.
Für die Vorführungen solcher Anlagen, die vom Aussteller
selbst ausgeführt sind, ist schon eine recht ansehnliche Z:ihl
von Anmeldungen eingelaufen. Diese Ausstellungsgruppe er-
möglicht es dem ausübenden Gartenkünstler- die Vielseitigkeit
seines Könnens mit allen Mitteln der Graphik dem Publikum
vor Augen zu führen und wird meines Erachteus viel /u
wenig in der richtigen Weise benützt.
Die Gruppe für „Gartenarchitekturen" in Modellen und
Zeichnungen wird wahrscheinlich auch gut beschickt werden.
Die Eigenontwürfe solcher Art werden, wenn es sich verlohnt
und die Autoren zustimmen, als .Sammelwerk im Buchliandel
erscheinen.
Eine hoffentlich recht reich beschickte Gruppe von Wett-
bewerbspunkten umfaßt die für den Schmuck der Gärten
bestimmten Kunstgegenstände. Sie werden, soweit dies
angängig i.st, einer im Stil der italienischen Renaissance aus-
geführten Gartenaulage (in einer großen Ausstellungshalle)
eingefügt. Jedenfalls werden alle plastischen Kunstwerke auf
dieser Gartenbau-Ausstellung in wirkungsvollem und schönem
Rahmen zur Geltung kommen, der ihnen sonst auf den meisten
Kunstausstellungen, die ohne die Mitwirkung der Gartenkunst
auskommen zu können glauben, in der Regel fehlt.
Für ausgeführte Haus- und Vorgärten, denen wie gesagt
nur eine geringe Entfaltung gestattet werden kann, stehen
recht hübsche Preise zur Verfügung.
Ein großer Raum wird der Gartentechnik gewährt.
Alles, was der Gartenkünstler heute an technischen Hilfsmitteln
zur Verfügung hat, wird sehr gut ausgestellt sein.
Es versteht sich für Dresden von selbst, daß auch der
Blumenschmuck der Häuser in geeigneter Weise be-
dacht worden ist. Die Aufgaben sind im Programm für
Allgemeine Bindekunst enthalten und werden hoffentlich
einen starken Wettbewerb hervorrufen. Man hat sicherlich es
bisher viel zu sehr versäumt, dem Publikum den Schmuck-
wert von Blumenzwiebeln und Frühjahrsstauden für Balkons,
Veranden usw. zu zeigen und anzubieten. Im Winter und
Frühjahr sehen selbst die Balkone im blumenschmuckfreudigen
Dresden recht öde aus; und das Material ist doch ein so
reiches! Es muß dem Publikum nur einmal in geeigneter
Form vorgeführt werden. Mit Zeitungsartikeln allein ist es
da nicht getan. Da müßen eben die Handelsgärtner heran,
die nachher auch lieferungsfähig sind und das Geschäft machen
sollen. Für sogen. Blumenschmuck-Innenkunst enthält
das Programm für allgemeine Bindekunst" sehr hübsche Auf-
gaben und auch entsprechende Preise, z. B. für eine hervor-
ragende Dekoration großen Stiles Mk. 1000 usf., die auch wohl
auswärtige Gartenkünstler reizen dürften.
Diese Aufgaben verdienen die allergrößte Beachtung, denn
sie berühren die Interessen aller Gartenbautreibenden, die der
Künstler sowohl als die der Pflanzenproduzenten. Das be-
weist am besten der Aufschwung, der in den Handel mit ge-
wissen krautartigen Sachen gekommen ist, seitdem man aller
Orten die Bewegung für den Blumenschmuck der Häuser auf-
genommen hat.
in der Abteilung 0: Wissenschaftliche Grundlagen des
Gartenbaues wei'den in historischer Reihenfolge die fünf Haupt-
perioden des mitteleuropäischen Gartenbaus dargestellt und durch
die bei ihnen vorherrsclienden Pflanzenarten, Neueinführungen
usw. charakterisiert werden. Die künstlerischen Wandlungen
werden durch Planniaterial, welches die Ausdrucksweise der
verschiedenen Stilrichtimgen zeigen soll, veranschaulicht.
Daß in Rhododendron und Azaleen die Ausstellung das
besondere Interesse aller Liebhaber dieser schönen Pflanzen
— und wer gehörte nicht dazu.' — in Anspruch nehmen wird,
darf bei den Erfolgen, die die Züchtungsversuche der Dresdner
Kultivateure aufzuweisen haben, als selbstverständlich angesehen
worden. F. Ijedien.
Gesetzgeberische Mafsnahmen gegen dieVerunstaltung
von Ortschaften und landschaftlich hervorragenden Gegen-
den. .Sritdcm vor .lalireu im llerrculiause duicli den \'ortrag
des Oberbürgermoistei-s der Stadt Bonn die Anregung zu einem
Gesetz gegen die Verunstaltung von Ortschaften und Gegen-
den durch die Auswüchse der Reklame gegeben wurde, haben
sich die preußische Regierung und die Volksvertretungen nur
verhiütnismäßig selten mit rein iisthctischcni Fragen beschäftigt.
In den letzten Wochen aber ist ein Wandel darin eingetreten,
der die Aufmerksamkeit weiter Kreise hervorruft und gerade
IX, 3
DIE GARTENKUNST
63
uns, deren Aufgabe und Beruf es ist, für das landschaftlich
Schöne zu wirken, besonders willkommen sein muil Den ^'er-
handhingen über die Rettung des Grunewalds bei Berlin als
Volkspark (auch eine Angelegenheit, die jahrelang geruht hat)
folgt nun eine Beratung über den Gesetzentwurf gegen die
Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich hervorragen-
den Gegenden, die erfreulicherweise nicht wie üblich kurz ab-
ffefertigt wurde, sondern eine fruchtbringende Aussprache ge-
zeitigt hat. Der Gesetzentwurf ist nicht ohne weiteres ange-
nommen worden, was wir durchaus nicht bedauein können, da
der Entwurf in der von der Regierung vorgelegten Fassung
doch noch recht unklar war. § 1. lautet: Die Ortspolizei ist
befugt, Bauausführungen zu verbieten, welche die Strassen und
Plätze oder das Gesamtbild einer Ortschaft oder in landschaft-
lich hervorragenden Gegenden das Landschaftsbild verunstalten.
Hierbei kommt zum Ausdruck, daß die Ortpolizei diejenige
Stelle sein soll, die darüber zu entscheiden hat, was künst-
lerisch schön, was landschaftlich schön, überhaupt was ästhe-
tisch schön sein soll. Bei allem schuldigen Respekt vor dieser
Obrigkeit dürfen wir es doch nicht unausgesprochen lassen,
daß uns hiermit nicht gedient sein kann. Wir kämen damit
vielleicht aus dem Regen in die Traufe. Dieser Standpunkt
ist auch von fast allen Rednern zu dem Entwurf eingenommen
worden, wenngleich auch der den Entwurf ressoitmäßig ver-
tretende Minister der öffentlichen Arbeiten, Breitenbach, die
Bedenken mit dem philosophischen Trost zu beschwichtigen
suchte, es gebe viel Mittel und Wege, das Publikum vor Über-
griffen der Polizeibehöi'de zu schützen. Dieser Versuch, zu be-
schwichtigen, konnte die Volksvertretung nicht überzeugen und
so wurde dann unter ausdrücklicher freudiger Anerkennung
des Grundgedankens auf allen Seiten des Hauses der Entwurf
einer Kommi.ssion. aus 21 Mitgliedern bestehend, überwiesen.
Es ist durchaus wünschenswert, was auch alle Redner forderten,
es muß irgend eine Stelle geschaffen werden, die aus Saeh-
verständigen und Interessenten besteht und entscheiden kann,
welches Gebiet geschützt werden soll — wir setzen hinzu, und
mul5 — . Diese Forderung läl3t unzweifelhaft erkennen, eine
wie große Bedeutung die Beratung und Beschlußfassung über
diesen Entwurf für die Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst
hat. § Hu. der 2. Absatz des § 2 unserer Satzungen lauten: die
Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst bezweckt: Förderung der
Gartenkunst im weitesten Sinne. Mittel zur Erreichung dieses
Zweckes sind: Förderung von Bestrebungen auf verwandten
Gebieten; Landesverschönerung, Waldästhetik, Erhaltung-
landschaftlicher Schönheiten und Naturdenkmäler.
Leider ist es nicht üblich, bei den Kommissionsberatungen
der Abgeordneten Sachverständige zuzuziehen, so daß an dieser
Stelle ein Eintreten für unsere Forderungen schwer zu erreichen
sein wird. Es wird also ein anderer Weg zur Geltendmachung
unserer Ansichten einzuschlagen sein. Dieser Aufgabe ist sich
der Vorstand bewußt und es wird kein Mittel unterlassen
werden, für die Erreichung unseres Zieles zu wirken. Da
dem Vorstand diese Aufgabe durch die Mitarbeit recht
vieler Mitglieder bedeutend erleichtert wird, so erscheint es
durchaus wünschenswert, daß diese Frage bei den Gruppen-
sitzungen zur Aussprache kommt und dem Vorstand das
Resultat möglichst umgehend mitgeteilt wird.
Arthur Glogau.
Darmstädter Künstlerkolonie. Die Darmstädter Künstler-
kolonie tritt in der Gestalt der großherzoglichen Lehrateliers
für angewandte Kunst zu Darmstadt in eine neue Phase
der Entwickelung ein; auf die bekannte, mehr oder weniger
lose zusammengehaltene .Schar freier Künstler folgt eine neue
Gründung, gleichsam ein Ausläufer des ins Wanken geratenen
."Stammes, aus dem neues Leben blühen soll und, wenn die
.\nzeichen nicht trügen, auch blülien wird.
Von den „.Sieben", deu ausgesprochenen Charakteren der
ersten Kolonie, ist nur noch Olbrich geblieben, denn auch
Christiansen hat mittlerweile Darmstadt verlassen. .\uch
die Nachfolger der einzelnen Künstler sind wieder gegangen,
so daß auch innerlich kein Zusammenhang mehr besteht zwischen
Gewesenem und Werdendem. Fast alle früheren Mitglieder
sind in mehr oder weniger hervorragende Lehrstellen ein-
gerückt und befruchten auf diese Weise das Kunsthandwerk.
Es war dies vielleicht ein Fingerzeig für die Neugestaltung
der Kolonie. Bei der Berufung der neuen Künstler an die
Lehrateliers hatte man nicht sosehr das Augenmerk auf
die Wahl eigenartiger Künstlercharaktere gerichtet, aber man
wählte Männer, die im Leben gestanden und sich bewährt
haben, die wissen, daß man von ihnen künstlerische Arbeiten
und vorzugsweise Einwirkung auf die Schüler erwartet.
Bücherschau.
Neue Aufgaben in derBauordnungs- und Ansiedelungs-
frage, Eine Eingal]e des Deutschen Vereins für Wohnungs-
reform. Göttiugen, Vandenhoeck u. Ruprecht. Preis 1 Mark.
Die neue Veröffentlichung des Deutschen Vereins für Wohnungs-
reform enthält auf engem Raum eine Fülle von wichtigen An-
regungen für die Bauordnungs- und Siedelungsfrage.
Aus den Leitsätzen mögen die für uns wichtigsten Punkte
hier zur Wiedergabe gelangen:
„1. Schon seit geraumer Zeit werden in vielen Gegenden
Deutschlands Industrieuuterjehmungen von ihren bisherigen
Standorten in den grofsen Städten und Industriemittelpunkt«n
in die entferntere Umgebung dieser Orte oder auch in ganz
neue Gegenden aufs Land oder in kleine .Städte und ihre
Nachbarschaft verlegt; ebenso werden neue Industrieunter-
ut?hmungen vielfach von vornherein an den oben erwähnten Ört-
lichkeiten aufserhalb der herkömmlichen Sammelbecken unserer
Industrie gegründet. Diese ganze Bewegung hat bereits jetzt
einen grol'sen Umfang erreicht und ist anscheinend ständig im
Wachsen. Sie wii'd aller Wahrscheinlichkeit nach durch den
bevorstehenden Bau neuer .Schiffahrtskanäle in Preufsen, die
zur Ansiedelung an ihren LTfern einladen, einen besonderen
neuen und starken Anreiz erhalten.
II. Aufserdem geht auch im allgemeinen der Zug unseres
städtischen Lebens, wie er z. B. in den sich immer mehr aus-
breitenden Villen- und Landhausanlagen, den Kleiuwohnungs-
und Kleingartenkolonien, den Bestrebungen für uaturgemäfse
Lebensweise u. dgl. m. zum Ausdrucke kommt, dahin, für die
städtische Bevölkerung einen engeren Anschlufs an das Land
und die freie Natur zu gewinnen als bisher. Die aufserordent-
liche Entwickelung der lokalen Verkehrs-, wie auch der
sonstigen technischen Hilfsmittel (Fahr- und Motorräder, Auto-
mobile, Telephon u. dgl.) ermöglicht es, diesen Bestrebungen
in wachsendem Umfange Rechnung zu tragen.
III. Diese Entwickelung stellt naturgemäfs der Tätigkeit
der Behörden grolse und verantwortungsschwere, zugleich aber
auch äulserst lohnende Aufgaben. In den eben genannten Be-
zirken sind die Bodenpreise noch niedrig, oft noch rein land-
wirtschaftliche; aufserdem stellen diese Bezirke auch sonst in
bezug auf die für sie zu erwartende starke Entwickelung ge-
wissermafsen ein Neuland dar, auf dem nicht, wie in unseren
Städten so vielfach, mit den Hindernissen der einmal vorhandenen
Bebauung und den Widerständen mächtiger Interessenten-
gruppen zu kämpfen ist. Diese Bezirke sind daher dazu be-
64
DIE aARTENKUNST
IX, 3
rufen, die an und für sich an eine städtische Siedehin.^' zu
stellenden Ansprüche in bozug auf Ciesundheit, Weitriuimigkeit,
Gartenmäl'sigkeit , Anschluls an die Natur, wirtschaftliche,
soziale, ästhetische und dgl. Gesichtspunkte in ganz anderem
Mafse zu verwirklichen, als dies in so vielen unserer jetzigen
Städte möglich ist."
Es werden sodann eine Reihe wichtiger ForderLingen auf-
gestellt, die kurz folgendermafsen formuliert werden:
„Zur Erfüllung der eben bezeichneten Aufgaben und zur
gesunden Entwickelung der in Rede stehenden Bezirke ist ein
ganzer Kreis von Mafsnahmen notwendig: Reform der Bau-
ordnungen. Bebauungspläne u. dgl., rechtzeitiger ausgedehnter
Grundbesitzerwerb der C!emeinden, der Kreise, des Staates usw.
und eine zielbewufste Bodenpolitik dieser Körperschaften über-
haupt, ferner Erweiterung und Ergänzung der gesetzlic-lien
Grundlagen für städtische und gewerbliche Ansiedelungen,
Schaffung von Verkehrsmitteln, steuerliche Mafsnahmen, eine
stärker auf die wirtschaftliche und soziale Seite des städtischen
und gewerblichen Ansiedelungswesens gerichtete Hochscliul-
ausbildung der künftigen Beamten und Architekten u. dgl. m."
„Da die Dezeutralisatiousbewegung bei uns, wie oben aus-
geführt, bereits in vollem Flusse ist, so leidet diese Reform
keinen Aufschub mehr, wenn man nicht die neuen Siedelungen
denselben Mifsständen preisgeben will, wie sie in unseren
jetzigen Städten zu beklagen sind. . . .-
An die „Leitsätze" schliefsen sich ein paar vortreffliche
Aufsätze von bekannten Fachleuten an. Als erster schreibt
der verdienstvolle Generalsekretär des Vereins Dr. K. v. Man-
goldt „Ein Wort über die Entwickelung gewerblicher und
.städtischer Dezentralisation in Deutschland". Er erörtert darin
die mancherlei Umstände, die die Industrie bestimmen, die
Grofsstadt zu verlassen und sich lieber in kleinen Städten oder
ganz auf dem Lande niederzulassen und fordert eine „recht-
zeitige, kraft- und verständnisvolle Boden- und Ansiedelungs-
politik"für die zahlreichen Orte undGegenden, diejetzt oder später
in den Bereich der modernen Dezentralisationsbewegung fallen.
Einen Hauptbestandteil dieser Politik luufs die schnelle
und energische Reform der Bauordnungen und Bebauungspläne
gerade auch für ländliche Bezirke bilden.
In den folgenden Abliandlungeu wird diese Spe/.ialfrage
von Eberstadt, Gretschel, Stubben u a. eingehend erörtert.
Unser ganz besonderes Interesse verdient der Abschnitt IV:
Über Gartenkolonien als Bestandteile der Ortsanlage.
In dem volksw-irtschaftlichen Teil erörtert zunilch.st
V. Mangoldt die hohe Bedeutung des Gartenbaues gerade für
unsere Zeit des Industrialismus. Der Garten gibt dem Menschen
die ständige Berührung mit der lebendigen Natur und gewährt
durch die Bescliäftigung im Freien ein lieilsames Gegen-
gewicht gegen die ungesunde Fabrikarbeit. Er trägt dazu bei,
die Volksernährung zu verbessern und gewährt der Frau eine
willkommene Beschäftigung, ohne sich dabei iliren Kindern zu
entziehen. Ganz besonders wichtig aber ist der Garten für das
allgemeine Wohlliefinden und die Lebensfreude der Bevölkerung
und für die Erziehung der Jugend.
Aus diesen Gründen möchte der Verfasser allen denen
Gelegenheit zum Gartenbau geben, die danach verlangen.
Das Ideal ist auch für ihn der Hausgarten, der jedoch inner-
halb der bestellenden Städte wegen der hohen Hodenpreise nicht
immer geschaffen werden kann. Er tritt deshalb für die Er-
richtung von Gartenkolonien ein. deren Zweckmäfsigkeit und
Rentabilität durch zahlreiche Versuche in vielen Städten
festgestellt ist. In manchen war es ein gemeinnütziger Verein
oder eine Genossenschaft, in anderen die Gemeinde selbst, die
das nötige Land darbot und die Organisation in die Hand
nahm. v. Mangoldt erachtet nun die bisher im Vordergrund
stehende Privatinitiative für uhausreichend und wünscht, dafs
die Gründung und I nterhaltung solcher Gartenkolonien als
eine Angelegenheit von grofseiu öffentlichen Interesse aner-
kannt und deslialb von den öffentlichen Faktoren — vor allem
den Gemeinden — übernommen werden soll. Jede gröl'sere
Stadt, aber auch kleinere im Wachstum begriffene Ortschaften,
möge sich in erreichbarer Nähe für den Gartenbau geeignete
Flächen sichern, und sie in Parzellen von ca. .jüO m zerteilen.
Rechnet man pro Quadratmeter der Gärten eine Jahrespacht
von .") bis 10 Pfg., so entspricht das bei einem Zinsful's von
4 Prozent einem Quadratmeterpreis von 1,2"! Mk. bis 2,50 Mk.
Die Anlage solcher Kolonien ist demnach in der Nähe der
meisten Städte finanziell durchführbar und sogar rentabel. Für
die Verwaltung soll das jetzt übliche System des General-
pächters nutzbar gemacht werden. Wenn derselbe als Be-
soldung 1 Pfg. pro Quadratmeter erhielte, so würde das bei
200 Gärten zu je .'iOO Quadratmeter einen Gehalt von 1000 Mk. er-
geben. Dazu kcinnte er freie Nutzniefsung von 1 — 2 Gärten erhalten.
Hier möchte ich einen ergänzenden Vorschlag macheu.
Nämlich den. als Generalpächter einen tüchtigen (Partner an-
zustellen, dem man die Verpflichtung auferlegen könnte, den
Pächtern unentgeltlich mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.
Gleichzeitig könnte er die Anzucht der jungen Pflanzen über-
nehmen, die dann zu billigem Preise au die Pächter weiter-
gegeben würden.
Die Anlage derartiger Garteukolonien würde den aufstreben-
den Städten ohne sonderliche Opfer grol'se Freiflächen sichern,
die für das WoUbefinden und die Gesundheit der Bewohner
von gar nicht genug zu schätzender Bedeutung wären.
Wenn man zunächst für ein Viertel der 16 Millionen
Deutscher, die in Städten über 50000 Einwohnern lebenden,
derartige Gartenkolouien schaffen wollte, und dabei auf je
4 Personen 500 Quadratmeter rechnete, so würde man 7.50
Quadratkilometer, d. i. nur 0,14 Prozent der Gesamtfläche des
Deutschen Reiches brauchen. Mangoldt schliefst seine inter-
essanten Darlegungen mit den Worten:
„Natürlich sind gegen diese Art der Rechnung hundert
Einwände geltend zu machen, aber wir wollen uns doch über-
legen, ob von diesen 0,14 Prozent nicht unter Umständen ein-
mal Schicksal und Zukunft unseres Vaterlandes abhängen krmnen."
Im Anschlufs an diesen volkswirtschaftlichen Teil erörtert
ein Jurist die rechtlichen Möglichkeiten, derartige Flächen
zwangsweiee von der Bebauung auszuschliefsen oder sie durch
Enteignung in den Besitz der Gemeinde zu bringen, um sie dann
in der geschilderten Weise dem Kleingarteiibau zu erschliefseu.
Wie schon aus meiner kurzen Inhaltsangabe hervorgeht,
enthält das kleine Werk eine Fülle von Anregungen, die fin-
den Gartenkünstler, ganz besonders für die im staatli<'lien und
städtisclien Dienst befindlichen Herren überaus wertvoll sind.
Das Studium des Buches sei deshidb ;iufs wärmste empfohlen.
II. Ka m p f Inic y e r.
Personal nach richten.
Scharnke, Gust.. bisher Obergäilncr im Botanischen Garton
zu D.ihlem. ist als technischer Hilfsarbeiter bei der Giirten-
vt-rwaltung des Kreises Teltowangestellt worden. — Hoff'mann,
Hans Karlsruhe, ist die Stadtgärtnerstellei n Pforzheim über-
tragen. — Ziwansky.M., Stadtgärtnerin Hatibor, ist am 18. Ja-
nuar d. J. gestorben. - Kielil, W., tiartentechniker, bisher in
Posen, tritt in die unter Prof. Schultze-Naumburgs Leitung
stehenden Saalecker Werkstätten, Saaleck bei Kiiscn, ein.
Für die RedaktioD veraatwortlich : Stadt-Qartpndirpktor H
eicke, Frankfurt a. M. - Verlag von GebrUder Borntraeger, Berlin SW. 11,
Dcssauor Strasse 29. - Druck von A. W. Hayn» Erben, Potsdam.
IX, 4
DIE GARTENKUNST
65
Die Szenerie in der (ilartenl<iiusf.
Von Kiiiisteewerbeschuklirektor Otto Schulze in I.lbertelrl.
NEW YORK
COTaNiCaL
Vielleicht würde die t'berschrit't eine Ergänzung fordern
in „Gartenkunst grolJen Stils": doch glaube ieh, dal.l das
eine benachteiligende Einschränkung des Themas bedeuten
würde. nUtLl ich, in der weiteren Auslegung des Titels,
nicht mit besonderen t'berraschungen heranrücken werde,
glaube ich kaum besonders hervorheben zu sollen, denn
das Wort Szenerie soll durchaus nicht an die enge .Aus-
legung des Begriffes der bühnenmäüigen Aufmachung ge-
bunden sein. C)em Gartenkünstler selbst ist das Wort
Szenerie im Zusammenhange mit der Verwirklichung seiner
rein künstlerischen Ideen auch gar nicht mehr ungeläufig.
Unsere Strömung bringt uns das täglich vor Augen, Szene oder
Szenerie in Beziehung zur Gartenkunst kann ja auch
schlechthin gar nichts anderes umfassen als eine Besonder-
heit, einen Ausschnitt, eine Konzentration oder eine Ab-
lenkung, eine Steigerung oder Abschwächung. eine Ein-
leitung iider .\bschlieüung, ja auch eine Unterbrechung,
eine Einschiebung über den gewöhnlichen formalen Gang
der Dinge hinaus. Aber trotz des scheinbar „Fremden",
das in \Vidersi)ruch zum künstlerischen Grundgedanken
einer gärtnerischen Aufgabe zu kommen scheint, haben
wir es hier mit einem in dem Wesen der Sache selbst be-
gründeten Stimmungsgehalt des Schöpferischen zu tun,
der um so naiver und voller ist, je mehr er aus dem
Zufall und dem Unbewußten heraufsteigt, je aufdringlicher
und leerer, wenn er als Note eines festgelegten Regelwerkes
auftritt. Es geht hier im speziellen Falle w^ie im Gesamt-
gebiete der Kunst überhaupt, wenn die Absicht alles ist,
der Inhalt nichts, wenn Nebensächliches Hauptsache wird
und ein groLier Grundgedanke durch Mätzchen und billige
Witze seiner Aufgabe entkleidet wird.
In Rücksicht auf die aus der allgemeinen Kulturbewegung
heraus in das gesamte Gartenkunstgebiet hineingetragene
Bewegung und Strömung halte ich die Behandlung des
mir gestellten Theinas nicht für unzeitgemäll Auch wir
hören die Schlagworte „Zurück zur Natur", „Los von der
Natur", und zwar von den Gärtnern von Gottes Gnaden
das erstere, von den extrem neuernden Gartenkünstlern
der Architekturschule das letztere. Beide Parteien mögen
auf bestimmten Arbeitsgebieten in ihrem Recht sein, und
brauchen sich trotzdem nichts zu vergeben, wenn sie gegen-
seitige Anleihen machen. Es kommt auf so unendlich viel
in einzelnen Fällen an, dal.i nicht immer ein gerade zur
Hand liegendes Rezept das richtige treffen wird. Aber ein
zu großes Regelwerk ist ja w^ohl überhaupt immer der Tod
der Kunst gewesen, wie ja auch — zu der Ansicht sind
wir inzwischen gekommen — die in den letzten dreilJig
Jahren schematisierten Gartenpläne nur in wenigen Fällen,
ich möchte sagen, in einer gewissen Zwangslage, da über
CD
Q^ die Absicht ihrer Urheber hinausgewachsen sind, wo sie
^ der Gartenkünstler dem Gartengeometer aus der Hand
CO
cc
nahm, oder jene Verwilderung eintrat, die das Menschen-
werk höhnte.
Man braucht in solchen Dingen heute nicht mehr jedes
Wort auf die Goldwage zu legen, man hört auch von
Laien mal ganz gern eine Meinung, selbst wenn sie auf
den ersten Blick hin absurd und unannehmbar sein sollte.
Bestellerwille hat schon manchem .\usführenden ein
Schnippchen geschlagen; man hat auch schon die Erfahrung
gemacht, dal.l Maulbeerbäume ganz gut bei uns gedeihen
können und trotzdem die Seidenproduktion resp. die Raupen-
zucht nicht aufzukommen vermag. Ja, es wird so manches
inszeniert, ohne dal.'i der erwartete Erfolg den gemachten
Aufwendungen entspricht. Für kein Wort ist das zu-
reft'ender; man erwartet Effekte. Überraschungen, Wir-
kungen und — das Erreichte läLll uns kalt auf der Bühne
wie im Leben, Gerade bei allergrößten Aufwendungen
kann man sicher sein, daß das Ergebnis dahinter zurück-
bleibt. Und der Gradmesser für die Unzulänglichkeit wird
um so größer, je mehr die Sache in den E)ienst der All-
gemeinheit gestellt ist. Mir schweben ungeheure Bahnhof-
anlagen vor. Friedhöfe, Stadtgärten, Waldaufmachung von
Yerschönerun.gsvereinen, Zoologische Gärten, Kuranlagen
und Stadterweiterungen, deren Brauchbarkeit mit dem
Mangel an Schönheit zusammenfiel. Nicht, daß die Ge-
samtanlage unbrauchbar gewesen wäre, sondern daß man
verabsäumt hatte, Steigerungen, Unterbrechungen, Pausen
oder auch Konzentration, Blickpunkte, das sind eben
Szenerien, keine Feerien, jene geheimnisvollen Sammler
und .Anreger in sich verlierenden .Anlagen, von vornherein
zum Vertreiben der Langeweile an den richtigen Platz zu
bringen.
Aufmerksames Betrachten der sich jedem erschließenden
Naturschönheiten und -Absonderlichkeiten hat mich darauf
gebracht, mir nicht nur die Szenerie der Landschaft auf
ihre künstlerische Note hin nutzbar zu machen, sondern
auch jene Zufälle aus bloßer Menschenarbeit heranzuziehen,
die mir dadurch offenbar geworden sind, malerisch, d. h.
bildmäßig Naturausschnitte aus ihrer Umgebung loszidösen.
Ich sah vor langen Jahren einmal alte, malerische
Friedhöfe: in lebhafter Erinnerung ist mir namentlich der
sogenannte .Assistenztriedhof in Kopenhagen geblieben;
viele alte Bäume, Unterholz, wenige Gräber, oft zerfallen,
die pflegende Hand des Menschen kaum noch erkennbar.
Damals kam mir das erste Mißbehagen gegen neue, par-
zelliert-kasernierte Totenfelder mit ihrem Vorkaufsrecht für
Erbbegräbnisse, mit ihrem Pomp über den Laden morscher
Gebeine. Und so erkannte ich unser Sehnen nach dem
Parkfriedhof, nach dem Gottesacker der freien Aussaat, nicht
nach dem Furchenacker der Mähmaschine Tod. Von da
ab habe ich die Szenerie gesucht, wie uns etwa Leistikow
die Schönheit der märkischen Wälder und Seen oder
üfl
DIE GARTENKUNST
JX, 4'
Kampmann und Volkmann die der Eifel erschlossen haben.
So habe ich empfinden gelernt, daß es neben Wald schlechthin
auch schönen Wald gibt: nicht den in die Ebene hinein-
gesäten Kiefern- oder Eichenbestand, sondern den Wald,
durch den die Brdwellen ziehen, hier und da ungeheure
Findlinge gegen die Stämme schiebend, oder gar liebliche
Waldwiesen und kleine Gewässer in sich bergend wie ge-
hütete Kleinodien. Nicht die tausend und abertausend
Stamme bilden den Wald, sondern das, was unter deren
Kronen sich breitet. E)as Auge will zwischen den Stämmen
suchen, ob der Wald Geheimnisse, ob er Schönheiten birgt.
Mir ist es oft genug, im Einerleigrün eine Birkengruppe,
einen alten Steinbruch oder eine Kiesgrube zu entdecken,
die der Eintönigkeit eine Szenerie, der Luft einen Schall-
kessel einfügt. Und inmitten strotzender Wuldriesen jungen
Nachwuchs oder vom Windbruch entwurzelte, vom Blitz-
schlag zerschmetterte Kolosse. Alles das umfalJt erst
WaldesgrölJe und Natur. Mögen wir Bilder der Heide oder
des Moors, des Meeresufers, des Ackerlandes oder des Ge-
birges heranziehen, es wird uns ähnlich ergehen, wie bei
der „Erfassung" des \\'aldes. nicht der Sammelbegriff läLlt
in uns Schönheit aufkommen, sondern die Unterbrechung,
die Einschaltung, die Abweichung. Das einzelne Gehöft
mit zur Erde neigendem Dach, die Bodenerhebung oder
•Senkung mit Baumbestand, der Weiher mit Erlengebüsch,
ein blühendes Kartoffelfeld zwischen Korn und Rüben, eine
Talschlucht usw., ein am Horizont ziehendes Segel sind
die Szenerien, die Lusterreger für das Empfinden der je-
weiligen Schönheit in diesen durch Sammelnamen gekenn-
zeichneten Einheiten.
Wiese, Garten und Park zählen auch dazu, sie zählen
umsomehr dazu, je mehr sich Menschenkunst bemüht,
durch Häufen von Gleichheiten, Individuenmassen jene
Sammelbegriffe zu stärken. Auch hier kann nur die Szenerie
die unbedingt auslösende Stimmung schaffen, und zwar in
i'bereinstimmung mit der Forderung „Zurück zur Natur"'.
Ich meine nun nicht die Gepflogenheit der Alten in dem
Einbauen von chinesischen Tempeln, künstlichen Grab-
stellen oder Ruinen, noch die Billigkeiten des Marktes in
Zwergen, Rehen, Hasen und Hunden aus Steinzeug, noch
die Schaffung von Bergen und Seeen in einem Gelände.
daß die Vorbedingungen dazu nicht von vornherein erfüllt.
Ich bin mir auch darüber im klaren, dal.) ein Garten oder
ein Park von seiner landschaftlichen Umgebung ausgehen
mulj, mi.t ihrer Art in Zwiesprache verbleiben mul.J, nicht
in sie als ein Fremdes hineingesetzt werden darf. Wo
man den Grundforderungen nicht gerecht wird, da retten
nicht Wasser- noch Steinkünste, noch Wieso, noch Blume,
noch Strauch oder Baum oder irgend eine Zutat vor der
inneren Leere dieses dem lieben Herrgott entrissenen
Bodens. Dann ist Natur immer besser als Kultur.
Es geht daraus schon hervor, dali nicht dem gewalt-
samen, dem gesuchten Einfügen von Szenerien das Wort
geredet sein soll, das würde ja meinen Absichten und .Aus-
führungen gerade entgegen sein. Ich glaube hierbei. dalJ
das ein Fachmann alles ganz anders ausdrücken würde
und mülite, und dali diese meine „Fachschriftsti'llerei" au
sich ganz wertlos wäre, wenn der Fachmann in ihr nicht
etwas zu finden vermöchte, das, wenn auch nicht direkt
auf den Weg führt, so doch eine Spur zeigt, die ihn nicht
auf das Positive seiner Kunst stößt, sondern ihm ein leises
Klingen einer neuen Saite seiner Seele verrät: Anregung,
daß neue Möglichkeiten neue Lösungen zeitigen.
Ich glaube, daß nach dieser Seite das Arbeitsgebiet
der Gartenkünstler erweitert werden könnte, ja noch darüber
hinaus, wenn er versuchen würde, seine Gärten nicht als
eine Sonderheit für sich, sondern im Zusammenhange mit
dem bebauten Gelände, der engeren Nachbarschaft von
Wald und Wiese, Acker und Trift, oder wieder mit Ge-
bäuden höherer oder niederer Abmessung und ihren Höfen
oder Gärten, schaffen würde. Auch so können Szenerien
in die eigene Schöpfung mit hineingezogen werden, neue
L)urchblicke und ideelle Gebietserweiterungen Perspektiven
voll wunderbarer Bilder erschließen. Aber auch im engsten
Rahmen vermag die Szenerie nach mancherlei Richtung
hin die gartenkünstlerische Idee zu vertiefen. Unsere
Brunnenanlagen und Teiche. Uuellen und Wasserstürze,
ja die Aufstellung von Lauben, Gartenhäuschen, Lauben-
gängen und einzelnen Bänken geschieht häufig ohne inneren
Zusammenhang mit der nächsten Umgebung. Heute wird
ein reiner Mißbrauch mit vielen dieser Requisiten getrieben.
Ich erinnere nur an die Lauben, die in der Nähe des
Hauses bleiben, um ja von hier aus das ganze Grundstück
überwachen zu können, an Laubengänge (Pergolen), die
von Bäumen und Strauchwerk eingeengt werden, anstatt
Terrassen zu überspannen oder übersonnige Wegstrecken,
nüchterne Mauerfronten zu decken, oder durch ihr Ein-
schieben in gewisse Gartenteile Perspektiven zu ermög-
lichen. Eine Quelle, selbst wenn sie künstlicher Zuleitung
entspringt, muß durch die Aufführung ihrer Umgebung
eine Quelle ahnen lassen. Sie braucht nicht immer aus
unglaublichen Felsstücken und Grotten, die oft geologisch
geradezu das Vorhandensein von Wasser ausschließen,
hervorzusprudeln. Wie schön wirkt oft eine einfache Fassung
der Quelle zu ebener Erde, an einer Böschung oder in
einer betonierten Kiessenkung, im Gegensatz zu all den
banalen Wasserkünsten mit Reihern, Fischen und Fröschen
oder gar Seeungeheuern, die mit unsern feuchten Verhält-
nissen auch nicht durch Wasserspeihrii in engeren Zu-
sammenhang gebracht werden können.
Mir scheint, daß in dieser Richtung auch die Garten-
architektur oft falsch verstanden worden Ist, und zu
Unrecht zu Spaltungen unter den Gartenkünstlern geführt
hat. Es liegt ja im Worte selbst, daß der Garten als
solcher nicht gebaut, sondern angelegt werden muß. und
daß sich die Architektur dann auf das erstrecken muß.
was nicht notwendigerweise mit dem Bauen an sich wieder
zu tun, sondern überhaupt mit dem sich zu befassen h;il.
was Kunst im höheren Sinne fordert, ohne Wachstum und
Lebensfälligkeit der Gartonanlage zu gefährden. So sind
auch Terrainbewegungen nur Erfordernisse der Garten-
architektur. Gartenarcliitektiif kann nur das umfassen,
was der Gartenkünstler, oder sagen wir Gartenarchitekt,
an eigentlichem Menschenwerk, das ist Kunst, in <li(' von
ihm dafür aufnalimelahig geinaclite Natur hineinstellt. Sei
(las nun eine Bank, ein Hrunnen, eine Vase, eine Sonnenuhr,
\t, 4
131E GARTEi^KÜNäf
67
(Jhi'. O, Herz: Kiitwurf zu einem Haus- mul Obstgarten (Lageplan)
eine Statue, ein MaueiTelief, eine Raiimuinsciiliel.liing, eine
Grenzenerweiterun.ii' oder sonst etwas Verwandtes, immer
wird es an sicli das Unwandeli^are bleiben im Wechsel der
Jahreszeiten nnd iluen K'ultnren.
Ich möchte auch in diesen E)arlegungen nicht falsch
verstanden werden, kann doch schon das Wort Szenerie,
wie wir gesehen haben, eine vielfache Auslegung finden.
Auch ich wollte nur Anregung und Klärung geben in der
Annahme. dal.'i das durch einschlagige Fachkenntnis nicht
getrübte Empfinden tür Natur- und Gartenkunstschönheit
in dieser unaufdi'inglichen L)arbietung zur Befruchtung
gartenkiinstlerischer Ideen beitragen könne in eben dem
Sinne, wie das Eingreifen von Laien in die Gebiete der
angewandten K'unst zu grollen \^'andlungen zum besten
der Verfeinerung von Geschmack und Technik, ja zu ganz
neuen Anschauungen und neuen Werten geführt hat.
Entwurf zu »'iueui Haus- und Olt.stgarteu.
(Krliuiteriing )
Iiic Gesamtfläche beträgt einschließlieh der Villa
2300 qm. [)as Terrain ist vollkommen oben. Im Norden
ist dasselbe von einer 2 m hohen Mauer begrenzt, auf
den anderen Seiten durch einen Lattenzaun, der nach der
Straße zu eine Sockelmauer und Steinpfeiler erhält, letztere
mit Rundziegel abgedeckt, die Lattenfelder oben in kon-
vexem Bogen gehalten.
Im Vorgarten einfache Rasenflächen, rechts und links
je eine Taxusj^yramide, umpflanzt mit leuchtenden ein-
farbigen Blumen, auf den Ecken Kugelbux.
Im rückseitigen Gartenteil bildet der 200 qm grolle
quadratische Yorhof, welcher UO cm tiefer als das Ge-
lände gelegt ist. die Vermittelung zwischen Haus und dem
Obstgarten. Getrennt ist diesm- Vorhof vom übrigen
Gartenteil durch dichte Laubholzpflanzung (Flieder) die
nach der Flatzmitte zu mit Taxushecke abschließt. Gruß
an Teplitz ist zur Vorpflanzung vorgesehen.
In der Mitte des Platzes auf der Rasenfläche erhebt
sich das Wasserbecken mit Glockenfontaine.
Nördlich des Wasserbeckens flndet ein Gartenhaus
Aufstellung, dem gegenülier ein freier Sitzplatz ange-
ordnet ist.
L>er Rundbogen, der den Eingang in den Obstgarten
bildet, wie überhaupt die ganze vorgeschriebene Partie,
ist reichlich mit Rosen bepflanzt gedacht.
Im Obstgarten längs des Haupt weges finden Hoch-
stämme mit Zwischenpflanzung von Spindel und Pyramiden
Anwendung, während der südliche Teil als Naschgarten
mit Beerenobst usw. bepflanzt wird. Formobst findet an
den Plätzen, die im Plane ersichtlich, Verwendung. E)ie
Brunnenanlage, in Haustein ausgeführt, soll neben ihrem
jiraktischen Wert für die wünschenswerte Abwechselung
sorgen. Berz, Stutt.gart.
(iiiifiier oder Künstler
Unmaßgebliche Meinungen eines Laien.
Wer von dem unparteiischen Standpunkte des Laien
aus die Entwickelung des deutschen Gartenbaues in den
letzten Jahren beobachtet hat. wer auf der einen Seite die
letzten Gartenbauausstellungen in Düsseldorf, Darmstadt usw.
gesehen und die bei diesen Gelegenheiten gehaltenen Reden
mit angehört, auf der anderen Seite aber auch den Kunst-
ausstellungen sein Augenmerk geschenkt hat (München,
Dresden, Köln), der wird sich wohl kaum dem Eindruck
haben entziehen können, als befinde sich die Gartenkunst
DIE G ARTEN KUNST
IX, 4
augenblicklich in einer Zeit der Krise. I>ie kunstgewerb-
liche Bewegung, die. aus kleinen Anfängen heraufgewachsen,
in einer fast unglaublich kurzen Zeit un.ser ganzes Leben
mächti,g ergriffen hat, und im Begriffe ist. es von Grund
auf umzugestalten, hat auch gegen den Gartenbau, wie er
noch vor .'') bis 6 Jahren war. und seine alteingewurzelten
Prinzipien Sturm gelaufen. lüinstler haben Entwürfe zu
Gärten gezeichnet und auch in die Wirklichkeit iibei'setzt.
Es gibt heute kaum noch eine grnßei'c Kunstausstellung,
in der nicht aucli Gärten voi-geführt werden, und kaum
noch einen namhaften Architekten, der. wenn er den Auf-
trag zu einer \'illa oder ähnlichem erhält, sich nicht auch
die Aufsicht über die Anlage des dazu gehörigen Garfen-
C'lu". (). Bei/.-Stuttgiirt, Entwurf zu einem Haus- und Obstgarten (Scbauliild).
grundstückes vorbehielte. iJicser Invasion des Kiinsiler-
tumes mußte sich der Gärtner natiiidich mit allei' nur ver-
fügbaren Kraft entgegenstemmen; das wai' im (u'unde
eine Pflicht der Selbsterhaltun,g. Das Argument, das seine
Hauptwaffe bildete, war der Vorwurf gegen den Künstler.
daß er sich anmaße, mit einem Material zu arbeiten, das
er gar nicht kenne, von dessen natürlichen Lebensbe-
dingungen er keine Ahnung iiabe. L»er Künstler, dessen
Loben im allgemeinen damit ausgefüllt sei, Architekturen
zu bauen, Möbel zu zeichnen oder gar Bilder zu malen,
und dem nur vorübergehend die Laune danach stände,
auch einmal einen Garten zu entwerfen, der kenne die
Pflanze ja nur gewissermaßiMi vom Sonntagnachmittag.
I)cr Gärtner aber sei vertraut mit ihr von -lugend auf und
lebe mit ihr alle Tage auf du und du wie mit einem alten
Fi'eund sein Leben lang; er allein wisse, wie sie behandelt
sein will und was für sie angemessen ist, was nicht, lü'
allein habe daher auch das Recht, sie zu verarbeiten zu
höheren Werken der Kunst. Auf der anderen Seite hielt
der Künstler entgegen, daß der Gärtner allerdings die
Technik besitze, nicht aber die künstlerische Veranlagung
und Erziehung, die erforderlich sei, um Kunstwerke hervor-
zubringen, l'nd es gelang ihm, eine Reihe so krasser, so
vernichtender Beispiele ästhetischen l'nverstandes aus
Gartenanlagen, die von Gärtnern geschaffen worden waren,
anzuführen, dal.) nicht wenige seine These für glatt be-
wiesen hielten. Der Kampf tobt noch heute. L'nd wie
bei jedem Prinzipien- und Existenzkampf, denn ein solcher
ist er letzten Endes, .streitet man sich vielfach um ganz
nebensächliche L)inge, Modefragen, ob man die Wege ge-
rade oder krumm machen solle, ob nur rechtwinklige oder
auch geschweifte Linien zulässig seien usw., treten in den
V(U'dergrund \\ni\ verdecken den großen Leitsatz, um dessen
Ei'keiintnis der
Kampf überhaupt
nui- kämpfeuswert
is : Erlaubt ist
alles, was einen
Sinn hat, ver-
beten nur die
Geda n ken I usig-
keit. Selbst die
Stimme der rück-
sichtslosen Leiden-
schaft, des Hasses,
der keine Gründe
boren will, ist hier
und da vernehmbar.
Die Gemüter sind
eben zu bewegt, um
sich den freien
Blick über das ganze
Schlachtfeld in je-
dem Augenblick be-
wahren zu können.
Wer hat nun
Recht',' Meiner An-
sicht nach keiner
und beide. \\'ie jede Handwerkskunst sich nur gesund
entwickeln kann, wenn sie auf den festen Grund der hand-
werklichen Technik aufgebaut und aus ihr herausgewachsen
ist, so ist es auch mit der Gartenkunst, denn die Gartenkunst
ist eine Handwerks- oder wie man heute es vornehmer aus-
zudrücken glaubt, eine angewandte Kunst. Ebenso wie
wir meiner Meinung nach auf die Dauer keine moderne
Möbelkunst erhalten werden, wenn es nicht gelingt, künst-
lerisch schaffende Handwerker heranzubilden, so können
wir auch nur vom Gärtner. ni(dit xnm Kiinstli'r, eini'
Gartenkunst der Zukunft erludl'en. Ent wickeluimen vdII-
ziehen sieb immei- nur in ansteigender Linie \iui unten
nach iilien. das lehrt die Geschichte. Bewegungen von
ol>en nach unten entbehren der Basis und verfl.ittt'rn da
\\ry iui Wind, l'jne andi're l-'r.ige ist es alier. eli ilei'
Gärtner heutzutage imstande ist. etwas hervorzubringen, das
au(di künstlerischen Ansprüchen genügt, l'nd da sage iidi:
in den meisten l-"ällen nein. Die Tatsache allein, daß eine
von Künstlern betriebene Garlonkultur entstehen und liotien
gewinnen konnte, beweist meines lü-a(diiens. daß der
Dil-: (iAirrKNKuNs'i'
(iö
riürtner sich aiil.'iorst;incle zeigte, ilcm liri einem Teil iler
Xatinii liei-vortretenden Bedili'fnis nach ästhetischer Garten-
iiultui- zu genügen, und der „K'niisuinent", um den wiit-
sidiarili(dii'n .\usdi'U('l< in dieser wirlsriial'llirlicii 1 ii'ilidition
zu gebrauchen, siidi daher nach einem andeieii umsah,
der iiim das liefern konnte, was er wollte. Her Künstler
(>inige (ledaiiken iinterbroiton möchte, die, da ich seihst
Laie bin. natürlich nui- den \\'erl von unmal.igeblichen An-
regungen haben kiiiincii.
Ich ni(i(dite da zunächst biMiiei'kcu, dalJ i(di im lol-
genden nur die gi'ol.ien Aufgaben, wie städtische Anlagen,
städtische oder herrschaftliche l'arks usw. im Auge habe.
benutzte die Konjunktur und sprang in die Lücke. Kv Es ist meines Li'achtcns eine Lbei-spanniing des Bogens.
allein kimnte es ja auch, l'ie (iarti'ukunst war eben seit wenn man heutzutage jedem einfachen Hüi'ger, der hinter
der Mitte des 19. Jabrhundeits aus (iründen. die wissen- seinem alten, gemütlichen Häuschen ein ebenso gemütliches
si'liatilirU nnch nicht klar erfoi'scht sind, in eine Kr- (iäi'tclu'n bat, mit (Icwalt eine neue Kunst aufzwingen
Clu-. 0. Berz Stuttqait. Entwurf z\i L'inem Haus- und Obstgarten (Schnubild).
schlaffung geraten, sie hatte den Zusammenbang mit der
Ti'ndition verbu'en und war daher immer mehr in sich
selbst zerfallen und zerbi'öckelt, genau so wie alle anderen
Zweige di'r angewandten Kunst, die Möbelkunst, tlie Archi-
tektur usw. mehr oder weniger auch. Deshalb, wegen de.s
im Vergleich zu früheren, historischen l^erioden der Garten-
kunst tiefen Standes der Gartenkultur, ist ein b^ingreifen
von selten der Künstler augenblicklich bis zu einem ge-
wissen Grad .gerechtfertigt. Nur ist dabei zu beachten,
dal.i wir hiermit der Bewegung vrm oben nach unten nur
als vorüliergehendes Stadium und nur zu dem Zwecke das
\\'oit i-eden, eine hoffentlich recht klüftige Bewegung von
unten nach oben anzuregen. Ehe Künstler sollen uns nur
helfen, einen Stamm von künstlerisch gebildeten und emp-
findenden Gärtnern heranzuziehen. Und damit knmnii' i(di
auf die Fragr der V<irbildung di's Gartcnkünstlei's. über
die i(di di'U faidimännisclii'U Li^-^iM-n diosi'r Zeitschrift
will. Ler Mann will ja gar kein grobes Kunstwerk,
sondern er will nur nahe an seinem eigenen Leben ein
Stück Natur haben, das er hegen und ptlegen und an
dessen Wadi-^tum und Gedeihen er sich n;ich des Tages
Last abends die Seele laben kann. Das Wenige von Kunst-
was da vonnöten, dafür sorgt er schon selbst, sofern ihm
überhaupt ein Sinn für das Schone gegeben ist. Was er
braucht, ist also lediglich ein tüchtiger Gärtner, kein
(iartcnkünstler. Etwas anderes aber ist es mit den großen
gärtnerischen Aufgaben, die in unseren modernen Grob-
städten zu lösen sind. Da werfen die oft sehr über
schätzten sogenannten „Verkehrsbedürfnisse" dem städt-
ischen Gartendirektor nicht selten Fetzen KrJe von so
verzweifelt ungi-eigneter Gestalt zur gärtnerischen Aus-
schmückung hin, dal.i es meines Brachtens schon eines
sidir begabtr!n und s(dir umfassend gebildeten Mannes be-
darf, um gegiMiül>ei- diesen zum grol.),>n Teil ganz neuen
70
DIE GARTENKUNST
IX, 4
und mit historischen Analogien niciit oiine weiteres lös-
baren Problemen immer etwas Erfreuliches zu leisten.
Man vergegenwärtige sich nur einmal, welche Schwierig-
keiten die so häufige Form eines quadratischen, rings von
Häusern begrenzten Platzes, der durch zwc-i sich Ivreuzende
Straßen in vier Dreiecke zerlegt wird, der gartenkünst-
lerischen Anlage entgegenstellt. Oder die schmalen Ring-
anlagen, wie sie in zahlreichen Städten aus den alten Be-
festigungen entstanden sind! Da ist es also mit einer rein
gärtnerisch-technischen Vorbildung nicht getan. L'nd da
möchte ich mir nun den Vorschlag erlauben, ob niclit
vielleicht die Griinduna: einer .Art von „Gärtnerakademie"
W. Ki.
-Posen: Aus Golenbofei: 1.
zum Ziele führen könnte, sei es von selten des Staates,
sei es von selten eines privaten Interessentenvei'eins, sei
es in Form des Ausbaues einer bereits bestehenden An-
stalt. Vielleicht würde es sich empfehlen, das zu gründende
Institut an eine l'niversilät oder Forstakademie anzugliedern,
ebenso wie man beispielsw^eise die kgl. Versuchswerkstätten
für Kunsthandwerk in Stuttgart an die Polyteclinisclie
Hochschule angegliedert hat. I uis würde wohl den Vniv.ug
haben, die freie akademische I.uft in die Anstalt hinein-
wehen zu lassen und der fachmännischen Beschränkung
und Beschränktheit entgegenzuwiikcn. lumn was diese
Akademie zu leisten hätte, wäre gerade allgi'nu'ine ästhe-
tische Erziehung, nachdem sich ihre Zöglinge diu Fach-
bildung bereits vorher auf anderen Anstalten oder in der
Praxis angeeignet haben. Der Lehrplan hätte vor allem
die Geschichte der Gartenkunst zu enthalten und zwar
nicht in trocken schematischer Weise, die in dem Schüler
ja nur den Eindruck erwecken kann, als handle es sich
um einen alten Zopf, sondern möglichst praktisch und
lebendig behandelt. An bestimmten Heispielen, die dem
Schüler durch i^läne und Photographien vor .\ugeii zu
führen wären, wäre zu erörtern, welchen Faktoren der
Künstle)' sicli im einzelnen Falle gegenüber befunden hat,
welcher Landschaft, welchen Boden-. Wasser- und klima-
tischen Verhältnissen, welcher voi'liandeneii .\rcliitektur,
welchen gesellschaftlichen Sitten und welchen speziellen
Wünschen seines Auftraggebers er Genüge tun sollte und
wie er sich nun damit abgefunden hat. Es wären also
fortgesetzt .\usblicke auf die Kunst, die Sitten und die all-
gemeine Kultur der Zeit zu geben, immer der innere Zu-
sammenhang der Gartenkultur einer bestimmten E|)oche
mit ihrer gesamten Geisteskultur im Auge zu behalten und
auf dieser Grundlage nun eine Kritik aufzubauen, was
vom Alten auch in der Gegenwart noch
lebensfähig ist. was nicht, indem als (Iründe
für eine die Lebensfähigkeit verneinende
Antwort niii' Veränderung der tatsächlichen
gegebenen Umstände und Bedürfnisse,
eine Umwandlung der künstlerischen oder
sittlichen AnschaLitnigen und der sozialen
Verhältnisse anerkannt werden könnten.
In vorgeschrittenerem Stadium wären den
Schülern Plane vorzulegen, die sie selbst
in freier füskussion kritisch zu beleuchten
hätten. Exkursionen zu den erhaltenen
alten Anlagen in Deutschland und Slipen-
dienreisen für besonders Begabte nach den
groben Mustern Frankreichs und Italiens
wären die notwendige Ergänzung. Damit
ist es aber nicht genug. Eine eingehende
Beschäftigung mit den anderen Künsten
halte ich für ebenso erforderlich, nament-
lich mit der Architektur, mit der der
Gartenkünstler ja beständig zusammen-
ai'beiten mub und deren Grundprinzipien
ihm daher völlig vertraut sein sollten, fias
Studium der Malerei würde sich als gutes
Mittel erweisen, ein feineres Farbengefühl
auszubilden, über das deijenige, der mit einem so
farbigen Material arbeitet, wie der Gartenkünsder, auch
verfügen sollte. Auch hier wäre mit der theoietisclien
Vorlesung die praktische Museumsführung zu verbinden.
Alle Einzelheiten dieses Planes auseinanderzulegen, kann
niclit die Aufgabe dieses Artikels sein. Der .ganze Vor-
schlag ist ja, wie gesagt, nicht mehr als ein Gedanke, der
Gedanke eines Laien, den anztinelimcm mler zu vei'werteu
ich dem lierufenen Urteil von Fachleuten überlassen mul.i.
Ich gebe zu. dal.l es fraglich bleilit, ob mit einer solchen
.\kademie alles erreicht würde, was wünschenswert ist.
In letzter Linie hängt ja doch alles vnn der persönliclien
Beanlagung ab und Talente kann man nichl anerziehen.
Deshalb aber jede fa'zieliung als iiljertlüssig zu bezeichnen,
wäre in der umgekehrten Kichtiing zu weit gegangen.
Man wird aiuh fragen, welche materiellen Vorteile der
Zögling, di'r fiir den Besucli der Anstalt dnclt jedenfalls
erhebliche Giddopler bi'ingrn niül.ile, sicli davon ver-
sprechen düifte. Natürlieli wird imin di'ii Hesurh der
.Xkadeinii' /.imä'chst nicht nbligatorisch l'iii' die höhere
Kaiiiere in der Gartenkunst inarben dürleii, jeilocli glaube
IX, 4
Uli-; UAR'IMON KUNST
Kachleuten vertrolen werden und ich or-
lilicke darin eine Bürgschal'l für ihre Richlig-
l<eit. Otto Bei'nhard.
AV. Kiehl-Posen : Aus Golenhufeh 2.
ich. dali wenn die Aljademie gute Resultate erzielt, eine
Bevorzugung ihrer Schüler bei der Besetzung leitender
Stellungen in Städten oder größeren Etablissements sich
ganz von selbst ergeben würde. Schliel.ilich wird man
mir einwerten. dalJ mein Plan praktisch undurchführbar
sei, schon aus pekuniären Gründen. Ich beuge mich darin,
wie gesagt, dem fachmännischen Urteil und versteife mich
in keiner Weise auf gerade diesen Weg, zum Ziele zu ge-
langen. Ltie Hauptsache ist ja. dal.i man sich über das
Ziel einig ist. das erreicht werden mul.l und überhaupt
irgend einen Weg dazu einschlägt und mit Enei-gie ver-
folgt — am l)esten natürlich den leichtesten
und kürzesten.
(loleiiliofeii Im'I Posen. Ein Musterdorf.
\'oii Kiehl, Posen.
Es ist zwar nur ein der Gartenkunst
„\er\vandtes Gebiet", das ich mit der Schil-
derung des Musterdorfes Golenhofen betrete,
doch hoffe ich hiermit den Lesern einen
interessanten Einblick in die nach aufsen
hin wenig bekannte Wirksamkeit der An-
siedlungskommission für Posen und West-
preufsen zu verschaffen.
Golenhofen. bis vor kurzem noch polnisch
Golentschowo genannt, liegt 17 Kilometer
nöi'dlich von Posen an der Bahnstrecke
l'osen-Schneideniühl in reizvoller Wald- und
Wiesenlandschaft. I »ie Ansiedlungskommis-
sion erwarb Ende 1001 das 2600 Morgen
grofse Gut im Wege der Zwangsversteigerung.
Der Vorbesitzer war ein Herr von Bloci-
szewski. Das Gut ist zur Zeit in 43 Stellen autgeteilt,
davon sind 33 an Ansiedler. 6 an Arbeiter vergeben. Je
eine Stelle entfällt auf die Schule, den Krug, die Stell-
macherei und die Schmiede. Im Herbst 1902 wurde mit
dem Bau der neuen Wirtschaften und im Herbst 1904 mit
der Besiedelung begonnen. Unter den Ansiedlern befinden
sich Badenser, Brandenburger, Sachsen, ein Westfale. ein
Schlesier, Galizier, Ungarn und russische Rückwanderer.
Die Bauten sind nicht sämtlich von der Ansiedlungs-
kommission errichtet, so hat der Ungar Arwa sich sein
Haus nach eigenem, an die ungarischen Bauernhäuser an-
Durch die Liebenswürdigkeit des Heraus-
gebers dieser Zeitschrift ist mir nach
Fertigstellung des obigen Aufsatzes der
Lehrplan der Köngl. Gärtnerlehranstalt in
Dahlem-Steglitz zugänglich gemacht worden.
Ich habe daraus mit Freude ersehen, dal.i
ein nicht unwesentlicher Teil der oben ge-
gebenen Anregungen von dieser ,\nstalt
bereits in die Tat umgesetzt worden ist,
wenn auch allei'dings noch vieles zu erhoffen
bleibt. Ferner habe ich aus den Mit-
teilungen des genannten Herrn entnommen,
dal.) der Leitsatz der obigen Arbeit: frei-
heitliche Weiterentwickelung der Garten-
kunstlehranstalten, seit Jahren von der
Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst ver-
fochten wird. Es war mir eine Genugtuung,
festzustellen, dal;! die Ideen, zu denen ich
als Laie ganz unabhängig und nur aus der
Betrachtung der Sache selbst gekommen
bin, von einer angesehenen Vereinigung von
\V. Kield-Posen; Aus Golenhofen :-!.
DUO gautkn'kunjst
IX, 4
W. Kielil-Posen: Aus Golenhoi'en 4.
lehnendun Hntwurf errichtet. Im allgemeinen . übeiiäfst es
die Kommission den Ansiedlern, sich ihre Gehöfte nach
eigenem Geschmacli und Mitteln zu erbauen, doch in Golen-
hofen sollte einmal ein E»orf entstehen, das in jeder Be-
ziehung als Muster gelten kann. Und in der Tat ist hier
ein Dorf erstanden, wie es wohl kein zweites, weder in
Ost- noch Westdeutschland geben wird.
Regierungs- und Baurat Fischer-Posen, dem diese
lohnende Aufgabe zufiel, hat sie glänzend gelöst. Er hat
sich hiei'bei nicht nui-als praktischer Baumeister und Kenner
liindwirtschattlicher Betriebe, sondern uuch als leinfiililender
Künstler gezeigt, der es verstanden hat,
mit verhältnismäfsig geringen Mitteln etwas
vollendet Schönes zu schaffen. Wie ver-
wachsen mit der umgebenden Landschaft
liegt das Dorf da. Zu beiden Seiten eines
vorhandenen Feldweges, den alte Pappeln
beschatten, zieht sich langgestreckt das
Dorf hin (Abb. 1). Ziemlich im Mittelpunkt
liegt der l.iorfangor, geziert von einem
hübschen überdachten Brunnen. An der
einen Längsseite dieses Platzes liegt das
Schulhaus mit daran angrenzender Ka-
pelle (Abb. 2). Einfach und schlicht wie
das Äufsere ist in beiden Hauten auch
das Innere, deren Hauptreiz in ihrer
Parbenfreudigkeit liegt. An den Wänden
des Schulzimmers schmückt ein munterer
Fries aus dem Leben des Kindes, an den
Deckenbalken (un reizender Spatzenfries den
Raum. I lie Kapelle schmücken ein einfaches
Kreuz, ein alter Messingkronleuchter und
bunte Sträufsc, wie man sie überall auf
dem Lande findet. Im Ober- und r>ach-
geschofs der Schule liegt die geräumige
Lehrerwohnung, deren schönster Raum die
gemütliche iJachlaiibe bildet. Gegenüber
der Schule liegt der Krug, das gröfste Haus
des Dorfes (Abb. 3). Ohne jedes Ornament,
und doch so einladend liegt es da unter
dem hohen roten Ziegeldach: schon von
ferne winkt der „Krug im grünen Kranze",
(Irn dei' Wirt hiuausgehängt hat.
Jedes der Wohnhäuser (.\bb 4—6), die
alle von einander verschieden in der Bauart
und d(i(di so überaus fein zusammen stimmen,
verrät aufsen und innen den künstlerischen
Sinn seines Erbauers der es ohne grofso
Mittel vershinden hat, vor allem durch die
uiückliche Verwendung fein abgestimmter
l-'arbentüne, eine Beh;iglichkeit hier zu ver-
breiten, die eine stille Sehnsucht im Be-
schauer weckt und dem Bewohner ein Heim
errichtet, in dem sein Leben in ruhiger Sefs-
haftigkeit und in der Freude am eigenen
Besitz ruhig und glücklich dahinfliefsen kann.
Fast ein jedes Haus hat seinen Spruch,
teils ernst teils heiter, wie die folgenden zeigen :
Liebe Gott vor allen LUngen,
So wird E>ir alles wohlgelingen.
Der Kaiser führt das Szepter,
Ih'V Hauer führt den Ptlug,
L'nd wer niclit beide elii'et.
Der ist wiihl nicht klug.
Eine Kuh, die Gutes j'rifst.
Gibt mite Milch und guten Mist.
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W. Kii'bl rillen ; .Vus Golrnliöteu .").
tX. 4
l>l K i.i A IM' KN KUNST
73
Wie es früher unter polnischer Wirt-
schaft hier aussah, zeigt die Abb. 7. Ja
selbst im .Vnfanj^ iliescs .lahres hausten
in diesem schon lialb zusammengebrochenen
Bau. der jetzt zwar wieder ausgebessert ist,
polnisclio Arbeitsleute, die sich allem An-
schein nach nicht von der allen Herrlich-
keit trennen konnten.
Ein wichtiges Stück Kulturarbeit liegt
in dieser, bisln.'r in lieulschland einzig da-
stehenden L»orfanlage. dei'en völlige Wert-
schätzung erst erkannt werden kann, wenn
sich ihre vurbildliidie Wirkung ergeben
haben wird.
W. Kiehl-Fosen: Aus^(_:oleiilioffn (i.
Kr/ilit die Henne, schweigt der llalin,
Ist das Haus gar übel dran.
Hei keinem Hause fehlt der Nutz- und Ziergarten, in
denen man all die in der trüberen Heimat liebgewonnenen
Blumen und s(mstigen Gewächse findet, die sonst selten
in der Posener Gegend zu sehen sind,
t'ber die .^rt und Weise einer Gehöftanlage und deren
Kosten seien noch einige Bemerkungen angeführt. E)as
Gehöft i.Vbb. 5) ist für 70 .Morgen Grundstücksgrflfse be-
rechnet. Lias Erdgeschofs besteht ini Wolmhausteil aus
"2 Stuben. Küche und Flur, das Obergeschofs aus 3 Stuben
und einer Kammer. An die geräumigo Küche ist der auf
dem Lande unentbehrliche Backofen ange-
baut. Im Stall ist reichlich Platz für zwei
Pferde und acht Stück Rindvieh, weiter
sind vier grnfse Schweinebuchten und eine
Jungviehbucht vorhanden. E)er Raum über
dem Stall Ist Futterboden. Die innere Aus-
stattung der Wohnräume ist sehr einfa(di.
EMe Stuben haben weifs verputzte Wände
und Eiecken und Eüelenfufsboden. Eias Holz-
werk ist farbig gestrichen. Eiie Küche hat
Fliesenbelag. E»er Stall hat massive Beton-
decke und Krippen, die direkt durch Zapf-
hähne gefüllt werden können. E>as Gehöft,
wie überhaupt das ganze Eiorf hat Wasser-
leitung die durch einen \\'indmotor .gespeist
wird. E>em Inneren entsprechend ist das
.Uifsere. .\uf einem verputzten Backstein-
sockel erhebt sich das in E\-ichwerk aus.ge-
führte Wolingebäude und der massive Stall.
E>as Obergeschofs und der Stallanbau sind
mit Brettern verkleidet, ebenso der Giebel.
Eiie Putzfarbe ist ein abgetöntes Gelb, das
Holzwerk ist nur mit Karbolineum gestrichen:
für das E'ach sind rote Ziegel verwendet.
Die (Iriiudzii^e der Laii(lschartsj;estaltiiii;::.
llliuvoiso, wie man ilic ii:iliirliclicii Scliiirilieilcii
villi (icbüsclicii iiiiil \\ iibliiiir:i'ii in Krsclii'iiinii^
trcli'ii lassen kann.
\'ou J. Forsyth Johnson.
(.\us dciü l^nglisi-hen frei übertragen von 0. K. Schiie'idui-
_und_E. B. Behiiick.)')
(Fortsetzung. Hierzu Fig. -1 — S.j
U mri II
\\"\i; erfahren wir nun durch die .\usslrahlung die
Scliönheiten der Xatur?
*) Da ich aus verschiedenen Gründen verhiiideit gewesen
wäre, die Übersetzung rechtzeitig zu vollenden, hat auf ineine
Bitti' mein I-Veund, Herr Obergärtner E. B. J-Jehnick. Berlin,
die (uite gehabt. V(inTeil2 ab die Hauptarbeit zu übernehmen.
Ich bleibe jedorh allein für die Übersetzung veruntwurtlich.
.Schneider.
W. Kichl- Posen: Ans Golenhofen 7.
74
DIE GARTENKUKST
IX. I
Wir erblicken die Objekte der Landschaft im Imrili
und Profil.
Die Gesetze des Umrisses bilden Masse und Abstand.
Fig. 4 veranschaulicht, wie die auf den Beschauer zu-
.Strahlungsgesetze für M:isse und L'rafang.
Fig. 4. Drei natürliche Gesetze für .Szenerieaufbau: .Masse.
Abstand und .Strahlung.
laufenden Linien der Masse und Perspektive dem .\uge
auf einmal den besten Überblick geben. E'ie Perspektiv-
linien beschäftigen den Geist am hervorragendsten. Der
.\bstand richtet sich nach diesen lüii-ven. Von diesen
zwei Grundregeln müssen wir ausgehen bei der Ent-
wickelung der beabsichtigten landschaftlichen Charaktere.
Ihre Wirkungen müssen wir zuerst beobachten und im
rechten Verhältnis festlegen. Sie führen uns dahin, alle
Charakterzüge des Landes sachgemätJ in ihrer Eigenart zu
entwickeln.
Fig. 4 und 5 veranschaulichen die 3 Regeln für dit;
Behandlung der Umrißlinien. D\e Massenlinien geben die
Bildszenerie fürs .\uge, wobei 90" die äulierste Grenze dar-
stellen, während manche sagen. daU wir nicht mehr als
60" überblicken können.
In Fig. 5a sehen wir die Kurvatur der Natur in straloen-
mäßiger Weise beschnitten. Fig. 5b illustriert die Art und
Weise wie man gemeinhin ihre Entwickelung versucht.
Fig. 5 c endlich zeigt uns die Resultate einer Entwickelung
des Umrisses gemäß natürlichen Gestaltungsgesetzen.
Gerade Linien, die den Blick festhalten, machen das
Arrangement unnatürlich. Sie gemahnen an Begrenzung,
anstatt den Eindruck von Unendlichkeit hervorzurufen. I)as
durch Fig. 5a und b skizzierte "Verfahren wird überall von
Leuten ausgeübt, die sich Landschaftsgärtner nennen,
aber die Schönheiten des Landes nicht sehen können.
Fig. 8 verdeutlicht, wie die natürlichen Gesetze von UmriLi
und Ausstrahlung ein breites Bild beherrschen, das in
seinen Grundzügen von den Massenlinien beherrscht wird.
Beim Ausblick vom Zentrum des Weges strahlen die Sicht-
linien in der angegebenen .\rt aus; Einzelheiten werden
durch Abstandsentwickelung von Ecken usw. angezeigt.
Wir müssen uns die Wichtigkeit des Verständnisses
der Konturlinien so fest als nur möglich einprägen.
Abstand e.
Hatten wir in Fig. 5 breite Sichten vor uns. so führt
uns Fig. 6 zur AufschlieBung langer liurchblicke. In a
sehen wir die gewohnte Art. Abstände zu arrangieren, b
zeigt die ebenso gewöhnliche falsche Art und Weise, wie
wir sie schon bei 4 behandelten, und in Fig. 6c lernen
wir erkennen, wie nützlich die Gesetze der Perspektive sind,
wenn die Verhältnisse ihre .Anwendung am rechten Orte
gestatten.
Alle landscbattlichen Eindrücke werden den Sinnen
durch die grofcSen Gesetze von Masse und Abstand vermittelt.
L»amit ist jedes Landschaftsbild von einem der beiden be-
herrscht oder meist von beiden, indem aber das eine das
andere überwiegt. Haben wir eine lange Sicht, so herrscht
das .\bstandgesetz und das der Masse zeigt die L»elails.
umgekehrt ist es bei einem breiten Bild.
i) Gewöhnliche Alt der Begrenzung.
»?OAO .
b) Das übliche Ausbuchtungssystem.
c) Das Ergebnis der regelrechten Massenentwickhmg. Natür-
liche Gliederung, Massen und Abst;ind in solcher Entwickelung,
dats die unendlichen, die Lebendigkeit der Landschaft aus-
machenden Reize an Licht und Scliattcn zur (ieltung kuinnien.
Fig. 5. Die Behandlung breiter Sichten, die praktischen lie-
sultate regelreciiter Massenentwickelung veranschaulichend.
IX. 4
DIE GARTENKUNST
ider beeinträchtigt
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Fig. G. Entwicklung langer Sichten: Jie prakti.sclien Ke.snltutt'
der Entwickelung natürlicher Fernblicke veranschaulichend.
Als Kontrast sind ge-
rade Linien, ebener Boden.
Wege usw. in Verbindung
mit Gebäuden in der Land-
schaft nützlich.
Wir sehen von der
\atur nur Teile, nie das
Ganze. Der Gemeinplatz:
„Dinge erscheinen gröljer
als sie sind" ist unsinnig.
Das Größtmögliche zu zei-
gen, ist Pflicht, aber viel
mutl natürlich ungesehen
bleiben.
l.Hu'rh richtiges Arran-
gement wird ein viel
gröLierer Szenenreichtum
erschlossen, als es durch
falsches möglich ist. iK'v
Gestalter strebt danach die
sich ihm bietenden Vor-
teile in wirkungsvollster
Weise zum Ausdruck zu
bringen und wenn die Vorzüge verdeckt
werden, so ist das Arrangement falsch.
Lturch Entwickelung der langen Linie in Fig. 6c an
Stelle des kurzen Durchblickes in Fig. 6 b eri-eichen wir
groLie Vorzüge und vei'raeiden die Nachteile liegrenzter
Eindrücke.
Profile.
Bäume sind das Leben der Landschaft. Wohl werden
in Büchern die verschiedenen Höhen der Bäume. Sträucher
und Blütenpflanzen angegelien. aber wenig ist darin gesagt
über die Art und Weise, wie wir ihre Schönheit ziu- F]nt-
fallung bringen können.
Bäume geben Wechsel in den Himmelslinien. Sträucher
in mittlerer Höhe, Blütenpflanzen am Boden. Die Pflanzung
ist zu vergleichen mit dem Auftrag der Farbe auf die
Leinwand durch den Maler. Der Endett'ekt hier wie dort
ist allumfassende Harmonie.
Gleich wie jedes Haus eines Fundamentes bedarf und
dieses doch verborgen bleibt, wenn das Haus fertig ist. so
mag wohl die winzige Arenaria balearica ein Stückchen
Land Überschleiern und Gras durchaus den ganzen Boden
verhüllen, mit vielen Tiipfen von Rosen, die daraus sich
hervorheben. Bäume, die über die Sträucher herausragen,
wie die Bergesche, die Birke und andere schneiden über
dem .Mittelgrunde ab. ('her ihnen wieder entwickeln Ahorn-
arten malerische Kronenszenerien, und schlietilicli türmen
sich Ulmen und Tulpenbäume auf und ragen weit in den
Himmel hinein.
In allen Szenerien sollte eine Art die vorherrschende
sein. Bilden in einer Szene die .\horn die hervorstechenden
Züge, so in einer anderen die Tulpenbäume, wobei der
dunkle Vordergrund mit Tupfen von Silberbirken unter-
TH£ POz/VT OP OOS E RvflT /
AMC LES OF S,\o,H T
^ THE ^uK EcriouwD /s CiovcKr^EO ay r^n A^t^i-E op
TUE LA^n. LlHiT OP 9a4»»v«-rt»H .
Fig.
Die Art und Weise natürliche Objekte zu betrachten. Vergleiche Te.^t.
76
DTK ilAHTKN KUNST
IX. 4
brochcn wird. Wir wissen, dati jede Pflanze
am rechten Platze durch keine andere ersetzt
werden kann. Gut entwickelte immergrüne
Sträucher sind von huher Wichtigkeit, sie ge-
statten die größte Mannigfaltigkeit auf kleinem
Räume. Die Rhododendron wirken das ganze
Jahr durch ihre Belauining und sind zur Blüte-
zeit zweifellos das schönste für den Mittelgrund.
Die Mängel einer Szenerie zu entdecken,
ist zu ihrer Gestaltung notwendig. Sn habe
ich beispielsweise in einer alten Waldszenerie
großer Nutzbäume zur iM-zielung eines sclmellen
Effektes gegen 3 m hohe Siiberbirken geptlanzt
nebst schnellwüchsigen Schlingnisen. Sie er-
freuten jeden Beschauer und überzogen wie
ein Teppich zur Blütezeit den Grund und
kletterten bis in die Wipfel der Bäume, l.iie
Effekte einer Rhododendrongruppe und einer
Silberbirkenpflanzung mit Schlingern sind sehr
verschiedener .\rt. sie können aber auf Grund
ihrer verschiedenen Höhen mit Voi'teil ver-
wendet werden.
In Amerika wei-den die immergrünen
Sträucher sehr vernachlässigt and es dauert
einige Zeit, ehe sie ihre Wirkung erreichen,
aber dafür ist diese eine anhaltendere.
Unter den vielen Teilen einer Szenerie hat
ein jeder wohl seinen eigenen Charakter, muti
aber harmonisch mit der Umgebung zusammen-
klingen.
Wenn wir wissen, was die Hauptteiic der
Szenerie ausmachen, dann muß die Kunst der
Natur zu Hilfe kommen, damit alles sich zu der
ihr eigenen Schönheit und Üppigkeit entwickele.
Natur braucht zu lange Zeit zur Entwickelung
der Geeignetsten im Kampfe ums Dasein, wn-
gegen der Mensch, wenn er die Geeignetsten
kennt, ihre Entwickelung fördern und so in
wenigen Jahren alles zur vollen Schönheit
bringen kann. So werden Naturgesetze zu
Fingerzeigen, der Erde Schönheit hervorzu-
zaubern. Beim .Vrrangement versuchen wir,
nichtalles gleichzeitig zu bieten, sondern geben jederSzenei lo
die richtige Fülle und in anderen Szenerien eine gute Man-
nigfaltigkeit. Lienn bei der Entwickelung nackten wüsten
Landes, die oft viel Geld ei'fordert, um ihm Schönheit zu ver-
TH e POir^T OR SITE. OP OB 5 E RV^-r I OAf IS O ETCAM I f^MO BY THS
SI2.Ü Or THE OßJBCT TO B£ O/SPi-fiYBO ■
LiniT ofOBSe-Rvorioi^ fo',
Fi"'. 8. 1 Iiiirifs-Liiiien. \'er"leielie dazu Text.
Die Möglichkeit der l'i'olilanschauung is( begreiizl. wie
in Fig. 7 gezeigt wird und wie so ausgezeichnet Repton
dargetan hat, indi'm er feststellt, didJ die Grenzen nach
oben 28'A)'' ülier die Horizontale und nach unieii ,'is7._,<' unlei'
leihen, sind diese Naturgesetze die leitenden Prinzipien. welche diese fallen. Dies ist ein simpler Anfaui.
die Hand führen, um stilles Leben dem Lande zurückzugehen,
um ihm jene grenzenlose Schönheit zu v(;rleihen, die nie das
Auge, den Geschmack und das Gemüt des Beschauers er-
müdet. Lassen wir diese Naturgesetze außer acht, so
hilft alles Geld nichts, die Szenerien werden uns wider-
wärtig werden und unbeachtet bleiben, sowie ihrei' Neu-
heit Reiz vorüber ist. Haben wir dagegen des Landes
Schönheit nach natürlichen Prinzipien entwickelt, so daß
sie deutlich ins Auge fällt, dann wird sie in den Augen
des Beschauers ständig wachsen und fortgesetzt neue
Schönheiten aus sich hervorgehen lassen.
für tausende
von Entwickelungsmöglichkeilen. l'berall wn eine Ptlanze
oder ein Gebäude sich über den Boden aiifrielilel. wird
das Profil dri' LandsidiafI erhöht.
rini'il.l und Priilil sind in jedeui N'.alurliilde vereint,
und in den Ixügefugten l inril.lplänen isl \ iel Nun Profil
zu sehen. Fig. 8 zeigt wie der Umriß dem Prolil zu
Hilfe kiiiuuil durch niedi'igbleibende Vegetation, die all-
mählich in höhei-e l''iiruien Übergeht.
Natur ist iinnna- eine l']inlieil. Bäume venMuen sich
zu < liiiudlinien. und lllunu'U und Bäume und Sträucher
zu allem diMi liinndliidrii. dem Midelgiiiml und den
IX. l
DI K UARTENKUNS'l'
77
Horizontliiiion — mvl sie lebun so ziisiUiiniLUiveruiiit. dal.i
man nicht sagen kann. \vü das eine beginnt und das
andere endet. (FurtsetzuniA' folgt.)
Aiisiclitfii imkI (m'iImuUcii.
\'on Joseph Aug. Lux, Dresdeu-Bkisrwit/..
I.
(iailciiaicliilekliii-.
Xatiir ist l-iohsti.ilf. Sie \vii\l Form und l'-rlebiiis iluich die
Kunst. Schone Gärten sind ein Ausdruck des dicliteiischen
Erlebnisses in der Natur. Mit anderen MittohiJ ausgedrückt
kann das Natiirerlebuis ein (_iedicbt. ein Bild, ein Dr.inia
werden; mit Hilfe ihrer eigenen Mittel, als Vegetation, Wassei',
Erde, Stein, wird sie Architektur. Schöne Gärten sind niclit
nur schön durcli das Pflanzengrün, die Blumen, Gräser und
Bäume, sie sind künstleriscli schilu durch die Anlage. Alte Bäume,
von Steinwerk sorgfältig eingel'al'st. wie ein Heiligtum im
Schrein, sie sind von dem menschlichen Geheimnis der Schön-
heit umgeben Die Huldigung wird .\rchitektur, iiuch wenn
die festen Linien des Steinwalls gelöst wären unil verschweben
würden, wie der Kinderreigen Francesco Albanis um den von
Genien bevölkerten Baum. Um Francias Madonna bildet der
Rosenhag ein liebliches Gehäuse und der Meister der rheinischen
.Schule erschuf eine ähnliche Gartenarchitektur um die Madonna
mit den Erdbeeren: aus Blumen und Früchten erbaut Mantegna
eine herrliche Kuppel über die Anbetung und auch dann,
wenn der Gartengedanke als selbständiges sich von der
frommen Mystik loslöst, tritt er immer wieder als Architektur
in die Erscheinung und sucht ein neues Geheimnis einzu-
scliliel'sen. Die nuttelalterlichen Wasser- und Mauergärten, im
engen Bereich der .Stadtmauern erblüht, die strengen Kloster-
gärten in weiCsen Arkadenhöfen sind von der architektonischen
Grundlage ebensowenig zu trennen wie die (^Hielte der Arethusa
in Syrakus. Die ßenaissancegärten entwickeln dieses Prinzip mit
dem stärksten Bewufstsein. Nicht die Abhängigkeit des Gartens
vom Hause allein macht es: Es ist vielmehr das autokratische
Walten des künstlerischen Geistes mit den Naturelementen,
denen er die Form geben will. Der Gedanke ist, dal's in keinem
Teil des Gartens das Gefüld der architektonischen Einheit
schwinden soll. Treppen, Balustraden, Fontänen, plastische
Gruppen geben eine immerwährende Orientierung. Nicht nur,
dal's Hecken und Bäume geschnitten als Wände und Architektur-
formeu erscheinen, sie eniffnen stets die Perspektive auf
einen spezifischen Architekturteil, der niclit vergessen läl'st,
dal's der Garten ein Kunstgebilde ist. Die Barockzeit betont
dasselbe Prinzip, sie stellt an die Laubwände in langen Reihen
Plastiken auf, Musen und Heroen, den olympischen Himmel
doch ist die ganze barocke Gartenplastik im Grunde nichts
anderes als skulptierte Architektur, Die Barockkünstler waren
Dekorateure, aber sie verloren dabei nicht den Blick aufs
Gtanze. Die Plastiken als weil'se Punkte an den grünen Laub-
wandungen stellen als Stützpunkte für das Auge die archi-
tektonische Zusammenfassung her. Lud wären es nur weifse
Pfeiler oder weil'se Bänke, in einer bestimmten Ordnung auf-
ge.stellt. so würden sie eine ähnliche zusammenfassende arclii-
tektonische Wirkung tun. Konstantin Somoff als feiner Nach-
empfinder der Barockkunst, hat dieses Gefühl gehabt. Die
weil'sen Bänke in seinen Gartenbildern erfüllen neben den
Plastiken eine architektonische Funktion. Eine Zeit, die anders
empfindet und die nicht mit solcher Ijeiclitigkeit Dekorations-
stücke hervorbringt wie die Barocke, wird das Sachlichkeits-
moment in den \'ordergrund stellen, an Stelle des 'l'eppich-
beetes die Farbe dei- Blumen in breiten Flächen und au Stelle
der steinernen Ornamente und Allegori(>n die rein tektonische
Anlage setzen. Die Entwi(d<elung entscheidet heute für die
sachliche Gestaltung.
Diese sachliche Auffassung bringt die Forderung mit, dafs
ein plastisches Werk in diesem Zusammenhang ein einwand-
freies Kunstwerk sein muls. Die architektonische Sachlichkeit
läfst aber auch erkennen, dal's für den Gartenkünstler wie über-
haupt für den Arcliitekten die Verpflichtung nicht aufhört,
mit seinen sachlichen Mitteln dichterisch zu verfahren. Wenn
Kostbarkeit gestattet ist, ikinn wird jedes Architekturglied
[H-ächtig und bewundernswert sein können, die steinerne
<i>uellcneinfassung mag dann ein Wunderwerk sein und der
Weg nach dem Tempel über herrliche Mosaiken führen. Uiiter
l'mständen aber kann auf jede Mithilfe verzichtet werden, denn
der Reichtum macht nicht die Schönheit aus; das tiefste l'>r-
leben zu gestalten, reicht das Einfachste ans.
II.
l'ai'k|iolitik.
Die Park[iulitik ist eine Angelegenheit der tJrol'sstädte; sie
entspringt der Naturfreude und dem Naturbedürfnisse, die dem
Städter um so stärker zum Bewufstsein kommen, je mehr ei'
ihrer entbehren mufs. Die Ausbreitung der Grofsstädte, das
Verschwinden der Hausgärten, die rationelle Ausnützung der
Bauflächen haben die Parkpolitik in den Vordergrund der
.Stadtinteressen gerückt und zur Tagesfrage gemacht. Alle
gröfseren .Städte geben annähernd das gleiche Bild. Drei
.\rten von Park- und Gartenkultur sind überall vereinigt.
Die erste Art bilden jene alten barocken Gartenschöpfnngen.
einem Palast oder Schlosse zugehörig und der Benutzung des
Publikums freigegeben. Gesundheitlich und baukünstlerisch ge-
hören sie gewöhnlich zu den wertvollsten Gütern einer .Stadt,
deren Physiognomie sie wesentlich mitbestimmen. Sie über-
liefern einen .Schatz vorbildlicher gartenarchitektonischer Grund-
sätze hinsichtlich der Anlage der Beete, Treppen, Wege und
der geschnittenen Laubwände, die geradlinig auf einen zen-
tralen Punkt zulaufen, darin sich eine schöne .Statue, ein
Brunnen, eine Gartenplastik wie von einem Hain umschlossen
erhebt.
Die zweite Art bodenständiger Gartenkultur liegt an der
Peripherie der Städte in den Vororten, wo städtische und
ländliche Kultur einander begegnen.
Als grüner Gürtel mit einem ungeheuren Komplex an
Wald-, Feld- und Gartengrund ziehen sie um die .Stadt herum
'ind geben, sofern sie zur Stadt gehören, derselben eine be-
sondere .Schönheit, nicht nur als Naturkranz, sondern auch als
Hüter und Bewahrer der älteren heunatlichen Baukunst, die
nun freilich einerseits durch städtische Mietskasernen, andei'-
seits durch moderne Cottages täglicli mehr verdrängt wird.
Diese halb ländlichen Vororte enthalten jene feinen Beispiele
alter Gartenkunst, die auf einen beschränkten Raum am Hause
angewiesen ist; sie überliefern beachtenswerte Lö.sungen hei-
mischer Vorgärten und Hausgärten. Mit den kleinen Vorgärten
sehen die Bauern- und Winzerhäuser aus wie schmucke Land-
mädchen, mit einem Blumenstrau fs vor die Brust gesteckt.
Ein hölzerner Z.aun geht vor der niederen Fensterreihe hin
und läfst einen schmalen Ful'sweg zwischen den ebenfalls
schmalen Beeten an Hauswand und Zaun frei, nicht mehr.
Das ganze Vorgärtchen ist ans Haus gedrückt. Aber der
schmale .Streifen birgt eine üppige Blumenwildnis. Buchs dient
gewöhnlich zur Einfassung der Beete, am Zaun steht blühender
Phlox in dichten Ständen, die Kapuzinerkresse, die Ringel-
DIE GARTENKUNST
IX, 4
bliime, Pelargonien. Lobelien und Petunien liefern die leben-
digen Farben an der Hausmauer und in den Beeten, wo die
Eosenbännie blühen. Ahorn, von der Schere gebändigt, bildet
eine grüne Architektur als Hecke und Torbogen über der
Zauntür. Auch eine Laulie kann man gelegentlich vor dem
Hause finden, und wenn nicht hier, dann sicherlich hinter dem
Hause in dem eigentlichen Hausgarten, eine gemütliche Laube
von Wein, Geilsblatt oder Kletterrosen überwachsen, ebenso
wie den Laubgang oder die Pergola, als Spender des Schattens.
Im übrigen ist es ein Blnmengarten wie vorne am Hause, mit
rechteckigen Beeten und bunten Glaskugeln, die ein leuchten-
des Farbenspiel in die Blunienpracht setzen. Die iieimatliche
Flora liefert den Bestand an Bauernblumen.
Einen gewissen Gegensatz zu den vornehmen höfischen
Gartenschöpfungen der Barocke und zu den volkstümlichen und in
ihrer Art nicht weniger vortrefflich gelcisten alten Hausgärten.
den sogenannnten Biedermeiergärten, bildet die dritte Art. die
neuen „städtischen Park- und Gartenanlagen-'.
Die Schablone ist überall dieselbe. Eine Ver(iuickung
französischer und englischer Gartenbaugrundsätze , die zu
keinen glücklichen Ergebnissen geführt hat. Von armseligen
Dralitgittern eingehegt, stellt ein Rasenfleck die Wiese, eine
unruhige stockige Zusammenstellung von Büschen gleichsam
den Wald vor. Franziisische Teppichbeete und krumme Wege,
die gänzlich aus der Richtung führen, charakterisieren die
Planlosigkeit der Anlagen, die infolgedessen auch vielfach un-
gemütlich erscheinen. Es ist sehr zu beklagen, dafs in der
dritten Kategorie von Gartenanlagen nicht die bodenständige
Tradition sorgfältiger berücksichtigt worden ist, damit sich das
Neue dem Alten würdiger anschliefse. Bei liffentlichen An-
lagen, bei denen es sich oftmals nur um die gärtnerische Aus-
bildung eines kleinen Fleckes Erde inmitten des Strafsenge-
wirres handelt, wäre die Beachtung des alten Beispieles be-
sonders vorteilhaft, denn es lehrt, dafs eine Gartenanlage um
so strenger architektonisch durchgeführt werden mul's, je kleiner
sie ist. Die Barockgärten mit den geschnittenen Laubwänden
geben ein schönes Vorbild. Der kleinste Fleck mag grol's er-
scheinen, eine grüne Einsamkeit bilden, die irgend ein Kunst-
werk wie ein Juwel umfafst und mitten im Grolsstadtlärm das
Gefühl der Entrücktheit gewähren kann. Aber wo i.st in
unseren öffentlichen Anlagen die Liiubwand oder die ge-
schnittene Hecke zu finden, wo das heimatliche Garteumotiv,
die gemütliche I..aube:'
Von instinktiven Erkenntnissen geleitet, treibt es den
Grofsstädter in die freundlichen Gartenvororte hinaus, wo sich
die alte Kultur fortfristet, und er sucht dort seinem Natur-
und Schönheitsbedürfnis Nahrung zu geben, weil sie ihm die
Stadt versagt. Sie wird trotz des grölseren Komforts an-
scheinend immer unwohnlicher, sofern ästhetische Eigenschaften
zur Wohnlichkeit gehören. Die Bauspekulation, die in den
Peripherien die trostlosen Mietkasernen errichtet, steht nati'ulicli
nicht vor den alten Kulturwerken still.
Durch die andauernden Verwüstungen in den nächsten
Umgebungen der .Städte ist die Parkfi-age aktuell geworden.
In Wien wird die „Schaffung eines Wald- .und 'Wiesengürtcis
um Wien" erwogen, in anderen Städten wird sich die Park-
politik mit ähnlichen Fragen zu beschäftigen haben. In allen
Fällen aber soll es sich vernünftigerweise nicht so
sehr um Neuschaffungen als vielmehr um Erhaltung
des bestehenden Guten, also um eine Art Heimatschutz,
handeln. In diesem Sinne hat die Parkpolitik so ziemlich
in allen Städten eine wichtige und zeitgemäfse Kulturaufgabe
zu erfüllen. Mit der .Schaffung neuer Anlagen sollte nament-
lich in den hidbländlichen und oftmals entzückend schönen
Vororten lieber gewartet werden, bis die guten, alten ]\Iotive
der heimatlichen Tradition, auf die in diesem Zusammenhange
hingezeigt wurde, künstlerisch so verarbeitet sind, dafs endlich
wieder Gärten entstehen, die ebenso wie die alten, nach einem
Worte von Bacon of Verulam die ((»uelle reinster Freuden sind.
Verschiedenes.
Nochmals der Schöneberger Wettbewerb. Die ein-
zelnen Entwürfe, ihre \'orzüge und Fehler als Ersatz für das
nicht veröffentlichte Preisrichterprotokoll mit einigen kurzen Be-
merkungen hervorzuheben, war in der letzten Nummer der
Zeitschrift in Aussicht gestellt. Es wird nun bei der großen
Zahl der Einsendungen nicht möglich sein, bei allen Arbeiten
alle Einzelheiten, gute und weniger gute, zu nennen, um das
Referat nicht zu lang werden zu lassen und um häufige
Wiederholungen zu vermeiden. Es sei zur Ergänzung hin-
gewiesen auf die allgemeinen Forderungen. Die Verfasser, in
deren Interesse diese kritischen Bemerkungen hauptsächlich
niedergeschrieben sind, werden aus der Gesamtheit derselben
das für sie außerdem noch Zutreffende entnehmen können.
Die Reihenfolge soll nicht einer Wertbestimmung gleich-
bedeutend sein, sondern dieselbe hat sich teilweise durch die
Ähnlichkeit in der Auffassung, teilweise durch den Platz im
Saale ergeben.
..Wald. Wiese. Wasser." .\nnehmbare Arbeit, ähnelt
den Arbeiten „Dem Volke" und „Treu dem Ideale". Die zu-
sammengehaltene Pflanzung und die weitausgedehnten Wiesen-
flächen wahren den Charakter der geforderten natürlichen
Landschaft. Wege scheinen in etwas reichlichem Maße vor-
handen zu sein, doch wird durch die Lage derselben in ver-
schiedenen Höhen dieses in Wirklichkeit nicht in die Er-
scheinung treten. Die Verbindung der Straße T nach Platz V
wäre besser in weniger großer Kurve geführt. Auch mußte
die Axe der Straße S betont und von R aus über den drei-
eckigen Platz ein direkter Zugang geschaffen werden.
„Treu dem Ideal" hat die Betonung der Straßenachse S
versehen und den Durchblick von der Straße P nach Westen
verbaut. Die Lösung des Platzes R ist gut. Die Arbeit zeigt
im übrigen gute Disposition und das Streben, dem Ideal — (Park,
der nach dem Erläuterungsbericht geschaffen werden soll) —
möglichst nahe zu kommen.
„Dem Volke" kann mit zu den besseren Lösungen ge-
zählt werden wegen der ruhigen Wirkung in der Pflanzung
und der Behandlung der Easenbahn und der Wasserflächen.
Der l'ntei'grundbahnbof ist nur von der Westseite freigelassen,
im Osten dagegen vollständig gedeckt.
Die Vorzüge von „Schöne Berge, schönes Tal" be-
stehen in einer kräftigen Betonung der .Achse Stralie S durch
eine Hainpflanzung, und in der Durchführung aller auf das
(lelände mündenden Stral.len als Wege durch dasselbe, ohne
hierdurch Unruhe hineinzutragen. Eine ruhigere Linie hätte
allerdings dem Wasser gegeben werden müssen.
„Tallandschaft" steht über (;iuer ganzen Anzahl der Ein-
sendungen durch seine meisterliaft ausgeführten Ansichten und
die guten architektonischen Lösungen, zu denen der Eingang
vom Platze R aus zu rechnen ist. Doch kann die landschaft-
liche Gestaltung weniger befriedigen, vor allem nicht die in
unmotivierten Schlangenwindungen geführten Wege.
„Fink" ist ebenfalls in den Fehler zuvieler Wege gefallen
und legt die Wasserfläche entschieden zn klein an. Die ein-
gezeichnete Ausnutzung des angrenzei
1 Saugeländes ent-
IX, 4
DIE GARTENKUNST
79
spricht nicht den Anforderungen. Im übrigen beweist das
Projekt, daß der \'erf;isser mit großer Lielie die Aufgabe be-
arbeitet hat.
„Schönes 'l'al." Die architektonische Lösung des östlichen
Teils, die Fortsetzung der Achse über den UntCM-griindbahnhof
hinweg erinnert in der Haiiptdisposition an tJrunewiese, aller-
dings ohne deren großzügige Wirkung zu erreichen. Für die
Einmündung des Kingangs von Platz K in die Anlag..' hiitte
eine dem Achsenanfbau mehr angepaßte Lösung gefunden
werden müssen. Etwas zu klein ist die Wasserfläche im west-
lichen Teil.
„B e t u 1 a" trägt niclit Jen im I'rogranim verlangten
Charakter einer natürlichen Landschaft. Die auf der An-
schüttung vorgesehene Terrasse mit der gh icnenberankten
Pergola, die mit Bastei bezeichneten massigen Bauten, der in
natürlichen Formen gehaltene symmetrische Teich, die hohen
Hecken als seitliche Begrenzung eines Teiles der Wege usw.
erinnern an die Zeit, in der man sich von der architektonischen
Gestaltung auch in landschaftlichen Anlagen noch nicht recht
loslösen konnte, und wie es uns der sog. Salzmannsche Plan
von Sanssouci zeigt.
Bei „Volkswohl I" verdient der architektcjnisehe An-
schluß des Teiches an die Bambergerstraße Beaclitung, doch
ist leider die große Fläche durch die l']infügung einer Insel
zerschnitten, der projektierte Pavillon nicht in die Achse der
Straße S gerückt.
„Fortuna" läßt die Betonung der StJ-aße „S" und die für
den Zugang zum Paik notwendige Teilung des Platzes „R"
ve.imissen. Die Alpenanlage an der Bambergerstraße, der
kleine Teich im östlichen Teil mit seinen sehr zei'rissenen
Ufern ( Vierwaldstätter See) fällt aus dem landschaftlichen
Charakter der Umgebung ganz heraus.
Die Beurteilung von „Hain" wird erscliwert durch die
auf den Kopf gestellte Zeichnung. Es ist unbegreiflich, daß
der Verfasser nicht die Lage des Geländes im Situationsplan
benutzt hat. Die Seeflächen sind zerrissen, die Anordnung
auf Platz 1> ist gut, doch ist die Achsenbetonung Straße S
verfehlt.
Das letztere gilt auch von „Unten durch": namentlich
ist hier zu tadeln, daß die Treppenanlage gänzlich aus der
Achse herausgeschoben ist.
Bei „Oase" ist der dichte Schluß gegen die umgebenden
Straßen in dem beabsichtigten Charakter der Anl.ige bedingt.
Die Wasserflächen hätten eine größere Ausdehnung zeigen
müssen, um der Programmforderung zu genügen.
„Prosit Neujahr." Gut gelöst ist der lOingang vom
Platz R, jedoch bietet die Pflanzung zu wenig Schutz, die
Durch(]uerung von der Straße T nach Platz V unter Benutzung
einer Insel kann als den Durchblick hindernd als wenig glück-
liche Lösung angesehen werden. Genau so wie der Vei'fa.sser
„Dem Volke" kann sich dieser Autor nicht loshisen von den
spitzen Ecken der Wegekreuzungen und Eimnündnugen.
„Birken und Eichen." „Mit unserem Entwurf wollen
wir dartun, daß die Forderung des Preisausschreibens, eine
Parkanlage im Charakter einer natürlichen Landschaft zu schaffen,
recht wohl erfüllbar ist, ohne immer wieder die sattsam bekannten
Bretzelwege vorzusehen, die der Landschaftsgartenkunst in
letzter Zeit reichliche Kritik eingetragen haben." (Aus dem
Erläuterungsbericht. )
Die Bretzelwege sind vermieden. Nur ein Umgangsweg
führt um die fast die Hälfte des Geländes einnehmende Wasser-
fläche, die in ihren Formen sich nahezu den graden Linien
der Begrenzung anschließt. Zweifellos erfüllt dieser Iilntwnrf
in bester Weise die Piogrammfordernng : Wasserflächen für
Ei.s- und Kiulersport zu schaffen. Diese große Wasserfläche,
die nur am K'ande auftretende massige Pflai\zung geben der
Anlage einen .lurchans ruhigen und großzügigen Charakter.
Im „Volkspark" ist die Verliindung '1' V in Straßen-
hr.lie als Wall durchgeführt, hierdurch dem großen Parkteil
eine unnötige Trennungslinie eingefügt. Daß die Ecke Bam-
bergerstraße und Straße I! durch Pflanzung dicht geschlossen
und so jeder Einblick in die Anlage verwehrt ist, kann nur
als ungünstig bezeichnet werden.
„Fenngelände" erinnert teilweise an l'hitwnrf „.Sclilicht 1".
Der Verfasser läßt die Architektur des BahnhoIVs zur Geltung
kommen und schafft auch einen I^aufbrunnen an der Fcke der
Bambergerstraße. Die sonst ruhige Disposition wird jedoch
gestört durch einen unruhigen liop|iehveu' fiir ttie ^■erbindun,<>■
T-V.
In „Schlicht 11" sehen wir eine Anlage vor uns, welidie
die Eigenarten des Geländes und die Architektur Unter-
grundbahnhof — gut auszunutzen versteht und an dei- Dar-
stelhingsweise erkennen läßt, daß ihr Vcrf.issiu- auf tlm (Je-
biete der Wettbewerbe zu Hause ist.
„Friede" hat sich den ISlick anf das Wasser von Ein-
gang li in den östlichen Teil durch ungünstige Lage des
Teiches verbaut. Die Pavillons, deren je einer im östlichen
und westlichen Teil hoch über dem Wasser errichtet sind,
hätten in ihrer Ausgestaltung etwas Verschiedenheit aufweisen
müssen. Die Wegdisposition ist ungünstig, da ein ruhig ver-
laufender Wog, der einen Spaziergang durch die Anlage ge-
stattet, fehlt.
„In seiner Jahre Blüte schafft einer für viele"
konnte in der Bepflanzung massiger gehalten sein. Störend
sind die vielen gleichmäßig sich wiederholenden Kurven des
Teiches. Eine unglückliche Anordnung zeigt im ö.stlichen
Teil der Wassei-faü, der nur vom Park her zur Wirkung
kommt, dem vom Platz R Eintretenden aber die Rückseite zeigt,
„Nichts zu viel" bringt viel zu viel Wege, zerschneidet
das Gelände und kommt zu keiner ruhigen Wirkung. Die
Achse der Straße „S" ist richtig betont. Eine bessere Zeich-
nungs- und Darstellungsweise in weniger disharmonischen
Farben ist dem Verfasser anzuraten.
Gleichfalls durch einen großen Wegereichtum zeichnet
sich „Per aspera ad astra" aus. Die Grottenbauten passen
nicht hinein in das Bild der märkischen Landschaft. Eine
größere Beachtung hätte den Dui'chsichten und deni Platz U
geschenkt werden müssen.
„Über Berg und Tal" hat zu viel Wege und ist in der
Pflanzung zu unruhig gehalten.
In „Landschaft" wirkt der Mittelweg in der Längs-
nchtung der Anl.age störend: die beiden in der Form gleich-
mäßigen Teicluinlagen sind von zu geringer Fiächenaus-
dehnung. Der Spielplatz an der Ecke der Bambergerstraße
liegt ungünstig, weil durch die Baumpflanzung der sonst
wirkungsvolle Durchblick verbaut ist.
„Etwa". Durch dichte Pflanzung gegen jeden Blick von
den umgebenden .Straßen abgeschlossen, mit nur einem einzigen
Durchblick im Innern über die viel zu geringe Wasserfläche,
verrät der Entwurf Benutzung bekannter .Schablonen. Über
das wenig Gute der Arbeit können nicht einmal die beige-
fügten Ansichten aus der Vogelperspektive mit ihrer auf-
dringlichen B^arbengebnng hinwegtäuschen.
„Borealis". Unruhe wäre ein besseres Motto gewesen.
Sie zeigt sich in den Wegen, im Wasser, in der Pflanzung
und in dem Grottenbau, welcher bei Offcnhaltnng einiger
„Fenster" dem Untergrundbahnhof Licht geben soll.
„Nimm mich mit". Richtig erkannt ist die Betonung
80
DIK GAUTKN KUNST
IX. 4
der Achse der Straße „S". doch würde für Felsaul'baii anderes
Material am Platze gewesen sein, als der Grnttenstein, den
die beigefügten Skizzen nur zu deutlich erkennen lassen. Im
übrigen ist die sauber ausgeführte Federzeichnung das beste
an der ganzen Arbeit.
„Märchenijark". Soviel das Motto zu versprechen
scheint, so wenig erfüllt die Arbeit die Erwartungen. Ks ist
der Versuch gemacht, großzügig zu arbeiten ilurch die durch
beide Teile hindnrchführende Allee. Doch ist der versuchte
architektonische Aufbau nicht ganz frei von I''ehlern. deren
größter in der Gestaltung des Brechpunktes der Achse im öst-
lichen Teil besteht. Die Wasserflächen sind vollständig zer-
rissen und zeigen Uferbildungen, die in der Natui' unter ähn-
lichen Verhältnissen niemals vorkommen.
„Für die Zukunft" des Verfassers auf gartenkünst-
lerischem Gebiet verspricht dieses Projekt nicht besonders
viel. Das Gelände ist durch Wege so stark zerschnitten, die-
selben sind so geführt, daß nur der Kundige ohne Wegweiser
ans diesem Labyrinth herausfinden dürl'te. 1(1 Ansichten und
4 Pastellbilder vermögen niclit darzutun, was der Verfasser
sich von seiner Anlage für die Zukunft ilenkt.
_Conca doro'' setzt sich hinweg über Forderungen der
Gartenkunst, schafft schon im Anbeginn „verwilderte" Nutiir
und durchzieht den W.ild mit wirr verschlungenen Pfaden.
„Erholung" zeichnet sich durch eine äußerst unruhige
Pflanzung aus, deren unruhiger C'harakter noch verstärkt wird
durch die Darstellungsweise. Der unter allen Tmständen frei
zu haltende T^inblick von der Bambergerstrnße ist durch Pflan-
zung dicht geschlossen und hat sich hierduich der Verfasser
der Durchbildung eines der besten Motive beraubt. In der
Idee sowohl als auch in der zeichnerischen Darstellung, bei der
die aus krummen Asten zusammengesetzten Buchstaben der
Aufschrift Zeugnis von dem Fleiß des Verfassers .ablegen, ist
die Arbeit als die eines Anfängers zu erkennen.
„Märkisches Land" ist unsicher in der Disposition
und unruhig in der Pflanzung. Daß die Verbindung T. V.
mit Alleepflanzung versehen ist, trägt nicht dazu bei, den not-
wendigen Eindruck der Zusammengehörigkeit uml des Ein-
heitlichen zu erhöhen.
„In magnis et voluisse sat est" ist als rein architek-
tonische Lösung wohl von Anfang an ausgeschlossen gewesen
von der Anwartschaft auf Prämierung, weil es gegen die
Programmforderung einer l.mdschaftlichen Anlage verstößt.
Des straffen Autbaus auf die Straße P. ist bereits in letzter
Nummer gedacht. Die Betonung der Achse Straße S. mit dem
der Terrasse vorgelagerten architektonischen Wasserbecken,
das in seinen Ausmaßen größer sein konnte, ist, als Einzelheit
betrachtet, von gleichem Wert, doch ist die Zusammenfassung
dieser beiden Achsenaufbauten zu eiueiu einheitlichen Ganzen
nicht völlig geglückt.
Ebenfalls großzügig in der Disposition unil Wirkung ist
„Birke", doch wird sie durch die an der liambergerstraße
als Abschluß der Achse angebaute Grotte beeinträchtigt.
Wenn hier nicht ganz massig gearbeitet wird, möchte der
Grottenaufbau gegenüber der strengen Linie der architek-
tonischen Anlage leicht kleinlich wirken. Die Lösung dis
Platzes R und die Verbindung von hier nach Straße W, die
vielfach keine Berücksichtigung erfahren hat, ist gut.
Kann diesen beiden architektonischen Lösungen Aner-
kennung nicht versagt werden, so fällt .Dem Vergnügen
der Einvi'ohner" mit seinem ohne inneren Zusammenhang
aneinandergereihten, an sich oft ganz ansprechenden Motiven
an ruhiger Disposition bedeutend ab. Eine vorzügliche Lösung
zeigt die Gestaltung am Eingang von l'latz K. Za h n ■ Steglitz.
Soeiete Dendrologique de France. Ende November li)()."i
traten in Paris eine Anzahl Herren, die sich in deutschen
dendrologischen Kreisen als Liebhaber und Kenner eines grofsen
Rufes erfreuen, zusammen, um eino französische dendrologische
Gesellschaft analog miserer. den Lesern der „Gartenkunst"
wohlbekannten deutscheu dendrologischi.-n Gäsellschaft zu
grünilen. Es wurde als erster Präsident der frühere Gesandte
Poubelle gewählt, dem als Vizepräsidenten zwei sehr be-
kannte Herreu: S. Allard aus Angers und Maurice L. de
Vilmorin aus Paris zur Seite stehen. Generalsekretär ist der
ausgezeichnete Koniferenkenaer K. Hickel, Inspekteur des
Eaux et Forets, Versailles, und als Schatzmeister fungiert
L. A. Dode, Paris, ein als Salikologe niclit \mbekanntpr Rechts-
gelehrter.
Diese (Gesellschaft verfolgt die gleichen Zwecke wie unser
deutscher Verein, dessen jüngere Schwester sie ist. Sie zählt
bereits über 100 Mitglieder, darunter auch eine Anzahl Aus-
länder.
Der Mitgliedsbeitrag ist sehr gering, er beträgt nur 5 Frs.
«las .lahr im Minimum.
Dafür erhält jedes Mitglied das vicrteljähi-lich erscheinende
Bulletin, dessen erste zwei Nummern mir vorliegen. Sie zeigen,
dal's die Soeiete mit Eifer und Erfolg bestrebt ist, den Spuren
ihrer deutschen Vorgängerin zu folgen, die unter der eminent
fördernden Leitung Graf v. Schwerins es bereits auf über
1200 Mitglieder gebracht hat. Woran sich übrigens die (.Ge-
sellschaft für Gartenkunst ein Beispiel nehmen kann!
Um zu zeigen, dafs das französische Bulletin recht lehr-
reiche Abhandlungen enthält, weise ich aus Nummer 2 vom
1."). November lilOli auf die Artikel von Hickel: „Notes pour
servir ii la d^termination prati(|ue des Abietinees" und von
Dode: „Contributiou ä l'etude du genre .luglans" hin. beide
sind illu.striert.
Ich würde es für sehr wichtig halten, dafs namentlich
grofse Stadtgartenverwaltungen nicht nur Mitglieder der
deutschen, sondern auch solche der französischen dendro-
logischen Gesellschaft werden. Die Herren Leiter solcher Ver-
waltungen könnten durch diese Gesellschaften sich neue und
seltene Schätze verschaffen, deren weiterer Anzucht ihnen dann
gewifs Baumschulen und andere Orte zur Verfügung stehen.
Die letzten zehn Jahre zumal li.iben uns so viel Kunde
von neuen scluinen Sorten gebracht, dai's uns in Zukunft eine
Unmenge prächtiger Einführungen zur Verfügung stehen, die
für die Landschafts gärtnerei, wie überhaupt für gartenkünst-
lerische Bestrebungen sehr wertvoll sein werden. Worauf ich
später noch eingehend in besonderen Artikeln hinweisen will.
.ledenfalls wünsche ich der französischen Gesellschaft das
gleiche freudige Gedeihen, wie unserer deutschen. \i\\<\ holte,
dafs unsere Gartengestalter es verstehen, den rechten Nutzen
aus diesen Gesellschaften zu ziehen, indem sie gleichzeitig sie
mit fördern helfen (!amillo Karl .Schneider.
Die Königliche Gärtner-Lehranstalt zu Dahlem bei
Steglitz (Berlin) veranstaltet vou\ 8. bis 13 .\pril d. .). einen
Gartenbau-Kursus für Gartenfreunde (für Damen und
Herren), durch welchen wie in den A'orjahron Interessenten
Gelegenheit geboten werden soll. Kenntnisse auf diesem (ie-
biete zu erwerben.
In dem Kursus werden folgende Thenuita behandelt:
01)stbauTiipflege, (iemüsebau,( 'hampignonkultur. l'flanzen-
kultiir. lOruährung der Pflanzen, Zweckmäßige Düngung,
Pflanzenkr:inklieiten. Zininieriiflanzen nnd ülnnu-n im
Hause.
Anmeldungen siml um.i;chend .-in die Direktion der .Anstalt
einzureichen. D.is lionorai' fiii den Kursus beträgt für li)-
IX, 4
hli: CA ItTHNKlINST
Sl
länder nebst Bestellgeld: 9 Mk. 05 Pi'n' , und ist dieser Betrag-
nach diesseits erfolgter Zusage der Aufnahme in die Teilnehmer-
liste an die Kasse der Königlichen Ciärtner-Lehr.instalt zu
Dahlem bei Steglitz einzusenden. I>ie Direktion.
Allgemeine Gartenbauausstellung Berlin. l>ie Allge-
meine (Jartenbauausstelking in der neuen Halle des Zoologischen
Gartens, deren Reinertrag einen Fond zur .\usschniiickung der
Krankenhäuser Grol'sberlins mit Blumen und Pflanzen bilden
soll, wurde durch Gartenbaudirektor Fintcbnann am i:-!. März d. J.
eröffnet. Sie wurde sehr gut besucht und schon am ersten
Tage durch die Kaiserin und l'rinzen uinl l'iinzessin Eitel
Friedrich besichtigt.
Über die Ausstellung geht uns folgender Bericht zu : In der
Ausstellungshalle des zoologischen Gartens zu Berlin wurde am
i;i. März die „Allgemeine Gartenbauausstellung" eröffnet.
Richtiger hätte man sie wohl „Blumenausstellnng" genannt^
denn neben den zeichnerischen Arbeiten einiger (lartenküastler,
einigen Modellen, t;artenbaid;eu uiil Lauben. Gittern und
Töpferwaren spielten die Blumen uml, um ilicse hervorzulieljen.
die sogenannten Dekorationspflanzcu die Hauptrolle. Tnd sie
spielten sie gut. Eine Fülle der leuchtendsten Blüteu inmitten
von Palmen und Lorbeeren, nahmen die Blicke gefangen,
wahre Duftwolken hüllten uns ein, und war das Auge müde
vom vielen Sehen, so luden uns stille, liciinclige, abgeschlossene
Blumengärtchen zum Rasten ein.
AuUerordentliche Mittel, groUe Umsicht und viel ^'er-
sländni-i gehören dazu, tro'.z der Mannigfaltigkeit uml Fülle
des Jlaterials alles so zur bestimmten Stunde in fjischer FJlüte
bereitet zu haben.
Die Mitte der langen Halle nahm ein l'himenparterre ein.
Im ^Mittelpunkt entsprangen rauschende Wasseistrahlen einem
regelmäliig geformten liecken und fielen auf geschickt an-
gebrachte Wasserpflanzen zunkk. Um dies Bassin hoben sich
vier prachtvolle C'allagruppon von rotem Azaleengrnnd leuchtend
ab. An den Längsseiten folgten Beete mit weißen und roten
Rosen in edelster Form. Azaleen, Hyazinthen, Flieder, Schnee-
ball, Primeln und vielen anderen, die auf einem aus Tannen-
reis gebildeten Untergrund ein lebhaftes und dcjch harmouisch
geordnetes Bild boten. Sehr geschickt waren einige .Skulpturen
aufgestellt, ungezwungen, und doch mul.iten sie gerade da
stehen, wo sie standen. — Unter den Logen, an der .Vul-ien-
seite des Saales entlang waren die schon erwähnten Blumen-
gärtchen augeordnet. Sie waren im allgemeinen in einfachen
F'ormen gehalten und wirkten gerade durch diese Einfachheit
und ihre feinen Farben. Ein Rosengärtchen mit ei.jem Dorn-
röschen, das erste Gärtchen gleich linker Hand vom Eingang,
das Gärtchen des Gartenarchitekten Hallervorden, von ge-
schnittenen Hecken eingeschlossen, waren besonders stim-
mungsvoll. Im übrigen waren niedrige, solide, einfache
Gitter als Abschluß gewählt, der Anstrich in warmem Rot
und auch in hellen Tönen gehalten.
Der Laubengang im 2. Gärtchen linker Haml war ent-
schieden zu groß für dasselbe; schade noch besonders, daß
man ihn nicht über und über mit den entzückenden Clematis-
ranken überspinnen konnte, sondern sie nur luichst not-
dürftig mit Efeu überrankte.
Eni Gärtchen mit annähernd schlangenförmig gebogenen
Wegen wirkte, trotzdem es den doppelten Raum einnahm,
unruhig und eng. »Sogar hier ein „Gegenbeis[iiel" für „fand-
sch.iftliche Gartengestaltung auf 200 qm".
In den sogen. Logen fand man neben den mit Blumen
geschmückten Krankenzimmern eine moderne \\'olinung mit
intimem, kiistlichem Blumen- und Tafelschmuck. Weiter
sahen wir die prämierten Pläne vom Schöncberger Wett-
bewerb, und dann zog sich durch die Länge des Saales ein
ganzes Vermögen in Orchideenpflanzen, vom bescheidensten
Kxemplar bis zur vornehmsten Cattleya. — An der Längsseite
des Saales hatte man durch die Bogenfenster einer imitierten
Mauer, die in einfacheu Linien Guirlandenschmnck trug, noch-
mals einen schönen Überblick. Wir streiften dann noch im
Vorübergehen eine „lackierte Naturholzlaube". betrachteten die
Samndung von Tonvvaren (Töpfe, Vasen), von t'uttern u. dgl.
Nicht zu vergessen mehrere Modelle von Gärten und Fels-
.inlagen. von denen einige nach der Ausstellung in den Besitz
der Dahlemer (iärtnerlehranstalt übergehen. Den Beschluß
bildeten Bindekunstvverke und eine Sammlung von einzelnen
Orchideenblütenständen, Neuzüchtungen, deren Stammpfian-
zungen für 20, :iO, 411000 M. zu haben sind.
Zweierlei hat mich gestört: Erstens die We.ge im Blumen-
parfcerre. Wozu waren sie da? Sie wurden doch nicht be-
gangen und ohne sie hätte das Parterre ruhiger gewirkt.
Zweitens einige traurige Weisen des Orchesters. Die gelu'iren
nicht zu dem heiteren Anblick der Blumen. Durch die Musik
verliei-en überhauiit die Blumen als Ausstellungsobjekt: sie
sinken f.ist zu einer Ausschmückung für ein „Promenaden-
konzert" lier.ib. Freilich gibt es weite Kreise, die mehr für
ein Promenailenkonzert als für eine Gartenbauausstellung übrig
haben.
Alles in allem: alle Achtung vor dem Leiter, der es ver-
staml, eine derartig ausgedehnte Räumlichkeit so auszugc-
stdten, daß sie ein volles, schiine-i Ganzes bildete.
.\. Ochwadt.
Gerichtliche Klage gegen die Entscheidung bei Wett-
bewerben. Die Deutsche Bauzeitung teilt in Xo. 22 vom
Ili. März d. J. mit, daß die tiefgehende Unzufriedenheit, welche
iu den Kreisen der Beteiligten über die ICntsclieidung in dem
von der Carnegiestiftung veranstalteten Wettbewerb betr. Ent-
würfe für den iM-iedenspalast im Haag Platz gegriffen hatte,
durch die Nachricht, dal! die Carnegiestiftung den Architekten
C'ordonnier beauftragt habe, einen neuen umgeänderten Ent-
wurf für den Friedenspalast zu schaffen, und diesem Architekten
auch die Leitung der Ausführung übertragen werde, erheblich
sich gesteigert und zur Bildung eines Komitees geführt habe,
welches im Auftrage zahlreicher Beteiligter auf dem Wege
der Klage eine Nichtigkeitserklärung der Wettbevverbs-
entscheidung herbeiführen wolle, nachdem ein gerichtlicher
Einspruch gegen das Vorhaben der Carnegiestiftung erhoben
ist. Hierin wird die Auffassung vertreten, daß die Bestimmungen
eines Wettbewerbsprogrammes den Wortlaut eines Vertrags
zwischen dem Ausschreibenden und den Teilnehmern am Wett-
bewerb darstellen und daß sich der Ausschreibende einer Ver-
tragsverletzung schuldig mache, wenn er die Bestinnnungen
des Prfigramms nicht strikte einhalte. Eine solche Verletzung
liege auch vor, wenn der Ausschreibende eine gegeu wesent-
liche Programmbestimmungen verstoßende Entscheidung des
von ihm bestellten Preisgerichts anerkennt und zur Ausführung
bringt. Im vorliegenden Falle handelt es sich darum, daß die
im Programm angewiesene Bansumme von dem mit dem I. Preise
ausgezeichneten Entwürfe weit überschritten wurde und andere
prämiierte F]ntwürfe nicht die Grenzen des in den Wettbewerbs-
unterlagen vorgeschriebenen Geländes eingehalten haben.
Man darf bei dem allgemeinen Interesse, welches die hier
angeschnittenen Fragen für weite Kreise haben, auf den Ver-
lauf der Angelegenheit gespannt sein. Das allgemeine Recht-
lichkeitsgefühl und die jedem Menschen innewohnende natür-
liche Auffassung möchten es fast zweifellos erscheinen lassen,
daß ein Einspruch, wie er hier vorliegt, erfolgreich sein müsse,
indessen belehren uns die Ausführungen eines Juristen
82
ßlE GARTENKUNST
IX, 4
(Landgerichtsrat Dr. Boetlike-Berlin), welchen die Deutsche
Baiizeitung um Mitteilung seiner Ansicht ersuclit hat, einer
anderen. In seinen Ausführungen wird zunächst darauf hin-
gewiesen, daß nach § 661 Abs. 2 des Bürgerl. Gesetzbuches
die Entsclieidung der Preisrichter für alle Teile verbindlich sei
und eine Anfechtung dieser Elntscheidung beim Fehlen eines
geordneten Rechtsmittel zugs nicht angängig sei. Anders liegt
es, wenn es sich um Ersatzansprüche für einen Schaden handele,
der sich als Folge einer unrichtigen Entscheidung des Preis-
gerichts darstelle. Sie könnten wohl in Fällen mit Aussicht
auf Erfolg geltend gemacht werden, wo bei der f^ntscheidung
offensichtliche VerstölJe gegen Programmbestimmungen vor-
gekommen sind, nicht aber, wenn es sich darum handelt,
welcher von mehreren Entwürfen der bessere ist. Haftbar
machen ließe sich nach § 826 des BGB. der schuldige Preis-
richter, aber auch, was den Geschäiligteii vielleicht vorteil-
hafter ist, der Ausschreibende, in dessen Auftrag der Preis-
richter seines Amtes gewaltet hat (§ 27« des BGB.), Allein
die meisten Schadenersatzansprüche dürften daran scheitern,
daß der Nachweis der Hube des erlittenen Schadens so gut
wie ausgeschlossen ist. Dadurch werden die Miigliclikeiten.
welche die vorhin angeführten Paragraphen zu bieten scheinen.
wieder illusorisch und man kommt zu dem Ergebnis, daß die
Entscheidung des Preisgerichtes wenigstens nach den deutschen
Gesetzesbestimmungen fast unangreifbar ist. Der .lurist erörtert
dann noch die Möglichkeit, ob sich durch entsprechende Er-
gänzung der Wettbewerbsgrundsätze, wie sie vom Verband
deutscher Architekten- und Ingenieurvereine w. a. aufgestellt
sind, wirksame Abhilfe schaffen ließe, kommt aber zu dem
Ergebnis, daß dadurch das ganze Wettbewerbsverfahren so
umständlich und kostspielig gemacht würde, daß die Neigung
zur \'eranstaltung von Wettbewerben und zur Übernahme des
Preisrichteramtes sehr darunter leiden würde. Und das kann
doch nicht im allgemeinen Interesse liegen.
Wilhelmshöher Allee, Kassel. Die Schloß Wilhelmshölve
mit der .Stadt Kassel verbindende, 4 Kilometer lange Wilhelms-
höher Allee, und zwar zunächst die Strecke vom Wilhelms-
höher Platz bis zur Berlepschstraße, sol! nach einem Beschluß
der .Stadtverordneten im nächsten Winter mit einem Kosten-
aufwande von 76 000 Mark (einschließlich der Pflasterarbeiten
auf dem Bürgersteig) neubepflanzt werden, Dieser Beschluß
hat vielfach Bedauern erregt, ist aber leider notwendig geworden,
weil die jetzige, über 100 .Jahre alte Pflanzung zwar im ein-
zelnen noch teilweise sehr schöne Bäume aufweist, in der
Ge.samtwirkung aber durch die zahlreichen Lücken und Nach-
pflanzungen ein nichts weniger als schönes Bild darbietet. Zu-
mal in der letzten Zeit sind verhältnismäßig viel Bäume ab-
gestorben. Es rächen sich jetzt die Sünden früherer Zeiten,
in denen infolge des Mangels an sachverständiger Aufsicht bei
Rohrlegungen usw. die Wurzeln rücksichtslos abgehauen und
die Bürgersteige durchweg mit Zementplatten belegt wurden,
ohne in der Nähe der Bäume für eine mehr durchlässige Be-
festigung zu sorgen. Nach langen Verhandlungen hat man sich
entschlossen, für die Neupflanzung die Kriniliri<le(Tiliaeuchlora|
zu wählen wegen ihres geichmässigen Wuchses luid des saftig-
grünen Blätterschmuckes, wenngleich andere Lindenarten das
Laub teilweise länger halten. Nach dem vom städtischen Garten-
insjiektor Engeln aufgestellten Arbeitsjjlan wird am 1. Oktober
mit der Arbeit begonnen und diese so gefördert, dass bis zum
.Sommer 1908 alles einschliesslich der Arbeiten am Bürgersteig
erledigt ist. W.
Kaiser Friedrich-Park, Aachen. Die Stadtverordneten-
versanimhing bewiUigte für die .Anlage dos Kaiser Friedrich-
parkes den Betrag von 180000 Mk., nach dem Entwurf und
Voranschlag des Gartendirektors Wessberg.
Jubiläumsausstellung 1907 Mannheim. Wir haben be-
reits in unserem Februarheft (Seite 37) mitgeteilt, daß in das
Ausstellungsprogramm eine Sonderausstellung für Gartenpläne,
Modelle, Entwürfe zu Lauben, Einfriedigungen, Springbrunnen
und sonstige (^iartenausstellungssachen eingefügt worden ist.
Die Dauer dieser Sonderausstellung ist berechnet auf die Zeit
vom 15. Mai bis Ende August. Anmeldungen wolle man
baldigst an die Ausstellungsleitung (Mannheim, Friedrichs-
platz 1-1) richten. Es stehen im ganzen nur etwa 370 qm
Fläche (Wand und Tische) zur Verfügung. Die in Aussicht
genommene Hängekommission, der neben Gartenkünstlern von
Ruf auch hervorragende Architekten angehören, entscheidet
über die Zulassung der eingelieferten Gegenstände und waltet
zugleicli als Jury.
Zu den von der AusstelKingsleitung ausgesetzten Preisen
(Medaillen und Ehrenui'kunden) ist noch ein wertvoller Pi-eis
hinzugekommen: Seine Königliche Hoheit Prinz Arnult
von Bayern hat einen Preis im Werte von 1000 Mk. ge-
stiftet, und zwar für
a) künstlerische Entwürfe von Städteanlagen unter
größtmöglichster Wahrung und Verwert ung land-
schaftlicher Schönheiten und
b) künstlerische lOntwürfe für Anlagen von (iarten-
städten oder Stadtteilen mit sehr hervortretender
Verwendung von öffentlichen und privaten gärt-
nerischen Anlagen.
Mit IJücksicht auf diese Preisstiftvmg ist die .'Xnmehlofrist
bis zum 15. April verlängert worden. II.
Bücherschau.
Prof. Dr. A. Wieler, Untersuchungen über die Ein-
wirkung schwefeliger Säure auf die Pflanzen, Berlin,
Gebr. Borntraeger. l'.KI.'i. In einer sehr bedeutsamen und um-
fangreiclien Arbeit behandelt Wieler die Einwirkung der
schwefeligsauren Gase auf die Pflanzen. Die Versuchsresultate
wurden teilweise im Laboratorium gewonnen, zum Teil aber
auch in den Rauchschadengebieten industriereicher Städte, wo-
durch der praktische Wort dieser Untersuclningen eine sehr
hohe Einschätzung verdient. Es ist unmiiglich, in einem kurzen
Referat der grol'sen Fülle des behandelten Stoffes auch nur
einigermafsen gerecht zu werden, und seien hier deshalb nur
einige besonders wichtige Ergebnisse hervorgehoben.
Die durch schwefelige .Säure entstehenden .Schäden werch^i
liäufig erst einige Zeit nach der Einwirkung dos (iases be-
merkbar. E)iese Tatsache wird verständlich durcli die Annahme,
dafs die schwefelige Säure in den Blattzellen gespeichert wird,
und in der Tat liefs sich auch im Innern der Blätter aus
Rauchschadengebieten SOj nachweisen. Dieser Nachweis ge-
lang sogar bei den Hbittorganen der Bäume aus den .\nlagen
der technischen Hochschule bei Aachen, wobei anzunelimen ist,
dafs die Säure hier aus dem Kohlenraucli der Luft herstammte,
zumal in der Nähe der Hochschule ein Bahnluif gelegen ist.
Von Haselliof f und Linilau wurde aber schon nachgewiesen,
dafs der Raucli aus der Stoinkohlciifeuerung der Lokomotiven
unter Mitwirkung besonderer lokaler Verliältnisse sogar die
Nadelhölzer zum Absterben bringen kann.
Schwefelige Säure kommt normaler Weise iu den Blatt-
organen der llolzgewächse nicht vor. Ihr .auftreten mul's hier
immer auf eine Aufnahme aus einer die .Säure enthaltenden
Luft gedeutet werden. Die Blätter nehmen umsomehr von
IX, 4
DIE GARTENKUNST
83
diesem Gase auf, je reicher die Luft daran ist, aber selbst sehr
starken Verdünnungen vormögen sie noch nachweisbare
Mengen zu entzielien. Die Fortführung der schwefeligen Säure
durch die Luft kann auf weite Entfernungen, auf mehrere Kilo-
meter, erfolgen, doch dürfen wir nicht annehmen, ilal's eine
unendlich verdünnte und deshalb auch nur in Spuren aufge-
nommene Menge dieses (iases sofort eine Schädigung der
Pflanzenorgane hervorljringt. Dem widerspricht sclioa die
praktische Erfahrung. Vielmehr liel's sich von vornherein ver-
muten, dafs Beschädigungen erst bei einem bestimmten Säure-
gehalte in Erscheinung treten. Die diesbezüglich angestellten
Versuche haben dies bestätigt, so wird 1 : 1000(1 vielfach er-
tragen, 1 : "JO 000 schadet in sehr vielen l'^ällen nicht und
1 : 40000 ist für krautige Pflanzen im allgemeinen unschädlicli.
Entgegen der Auffassung von Hasel hoff und Lindau,
die alle Schadenwirkung des Rauches der Seh wef elsäure zu-
schreiben, wird von Wieler, gestützt aal seine Versuche und
den Nachweis der schwefeligen Säure in den verscliiedenen
Rauchschadengebieten entnommenen Blättei'proben, der Stand-
punkt mit Erfolg vertreten, dal's die schwefelige Säure in der
Gasform als das schädigende Agens angesehen werden müsse.
Das Eindringen der sauren Gase erfolgt durch die Spalt-
öffnungen. Alle Momente, die auf eine Vergrölserung dieser
Eingangspforten einwirken, müssen unter sonst gleichbleibenden
Bedingungen somit auch eine Steigerung der Säurewirkung
hervorbringen. Die Stomata schliefsen oder verengen sich be-
kanntlich in trockener Luft, während sie sich in feuchter Luft
öffnen oder erweitern und damit läuft allgemein parallel der
nachteilige Einflul's der schwefeligen Säure in feuchter Luft.
Auch das Licht bewirkt gegenüber der Dunkelheit ein Offnen
der Spaltöffnungen und es erreicht demgemäCs die Schaden-
wirkuag ihren Höhepunkt, wenn hohe Feuchtigkeit mit starker
Belichtung sich eint.
Die Art der durch ein saures Gas an den Blättern hervor-
gei'ufenen Beschädigungen ist je nach der Gröfse des be-
wirkten Schadens verschieden. Ist derselbe grofs, dann sterben
alle Zellen ab, ist er kleiner, dann treten kleinere oder gröl'sere
Flecken auf. die entweder am Rande oder auch interkostal er-
scheinen, manchmal werden auch ganze Blattabschnitte abge-
tötet. Die Flecken zeigen rote, rotbraune und braune Töne.
Diese Rotfärbung trat bei den Experimenten nur dann hervor,
wenn dieselben iinter dem direkten Einflul's des Sonnenlichtes
zur Ausführung kamen, weshalb von dem Verfasser diesem
eine mittelbare Bewirkung des roten Farbentones zuge-
schrieben wird.
Für die Praxis sehr beachtenswert ist die Tatsache, dal's
durch die Gegenwart der schv^'efeligen Säure die Assimilation
der Blätter ungünstig beeinflufst wird. Die Gröfse der Emp-
findlichkeit der einzelnen Pflanzenarten, wie auch der Indi-
viduen unterliegt weiten Schwankungen. Als sehr empfindlicli
nach dieser Richtung haben sich Buche und Fichte gezeigt.
Die Frage, ob eine Pflanze im Freien in mit schwefeliger
Säure verdünnter Luft allmäldich so viel von dem schädliclieu
Gase zu speichern vermag, dal's dadurch ihre Assimilation
wesentlich gehemmt wird, darf a priori bejaht werden. Die
Wasserbeweguug in der Pflanze wird dagegen durch Säure-
konzentrationen, die keine Abtötung der Blattsubstanz veran-
lassen, nicht beeinflufst. Die Ableitung der Assimilate wird bei
Gegenwart schwefeliger Säure verzögert, namentlich gilt das
für die Stärke. Diese Verlangsaraung der Entstärkung der
Blätter wird von dem Verfasser auf eine Verminderung der
Diastaseproduktion zurückgeführt, die eine Verzögerung der
Umwandlung der Stärke in lösliche Kohlehydrate nach
sich zieht.
Der ganze Baum leidet infolgedessen an Nälu-stoffmangel,
und dieser ist um so mehr ausgeprägt, je länger die Bäume der
Einwirkung der Säure ausgesetzt sind. Blätter werden nur noch
wenige gebildet, und die lUattflät^hen sind klein, die Gipfel der
Bäume fangen an abzusterben. Dieser Absterbeprozefs wird
aber noch wesentlich gefördert, wenn der Baum plötzlich von
gröl'seren Mengen von Säure getroffen wird, so daCs eine direkte
Alltötung der Blätter veranlafst wird, besonders wenn sich
dieser Vorgang einige -lalire liintereinandor wiederholt.
Durch Regen und 'l'au, aber auch allein infolge ihrer
Schwere» werden die sohwefeligsaureu Gase auch dem Boden
z\igeführt. Der herrschenden Ansicht, dafs sich die schwefeligo
Säure im Boden sofort oxj'diere, tritt Wieler entgegen, denn
er konnte in den in Betracht kommenden Böden stets SO2 nach-
weisen. Es kanu also auch eine direkte Schädigung der Baum-
wurzcln durch dieses Gas bewirkt werden, eine Leitung der
Säure nach den oberirdischen Pflanzenorganen hält der Ver-
fasser dagegen für ausgeschlossen. Die in den Boden gelangte
Schwefelsäure wird bei genügendem Vorhandensein von Basen
bald gebunden und zum Teil ausgewaschen. Ist der Obergrund
an Basen arm oder verarmt, so l)leibt die Schwefelsäure längere
Zeit im freien Zustand und wird so ungünstig auf das Pflanzen-
leben des Bodens, besonders aber auch auf die Bakterienwelt
desselben einwirken. Dadurch werden die biologischen Vor-
gänge, auf denen die Humuszersetzung teilweise beruht, zum
grofseu Teil suspendiert und dadurch wiederum die für die
Pflanzen aufnehmbaren Stickstoffmengen vermindert. Einen
älmlichen Effekt äufsert die durch Auswaschung bewirkte Ver-
armung des Bodens an Kalksalzen. Eine Verminderung der
Basen führt zur Ansammluna' ungebundener Humussäuren, die
iln-erseits wieder den Boden direkt oder indirekt biologisch und
pliysikalisch ungünstig beeinflussen.
Für die Rauchexpertise ist es von "Wichtigkeit, darauf
hinzuweisen, dal's der analytische SOs-Gehalt der Blätter für
den Grad der Schädigung nicht verantwortlich gemacht werden
kann, denn es sind gerade die kurzen und plötzlichen Angriffe
gefahrbringend und tötend, während langanhaltende schwache
Einwirkungen, die aber doch zu einer Erhöhung der SOs-Zahl
in den Blättern führen, oft ohne Schaden ertragen werden.
Von gröl'serer Bedeutung für die Expertise ist eine Analyse
der Luft des Rauchschadengebietes. Auch der Boden mul's bei
der Beurteilung der Schadenwirkung mit herangezogen werden.
Namentlich auch für Baumpflanzungen in Städten wird
der letztangeführte Punkt in Erwägung zu ziehen sein. Auch
hält der Verfasser eine teilweise Aufforstung in den vernichteten
Rauchschadengebieten wieder für möglich, wenn dabei eine
sachgemäL'sp Bearbeitung und Düngung des Bodens ins Auge
gefafst wird. Molz-Geisenheim.
H. Uonwentz, Schutz der natürlichen Landschaft vor-
nehmlich in Bayern. Verlag von Gebr. Borntraeger, Berhn.
— Der unermüdliche Vorkämpfer für die Erhaltung der Eigen-
art unserer heimischen Natur, Prof. Oonwentz in Danzig, hat
seinen Schriften eine neue, besonders auf die Verhältnisse des
Bayernlandes zugeschnittene, hinzugefügt. Er gibt darin zu-
nächst einen Überblick über die Maßnahmen, welche in Bayern
auf dem Gebiete des Natur- und Heimatschutzes getroffen sind,
dabei bis zum .Jahre 1903 zurückgehend. Es interessieren
darunter besonders die erlassenen Vorschriften der Forstbehörden
zum Schutze der Tier- und Pflanzenwelt in den oberbayrischen
Bergen (Adler, Alpenrosen usw.). Die Erlasse anderer Ver-
waltungsabteilungen werden auf ihre Zweckmäßigkeit hin ge-
prüft, die Tätigkeit der Gemeinden, Vereine und Einzelpersonen
eingehend erörtert. Viel A nregung läßt sich aus dem AVerckchen
84
DIE GARTENKUNST
IX. 4
von jedem schöpfen, der für die Erhaltung chnrakteristischer
Merkmale unserer Heimat Sinn und Verständnis liat. H.
Schriften aus dem Verlag von H. Pudor, Berlin-
Steglitz. Dr. H. Pudor, welcher den Lesern der Gartenkunst
aus seinen Aufsätzen im Jahrgang 19()(j der Gartenkunst
(Ästhetik des Waldes, Bayrische Jubiläumsausstellung 190(1 in
Nürnberg usw.) bekannt ist, gibt im eigenen Verlag eine Anzahl
Werke und Zeitschriften her.aus, auf die wir an dieser Stelle
aufmerksam machen milchten. Seine „Erziehung zum
Kunstgewerbe" behandelt die geschichtliche Entwickelung
vom Rokoko bis zu Peter Behrens, bespricht die moderne Keramik,
die Edelmetallarbeiten, Innenausbau der Wohnungen, die
Textilkunst und anderes, überall eine beachtenswerte, zum
Teil eigenartige persönliche Auffassung vertretend, die die
Lektüre des Buches besonders reizvoll und anregend macht.
Die uns vorliegenden Hefte des „Ausst eil ungs Jahr-
buchs" stellen eine Publikation ganz neuer Art dar, die bei
der bedeutenden Rolle, welche das Ausstelhingswesen in Kunst
und Gewerbe spielt, geeignet ist, eine Lücke in der Literatur
auszufüllen. Das Jahrbuch erscheint in zweimon.atlichen Heften
ä 1,60 Mk., die Ausstattung ist eine sehr vornehme und
künstlerische. Seinen Inhalt bilden Darstellungen und Be-
sprechungen von modernen Kunstgewerbeerzeugnissen, Ge-
mälden zeitgenössischer Künstler, beachtenswerten Architek-
turen, Mode- und Industrieerzeugnissen usw. Auf gute bild-
liche Wiedergabe wird groLier Wert gelegt. Wir können das
Ausstellungsjahrbuch allen Interessenten bestens empfehlen. —
Ähnlich in Form und Ausstattung sind die „Dokumente des
modernen Kunstgewerbes" vom gleichen Verfasser, serienweise
erscheinende Hefte im Preise von 3 Mk. H.
Aus der Zeitschrift: House and Garden. In der Oktober-
numnier finden wir von rein gartenkünstlerischem Interesse
nur einen kleineren illustrierten Beitrag von Loring Under-
wood: Garden accessories, some formal and rustic summer-
houses. Die Abbildungen zeigen zunächst zwei rustike Garten-
häüschen aus England und Amerika mit Strohdach und Holz-
aufbau, die recht mälsige Vorbilder bieten. Dann aber folgt ein
Gartenhaus aus der Villa Borghese und der nicht minder be-
kannte Gartentempel in Klein-TVianon bei Versailles. — In
E. Hemraings Betrachtung: Garden worte in october, gibt
er eine Liste von Bäumen mit hervorragend scliöner Herbst-
färbung und nennt dabei folgende, die ja auch dem deutschen
Gartenkünstler vertr:iut sind: Acer rubi'um, A. s;i.ccharin um ,
( ' e r a s n s (Prunus) S i e b o 1 d i , C o r n u s f 1 o r i d a , C e r c i d i -
phyllum japonicum, Crataegus- Arten, Fraxinus ameri-
cana, Liriodendron tulipifera. Nyssa multiflora,
(j)uercus alba, Quercus coccinea, Rhus-Arten, Sassa-
fras officinale. — Sehr interessant ist ferner der Aufsatz
von M. T. Priestmann: Rose Valley, a Community of dis-
ciples ot Ruskin and Morris, worin die von IJuskin angebahnten
Bestrebungen geschildert werden.
Im Novemberheft fesseln imsere Blicke sofort zwei sehr
gut illustrierte Aufsätze, die für den Gartenkünstler wie Archi-
tekten gleich lehrreich sind, näudich W. Eyres Schilderung
von Fairacres, the residence of J. W. Tepper, Esij.. Jenkintown,
Pa., einer modernen amerikanischen Schöpfung mit streng
architektonischen Gartenanlagen, sowie P. K. Diftchfields
Beschreibung von Broughton Castle, einem alten englischen
Adelssitze. Solche Artikel sind besonders der prächtigen Ab-
bildungen halber wei'tvoll. Ich wünschte, unsere deutsche
„Gartenkunst" könnte bald in Hinsicht ihrer illustrativen Aus-
stattung den Spuren von „House and Garden" oder des eng-
lischen „Studio" folgen. (Hoffen wir das Beste! H.)
Das Dezemberheft bringt nicht rein Gartenkünstlerisches,
aber von gärtnerischem Interesse doch zwei Sachen: J. Boy er,
The Nurserymen of Paris und zum Schlufs die (1. Fortsetzung
von F. W. Kelseys: The first county park System in America,
worin weiter die Erfolge der < rartenstadtbestrebungen ge-
schildert werden. C. K. S.
Personalnachrichten.
Maecker, Fr., Laiidschafts,i;ärtner in Friedenau und Kube,
M., t iartendirektor in Posen, erhielten den Kronenonleu IV. Kl.
— Freese, Georg, wurde als .Stadtgärtner in Wilhelmshaven
angestellt. — Dreher, Fürstl. Hohenzollernschei' G;irtendirektor
in Kraucheuwies, ist gestorben. — Glatt, Kgl. Hol'gärtner in
Charlottenhof, erhielt das Ritterkreuz IL Kl. des norwegischen
Ordens des heiligen Olaf. — Schuster, Kgl. Oberbaumschul-
gärtner a. D., früher 20 Jahre lang Lehrer für Obstbau an der
Kgl. Landwirtschaftl. Akademie zu Weihenstephan, ist 87 Jahre
alt in München gestorben.
Für die Redaktion verantwortlich: Stadt-Cfiirtondirektor Heicke, Frankfurt a. M. Verlag von Gebrüder Borntraeger, Berlin SW. 11,
DesBauer Strasse 29. — Druck von A. W. Hayn'e Krben, Potsdam.
IX. 5
DIE GARTENKUNST
85
Von der Mannheimer Giii-t,<.nljauau,s,-5ti.'Ilung: Der Garten des Prof. Läut;er vor der Vollendung
Gartenkunst und Städtebau.
Iiiiieiiftäi'teu.
Von Theodor Goecke, Berlin.
LIBRARY
NEW YORK
botanical
OARDEN.
Meine Herren! Heute abend lassen Sic schon zum
zweiten Male in diesem Winter einen Architekten zu Worte
kommen und für zwei weitere Vorträge haben Sie noch
die Namen von Architekten in Ihrem Programme ver-
zeichnet. Deutlicher kann wohl das Bedürfnis nicht zum
Ausdruck kommen, die Beziehungen, die seit alter Zeit
zwischen der Kunst des Gartenbaus und der Baukunst
schlechthin bestanden hal)en, wieder enger zu knüpfen,
nachdem sie, ebenso wie die Beziehungen der bildenden
Künste unter sich stark gelockert waren, zum Schaden
der Kunst ülierhaupt, weil sie eben in der Natur der
Sache begründet sind.
Insbesondere fordern die öffentlichen Garten-
anlagen die gemeinsame Arbeit von Gärtner und Architekt.
Schon für die Bepflanzung der Stralien und Plätze mit Baum-
reihen, vornehmlich aber für den Garten an der Straße
und zwar sowohl für den Vorgarten an den Häuserreihen,
den Bauwich bei offener Bauweise, die beide der Öffent-
lichkeit angehören, wenn sie sich auch im Privatbesitze
befinden, als auch für die seitwärts oder mitten auf der
Straße angelegte Promenade umi den ringsum von Straßen
umgebenen Gartenplatz gilit der Architekt die Richtlinien,
Abmessungen und Verhältnisse und selbst für größere
Gartenanlagen, den Friedhof, oft noch den Maßstab und
den Rahmen durch die Führung und Bebauung der Rand-
straßen, die Bauweise der Umgebung.
In den umwehrten Städten des Mittelalters war der
Hausgarten wohl die einzige Gartenforra ; hinter dem Hause
gelegen, bescheidenen Umfanges, beeinflußte ihn, ebenso
wie den engen Burggarten, die Architektur, am stärksten
in dem von Hallen eingeschlossenen Kreuzgange des zu-
gleich als Kirchhof dienenden Klostergartens. Freier konnte
er sich, losgelöst vom Hause, im Weichbilde der Stadt
entwickeln, wenn auch hier noch ein Gartenhäuschen oder
so
DIE GARTENKUNST
IX,
später gar Landhaus der Stimmung einen architektonischen
Grundton gab. Vor den Toren siedelten sich die meist
von den Zunftgenossenschaften ausgeschlossenen Gärtner
an in ländlichen Häuschen mit Vorgarten, der bei weiterer
Ausdehnung der Stadt in die städtischen Straßen hinein-
wuchs und sich namentlich in Süddeutschland zur Zeit der
Renaissance durch Abgrenzung gegen die Straße mit einer
geschlossenen, von Baumkronen überragten oder einer von
Pforten, fensterartigen Öffnungen, Gitterwerk durch-
brochenen Gartenmauer zu den reizvollen Formen des
Bauwichgartens bezw. des erhöht gelegten, im Hufeisen
umbauten Vorhofgartens umgebildet hat.
Als erste öffentliche Grünanlage dürfen wir den früher
stets um die Kirche herum gelegten Kirchhof ansehen,
soweit er nicht bebaut oder anderweit benutzt, als Kirch-
platz bepflanzt wurde, nachdem die Begräbnisstätton in
Zeiten verheerender Seuchen von der Kirche weg nach
außen hin verlegt waren. Weiter kam die Wallpromenade
auf, als die Umwehrungen der Stadt zwecklos geworden,
so daß der Stadtgraben vor der Mauer meist zu Privat-
gärten, Schießständen, Seilerbahnen aufgeteilt, verkauft
oder verpachtet, oft aber auch zu Kirchhöfen verwendet
wurde, die in neuerer Zeit dann vielfach wieder zu öffent-
lichen Anlagen geworden sind. Ähnlich erging es endlich
den Schanzen und bepflanzten Abhängen der Brustwehren
neuzeitlicher Festungsstädte, als auch deren Verteidigungs-
gürtel entbehrlich wurde; ein grüner Ring trat an seine
Stelle.
In allen diesen Fällen aber ist die Entstehung (ilTent-
licher Anlagen gewissermaßen nur einem glücklichen Zu-
falle zu verdanken, der vom Stadtmenschen jedoch mit
Begier ergriffen wurde, um seinen Naturhunger zu stillen.
Und wenn heute eine Stadterweiterung noch so notwendig
ist, sollte schon aus diesem Grunde nicht ein Strauch ge-
opfert, sondern im Gegenteil noch möglichst viel Grünes
zum alten Bestände hinzugeptlanzt werden, wie der ver-
storbene Meister des Städtebaues, Camillo Sitte in seiner
Abhandlung „Großstadtgrün", auf die ich weiterhin noch
eingehen werde, empfohlen hat.
Planmäßig brachton Alleestraßen, Gartenplätze, Park-
anlagen erst die landesfürstlichen Städtegründungen des
17. und 18. Jahrhunderts mit sich, nach dem schon vorher
neben dem italienischen Stockwerkhause der italienische
Garten nach Deutschland gekommen war, dessen Anlage,
wie auch schon vorhin beim Vorhofgarten angedeutet, die
Linien der Architektur fortsetzte und mit Hilfe von Terrassen,
Wasserbecken, Springbrunnen und Standbildern mit dem
Hause zu einem Gesamtkunstwerke zusammenging, an sich
fast kaum ein Garten mehr und doch den natürlichen
Übergang bildend vom schließlich verschnörkelten, mittel-
alterlichen Hausgarton zur großzügigen, französischen
Gartenanlage, die in den Lustgärten der Landesfürsten
auf deutschen Boden verpflanzt wurde. Sie biste dann
der sogenannte ,, englische Garten" ab, der in seinem
lleimatlande jedoch keineswegs, wenigstens heute nicht
mehr, in dem Umfange architektonischer Beziehungen ent-
behrt, wie wir leicht geneigt sind anzunehmen — zwischen
dem Bauwerke, dem Hause oder Schlosse und dem weitei--
hin sich erstreckenden Parke vermittelt fast stets ein
regelmäßig angelegtos Stück gärtnerischer Kleinkunst.
Viele der landesfürstlichen Gartenschöpfungen sind später,
mehr oder weniger umgestaltet, zu öffentlichen Anlagen
geworden, wovon heute noch die Bezeichnungen Lustgarten,
Hofgarten, Schloßgarten, Zeugnis .ablegen.
Im Gegensatze zur mittelalterlichen Stadt, die von
Mauern umschlossen, oft engeräumig war, wurden die
landesfürstlichen Städte offen und weiträumig angelegt,
reichlich mit Hausgärten durchsetzt, obwohl das Stockwerk-
haus mit Mietwohnungen schon das kleine Einfamilienhaus
zu ersetzen begann. Beide hatten jedoch im Vergleiche
zur modernen Stadt nur geringen Umfang. In dieser
herrscht weit ins Land hinaus das Massonraiethaus, das
den Hausgarten verdrängt hat. Um so notwendiger ist
hier eine Unterbrechung der Häuserblöcke, um wieder mit
C. Sitte zu reden, ,, durch weitläufige freie Lufträume,
zunächst aus Gesundheitsrücksichten, aber auch nicht
minder zur phantastischen Erhebung des Gemüts durch
die Erquickung an eingestreuten Na,turbildern. Ohne diese
Anlehnung an die freie Natur wäre die Stadt ein uner-
träglicher I^erker "
In dieser Forderung liegt eine neue Aufgabe für den
Städtebau, die bisher nur unvollkommen gelöst ist. Denn
nach dem Vorbilde landesfürstlicher Lustgärten entstandene
städtische Gartonanlagen sind und köinnen auch keine eigent-
lichen Volksgärteu sein, da jene ihrem Ursprünge nach
zu den Prunkstücken des Selbstherrschertums gehörten,
höfischen Pestzwecken zu dienen hatten. Pein säuberlich
muß ein solcher Garten aussehen, wie eine festlich ge-
schmückte Tafel — er gestattet keine Tummelfreiheit für
die Masse der Bevölkerung, zumal, wenn er nicht aus-
gedehnt ist. Gewöhnlich sucht ihn nur der beschauliche
Spaziergänger, Sonntags auch wohl die geputzte Bürger-
familie auf, im übrigen aber soll er als Schaustück der
Gemeinde zur Empfohlung und Verschönerung gereichen.
Alle unsere Prachtstraßen und Gartenplätze, die wir
aus Paris oder London bezogen haben, folgen schließlich
demselben Zuge in das Dekorative, wenn sie auch prak-
tische Nebenzwecke zu erfüllen haben, wie in Berlin z. B.
die Mittelpromenade breiter Straßenzüge als Kinderspiel-
platz oder der mit Grünanlagen ausgestattete frühere
Marktplatz als Erholungsstätte. Doch mit welchen Opfern'.'!
Wie der bekannte Nationalökonom Dr. Eberstadt auf
Grund statistischer Unteri.agen nachgewiesen hat, ist
nirgends die Zahl der Kiiideruufälle so groß als in Berlin,
wo die Straße allgemein als Spielplatz benutzt wird, zumal
die meisten Hauswirte das Spielen der Kinder auf dem
Haushofo v(*rbieten — aus begreiflichen Gründen, wie ich
gleich hinzufügen möchte, infolge einer verfehlten Be-
l)auiingsart. Begleiten gar Straßenbahnen die Mittel-
prornenado zu beiden Seiten, so gehfiren schon starke
Nerven d.azu, um den Aufenthalt in dem Getöse zu er-
tragen. Und auf den von Straßen umraiimten Ga,i'ten-
platzen ist es, wie wir noch hören werden, nicht viel
andiM's. I'irst ausgiebige, größere .\nlagen hinten Ge-
legenheit zu S|)icl und Spoi-t, zur Errichtung von Lauben
und Verpachluiii;- von Gärten. Kid und Chemnitz nament-
IX,
DIE GARTENKUNST
87
lieh haben darin schon viel in ihrem Starttwalde geleistet
— in Gri>li-Berlin müssen Spielplätze und Laubenkolonien
immer noch mit der fortschreitenden Bebauung den Stand-
oi't wechseln. Bekannt sind ihnen die weitläufigen Volks-
parke in England, deren zahlreiche Entstehung zum Teil
di'r niemals aufgeteilte Gemeinbesitz der Städte und zum
Teil das niemals erloschene alte germanische Bodenrecht
ermöglichten und auch noch heute ermöglichen. In dieser
glücklichen Lage sind wir in Deutschland nur in seltenen
Fällen; wir müssen uns mit viel wenin'er, oft weit ab-
gelegenen Grünanlagen begnügen, und doch wohnen wir
weit gedrängter beisammen. L>arum überwiegt bei uns
das , .dekorative Grün", um einen von Sitte erfundenen
Sammelnamen zu gebrauchen. Uns fehlt es dagegen noch
sehr an dem, was Sitte im Gegensatz zum dekorativen
das „sanitäre Grün" genannt hat. Zu dieser wich-
tigen Unterscheidung mfige es mir gestattet sein, den
Verfasser des ,,Groüstadtgrün" selber sprechen zu lassen
Nachdem er die Kostspieligkeit großstädtischer Alleen hervor-
gehoben hat, fährt er fort:
..Ganz ähnlich verhält es sich mit den sogenannten
Squares. Eine in Grund und Boden verfehlte Anlage. Sie
verschlingen in noch höherem Maße als die Alleen große
Anlagesummen, ohne den gewünschten Erfolg zu erreichen.
Der Fehler liegt wieder in dem hergebrachten Blockrastrum
der modern geometrischen Lagepläne. Ist danach nur
erst ein Bebauungsbezirk schön säuberlich durch grad-
linige parallele Straßen schachbrettartig in Baublöcke zer-
legt und wünscht man irgendwo einen öffentlichen Garten
oder Kinderspielplatz, so läßt man einen oder mehrere
Blöcke unbebaut, übergibt sie zu mehr oder weniger an-
spruchsvoller Ausgestaltung dem Stadtgärtner und der
Square ist fertig. E)er L^mstand, daß dieser Garten dann
ringsherum frei an den Straßen liegt, wird bei dieser ein-
fachen Methode nicht beachtet; gerade darin liegen aber
die groben Fehler dieser Anordnung, denn von der Straße
wirbelt der Wind allen Staub, diese furchtbarste Plage
des Großstadtlebens, über die Gartenanlage weg, die noch
obendrein von dem ganzen Wagengerassel und sonstigem
Lärm der Straße erfüllt ist, besonders wenn, wie in den
weitaus meisten Fällen, diese Squares nur in kleinem
Flächenmaß angelegt sind. Ein solcher Stadtgarten ist
zur Erholung für alt und jung gänzlich ungeeignet und
wird wegen der schneidenden Schneewehen im Winter
und der sengenden Sonne im Sommer und den darüber
hinfegenden Staubwolken auch tatsächlich vom Volke nicht
besucht.
Das sanitäre Grün gehört nicht mitten in den Staub
und Lärm der Straßen, sondern in das geschützte Innere
großer, ringsherum verbauter Baublöcke. Nur in .größten
Flächenausmaßen verträgt es das Freiliegen an der offenen
Straße, wie dies in den Villen- oder Cottagevierteln der
Fall ist. Etiese vom Wagenverkehr wenig heimgesuchten
Stadtteile mit ihren ununterbrochen zusammenschließenden
Baumpflanzungen gehören zweifellos auch in die Gruppe
des sanitären Grün. Zu sagen ist über diese Anlagen
wegen Straßenführung, Grundteilung und dergl. nichts:
denn das viele Grün breitet selbst über verfehlte Lage-
planformen den Mantel milder Nachsicht derart, daß weder
Schönes noch Verfehltes in die Erscheinung tritt; es ist
eigentlich ganz gleichgültig, wie man da vorgeht, es kommt
auf jederlei .\rt immer dasselbe heraus.
Das ,, dekorative Grün", und zwar womöglich
in reichlicher Verbindun.g mit dekorativem Wasser, gehört
im strikten Gegen.satz zum sanitären au.sschließlich der
Straße und den Verkehrsplätzen, deiui es hat nur den
Zweck, gesehen zu werden, gesehen von möglichst vielen
Menschen, also gerade auf den Hauptpunkten des Ver-
kehres. Man kann sich einen gnißeron Gegensatz nicht
denken. Beim dekorativen Grün ist alles nur auf die ihm
einzig m/igliche phantastische Wirkung zu berechnen: lieim
sanitären Grün handelt es sich dage.gen um die wirkliche
Erzielung greifbarer Werte : Staubfreiheit, Windschutz,
allem Straßenlärm abgewendete Ruhe, schattige Kühle im
Sommer. \\"as bei dem einen wertvoll ist, wird bei dem
anderen zur Nebensache und umgekehrt, daraus aber Folgt,
daß nur dei^jonige Stadtbaukünstler im einzelnen Fall das
Richtige treffen wird, der diese lieiden .Arten des Stadt-
grünen in ihrem Wesen erfaßt hat und auseinanderzu-
halten versteht."
Noch weniger ladiH zu längerem Verweilen, wie ich
mir beizufügen erlaube, das Reklamegrün ein, zu dem
das dekorative Grün wohl auf Platzanlagen aufgebauscht
wird, die im Stile der Plakatkunst aus.gestaltet, Käufer
für Baustellen anlocken und nach allen Seiten offen ge-
legt, auf möglichst weite Entfernung hin die Mietswerte
steigern sollen.
Eiamit, meine Herren, sind wir bei der eigentlichen
Aufgabe, die uns heute beschäftigen soll, angelangt —
zur Betrachtung der neuesten Form städtischer Grün-
anlagen, des Gartenhofes, des von der Bebauung um-
gebenen Gartenplatzes oder Parkes, des gärtnerisch be-
handelten Inneren des Baublocks, kurzweg auch wohl
Innengarten genannt.
Zuvor möchte ich jedoch noch ein Wiirtchen über
den von Sitte grundsätzlich verworfenen Square einschieben.
^^'enn wir eine vom Verkehr umbrandete Insel törichter
Weise bepflanzen oder gar auf einem Verlegenheitsdreiecke
die Sünden des Bebauungsplans mit Grünzeug zudecken,
so entsteht noch kein ,, Square" im eigentlichen und ur-
sprünglichen Sinne. Und wenn wir ein so fehlerhaftes
Ding noch, wie nur zu oft besonders in kleinen Städten
zu beobachten, schlecht unterhalten, so hat der Volksmund
recht, über den Fettfleck oder Spucknapf, den Papierkorb
oder Staubwinkel zu spotten. Der Square ist von Hause
aus ein stiller ^^'ohnplatz mit einem gemeinsamen Garten
in der Mitte und mit Zufahrtstraßen zu einer möglichst
geschlossenen Umbauung rund herum. Der Garten ist
eingefriedigt und nur den Anwohnern des Platzes zu-
gänglich. Öffentlich ist er also nur in dem Sinne, wie
bei uns der Vorgarten — er gehört zu den ihn um-
gebenden Häusern. Nun kann es ja nicht ausbleiben, daß
der Aufenthalt in einem solchen Garten, zumal wenn
dieser nur klein ist, recht ungemütlich wird, im Falle die
ihn umgebenden Wohnstraßen, die aber öffentliche Straßen
sind, unversehens lärmenden Verkehr erhalten, wie es in
DIE GAUTENKUNST
IX, f).
letzter Zeit namentlich in London durch das Automobil,
insbesondere auch durch don Autobus (Abkürzung von
Automobilomnibus) geschehen ist, also durch Fahrzeuge,
die ihrer größeren Geschwindigkeit wegen weniger belebte
Straßen aufzusuchen pllegen. Dagegen hat sich zwar die
Bevölkerung dieser Wohnviertel wie ein Mann aufgelehnt,
ob mit Erfolg, vermag ich nicht zu sagen. Immerhin
liegt in dieser Möglichkeit die Schwäche der Anlage, die
sonst, wenn Privatstraßen statt der öttVntlichen hinein-
führten, nichts weiter als ein Wohnhof sein würde. Der-
artige Wohnhöfe haben wir bekanntlich in Berlin mehrere
aus den siebenziger und achtziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts als durchaus natürliche Lösungen einer
zweckmäßigen Ausnutzung des Inneren übrrgrulSer Bau-
bliicke — in der Genthiner und Potsdamer Straße, Hohmers
Park usw. — (vgl. dieserhalb meine Abhandlung :
„Berliner Wohnblöcke" in der Zeitschrift ,,Eier Städtebau",
Jahrg. II, S. 143—145). Es sind mitten in der Groß-
stadt abseits vom Verkehr und ihm doch nahegelegene
Wohnplätze, die entweder von Einfamilienhäusern, oder
von Mietshäusern, meist mit Vorgarten wie an der Straße
umbaut sind. Es fehlt ihnen nur — abgesehen von etwas
„dekorativem Grün" in der Mitte — die größere ge-
meinsame Gartenanlage des englischen Square. Darin
liegt aber gerade ein neuer G(Mianke, der schließlich /.um
Innengarten führt.
Für eine mehr oder minder große Zahl von Häusern
tritt dieser Gedanke in London schon an großen Verkehr-
straßen derart in die ^Erscheinung, daß zum Schutze der
Anwohner vor Staub und Lärm die Bauflucht etwa 17
bis 20 m hinter die Straßenflucht zurückgesetzt und vor
der Häuserreihe eine besondere 5 m Breite Vorfahrtstraßo
(eine Privatstraße doch ohne Torweg) angelegt wird, die
ein 7 bib 10 m breiter Gartenstreifen, d. h. ein gemein-
samer Vorgarten*) von der Hauptstraße trennt. Aus dem-
selben Grunde findet man z. B. auf öffentlichen Plätzen,
Bürgersteig und Fahrdamm durch gärtnerische Anlagen
geschieden und in Landhausvierteln die hinter die Straßeii-
flucht zurückgesetzte Gartenmauer, die dort keine Bau-
polizei verbietet, durch ötfentlicho Gartenstreifen gedeckt.
Dann tritt der gemeinsame Garten aber auch in der
Form auf, daß sämtliche Hintergärten einer Häuserreihe
zu einer Fläche zusammengezogen sind, nach drei Seiten
hin also wieder wie ein Square freiliegen. Intimer wirkt
endlich die Zusammenlegung der Gärten zwischen den
Rückseiten zweier parallel zueinander laufenden Häuser-
reihen — so daß nur noch an den Schmalseiten des Bau-
blocks der Einblick möglich ist. — also bei halbotTencr
Bauweise. Man braucht nun bloß noch einen Schritt
*) Daß der gemeinsame Vorgarten auch in ästhetischer Be-
ziehung zu empfehlen ist, hat Herr Garteninspoktor F. Zaliii,
Berlin-Steglitz schon in seiner Abhandlung ,, Aufgaben der
Gartenkunst" in der Zeitschrift „Der Städtebau", Jahrg. ii.
S. 101, ausgeführt. Seitdem ist vielfach darüber gesprochen
worden. Nach Mitteilung des Herrn Arthur Glogau, Hannover,
sollen in Essen a. Ruhr gemeinsame Vorgärten bereits ver-
wirklicht sein.
weiter zu gehen, den Block hufeisenförmig oder gar ganz
zu umbauen, so ist die Innenanlage fertig.
Doch erst die Innenanlago privaten Charakters, wie
wir sie schon im Klostergarten kennen gelernt haben,
dessen Ursprung auf das Atrium der alten Römer zurück-
.<;-eht. in den bepflanzten Innenhöfen orientalischer Großen
wiederklingt, und wie sie heute — allerdings weniger
monumental — in ilen Schöipfungen der Baugenossenschaften
zutage treten, die einem sozialen Bedürfnisse genügend
neben Schmuckhöfen und Laubenanlagcn insbesondere
Spielplätze für die Kinder zahlreicher Familien zu schaflen
pflegen. Die Mütter brauchen dann nur einen Blick zum
Fenster hinaus zu werfen, um sich von dem Tun unil
Treiben ihrer Sprößlinge zu überzeugen.
Gute Beispiele bieten hierfür der Berliner Spar- und
]->auverein, sowie der Beamtenwohnungsverein in Berlin,
dann der Wohnungsverein in E)anzig, mit gemeinsamer
Gartenanlage in der Mitte, um die sich rund herum
die Höfe der Randliebauung (ohne Seitenflügel und
Hinterhäuser) ziehen, der Spar- und Bauverein in L»ort-
mund mit hufeisenförmiger Gartenanlage, ähnlich wie bei
den Häusern des Hamburger Spar- und Bauvereins, der
allgemeine Wohnungsverein in Königsberg i. Pr., der
weite Flächen Hinterlands durch private Zufahrtstraßen
a.ufgeschlossen und die Bebauung um eine Gartenanlage
gruppiert hat usw. Besonders das letztgenannte Beispiel
gibt zum Nachdenken Anlaß, ob nicht auch in Berlin zu
diesem Zwecke die Privatstraße wieder mehr Förderung
verdiente, als es die baupolizeilichen Bestimmungen über
die Zugänglichkeit des Hinterlaiules gegenwärtig zulassen.
Zu allen diesen Schöpfungen gehören aber immer,
schon damit den Anwohnern der Lärm des Kinderspiels
nicht lästig fällt, größere Freiflächen, als sie der Privat-
unternehmer gemeinhin zu opfern vermag, und selbst diese
Freiflächen sind selten auch ausgedehnt genug, um, wie
es z. B. die Stiftung zur Erbauung billiger Wohnungen
in Leipzig getan hat, mehr Bewegungsfreiheit gewährende
Erholungsstätten für Jung und Alt anzulegen oder zu
Pachtgärten den Familien zur Verfügung zu stellen. In
Leipzig-Kleinzschocher beabsichtigt dieselbe Stiftung eine
Kolonie zu schaffen, die nach Abzug des Straßenlandes
rund 153000 qm Fläche umfaßt: hiervon sollen nur rund
24000 qm bebaut werden, während rund 129000 qm für
Parkanlagen und Hausgärton bestimmt sind (Zeitschrift
„Der Städtebau", Jahrg. III, S. 28).
Damit würde eine vollkommene Inuenanlage entstehen,
die den anzustrebenden öffentlichen als Vorbild zu dienen
vermöchte. „Der dichten Verbauung unserer Städte, die
keinen Fleck für Hausgärten, keinen Ausblick auf ein
Stückchen Himmel freiläßt, kann nur in dieser Weise
Einhalt geboten worden" (C. Sitte), Denn anders als in
England ist nun einmal unsere Art zu wohnen. Dort eine
weit auseinander gezogene Bebauung mit Einfamilien-
häusern, hier eine zusammengedrängte Bebauung mit
h(dien .Miethäusern. Die auf dieselbe Einwohnerzahl ent-
fallende Grundfläche muß sich hier also in dichterer
Heihenfolgo wiederholen, als es dort nötig ist. Trotzdem
scheidet z. B. der Bebauungsplan der neuen Gartenstadt
rx. 5
DIE GARTENKUNST
89
Letchworth noch inmitten vieler Baubliiclve große Flächen
aus, die durch besondere Zuwege erreichbar, öffentlichen
Anlagen vorbehalten bleiben (The Garden City Estate
Letchworth, Herts, Veröffentlichung der First Garden City
Limited, London, W. C. High Holborn 326aj. Wenn man
nun bedenkt, daß jedem Einwohner ein gewisser Anteil
an öffentlichen Pliitzen zukommt, so wird bei gerechter
Verteilung schon die Bevölkerung eines großen Baublocks
einen Plat5; aus öffentlichen Mitteln fordern können.
Warum sollte dieser dann keine Innenanlage sein, die
so viel billiger herzustellen wäre als ein freier, von
öffentlichen Straßen umgebener Platz 7 Also schon vom
Geldstandpunkte aus wäre dies der Gemeinde zu empfehlen
und damit die (Öffentlichkeit der Innenanlage zu he-
gr linden.
Wie ist die Innenanlage nun zu gestalten?
L)ie bekannteste und vornehmste ist die des Parc de
Monceaux in Paris, der von fünfseitiger Grundform an
vier Seiten geschlossen umbaut und nur an einer, der
längsten Seite gegen den Boulevard de Courcelles, mit
einem durchsichtigen Gitter geöffnet ist. Die Bebauung
trennen 10 — 13 tiefe Hintergärten mit niedrigen, wenig-
auffallenden Gittern von der öffentlichen Parkanlage, mit
der sie jedoch durch Schlupftüren in unmittelbarer Ver-
bindung steht. Die zum oder durch den Park führenden
Straßen sind durch Tore zugänglich Diese Park-
wohnungen sind sehr gesucht. Ganz so wie in Kurorten,
um den Gästen möglichst ruhige, gesunde Wohnungen zu
gewährleisten.
Nach diesem Vorbilde ist auf früherem, von der Ge-
meinde erworbenem Festungsgelände zu Magdeburg der
Königin-Luisegarten entstanden, den jedoch eine landhaus-
artige Bebauung umgibt. Von den Hausgärten führen
auch hier Schlupftüren zur öffentlichen Innenanlage, wofür
eine geringe Anerkennungsgebühr zu entrichten ist
(Zeitschrift „E»er Städtebau", Jahrgang 1, S. 26).
(Schlufs folgt.)
Landschaftliche Gartengestaltung.
Der „wilde Garten" iu Eugland.
Von H. Riebe, z. Zt. Aulnav-Chätenay (Seine).
,You See. sweet maid, we many,
A gentler seien to the wildest stock.
And make conceive a bai-k of baser kind
By bud of nobler race: this is an art
Which does mend nature, change it rather but
,Tho art itself is natiire."
(Shakespeare.!
Ja, die Kunst selbst ist Natur, und was Shakespeare
zu seiner Zeit sagte, das gilt heute noch. In deutschen
Architektenkreisen ist man fortgesetzt bemüht, darauf hin-
zuweisen, daß man in England mit dem landschaftlichen
Gartenstil gebrochen habe. Das ist unzutreffend. Tat-
sache ist, daß man sich heute mehr denn je in England
dem reinen, natürlichen Stil in der Gartengestaltung zu-
wendet, trotzdem es ihm auch dort an Gegnern nicht fehlt.
Aber letzteres ist nicht zum Schaden der Sache, eine gewisse
Opposition ist bekanntlich Lebensbedingung, wenn Gutes
sich Bahn brechen soll. — England ist ein Land der
Gegensätze, Im Gesetzeswesen und im Staat, im täglichen
Leben und in Sitten und Gewohnheiten, wo die modernsten
Errungenschaften der .Xeuzeit primitivsten, fast mittel-
alterlichen Einrichtungen und Gebräuchen gegenüberstehen:
wo unermeßlicher Reichtum und Luxus wohl denselben
Stadtteil mit geradezu unmenschlicher Armut und er-
schreckendem Elend teilen, und wo sogar das Wetter be-
einflußt zu sein scheint — wenn man sich jene köstlichen,
englischen Sommertage mit ihrer Klarheit und Frische ver-
gegenwärtigt und sie denen des Winters gegenüberstellt,
jenen traurigen, schwarzen Geist und Körper erschlaffenden
Nebeltagen, namentlich in den großen Städten. Gegensätze
allerwegen und auch nicht minder in der Gartenkunst.
Vielleicht mancher Leser dieser Zeilen, der England ein-
mal besuchen sollte, mag beim ersten flüchtigen Einblick
in die Gärten denken: „aber von dem natürlichen Stil sehe
ich nichts," wie es vielleicht auch jenen deutschen
Architekten ergangen sein mag, die behaupten, daß man
in England mit dem natürlichen Stile gebrochen habe,
und die wohl ihr Hauptaugenmerk den Bauten und allen-'
falls den diesen am nächsten liegenden Teilen des Gartens
zugewendet hatten. Denn wenn ich vorhin betonte, daß
man sich in England immer mehr dem landschaftlichen
Gartenstil zuwende, so wilf ich damit keineswegs gesagt
haben, daß man mit den in der Umgebung der Gebäude
vorhandenen regelmäßig gehaltenen Teilen des Gartens
aufräume, oder die uns ja persönlich oder aus Wort und
Bild bekannten sauber geschnittenen Einzäunungen. Einzel-
pflanzen oder sonstigen Gebilde abschatte oder frei weiter-
wachsen ließe. Dem ist nicht so. Derartige ornamentale
Gebilde sind ja auch in der Umgebung symmetrisch ge-
haltener, größerer Bauten, nicht zu verwerfen, oft sogar
am rechten Platz. Man denke sich z. B. einmal das große
Palraenhaus zu Kew — bekanntlich das größte Gewächs-
haus der Erde unter einem E>ach — und seine nächste
Umgebung, den „Palm House Garden". Hier hat jeder
Zweig, jede Blume ihren angewiesenen Platz und das
Ganze wirkt eigenartig, aber durchaus nicht etwa unschön.
Nach wie vor werden hier auf der nach dem See zu ge-
legenen Seite Blumenparterres gepflegt, die Vasen mit
schönblühenden und rankenden Sommerblumen bepflanzt
und auf der gegenüberliegenden Seite des Hauses werden
alljährlich im August-September die wie Steinmauern
stehenden Taxushecken und die mit den massigen, ge-
rundeten Formen des gewaltigen Baues harmonierenden,
zuckerhutartigen Hollies (Hex) auf das sorgfältigste ge-
formt und geschnitten. Wir brauchen aber von hier gar
nicht weit zu gehen, um dieselben Ilexarten, welche wir
eben in starren wie aus Erz gegossenen Formen be-
wunderten, in freier, ungezwungener Natur, hoch, leicht und
luttig oder kürzer und gedrungen, je nach ihrer Art,
wachsen zu sehen. Immergrün und glänzend, sich im
feuchten, englischen Klima recht wohl fühlend, geben sie
90
DIE GARTENKUNST
TX, 5
im Verein mit anderen Immergrünen dem englischen
Landschaftsgarten ein eigenes Gepräge und gereichen ihm.
im Herbst mit leuchtend roten Beeren übersäet, zur höchsten
Zierde. Aber dies ist nur eine der vielen Reize des
englischen Naturparkes. In einem solchen, oder besser
und einfacher gesagt, im wilden Garten gibt es immer-
selbst in den dunkelsten Wintermmiaten etwas Blühendes
„wilden Garten" während der 12 Monate eines Jahres,
wobei gleichzeitig einige Bemerkungen über die prak-
tische Handhabung und Weiterentwickelung des natür-
lichen Stiles eingeschaltet seien. Nebenbei bemerkt, die
photographischen Beispiele, die für die „Gartenkunst" in
den wilden Gärten des königlich botanischen Gartens zu
Kew gefertigt wurden, geben nur einen schwachen Be-
Aus den „Wilden Gärten" des Kgl. Botan. Gartens z.u Kew. 1. Christrosen unter Uiiumen.
oder Grünendes. Und damit komme ich nun zu dem
Hauptzwecke meiner Zeilen.
Die Bezeichnung „wilder Garten" ist englischen Ur-
sprunges. In der deutschen Gartenliteratur bedient man
sich noch häufig der höher klingenden Ausdrücke wie
Nalurjjark, Landschaflsgarten, verschönerte Aue oder dgl.
In England nennt man jeden Naturpark allgemein „wild
garden" und jedermann versteht, was damit gemeint ist.
niemand wird sich etwa einen verwilderten Garten da-
runter vorstellen, sondern einen Garten, in welchem alles
und insbesondere Blumen und Blattpflanzen in ungezwun-
genster Freiheit wachsen und zwar in ihrer natürlichen
Umgebung, denn nur in solcher fühlen sie sich richtig
Wühl und gelangen zur vollen Geltungl
Betrachten wir uns nun einmal einen solchen
griff von der wirklichen Schönheit der natürlichen Pflanzen-
gruppen, wie man sie dort zu allen Zeiten des Jahres be-
wundern kann, wenn man Sinn für die Reize der Pflanzen-
welt besitzt.
Wir beginnen mit den Frühlingsblumen: wenn sie
auch nicht gerade die allerschönsten sind (oder sind sie
es doch?), so sind sie doch die Blumen, die uns die will-
kommensten und liebsten von allen sind. Auch ist es
gerade der Frühling, der uns im wilden Garten Bilder
hervorzaubert, die keine andere Jahreszeit imstande ist
nachzumalen. — Während noch im Januar und Februar
oft Bis und Schnee regieren, kann man sciion an ge-
schützten Stullen oder bei günstiger Gelegenheit die Christ-
rosen (Helleborus niger) ihre Köpfe durchstecken und
ihre Blüten entfalten sehen. In milden Wintern lilülion
tx,
DIE GARTENKUNST
91
sie sogar in reichem Maüo wälirend der dunklen Monate
und bis ins Frühjahr hinein, im Sommer wirken sie dann
noch durch ihre schöne, zierliche Belaubung. Helleb.
purpurascens i.st ein schönes Gegenstück zur ersterer; sie
stammt aus Ungarn, die Farbe ihrer Blüten ist kupferrot-
bleit'arbig. Es gibt eine ganze Reihe schöner Helleborus.
die prächtigste unter ihnen dürfte Hell, colchicus Reg. sein ;
die stolzeste Gdldhandlilie im ..American Garden"! — Es
geht der Februar zu Ende. Kaum merklich gewinnen die
Strahlen der Sonne an Kraft — jedoch es ist das Zeichen
zum grol.len Erwachen in der Natur. Unter mächtigen
alten Bäumen beginnt es sich zu regen, ebenso im Busch
bis zu den Hügeln hinauf und weit und breit auf den
grünen Rasenflächen. In der Regel der erste Sonntag im
Aus den ..Wilden Gärten" des Kel. Botan. Gartens zu Kew: 2. Rasenabhana mit Narzissen.
ihre Heimat ist der Kaukasus, sie blüht dunkelrut von
Februar bis März. Gar oft in linden \\'intern leisten den
Christrosen spiitblühende Colchicum noch Gesellschaft.
Eine ganz prächtige, winterblühende Ranunkel ist Eranthis
hiemalis, die Winter-Aconit. Diese sowohl wie Helleborus
sind am besten unter großen Bäumen und Sträuchern,
wenn es sein kann an einem nach Süden gelegenen Ab-
hänge eines Hügels zu verwenden. Die Eranthis stecken
dann oft ihre schönen dunkelgelben Blumen durch den
Schnee. Nie vergesse ich den Anblick einer großen
Eranthiskolonie in Kew Gardens. Im Anfang Januar vorigen
Jahres bekamen wir, während noch etwas Schnee lag.
einige Tage warmes Wetter. Sofort waren die Eranthis
da und leuchteten weithin über die sonst winterliche
Landschaft. Sie fanden mehr Bewunderer als hernach
März ist dann in England der „Crocus Sundag". Selbst
die großen, englischen Tageszeitungen, die ja immer dem
Wetter und den Vorgängen draußen in der Natur eine
Spalte widmen, verkünden es. wie es „draußen" sich regt.
Dann kommen sie herausgeströmt aus der Millionenstadt,
aus Londons rauch- und nebelgeschwängerter Luft, um es
mit eigenen Augen zu sehen, das große Wunder der Natur!
Es gibt wohl kaum ein Volk, bei dem Blatt und Blume in
so hohem Ansehen, ja geradezu in Verehrung stehen, wie
bei dem englischen. Um das beurteilen zu können muß
man selbst im Lande und zwar längere Zeit und wo-
möglich als Gärtner gewesen sein. An einem einzigen Tage,
an einem sog. „Bank Holidag" im Frühling, wurden an
den Eingängen zum Kew Garden in der Zeit von 10 Uhr
morgens bis 7 Uhr abends 113 000 Menschen registriert!
92
DIE GARTENKUNST
]X, 5
Ähnlich ergeht es in den anderen zahlreichen Parks und
Gärten in und um London. „Hampstead Heath" trug an
jenem Tage den Sieg mit ca. 250000 Besuchern davon.
Und doch wie wenig wird da mutwillig zerstört oder ab-
gerissen im Gegensatz zu anderen Ländern. Dabei herrscht
die vollste Freiheit — in Herzenslust geht es hinweg über
die weiten, grünen Rasen, bis in die entferntesten Winliel
der Landschaft hinein. Mit rührender Vorsicht wird da
wuchern, wo es ihnen zusagt, weiter, vermehren sich von
Jahr zu Jahr und erscheinen so regelmäLiig wie der
Frühling selber. lUis klingt sehr einfach, ist aber im
Grunde genommen nicht so. Zuerst mul5 ihnen der Boden,
wenigstens einigermaßen, genügen, obgleich sie durchaus
keine großen Anforderungen stellen. Alle Arten Scilla,
Crocus usw. gedeihen in einer Erde, wo Hasen gedeiht,
während Narzissen, um wirklich schön und natürlich zu
Aus den .,Wililen Gärten" des Kgl. Botan. Gartens zu Kew: 3. Anemonen.
über Blumen und sprießende Farnwedel hinweggeschritten,
um nichts zu zerstören. Davon könnte ich noch vieles
erzählen, doch ich muß zur Sache, zu den wilden Gärten
zurück. l)ie Zwiebel- und Knollengewächse sind im Früh-
jahr gewissermaßen Alleinherrscher im wilden Garten und
zwar sind es allen voran die Schneeglöckchen, Crocus,
Scilla und Narzissen. Alle diese sind in Trupps oder, wo
der Raum es erlaubt, in Massen vorhanden. In Kew
Gardens erscheinen sie im Frühjahr zu Tausenden, ja
.Milliünonl Um sich ein Bild von jenen Flächen von
Schneeglöckchen und Scilla unter knorrigen Asten alter
Bäume, oder von den Narzissenwiesen und Crocushügeln
machen zu können, muß man sie gesehen haben! Alle
diese Zwiebeln werden, am besten im Herbst, dem Rasen
übergeben und im übrigen sich selbst überlassen. Sie
werden, etwas mehr Feuchtigkeit und womöglich einen
moorartigen Boden verlangen. Durchaus notwendig ist es
nicht, wer jedoch den Unterschied zwischen Narzissen, die
an derartigen Plätzen gewachsen sind, und solchen auf
mehr trockenem Grunde gesehcui hat, wird den Unter-
schied bemerkt haben. Sodann kiunnit — bei Anlage eines
wilden Gartens — die Kunst des Zwiebellegens. Man mag
über diesen Ausdruck lächeln, doch es ist wirklich nicht
so einfach! Wenn man z. B. einen Arbeiter anstellt und
ihn beauftragt, einen Korb voll Crocus oder Narzissen so
im Rasen zu verteilen, daß sie eine große, unregelmäßige,
also natürliche Kolonie bilden, so ist es, falls der be-
treffende Mann nicht bereits geübt in solcher Arbeit ist,
sicher, daß er, ganz unwillkürlich, in mehr oder weniger
goi'aden und paridlolon Linien und gleichmäßig verteilt die
IX 5
DIE GARTENKUNST
93
Fläche bepflanzen wird. Ein mir bekannter englischer
Landschaftsgärtner und Spezialist für wilde Gärten machte
den drastischen Vorschlag, den Leuten bei Anlage solcher
Gruppen genügend Bier usw. zu trinken zu geben — sie
würden dann schon unregelmäßig pflanzen ! Dergleichen
Mittel sind nun gerade nicht vonnöten. Am einfachsten
nimmt man die zu steckenden Zwiebeln oder Knollen und
streut sie, wie Samen, über die Fläche aus und pflanzt
österreichischen Küstengebirge der Adria, unternahm. Dort
auf jenen sonst so öden Karstwiesen wuchsen und blühten
um diese Jahreszeit Galanthus, Viola, Prlmiila, Crocus,
Narzissen usw. wild in erstaunlichen Mengen. Itje Wiesen
glichen groLien, bunten Teppichen. Wenn man jedoch
aufmerksamer beobachtete, konnte man wahrnehmen, dalj
gewisse Pflanzenarten, wie z. B. unsere Crocus sich gleich-
sam in Farbenkolonien gesondert hatten. Dies ist aber
Aus den „Wilden Gärten" des Kgl. Botan. Gartens zu Kew: i. Seidelbast (Daphne).
sie, wie sie fallen. Ferner ist auch der Parbenwahl eine
gewisse Aufmerksamkeit zuzuwenden. Auch diese Be-
hauptung mag im ersten Augenblick befremdlich erscheinen.
Man wird sich fragen müssen, wie sich die Natur draußen
zu dieser Frage stellt. Zuweilen ist man geneigt, an-
zunehmen, daß im wilden Garten ohne Unterschied auf
Form und Farbe durcheinander gepflanzt werden könne.
In einigen Fällen ist dies auch zulässig und von groß-
artiger Wirkung, in anderen wiederum sollte man vor-
sichtiger sein. Nehmen wir als Beispiel unsere Crocus,
bei denen bekanntlich die ausgeprägtesten Farbenkontraste
vorkommen — vom reinsten Weiß bis zum dunkelsten
Blau und leuchtenden Gelb. — Ich entsinne mich eines
Streifzuges, den ich vor wenigen Jahren im zeitigsten
Frühjahr nahe Triest und x\bazzia im „Karst", dem süd-
nicht wörtlich zu nehmen, denn einzelne Ausläufer der
anderen Farbe waren in die benachbarte Kolonie einge-
drungen, desgleichen Schlüsselblumen, Veilchen usw.
E»iesem Umstand hat man in Kew Gardens mit großem
Verständnis und feinem Geschmack Rechnung getragen
und größere Flächen solcher Blumenzwiebeln demgemäß
behandelt; kleinere, farbenbunte Trupps sind denn auch,
wo passend, anzutreffen. Ein nachahmenswertes Beispiel
für den studierenden Landschaftsgärtner findet sich nahe
dem Holzmuseum. Hier haben wir mehrere kleine, neben-
einander liegende Hügel, mit großen Bäumen bestanden.
Auf jedem dieser Hügel haben sich Crocuskolonien in
Weiß, Gelb und Blau angesiedelt, die Ausläufer der
einzelnen Gruppen dringen naturgemäß in die benachbarte
Familie ein, auf diese Weise ein harmonisches Ganzes
94
DIE GARTENKUNST
IX, 5
bildend. Ein bezeichnendes Gegenbeispiel konnte man in
dem nicht weit voii Kew gelegenen Terrace Garden zu
Richmond beobachten, der veimöge seiner bergigen Lage
am malerischen Themseufer als der sciiönste Landschafts-
garten Londons gilt. Hier hatte man Crocus in bunt
zusammengewürfelten Gruppen im Rasen angesiedelt, was
entschieden nicht den ruhigen und natürlichen Eindruck
erzielte, den man in Kew gewann, (ianz hübsch und bunt
Studien. Ihr Anblick wirkt in der Tat bezaubernd und
ich habe sie in solchen Mengen wachsend nie wieder ge-
sehen. Icli schätze einen dieser blauschimmernden
Teppiche auf über einen Morgen im Umfang. Jenseits des
Weges erscheinen sie dann noch in kleineren Trupps und
einzeln im Grase, wo sie sich bereits mit prächtigen, gold-
gelben Narzissen mischen, die hier besonders üppig und
groüblumig werden, da der Untergrund ein mooriger ist.
Aus den „Wilden Gärten" des Kgl. Botan. Gartens zu Kew: 5. Staudengruppo (Crambe orientalis, Spiraea Aruncus pp.)
war es ja auch und erfreute viele Tausende; ähnliches
konnte man auch im Hydepark und anderen öffentlichen
Gärten Londos beobachten — der Geschmack des großen
Publikums ist ja auch so verschieden!
Galanthus und Scilla sollten nur im Busch oder unter
großen, alten Bäumen, wo Gras nicht gedeihen oder nur
spärlich wachsen kann, gepflanzt werden. Im freien, üppig
grünenden Rasen würden sie nur ein kümmerliches Dasein
fristen und schon nach wenigen Tagen ganz verschwinden.
Die in England so beliebten und auch wildwachsenden
„Bluebells" (Scilla nutans) sind in großen Mengen besonders
wirkungsvoll. In den wilden Gärten nahe der „Queens
Cottage" zu Kew befinden sich große Flächen dieser „Hlau-
glocken" unter Hellten Huchenbeständen. Zur Blütezeit
geben sie Künstlern willkommene Gelegenheit zu Mal-
Yon den unzähligen Arten und Spielarten der Narzissen
sind für unsere Zwecke besonders die einfachen oder
Dafi'odils (N, Pseudonarcissus) zu empfehlen.
Eine große Anzahl weiterer FrühlingsbliiluM'. wie sie in
ihrer natürlichen Umgebung zur Anwendung kommen
sollten, könnte ich nennen, aber alle anzuführen würde den
Rahmen meiner heutigen Arbeit überschreiten. Da wären
noch wohlriechende Liaphne und andere aufzu zählen, die
sich nahe dem Bache wohl fühlen. L(!b('rl>lümchen und
Schlüsselblumen, Anemonen. Ranunkeln, selbst Wiesen-
schaumkraut und Sumpfdolteiitlumeii düi'fen nicht fehlen.
Dem, der sichs leisten kann, steht noch ein weites Feld
offen, neben den bei uns heimischen oder bereits einge-
wöhnten Pflanzen, Neulingen aus fremden Ländern eine
neuf Heimstätte zu schaffen, Nanienllich aus dem fernen
IX, 5
DIE GARTENKUNST
95
Osten haben wir in letzton Jahren eine große Anzahl
Neueinfiihrungen zu verzeichnen, die, wenn richtig ange-
wandt, unseren wilden Gärten und Felspartien zur großen
Zierde gereichen. Fast jeden Tag noch liringt uns die
Post Neues und Wunderbares namentlich aus dem großen
„Reich der Mitte". Der mir persönlich befreundete Mr. E.
H. Wilson, der bekannte und unermüdliche Chinareisende,
der uns unter vielem anderen das Meconopsis integrifolia
angehörte, einen Ausflug zum Botanisieren nach dort z\i
machen. Die prächtigen, am Flutiufer und an bergigen
Hängen gelegenen Parks besitzen eine große Anziehung
für Botaniker. l)enn vermöge ihrer „wilden" Beschaffen-
heit und der I>iebe des Besitzers am rein natürlichen Stil
kann man hier im Umkreise von ca, 6 Meilen (engl.) an
5—600 Spezies der britischen Flora sammeln. Unter be-
währter Führerschaft des „Steward" (Verwalters dos Ganzen)
Aus den ,, Wilden Gärten" des Kgl. Botan. Gaitens zu Kew: 6. Rhamondia pyi-enaica zwischen Gestein.
brachte, ist eben jetzt auf seiner 3. Forschungsreise nach
China begriffen. Den Resultaten seinei' diesmaligen,
2jährigen Tour, die sich bis nach Tibet hinauf erstrecken
soll, kann man mit größter Spannung entgegensehen.
W^enn dann die ersten Frühlingsmonate mit ihrer er-
frischenden Pracht vergangen sind und Mai und Juni
mit ihrem Blütenreichtum an Goldregen, Rhododendron,
wilden Rosen und hundert anderen blühenden Bäumen,
Sträuchern und Stauden uns noch frisch im Gedächtnis
stehen, dann bietet unser wilder Garten in den Sommer-
monaten ein ganz verändertes Bild dar. Als das Ideal
eines wilden Gartens zur Sommerszeit möchte ich eine bei
Henley im Themsetal gelegene Besitzung anführen.
Während meines Aufenthaltes in Kew hatte ich das Ver-
gnügen, mit dem British-Botanyclub, dem ich als Mitglied
der selbst ein „Öld Kewite" ist, war es uns möglich, in
einem Tage die schönsten und wichtigsten Punkte der aus-
gedehnten Anlagen zu erreichen und unsere Botanisier-
trommeln zu füllen. Iias Brdreich ist warm und kalkhaltig,
der Kalktelsen tritt zuweilen an den steilabfiülenden Flußufern
zutage. Hier und dort klimmen Waldreben (Clematis) in
armdicken Strängen bis zu den höchsten Baumwipfeln
hinauf. Zahlreiche andere Schlinger gesellen sich zu
ihnen, an den Zäunen gewähren reichblühende Hecken-
winden ein liebliches Bild. In den feuchteren Gründen
wachsen Orchis in Mengen und in mehreren Spezies. Auf
den Parkwiesen war man bei der Heuernte. Hier und da
waren unter Bäumen oder am Gehölzrande Plätze abge-
steckt, wo der Sense Einhalt geboten war — denn hier
standen „wilde" Lieblinge des Besitzers, die man ange-
96
DIE GARTENKUNST
IX, 5
siedelt hatte. Auf einer hoch und frei liegenden Bergwiese,
von wo aus der Blick weit hinaus schweifte ins bläuliche
Hügelland von Oxtbrdshire, machten wir gar reiche Beute
für unser Herbarium. Sogar Enzian und das zierliche
Polygala vulgaris fehlten nicht. Dazu hatten sich im an-
schließenden Gehölz, umgeben von Brombeergerank, der
wilde Fingerhut, Königskerze und Weidenröschen heimisch
gemacht. An den Ufern des Teiches und der Bäche
standen Vergitimeinnicht und Iris in großer Zahl. U»ie
letzteren sind besonders für unsere Zwecke geeignet, da
es unter ihnen hohe und niedrige, zeitige Frühjahrsblüher
und Sommerblüher gibt. Iris germanica begnügt sich mit
fast trockenem Boden, andere wiederum wollen im Sumpfe
stehen. Iris Pseudacorus mit den gelben Blumen befriedigt
ein frischer Standort, ebenso I. pumila und die schönsten
von allen die japanischen Arten, I. Kaempferi. — Wie viele
neue Reize können einem an und für sich schon schönem
Parke zugeführt werden, wenn, wie es jetzt so häufig in
England geschieht, die Ideen, die unserm wilden Garten
zugrunde liegen, auf ihn in Anwendung gebracht werden!
Es naht das Ende des Sommers und mit ihm der
Herbst, der gröLite Maler in der Natur. Ist schon der An-
blick irgend einer in allen Tönen des Rot und Gelb
prangenden Herbstlandschaft von großartiger Wirkung, um
wieviel schöner ist dann noch ein im Xaturstil gehaltener
Park, wo mit Kenntnis und Vorbedacht für die Herbstein-
drücke Bäume und Sträucher entsprechend gewählt und
angewandt sind und wo die „wilden" Blumen dieser Jahres-
zeit dem Ganzen eine passende Umrahmung geben. — Nahe
dem grofjen indischen Museum im Kew Garden befindet sich
ein ansehnlicher Hügel, der dem Publikum nicht zugänglich
ist, weil dort eine Storchfamilie Nest und Hcim.stätte ge-
funden hat. Die Wege sind jedoch so geführt, dali dem
Beschauer von der Schönheit dieses Fleckchens Erde nichts
entgeht. Den Hügel bekleidet zum Teil groLier, lichter
Baumbestand. Von der Höhe herab schimmert der Tempel
des Aeolus durchs Gezweige, in welchem wilde Tauben in
groDer Anzahl sich eingenistet haben. Besonders im Früh-
jahr und selbst im Winter darf dieser Hügel als ein gutes
Beispiel- eines wilden Gartens dienen. Mir gefiel er jedoch
am besten im Herbst I — Obgleich man in der Nähe Londons
infolge der vielen Nebel, in der Regel nicht die prächtigen
Herbstfärbungen erhält, wie man sie auf dem freien Lande
beobachtet, so waren dennoch auch hier die Effekte
wunderbar schön. Besonders eine große Gruppe Pampas-
gras im Vorgrund dunkler Zedern war von vollkommener
Kontrastwirkung. Etwas höher hinauf, zwischen Efeu wild
und schön, hatte eine Kolonie von Weidenröschen sich
ausgebreitet, die nun mit ihren wolligen Samenfäden
silberweiß schimmerten. Und überall iju Grase und im
Laubwerk unter den Bäumen schimmerte es bläulich von
Tausenden von Herbstzeitlosen (Colchicum), von denen es
ebenfalls eine ganze Reihe schöner Varietäten gibt. Auf
jener Seite des Hügels, wo alte Buchen und Eichen bis
dicht an den Weg traten, war für die Flora des Alpen-
waldes ein ideales Plätzchen geschaffen. Zyklamen mit
ihren lieblichen, duftenden Blüten und den zierenden
Blättern waren von den verschiedenen Alpenländern der
Erde hier angesiedelt. Desgleichen zahlreiche Farne, die
unsere Winter überdauern Auch von diesen gibt es viele
und schöne Arten für den wilden Garten, für seine Fels-
partien und alten Gemäuer, mehr als man in der Regel
anzunehmen gewöhnt ist. Nur muß man in der Wahl
ihrer Standorte mit etwas Vorsicht und Sachkenntnis zu
Werke gehen. Ks wäre ein verfehltes Unternehmen, wollte
man versuchen, eine der Sonne preisgegebene Mauer oder
Felsen mit Osmunda Regalis, dem prächtigen Königsfarn,
zu schmücken, oder das liebliche Engelsüß (Polypodium
vulg.) auf einem Moore anzusiedeln. Eine Grundbedingung
ist ferner, Sorge dafür zu tragen und so zu pflanzen, daß
die Stärkeren die Schwächeren nicht ersticken.
Wie ich bereits eingangs betonte, bedeuten selbst die
dunkelsten Wintermonaie, also November bis .Januar keine
vollständige Ruhepause für den wilden Garten. Der hoch-
und weitrankende.Jasminumnudifldrum entfaltet im Dezember
seine leuchtend gelben Blüten und macht uns fast den
Winter vergessen; desgleichen die virginianische Zauber-
nuß (Hamamelis), von denen es mehrere schöne, im Winter
blühende Arten gibt. Eine Gruppe solcher, in den Vorder-
grund immer grüner Sträucher oder Koniferen gepflanzt,
ist, schon aus der Ferne gesehen, von überraschender
Wirkung. .Mögen auch einige besonders kalte Tage die
Blüten wie tot erscheinen lassen, oder bei den Immer-
grünen, wie Rhododendron, Kirschlorbeer usw., die Blätter
zusammenrollen oder wie leblos herunterhängen machen
— nur nicht den Mut verlieren. Sowie die Witterung um-
schlägt, oder der allzu strenge Frost — der bekanntlich
nicht lange regiert — nachläßt, richtet sich alles wieder
auf: es sei denn, daß unglücklicherweise ein recht klarer
Tag folgt und die Sonne versuchen könnte, wirklichen
Schaden zu tun. In solchem Falle darf man sich allerdings
nicht die Mühe verdrießen lassen, ein paar alte Matten
oder dergleichen überzuwerfen, oder wo dies nicht durch-
führbar wie in größeren Gärten, derartige Sachen so zu
pflanzen, daß die Wintersonne ihnen keinen Schaden tun
kann. In dieser Hinsicht sind ja unsere englischen Vettern
iiesonders von der Natur begünstigt, da in der Regel
„drüben" strengem Frost Nebel- oder Regentage folgen.
Unter den Loniceren sind ebenfalls mehrere bemerkenswerte,
winterblühende Arten zu verzeichnen, von denen L. Stan-
dishii besonders schön und wohlriechend ist. Chimonthus
fragrans (-Japan) mit eigenartig gelblichen Blüten gehört
schon zu den selteneren Sträuchern dieser Art, die für
den Winterflor des wilden Gartens, an geschützten Stellen,
sich eignen. Wer über solch' günstige Plätze verfügt und
dort Ribes specisum und CoUetia cruciata pflanzen kann,
wird wahrnehmen, daß diese im Dezember zu treiben be-
ginnen. Nachzügler der Herbstzeitlosen blühen oft noch
um diese Zeit an manchen Orten, während schon die be-
liebte Christrose unserer wilden Gärten ihre Pracht zu
entfalten beginnt, auch wohl unterm Schnee begraben
wird, um dort im Verborgenen weiterzublühen, bis dann
im .Januar die Winteraconits uns bereits an den
kommenden Frühling gemahnen. — Hiermit schließe ich
nun unsern .lahresrundgang durch den wilden Garten.
Einige kurze Bemerkungen mögen mir zum Schluß noch
IX, 5
DIE GARTENKUNST
97
gestattet sein. — Rasenwego sind in England im wilden
Garten sehr beliebt. Sie sind niclit Wege im eigentlichen
Sinne des Wortes, sondern wegartige, mit der Sense oder
Maschine kurzgehaltene Pfade durch Gras und Blumen-
gründe. Liiese „Pfade" sind oft, namentlich in grolJen,
öffentlichen Gärten von ansehnlicher Breite (bis zu 6 m)
und werden vom Publikum viel lieber als die Kieswege
benutzt. Besonders entlang der farbenprächtigen, in Eng-
land so beliebten „Herbaceous Borders" sind sie sehr an-
gebracht und tragen dazu bei. den Effekt solcher „Stauden-
einfassungen" zu erhöhen und den GenulJ derselben vom
weichen Rasenteppich aus zu vergrößern. Es gibt in Eng-
land wohl kaum einen Garten, und sei er noch so klein
oder grotl, in welchem nicht solch ein „Herbaceous Border"
anzutreffen wäre. Wer jemals die wohl einen halben
Kilometer lange Staudeneinfassung zu beiden Seiten der
Parkfront des Schlosses zu Hampton Court in voller Blüte
gesehen hat. wird diesen Anblick nie vergessen! Diese
„Borders" kann man äußerst vielseitig und fast überall
anwenden. Sie sind gleichsam ein Bindeglied zwischen
dem ornamentalen und dem wilden Garten. — Um noch-
mals auf die Wege zurückzukommen, möchte ich noch be-
tonen, daß sie natürlich im wilden Garten durchaus zu-
lässig sind. Daß man jedoch auch in seinem Eifer Natur-
gärten zu schaffen, zu weit gehen kann, bewies ein enthu-
siastischer Verehrer des natürlichen Stils, der es nicht
duldete, daß im Herbst das Laub von den Wegen gebracht
wuide, damit dieselben natürlicher erscheinen sollten 1 —
Größere Rasenflächen, wenn sie auch mitten im wilden
Gai'ten, doch unmittelbar vor Gebäuden liegen, kann man
ruhig kurz halten, ohne damit die Harmonie des Ganzen
zu stören. E>erartige Beispiele kann man in England zur
Genüge beoachten. Geht doch während des Sommers
regelmäßig der Motorgrasmäher über die enorme Fläche
des „King of Hannover Lawn" vordem „KewPalace". während
in nächster Nähe die ..wilden" Teile des Gartens beginnen.
Ich betone nun nochmals, daß man in England keines-
wegs mit dem natürlichen Stil gebrochen hat, sondern sich
immer mehr demselben zuwendet, jenem Stile, der ohne
große Nachhilfe und ohne Romantik oder Atike. die reine,
einfache Landschaft, den ..wilden Garten" zum Vorbilde
hat und dem Fürst Pückler mit seiner Schöpfung Muskau
bei uns die Bahn brach. Männer wie Walther Robinson
in England sind für jenes Land, was Pückler für die
deutsche Gartengestaltung war. Wem es vergönnt ist,
englisch zu lesen und zu verstehen, und wer Interesse
am reinen, natürlichen Stil hat, der lese W. Robinsons.
„The wild Garden", es wird ihm viel Freude bereiten.
Zeit- und Streitfragen.
Unsere Stelliiug- zur heiitijieii (larteukiuistbeweguiig.
Vortrag, gehalten in der Sitzung der Gruppe „Sachsen-
Thüringen" der Deiitschen Gesellschaft für Gartenkunst in
Leipzig am 3. Jlärz 1907, von Linne-Erfurt.
Meine Herren! Sie alle wissen, daß seit Jahren ein
heftiger Kampf entbrannt ist über ,, Gartenkunst", ein
Kampf, der nach der Art, wie er im wesentlichen geführt
wurde, sich konnzeichnet als Kampf zwischen Qarton-
künstlern und anderen Künstlern — Malern, Architekten,
Bildhauern.
Die Namen Lichtwark, Muthesius, Schultze-Naumburg
sind Ihnen allen bekannt. Und ich hoffe, dali auch die
Schritten dieser Herren Ihnen bekannt .sind, und ich kann
denen von Ihnen, die sie nicht kennen, nur drin,gond
raten, sie recht eingehend und rocht oft zu studieren.
Diese Künstler sind zuerst aufgetreten gegen die Garten-
kunst, wie sie nach ihrer Anschauung, nach den Werken,
die sie sahen, war.
Sie wissen auch, meine Herren, zu welch lebhaften
Kontroversen unter den Gartenkünstlcrn die Schriften dieser
Herren führten!
I)a,nn kam die Düsseldorfer Gartenbauausstellung, die
in dem Garten des Profes.sor Behrens die erste öffentliche
praktische Ausführung eines Gartens durch einen Nicht-
fachmann brachte und der i^ehrensche Garten erregte
wiederum einen lebhaften Streit der Ansichten unter den
Fachkollegen.
In viel stärkerem Maße aber entstand solch ein Wider-
streit der Meinungen über die Künstlergärten in E)armstadt
19(J.ä, über die Parbengärten des Professor Olbrich, den
Sondergarten des Maler Leipheimer und die Sondergärten
der Architekten Fuchs und Koch. Ihre Gärten und
mehr noch die Ideen, die sie in ihren Vorträgen ge-
legentlich der Hauptversammlung unserer Gesellschaft in
Darmstadt erläuterten, wurden in unseren Fachkreisen
lebhaft besprochen, viel bekämpft und wenig verteidigt.
Liie weitere Folge der einzelnen Kampfesphasen
In-auhe ich Ihnen nicht weiter aufzuführen. Sie kennen
die Streitschrift von t^amillo Karl Schneider; Sie haben
gehört und gelosen von den Sondergärten in Köln, den
Gärten der Nürnberger imd Dresdener Ausstellung im
letzten Jahre und heute erst ist Ihnen berichtet worden
über die neuesten literarischen Erscheinungen, nachdem in
der vorigen Sitzung über das Buch von Willy Lange und
Stahn berichtet war.
Der Kampf ist da! — er ist auf der ganzen Linie,
in allen Lagern entbrannt und es handelt sich für uns
nur darum, welche Stellung in diesem Kampf wir ein-
nehmen.
Meine Herren! Ihnen die Stellung zu kennzeichnen,
die wir nach meiner Auffassung und nach den Er-
fahrungen, die ich in diesem Kampf bisher gemacht habe,
einnehmen müssen und meines Erachtens nur einnehmen
können, isc der Zweck meiner Ausführungen.
Ich will mich kurz fassen!
Ich halte die Vorwürfe, die die Architekten und Maler
gegen die Gartenkunst, wie sie seit Jahrzehnten fast über-
all geübt wird, erheben, im wesentlichen für durchaus
begründet — für durchaus berechtigt!
Sehen Sie sich doch einmal um in unserem deutschen
Vaterlande! Reisen Sie einmal, wie ich es in den letzten
Jahren in jedem Sommer ein paar Wochen lang gemacht
habe, von Stadt zu Stadt und sehen sich die ,, städtischen",
die ,, königlichen", die „herzoglichen" Gärten an. Be-
98
DIE GARTENKUNST
IX, 5
achten Sie dabei auch das mit Recht so verurteilte
„Vorgartenelend", die Gärten an und neben den Häusern
— und wenn Sie solch eine Reise beendet haben, dann
ziehen Sie einmal ohne Voreingenommenheit das Fazit!
AVas haben Sie anderes gesehen, als überall dieselbe
„Schablonen"-Arbeit in den städtischen und anderen
öffentlichen Anlagen: was haben Sie anderes gesehen, als
überall dieselbe Stümperei und Pfuscherei in den Vorgärten :
was anderes, als Miniaturbilder von Landschaften, Gebirgen,
Seeen in den Hausgärten?!
Ich habe mich in den letzten Jahren viel, sehr viel
umgesehen in deutschen Städten — aber ich halie wenig
— sehr wenig gesehen von Anlagen, die von einem eigenen
künstlerischen Empfinden, von einer Individualität oder auch
nur von ein wenig liebevollem Vertiefen des ausführenden
Gärtners in seine Arbeit etwas verrieten.
Wahrlich! die Künstler haben recht, wenn sie von
der fertigen Schablone reden, die der Landschaftsgärtner
heute für jeden Garten, für alle Verhältnisse bereit hält,
und die er jeder Anlage aufdrückt, die ihm unter die
Finger kommt.
Aber — .geht es mit der Gartenkunst allein so?
Ich habe auf meinen Studienreisen nicht nur die An-
lagen und Gärten besucht, sondern ich habe auch die
Bauart, die Architektur der Städte, der priva,ten wie der
öffentlichen Gebäude, die Legung der Straßenzüge, die
Platzgrenzen und vieles andere mehr zu studieren mich
bemüht, und — wenn das Sprichwort richtig ist: „solaraen
miseris, socios habuisse malorum" — den Trost kann ich
Ihnen, meine Herren geben: ,,Mit der Stadtbaukunst und
mit der Architektur ist es genau so schleclit oder gut
bestellt, wie mit der Gartenkunst." Unendlich viel Schema,
unendlich viel Schablone und sehr, sehr wenig künst-
lerisches Empfinden, künstlerische Eigenart!
Mit demselben Recht, mit dem die Künstler unsere
Gartenkunst schelten, weil bei weitem die große Mehrzahl
der öffentlichen und privaten Gärten Schablone und Nach-
ahmung, Spielerei und Stümperei ist, mit demselben Recht
können wir auch die Kunst der Architekten schelten und
behaupten, sie sei rückständig.
Als ich zum ersten Male den Band II von Schnitze-
Naumburgs Kulturariieiten: ,, Gärten" durchstudiert ha.tte,
da sagte ich mir, und dieser Meinung gab ich auch
auf einer Sitzung unserer Gruppe in Hallo Ausdruck:
,,\Vas will der Mann denn eigentlich?" Er stellt uns in
Beispiel und Gegenbeispiel eine Menge schlechter, neuer
Mauern, Zäune, Gartenhäuser, Anlagen, Brücken usw.
ebenso vielen alten guten Mauern usw. gegenüber und
behauptet, die ersteren neuen sind schlecht und die letzteren
alten sind gut. Da hat er Recht. Das wird ihm kein
Mensch bestreiten, aber das ist doch kein Beweis, daii
die Gartenkunst von Grund aus reformiert werden muH
Genau in derselben Art und in dersellien Fülle sind
Beispiele und Gegenbeispiele aus der Ar(;hitektur, aus
Malerei, aus allen Kunstgebieten mit Leichtigkeit aufzu-
stellen. Hie neu und häßlich — hie alt und gut!
Zur Beweisführung gehört die Gegenüberstellung
gleichwertiger Beispiele. Gutes Neues gegen gutes Altes,
schlechtes Neues gegen schlechtes Altes.
Ein wiederholtes Studium desselben Buches und die
Einsichtnahme in den Band ,, Städtebau" der Schultzeschen
Kulturarbeiten haben mich belehrt, daß Professor Schultze-N.
nicht die Gartenkunst als solche angreifen will, sondern
daß er ganz allgemein, in der Gartenkunst wie im Städte-
bau, den Sinn wecken will für das Schöne, das Zweck-
mäßige, das für die einzelnen Verhältnisse Passende und
daß er in der richtigem Erkenntnis, daß der Hauptfeind di's
Schiinen die Sucht nach etwas Neuem, Modernen ist, mit
l)esonderer Vorliebe das Moderne aber Scheußliche dem
schönen Alten gegenüberstellt.
Und so, wie sich mir hiernach die Bestrebungen
Schultze-Naumburgs darstellen, so müssen und sollen wir
auch, so meine ich, die Bestrelningen, die Kritiken und
selbst die Anfeindungen anderer Künstler auffassen.
Nicht eine Xegierung alles dessen, was seit langem
geschaffen ist, all des Schi'inen, das tüchtige Gartenkünstler
auch in den letzten Jahrzehnten und Jahren geschaffen
haben, sollen wir in den Stimmen der Künstler erblicken,
sondern einen Mahnruf an das Gros der Landschafts-
gärtner und an das Publikum.
IJen Malinruf an die Gärtner, daß ihre Kunst nicht
anders sei, wie jede andere, daß auch sie nicht stille
stehen und nicht auf Lehrbücher eingeschworen werden
kann, daß nur stete persönliche Fortarbeit und Fort-
entwickelung den Künstler und die Gartenkunst fördern
kann, und daß die Gartenkunst, wie jede andere Kunst,
sich nicht abschließen und einkapseln darf, sondern daß
sie die ganz ,, freie Luft von außerhalb", ein freies gegen-
seitiges Zusammenarbeiten mit anderen Künsten braucht.
Und ein Mahni'uf auch an das Publikum, in dem
Garten etwas anderes zu sehen, als ein notwendiges t'bel,
von Bauordnungen diktiert, oder einen Spielplatz für die
Kinder mit ein paar Bäumen als Schattengeber und etwas
Obst und Gemüse für die Küche, oder gar — wie es
leider so oft aufgefaßt wird — als billigstes Mittel, sich
das Nachbarhaus mit seinen neugierigen Bewohnern
möglichst fern und unsichtbar zu erhalten. Ein Mahiu'uf,
den Garten ausgestalten zu lassen mit derselben Liebe,
mit Rücksicht auch auf dieselben persönlichen Wünsche,
die bei der Ausstattung des Hauses und der Zimmer
maßgebend sind — nicht rein handwerksmäßig nach
Stil ,,f" und Schablone ,,k", sondern als für sich voll-
berechtigtes aber auch vollempfuudenes Kunstwerk.
Iv'innon wir diese Mahnrufe, die nai^h meint^' Auf-
fassung in den Stimmen der Künstler liegen, bekämpfen?
Sie werden mir einwenden, daß die Vorträge des
ProL nn)rich, des Maler Leipheimer, die Streitschriften von
Lichtwark und Muthi^sius, die Ausführungen von Schultzo-
Naumburg doch eine ganze Menge AngriH'e gegen die
heutige Gartenkunst und Anfeindungen von Anschauungen
über Gartenkunst enthalten, die wir für recht und richtig
halten.
Ja, meine Herren, haben Sit! schon einmal zwei
.selbständige Gartenkünslier kennen goli>nit, deren .\n-
schauungen über Garteukunst sich vollständig di>cken?
IX, 5
DJE GARTENKUNST
99
(Unter selbständigen Gartenkünstlorn verstehe ich
hier natürlich nicht geschäftlich selbständige, sondern
Gartenkünstler, die ihre Gartenkunst selbständig sich
schaffen und empfinden im Gegensatz zu solchen, die ge-
meinsam vom gleichen Meister die Gartenkunst nach
gleichem allein unfehlbaren Rezept gelernt haben und aus
Ehrfurcht — oder aus Mangel an Können an diesem
Kezept nichts ändern mochten oder wollten) — haben
Sie schon einmal zwei selbständige Gartenkünstler mit
völlig gleichen Kunstanschauungen und Kunstauffassungen
gesehen ?
Ich glaube nicht! Es könnten sonst nicht Künstler
sein, denn die Gartenkunst fordert, wie alle anderen Künste,
ein persönliches individuelles Moment in der Betätigung
ihrer Jünger!
Nun! wenn nicht zwei Gartenkünstler in ihren An-
schauungen über Gartenkunst homogen sind, wie können
wir von einem Maler, einem Architekten verlangen, daß
er von vornherein unsere Kunstanschauungen zu den
seinen macht. Wie kiinnen wir dem Maler Olbrich ver-
denken, dal) ihm die Farbe alles, dii' Form der Pflanze,
ihres Blattes, ihrer Blüte nichts ist? \\'ie können wir dem
Architekten, der wohl sieht, daß die Miniaturschlängel-
wego im Vorgarten scheußlich sind, verdenken, daß er
seine schönen geraden Linien und rechten Winkel als
bestes Reformmittel für unsere Gartenkunst empfiehlt?
Nicht darauf kommt es an! Nicht die Frage, ob ge-
rade oder krumme Wege der Garten haben soll, ob die
Anordnung der Blumen nach Farbe oder P'orm zu wählen
ist. und ob geschnittene oder wild wachsende Hecken
richtiger sind, scheint mir die Veranlassung zur heutigen
Gartenkunstbewegung zu sein. E)ie schablonenhafte Ein-
tönigkeit, die sich in leider so vielen deutschen Anlagen
immer wieder findet, der Mangel jedes künstlerischen,
jedes individuellen Empfindens, der aus diesen Anlagen
spricht, und nicht zum wenigsten auch die Abgeschlossenheit.
die der ehemalige Verein deutscher Gartenkünstler kulti-
vierte, mit der Motivierung, daß er alle Anregung nur aus
dem Kreise seiner Mitglieder und Pachgenossen erwarte,
sind die Gründe, die diese Bewegung hervorriefen.
Die Reformbewegung, die die Maler und Architekten
von außen ins Leben riefen, die wurde schon oft früher
im alten Verein versucht und führte schließlich, unter-
stützt durch das Drängen von außen zur L^mgestaltung
des Vereins.
Sind denn die Unterschiede zwischen den Kunst-
anschauungen eines Willy Lange und eines Encke ge-
ringer als zwischen denen von Encko und Schultze-
Naumburg?
Sicher nicht! — und das ist kein Schaden. Wenn nur
Kunstanschauungen überhaupt da sind! Nicht das macht
den Wert eines Kunstwerkes aus, welcher Richtung es
angehört, sondern daß es überhaupt ein Kunstwerk ist.
Wir sollten uns freuen, wenn dem breiten Publikum
mehr Liebe und Interesse für den Garten von anderen
Künstlern gepredigt und damit seine Fähigkeit zur Be-
urteilung der Schönheit und des Wertes eines Gartens
vergrößert wird, und ebenso sollten wir uns freuen, daß
einmal energisch Front gemacht wird gegen die Regle-
mentiisrung unserer Kunst und die dadurch zum Teil
wenigstens veranlaßto schablonenhafte Ausübung derselben
durch so viele Leute, die sich Gartenkünstler, Garten-
ingenieure und sonst wie nennen, aber alles andere
eher sind.
Geben Sie aber zu, daß die Künstler, die über unsere
Gartenkunst schreiben, eifern, spotten und schmähen, den
Glauben und den Wunsch haben, etwas, was nach ihrer
Ansicht reformbedürftig ist, zu reformieren, — geben Sie
ferner zu, daß die heute in E>eutschland vorhandenen
Anlagen. Haus- und Vorgärten in ihrer überwiegenden
Mehrheit vollbegründeton Anlaß zu solchen Reformideen
geben — , dann wird Ihnen die Stellung, die wir im
Kampf der heutigen Gartenkunstbewegung einnehmen
müssen und nur einnehmen können, sehr bald klar sein.
Wir müssen anerkennen, daß die Künstler die Hand
auf eine Wunde legen, an der unsere Kunst schwer
krankt, die Wunde, die uns Pfuscher nicht nur — sondern
auch eine große Reihe sogenannter Gartenkünstler tagaus
tagoin schlagen. Diese Leute sind es • — ich werde nach
meinen .\usführungen Gelegenheit nehmen, Ihnen ein
recht deutliches krasses Beispiel eines solchen Garten-
künstlers an Hand seiner l'^ntwürfe. sein(>r Erläuterungen
dazu und seiner in einer Tageszeitung erschienenen Ver-
öffentlichungen vorzuführen — die unsere schöne Kunst
in Mißkredit brachten und immer wieder und um so mehr
bringen, in je anerkannteren Stellungen sie sich befinden
— und diesen Leuten muß unser Kampf gelten. Nicht
gegen die Künstler dürfen wir Stellung nehmen! Unsere
Parole im Kampf der Gartenkunstbewegung muß lauten:
Mit jedem, der ehrlich die freie schöne Gartenkunst
fördern will, gegen die Pfuscher, die Gleichmacher, die
Rezepten- und Schablonenarbeiter in unserer Kunst.
Heimatschutz.
^^ ie wir unsere Heimat selieii!
Von R. Hoemann, Düsseldorf.
Da draußen vor unserer Düsselstadt, in einer kleinen
Landhauskolonie, am Fuße des Grafenbergs, wohnt mü*
ein lieber Freund. Zu diesem Freunde möge mich der
Leser für ein kurzes Weilchen begleiten. Treten wir
also ein in die geräumige, helle Wohnstube des alten
Herrn. Er ist noch nicht da. wir aber gehen unwill-
kürlich nach dem großen Erkerausbau und schauen ost-
wärts nach dem nahen Wald und der sich davor aus-
breitenden W'iese. Es ist eine schlechte, ungepflegte
Wiese mit sauren Gräsern und Binsen bestanden, kaum
jemand findet etwas Sehenswertes an derselben.
Jetzt tritt der Hausherr zu uns ans Fenster, und
nach kurzer Begrüßung sind wir bald in einem Gespräche
über das sich bietende Landschaftsbild. Nun läßt der
alte Herr den Gast vielleicht einen Schritt zurücktreten,
vielleicht einen halben seitwärts, so, nun hat er den
rechten Standpunkt. Nun aber zeigt er seinem Gaste im
Rahmen des Fensters da unten auf der Wiese ein
100
DIE GARTENKUNST
IX, 5
Stückchen Heideformation, welche sich auf einer trockenen
Stelle angesiedelt hat.
Wir sehen hin, und unser Auge wird gelenkt von
dem Alten, wir sehen auf einmal, wie ungemein malerisch
sich diese braune Heide in das stumpfe Gelb-Grün der
Winterwiese einschiebt. In der Nähe des Bildrahmens
sehen wir zwei größere Heidekrautkolonieii, welche
/=s\jr PEM WE<ci
Z.vr>r\ ^
('''■', 1 1 1 1 - •■ .. ■ • i' ,1, II' 1''* ;•'
Aus ,,Wie wir unsere Heimat sehet
Im oagli.schen Garten zu i\liinchen
trachten, sich zu einigen, jede für sich aber sendet in die
Wiese kleinere Kolonien aus, zunächst, noch mit der
Mutterkolonie verbunden, dann weiter vorgeschoben schon
einige losgelöste, selbständige Siedolungen der braunen
Pflanze und schließlich, vom Grase fast überwuchert, einige
schwache Ausläufer. Einige Zwergbirken geben seitwärts
noch etwas Staffage. Fürwahr ein typisch schönes,
.scharf charakterisiertes Landschaftsbild iiiid dnch juir
einige Quadratruten grol).
Wie klar und scharf erkannte der alte llrri' hier
das Schöne, welches wir achtlos überschauten, wie weiß
er uns zu leiten, auf daß wir gleich ihm nun das Schöne
erkennen, wie macht er uns auf diese feinen Züge im
Antlitz der heimatlichen Erde aufmerksam, wie sieht er
nicht nur die äußere schöne Form, sondern wie sieht er
auch das wirkliche Leben, hier den Kampf der beiden
Pllanzengruppen, Heide und Gras, wie kennt er so genau
den Zusammenhang der Dinge unter-
einander. Fürwahr, es ist ein Genuß,
dem prächtigen Graubart zuzuhören,
wenn er in seiner einfachen schlich-
ten Weise uns lehrt, die Heimat zu
sehen mit Auge, Gemüt und Verstand
zugleich. Und diese Lehre, wenngleich
sie sich nie in die Form einer
Belehrung kleidet, wirkt befruch-
ten. Wer sie genießen konnte, lernt
bald selbst sehen und entdeckt zur
eigenen Freude nun allerorts Schön-
heiten, die er sonst völlig übersah.
Selbst das unreife Kind lernt unter
solcher Anweisung bald mit feinem
Takt das Schöne zu erkennen. Wenn
mein 7 jähriges Töchterchen mich
jüngst auf einem Spaziergang durch
den Kiefernwald (die schrägeinfal-
lende Abendsonne ließ die alten
Kiefernstämme in einem ganz wun-
derbaren warmen Bronzeton auf-
leuchten) so auf die eigenartige
Schönheit desselben in der Abend-
stimmung aufmerksam machte und
sagte, „nicht wahr, Vater, die Bäume
haben heute ihr schönstes Sonntags-
kleid an", dann schien mir dies be-
wußte Erkennen dieser besonderen
Schönheit an dem luireifen _ Kinde
eine Folge ihres häufigen Umganges
mit meinem Grafenherger Freund,
der das Kind lehrte, wie man seine
Heimat sehen soll. Wie oft habe
ich gewünscht, daß solche Belehrung
recht vielen zuteil werden möchte.
Wieviel freudiger läßt sichs durchs
Leben gehen, wenn es so verhält-
nismäßig leicht ist, fast ül)erall
Schönes zu entdecken und sich
daran zu erfrischen,
lud dieser Wunsch scheint nun zum Teil(^ wenigstens
erfüllt zu werden. Vor mir liefen einige Büchlein, deren
Titel lautet „Wie sollen wir unsere Heimat sehen". Die
Schriftchen sollen sein eine Folge deutscher Landschafts-
schilderungen als Anregung zu besinnlicher Betrachtung
der Heimat, (Herausgegeben von B. Riedel und F. Weissen-
born, Leijjzig, im Verlag von Th. ScheH'er, Leipzig.) l)ie
Betrachtungsweise, zu welcher uns die Büchlein erziehen
wollen, ist so ganz ähnlicher Art, wie die jenes .Mannes,
von welchem ich vorher erzählte.
IX,
DIE GARTENKUNST
101
Es ist eine Betrachtungsweise, bei der auch die
Gefühls- und Stimmungswerte der Gegenstände zu ihrem
Hi'elite Ivommen solii'n, gegenüber der rein verstandes-
gemäßen Betrachtun.u-, die meist anzutreffen ist.
Es ist nalieliegend, daß diese Betrachtungsweise zu-
nächst auf diu Scliönhoiton der Heimat hinweist, Schrm-
heiten, die wir oft bei der intimen Betrachtung der un-
bedeutendsten und naheliegendsten E)ing6 entdecken können.
Aber nicht nur das Unsclieinbare, Intime der Heimat
lehren uns die Büchlein suchen und lieben, nein auch
das Großzügige, Bedeutungsvolle, historisch Interessante
und Wortvolle sollen wir sehen und schätzen lernen, aber
nicht mit dem
Verstände allein.
sondern auch
hier vornehmlich
mit dem Gemüte.
Sie führen
uns bald durch
stille alte Gassen,
deren malerische
Bauten von Jahr-
hunderten er-
zählen, sieführ. '11
dann mitten hin-
ein ins hastende,
piilsiei'endeGroß-
Stadigewühl und
zeigen uns hier
den Reiz des
kraftvoll über-
schäumenden
Lebens, wie es
etwa auf dem
.Marktplatz zu
Leipzig, der
Leipziger Messe,
oder etwa dem
Breslauer Markt
sich abspielt,
sie führen dann
wieder hinaus zu dem schlichten Landgraben (Königsberg),
wo in stiller Einsamkeit feiertägliche Erholung bietender
Friede den Spaziergänger umfängt.
Bald zeigt uns der führende Künstler in hellem
Morgensonnonglanz die schlichten Reize der mitteldeutschen
Landschaft („hinter den Bergen Leipzigs") mit ihren
Dörfern, Feldern und Wiesen mit Blumen und Schmetter-
lingen, bald zeigt er uns, wie der Sturm in Königsberg
den großen Schloßteich peitscht, bald zeigt er, wie auch
der stille, friedliche Landregen Stimmungswerte von
eigenem Reize auslösen kann.
Jetzt wieder führt uns der Künstler nach Hamburg,
zeigt uns zunächst die prächtige Hansastadt als Gesamt-
bild, weist auf die eigenartige Anmut dieses Bildes hin,
von dem man vermuten könnte, ein großer Baumeister
und Landschaftsgärtner, ein Mann von feinstem künst-
in der Hand gehabt. Tud weiter führt er uns durch die
engen Gassen Alt-Hamburgs, zeigt, wie die alten Häuser
dastehen, gleich wie ihre Bewohner so grundehrlich, derb,
breitspurig, schwerfällig, selbstbewußt, lebensfroh, beha.u;-
lieh, gemütlich, und dann wieder läßt er uns Alster-
studien macheu, führt uns später hinaus nach „um
Ihimliurg herum", zeigt uns das alte Vierländer Bauern-
haus, in seinem ei,ü-i>nartig, vielseitig, höchstentwickelten
Bauernstil. Aber nicht nur Architektur und Lebensbilder
weiß uns der Darsteller zu zeichnen, auch ein feines Ver-
ständnis offenbart derselbe Künstler in der Schilderung
seiner Naturschiinheit. Wie prächtig sieht er unseren
Aus ,.\Vie wir unsere Heimat teilen": Landscliaftsbild aus der Umgebung von Breslau.
Buchenwald, wie warm erschaut er die Schönheit der
Heide!
Wie stolz ist er im Schlußsatz (Hamburg) auf seine
Heimat, der er mit treuer bodenständiger Liebe er-
geben ist.
Aber nicht nur lernen wir einseitig das schöne Alte
kennen, nein, auch für die Reize der Neuschöpfungen
haben die Künstler ein offenes, helles Auge. Wie ge-
wandt wird uns in dem Gespräche zwischen Künstler
und Techniker die Schönheit der modernen Brückenbauten
der Lsarstadt dargestellt, wie zeigt uns das Büchlein
(München) die Werke neuzeitlicher Künstler eines H och eder,
Theodor Fischer, Gabriel Seidel, wie lebendig
schildert er uns die Schönheit der neuzeitlichen Brunnen-
schöpfungen der Kunststadt München.
Und dann wieder finden wir z. B. im Band Breslau
■rische Gefühl hätte die Anordnung des ganzen Bildes eine köstliche Schilderung der Landschaft, eine Schilderung,
102
DIE GARTENKUNST
IX, r,
in der wiederum der Gefühlsinhalt an die Stelle des
Gegenständlichen tritt.
Es kommt dem Künstler ja gar nicht dniauf an.
Blumenschmuckkunst.
All;, ,.\Vif wir unsere Heimat sehen": Am Lam.lgraben
bei Königsberg.
was er schildert, er will nur mitteilen, was er vor der
Natur empfunden hat, jene groOen und starken, oder die
jjescheidenen intimen Eindrücke, die die Natur auf ihn
gemacht hat, sie werden uns durch Wort und Bild
vermittelt.
Die Natur birgt Reichtümer in sich, die für den
oberflächlichen Betrachter nicht vorhanden sind, aber dem
liefer Veranlagten zur Quelle zahlloser Freuden werden
können.
Und so wollen diese Büchlein ein Wegweiser sein
und zeigen, wie man auch in der engsten Heimat so
vieles Schone finden und sich und anderen so manche
Freude erschließen kann, sie wollen anregen zu sinnlicher
Betrachtung dieser Schönheit.
Und damit vertiefen sie gleichzeitig un-
gemein die Liebe zu unserer schönen deutschen
Heimat. Diese Heimat zu schätzen, ihre eigentüm-
liche Schönheit zu erhalten, ja sie zu steigern,
ist ja eine der schönen Aufgaben unserer Zeit
(Heimatschutzbestrebungen). Möge durch das
Studium der Büchlein veranlaßt recht mancher
an der Erreichung dieses Zieles mitarbeiten.
Bis heute sind erschienen:
Leipzig l, herausgegeben vom Leipziger
Zeichenlehrerverein.
Leipzi.tr II, herausgegeben vom Leipziger
Zeichenlehrer verein.
Hamburg von Oskar SchwindrazhcMin.
Königsberg von Herrn, ^^'il■th.
Breslau von Ernst Müller-Bernl)urg.
München von \. Heilnieycr und L. Koch.
Die Erste Grofse Berliner Biudekiiiistausstellung.
Von Oskar Cordel.
Die Spezialisierung, die das gesamte wissenschaft-
liche und gewerbliche Leben der Gegenwart beherrscht,
greift auch in das Gärtnergewerbe immer tiefer ein und
hat sich erst kürzlich wieder bekundet bei der vom 20. bis
26. März im Landesausstellungsparke abgehaltenen Ersten
Großen Berliner Bindekunstausstellung.
Diese vom „Verein der Blumengeschäfts-Inhaber in
Berlin" veranstaltete Ausstellung sollte einerseits das ge-
steigerte Selbstgefühl, das Kraftbewußtsein der Branche
vor aller Welt dartun, anderseits Gelegenheit geben, den
zeitigen Stand der Blumenbinderei, unbeeinflußt von allem,
was die gärtnerischen Ausstellungen für gewöhnlich sonst
noch darbieten, kennen und würdigen zu lernen.
Die deutsche und gerade auch die Berliner Blumen-
binderei steht in gutem Rufe; hin und wieder konnte
man sogar die Behauptung hören, sie sei allen übrigen
Ländern und Städten voraus. Ob das der Fall, bleibe
dahingestellt; jedenfalls versprach das Unternehmen viel
Schönes und Lehrreiches — letzteres um so mehr,
als das Ausstellungsprogramm im Anschlüsse an das
moderne Bestrehen nach scharfer Charakterisierung, das
in den Künsten, oft selbst auf Kosten der Schönheit, eine
so ausgeprägte Rolle spielt, von den auszustellenden
Gegenständen überall da eine bestimmte Charakteristik
verlangte, wo es der Zweck des Gegenstandes irgend recht-
fertigte. Man forderte beispielsweise von den „Spenden",
daß sie erkennen lassen müssen, wann oder zu welcher
Gelegenheit sie gewidmet seien, von den Tafeldekorationen,
ob es sich um ein Jagdfrühstück, ein intimes Diner am
runden Tischen im Hotel oder um sonst eine besondere
gastronomische Veranstaltung handele usw.
Die Beschaffung eines geeigneten Ausstellungslokales
war auf Schwierigkeiten gestoßen. Die anfängliche Ab-
sicht, die neue großartige Halle am Zoologischen Garten
-->■■
Aus „Wie wir unsere Heimat sehen": Kinzclncs ( U'huh h. S..li..nan ( Leipzig).
IX, 5
DIE GARTENKUNST
103
zu benutzen, scheiterte an diM' hohen Mieteforderung
(50000 Mark und 20 v. H. der Kinnahme), so dali man
schliesslich auf den neuen Saalbau des Landesausstellungs-
parkes, der schon die t'lirysanthemumaussteilung Herbst
19U5 beherbergt hatte, zurück.i^reifen mußte, obschon die
Räume dieses Baues für den Zweck nicht ausreichten
und durcli ziemlich weit entlegene Stadtbahiilwigen ver-
vollständigt werden mußten.
L)ie Einteilung und Anordnung des Materiales war
die folgende: Die östliche Halle des Baues, die man zu-
nächst betritt, enthielt eine Anzahl von Bindereien, die
das Programm als Huldigungen für die Kaiserin be-
zeichnete. t)er nach links ansclilieliende grolie Hauptsaal
achtung fanden. Es ließen sich sogar Stimmen hören,
die eine Erweiterung des Programms nach dieser Richtung
für zweckmäßig gehalten hätten: Blumentische, Blumen-
fenster, Balkone, Treppen- und Nischendekorationen u. dgl.
Der beschränkte Raum mag Hauptgrund gewesen sein,
daß man sich hierin Beschränkungen auferlegt hatte; auch
so, wie sie war, befriedigte die Ausstellung augen-
scheinlich.
Von einer genaueren Besprechung, namentlich der
eigentli.'hen Bindereigruppen nehme ich Abstand: im
großen und ganzen zeigte sich die Kunst der Berliner
Binder durchaus auf der Höhe. Geschmack und Tecknik
wetteiferten mit der rciriini Verwendung edlen .Matin-ia.ls,
Aus
,\Vie wir unsere Heimat sehen": Blick auf Hauiburi;' vom Steinwärder aus
brachte Blumenstücke für Jubiläen und sonstige festliche
und freudige Anlässe, ferner die Tafeldekorationen. In
den beiden westlichen Quersälen hatte der Hochzeits-
schmuck eines fürstlichen Hauses Aufstellung gefunden.
Vom Einga,ngssaale rechts, also östlich, gelangte man zu
den Bindereien für Trauerfälle, und von da durch einen
langen Gang zu den Stadtbahnbögen, deren letzter den
„Wintergarten eines Wcltreisenden" enthielt, während der
vorletzte ein Biedermeierzimmer und den Brautschmuck
umschloß. Im Vorräume hatten noch einige kleinere
Wintergärten und dekorierte Tafeln Platz gefunden, in
dem Verbindungsgange, dessen natürliche Öde durch eine
Lorbeerallee gemildert war, sah man einige Beispiele von
Wanddekorationen aus E)auermaterial.
Wie man sieht waren die Veranstalter nicht einseitig
vorgegangen: sie hatten vielmehr durch Aufnahme der
Wintergärten und der dekorierten Innenräume das Pro-
gramm zu beleben imd die Ausstellung anziehender zu
machen gesucht — mit Recht; denn der Erfolg lehrte,
daß gerade diese Teile des Ganzen hervorragende Be-
namentlich auch massenhafter Orchideen und prächtiger
Treibrosen.
Mit Auszeichnung zu nennen wären u. a. die Firmen
A. Nigrin, Theodor Hübner. Jul. Zander, H. Krüger, Herm.
Vt'endorf, 0. Bernstiel Nachf., C. Bernstem, Chr. Drescher,
H. Pasbender.
Was die geforderte Charakteristik betrifft, so hielt
sie sich viefach in den Grenzen bloßer Äußerlichkeiten;
in anderen Fällen war jedoch der ehrliche und zuweilen
geschickte Versuch gemacht, durch Art und Anordnung
der Blumen stimmungsvolle Stücke hervorzubringen.
Manche dieser Stücke muteten recht gelungen an, so eine
Blumenspende für das Jubiläum einer Pischerinnung: eine
reizvolle Gruppierung von Wasserpflanzen mit einem Fisch-
netze als Marke; ferner ein nettes Geschenk für einen
ABC-Schützen: Botanisierfcrommel und Schiefertafel in
Blumen und Grün; das Jubelgeschenk für einen Kunst-
gelehrten: ein antiker Wasserbehälter mit Pinienzweigen
und dunklen Iris. Wenn demgegenüber ein Kranz für
einen Schauspieler nichts weiter an Charakteristik auf-
104
DIE GARTENKUNST
IX, 5
zuweisen hatte, als den Aufdruck: ,,Dem genialen Künstler"
auf der Schleife oder ein Kranz für einen Maler nichts
anderes als eine in den Kranz hineingesteckte Palette, eine
Osterdekoration nichts Bezeichnendes als den Osterhasen
aus Papiermache, so lehren diese Beispiele, daß es uns
an einer wirklich charakterisierenden Pormensprache auf
diesem Gebiete noch fehlt. Vielleicht, daß wir aus den
in japanischer Manier gehaltenen Stücken lernen können,
wie sie Franziska Brück in mehreren recht an-
eiferte mit der graziösen Leichtigkeit und Natürlichkeit
des Aufbaues, sowohl was die Festtafel, als auch was
die zahlreichen Einzelarboiten anbelangt, die als dekorierte
Schalen, Vasen, Ampeln u. dgl. ringsum aufgestellt waren.
Beim Eintritt in den Saal mußte der Beschauer ein er-
höhtes Podium besteigen, von dem aus er über die Brüstung
einer Pergola hinweg das Gesamtbild des Saales mit
einem Blicke in sich aufnehmen konnte. Die jenseitige
Wand war in ein Halbrund von Nischen verwandelt, deren
Von der Mannheimer Gartenbaiiaiisstelhing: Der Henkelgarten in der Entstehung.
sprechenden Nummern vorführte. An und für sich hat
diese japanische Art indes wohl kaum Aussicht, sich all-
gemeiner bei uns einzubürgern, da sie eine befriedigende
geschäftliche Ausnutzung wegen der Dürftigkeit des zu
verwendenden Materiales nicht gestattet.
Die zur Hochzeit geschmückten Säle eines fürstlichen
Hauses erwiesen sich neben den Wintergärten als Haupt-
anziehungspunkte der Ausstellung. Sie verdienten diese
Beachtung. Namentlich der von J. C. Schmidt (Blumen-
schmidt) ausgestattete Speisesaal des Hochzeitshausos war
eine Sehenswürdigkeit ersten Ranges. Nicht nur daß er
in kostbaren Blumm geradezu schwamm; er zeigte auch,
daß man es hinsichtlich der Anordnung und der Bindo-
technik mit einer das Fach souverän beherrschenden Kraft
zu tun hatte. Die Delikatesse der Farbenstellung wott-
jede einen charaktervollen Blumenschmuck zeigte. \\'eit-
hin leuchtete die Mittelnischi* mit ihrer mächtigen und
doch nicht aufdringlichen Gruppe von Calla, Lilien und
weißem Flieder. Elektrisches, hinter den Säulen der
Mschonrotunde angebrachtes Licht ließ deren Schönheit
noch vollends zur Geltung gelangen. Als Episode sei eine
Sammlung japanischer Zwergkoniferen erwähnt, die der
Aussteller in diesem Saale zur Schau gestellt hatte —
Bäumchen von 0.2.5 — 0,50 m Höhe und angeblich lUÜ
l)is 15tJ .Jahre all, knoi-rig und malerisch gewachsen,
interessante Belege für die Findigkeit und diis Geschick
des Japaners in alle'n möglichen Zweigen der Kleinkunst.
Sehr lobenswert präsentierte sich im anstoßenden
Saale, der als Traukapelle gedacht war, die V(m iL Fas-
bender gestellte Alliirgruppe. Sehr geschickt wa,ren schlank-
IX, 3
UIE GARTENKUNST
10')
wUchsige Kentien als Bekröiuing dos Ganzen vorwendet;
sie versinnbildlichten gewissermaßen durch den Eindruck
des Emporstrebenden den Aufschwung der Herzen liei
der feierlichen Handlung, der sie als Hinti'rgrund dii-nten.
Eine ebenso geschmack- wie mallvolle Verwendung
blühender Sträucher in zarton Farben nahm der Gi-uppo
(las Eintönige, ohne sie bunt erscheinen zu lassen.
lUis Gegenstück dieser reichen und vornehmen L»e-
korationsgruppen bildeten die Wintergärten am anderen
hübsch ausgestatteten Zimmers aus der guten alten
Zeit. Als erwähnenswerte Einzelheiten der Ausstellung
mligen noch gelten eine mächtige Palme als Mittelpunkt
dos grolien Saales, höchst geschickt aus vielen einzelnen
Kentien zusammengesetzt, ferner eine Reihe von Tafel-
dekorationen im Biedermeierstile, sowie etliche Kultur-
pflanzen von ungowi'ihnlichor Schrmheit: Hoknkko-Zyklamon
von .1. C. Schmidt-Erfurt, groliblumige Frimula obconica
von Th. Wetzol Berlin, abgeschnittene Nelken von G. Cin-
Von der Mannheimer Gartenbauausstellung; Der Spaliergarten vun Hoennings-Neiiss in der Ausführung.
Flügel der Ausstellung, vor allem der von W. Wen dt
tadellos ausgeführte , .Wintergarten eines Weltreisenden",
welcher Titel wohl kaum etwas anderes andeuten sollte
als die Forderung einer vornehmen Anlage unter aus-
giebiger Verwendung exotischer Pflanzen. Dieser Forde-
rung hat denn \\'endt auch mit bekannter Ele.ganz genügt;
er schuf eine ideale Landschaft von berückendem Reize,
üppig und doch nicht unruhig, mannigfaltig und ab-
wechslungsreich in den Einzelheiten und doch harmonisch
im Zusammenklange, edel und großzügig im Entwürfe
und stimmungsvoll in der Wirkung — eine Meister-
leistung, würdig des hohen Standpunktes, den unsere
heutige Gartenkunst beansprucht. Einen recht anmutigen
Einblick in die Herrlichkeit der Wendtschen Tropenland-
schaft genoß man noch durch das Fenster des anstoßenden.
quin-Antibes und Ch. Lange-Hampton, sowie Riviera-Schnitt-
blumen von Th. Hübner-Nizza.
Der Besuch der Ausstellung, deren Bestände mehr-
fach erneuert wurden, war recht befriedigend, trotz der
unmittelbar zuvor und zur gleichen Zeit abgehaltenen
Koscholschen ,, Allgemeinen" mit ihrer sehr geschickt lan-
cierten Wohltätigkeitstendenz, und obschon auch das vielfach
ungünstige Wetter naturgemäß auf den Besuch drückte.
Auch die Kaiserin war unter den Besuchern.
Verschiedenes.
Jubiläums-Ausstellung 1907 Mannheim. Wenn das vor-
liegende Heft der Gartenkunst in die Hiiude unserer Mitglieder
gelangt, hat die Mannheimer Ausstellung, der allseitig mit
lOG
DIK GARTENKUNST
IX,
großer Spannung entgegengesehen wird, ihre Pforten geöffnet.
Ob sie zur Eröffnung ganz fertig sein wird'.' Es wird in den
letzten Wochen mit einem außerordentlichen Eifer gearbeitet,
dieses Ziel zu erreichen. Im großen und ganzen wird es jedeu-
faUs auch erreicht werden. Immerhinkann angenommen werden,
daß an EinzeUieiteu noch nacligefeilt werden muß, ganz ab-
gesehen davon, daß ja vieles erst wachsen und Blätter und
Blüten entfalten muß, um das Bild zu gewähren, welches den
Schöpfern der einzelnen Abteilungen beim Entwerfen vorge-
schwebt hat. Der strenge und anhaltende Wiuter mag in
werk uach japanischen Vorbildern. Das Bild Seite 105 zeigt den im
Entstehen begriffenen Spaliorobstgarten von Hönings-Neiiü, der
durch seine Achsenbeziehnung zu den im Hintergrund sicht-
baren Baulichkeiten des Friedrichsplatzes (Wasserturm usw.)
besonders wirkungsvoll zu werden ver.spricht.
Das Bild auf dieser Seite zeigt das Innere der nach Läuger-
schen Entwürfen ausgeführten großen Ausstellungshallen.
Den in Heft 2 und 4 unserer Zeitschrift gemachten Mit-
teilungen über die in Aussicht genommene Sonderausstellung
für Gartenpläne usw. ist nachzutragen, daß der Ausschuß,
V^on der Mannheimer Gartenbauausstellung: Blick in die Ausstellungshallen.
manchen Punkten verzögernd gewirkt haben, dagegen ist das
IierrlicheWetterderletztenWochen wieder sehr förderlichgewesen.
Manchem mögen die Aufnahmen, die wir bei einem Besuch
des Ausstellungsgeländes in der] ersten Aprilhälfte gemacht
haben, nicht unwillkommen sein.' Sie gewähren ' einen lehr-
reichen Einblick in die werdende Ausstellung und geben, ver-
glichen mit den Bildern, die nach ihrer Vollendung vorgefülirt
werden können, einen Anhalt für das, was- in den letzten
Wochen geleistet werden mußte. Das erste Bild (Seite
8.5) ist im Sondergarten des Professor Länger aufge-
nommen worden; man meint beinahe einen Stoinhauerwerk-
platz vorsieh zu haben. Der Blick in. den Henkeischen Garten
(Seite 10-tj läßt die heizbare Abteüung des Wasserpflanzen-
teiches erkennen. Die Sohle des Beckens ist aus liotoii her-
gestellt, der zum größten Teil mit Boden für die einzupflanzen-
den Nymphäen bedeckt ist; die Heizrohre sind teilweise sicht-
bar, ebenso die Ausstattung des Gartens mit Bild- und Bau-
weicher die Entscheidung über die Zulassung der einzuliefernden
(iegenstände und ihre Bewertung vorzunehmen hat, sich aus
den Herren Prof. Bill ing- Karlsruhe, Gartendirektor v. Engcl-
hardt-Düsseldorf, Prof. Albin Müller-Darmstadt, Garten-
inspektor Lip pel-Mannheim, Königl. Kurgärtner W..Singer-
Kissingen, Gartendirektor Staemmler-Liegnitz und (larten-
direktor Trip-Hannover zusammensetzt.
Von den sonstigen Sonderausstellungen t'rfordern die Hinde-
kunstausstellungen besondere Beachtung. Kh sind deren nicht
weniger als sieben vorgesehen: Frühjahrsbiudekunstausstcllung
(II. — 14. Mai), Rosenbindekunst (22. — 24. Juni), Brautschmuck
i;iO.— 22. .Juli), Sportbindekunst (17.-20. August), allgemeine
Bindekunst (14.— 17. September), heimatliche Wald- und Jagd-
bindekuust (16. — 20. Oktober) und Chrjsantlienuinibindekunst
(18.— 20. Oktober). Unter den gestellten Au fg.iben nehmen die
Ausschmückungen ganzer Innenräume und Festtaleln einen
breiten Raum ein, die ausgeworfenen Preise lassen erwarten,
IX, 5
DIE GARTENKUNST
107
daß in scharfem Wettbeworb beachtenswerte Lösungen und
wertvolle Anregungen für das ganze Gebiet der Blumen-
schrauckknnst geboten werden. Für die Beurteilung soll
weniger der Wert des Materials, sondern in erster Linie die
künstlerische Ausführung;' ausschlaggebend sein. H.
Neues perspektivisches Zeichenverfahren ohne
Horizont, Hauptpunkt und Distanzpunkte vermittelst
Reduktiousdiagrainm vnu Leu lleerwagen, Darrastadt.
Das nachfolgend l)eschriebene Verfahren erübrigt alle Kon-
struktionen, welche mit Horizont. Hauptpunkt und Distanz-
punkten in Verbindung stehen, und dürfte deshalb geeignet
erscheinen, die schnellste Erlernung der Perspektive den
weitesten Kreisen zu ermöglichen.
Das Diagramm (28 X 20 cm) besteht in^seiner Grundform
aus einem rechtwinkeligen Dreieck, dessen wagreclit liegende
Kathete als Grundriß der Projektionstafel gedacht ist und
dessen Senkrechte die Reduktion der in der Projektionstafel
abgetragenen Wagrechten bedeutet. Die H vpothenuse dagegen
wird von einem auf einer Skala sich bewegenden Stahlschieber
gebildet, durch dessen Stellung sich jeweils das zu jedem Bilde
gehörige Reduktionsdreieck ergibt. Ist z. B. die Stellung des
Schiebers auf ■'/..,, so tritt eine Reduktion der Strecke a' — b'
auf 5/5 ein, wenn c' — d in senkrechter Richtung abgegriffen
wird usw. Durch eingelegte Indexstriche ist ein Verzeichnen
des Bildes vollständig ausgeschlossen.
Die Anwendung ist folgende:
Angenommen Linie a — b der Fig. 1 sei die Projektions-
tafel und das über ihr errichtete Quadrat n — b — d — c schließe
den Gegenstand ein. Nachdem die Diagonalen a — d und b — c,
sowie die Symetralen zu den Quadratseiten e — f und g — h ein-
gezeichnet sind, überträgt man a— b in natürlicher Länge in
das Bild (Fig. 2) und greift dieselbe Entfernung vom Körner
(Mittelpunkt der Messingscheibe) des Diagrammes ab.
Das sich ergebende Lot c' — d' ist die Reduktion von
a' — b', hier also die hintere Quadratseite c' — d', welche
parallel zu a — b und in beliebiger Entfernung von a — b —
auch nach rechts oder links verschoben — in das Bild (Fig. 2)
eingetragen wird. Es erübrigt nur noch in den Mittelpunkten
beider Quadratseiten die Symetrale e — f \md alle übrigen Linien
in der in Fig. 3 gekennzeichneten Weise zu vervollständigen.
Das auf dem Diagramm (siehe vorstehende Abbildung)
durch den Schieber bezeichnete Dreieck a' — b' — c' ist nun
die Reduktionsfigur für alle folgenden Kon.struktionen.
Soll auf dieser soeben gezeichneten Quadratfläche, welche
die Grundebene darstellt und auf der sich alle Konstruktionen
vollziehen, irgend ein Punkt, z. B. — A — in Fig. 1 perspek-
tivisch festgestellt werden, so ist folgendes Verfahren einzu-
schlagen:
Durch — A — ist die Senkrechte — i — k — zu ziehen, so-
dann die Wagerechte A — n und durch den Schnittpunkt — n —
mit der Diagonale a - d wiederum die Senkrechte — 1 — m — ,
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108
DIE GAETENKnNST
IX, 5
Die in der Projektionstafel liegenden Fußpunkte — i — und
— 1 — erscheinen, wie in Fig. 4 gezeiclinet, folgerichtig von
— b — aus in derselben Entfernung. Die perspektivische Lage
von — k — und — m — ergibt sich dagegen in der Weise, daß
man — i — b — und — 1 — b — vom Körner des Diagrammes auf
Kathete — a' — b' — abgreift und die Reduktion — i' — k' ■ —
und — 1' — m' — auf Quadratseite — c — d — im Bilde von
— d — aus abträgt. Da — i — k — und — 1 — m — (Fig. 4) die
Linien der Zentralprojektion sind, so lassen sich durch die
.Schnittpunkte mit den Diagonalen und Symetralen in leichtester
"Weise alle Punkte perspektivisch ermitteln.
Ist z. B. im Punkte — A — der Fig. 4 ein Lot gleich
— H — (Fig. 6) zu errichten, so trägt man — H — von — i —
und die Reduktion — H' — (siehe Diagramm) von — k — aus
~y^
////////
^^^
////,
v/
/
gleichfalls als Senkrechte ein; beide Endpunkte verbunden,
schneiden sodann die perspektivische Höhe des in — A — er-
richteten Lotes ab. In dieser einfachen Art werden sämtliche
Punkte von Körpern gefunden und hat man es in der Hand,
sich bei einiger Übung die mannigfachsten Vorteile heraus-
zubilden.
Das perspektivische Bild des in Fig. 6 angenommenen
Quadrates I — II — III — IV in schiefer Ansicht ist in Fig. 7
dargestellt. Es wurde im Grundriß zuerst Quadratseite 1 — II
bis a — b verlängert und I' — b' direkt in das Bild eingetragen,
hierauf i — k und 1 — m gezogen, so daß durch den Schnitt-
punkt n mit der Diagonale a — d die Wagrechte n — o ein-
gelegt werden konnte. Eckpunkte I — II ergeben sich somit
auf den Linien i — k und p — q, .'ille anderen dagegen duicli
das in den Fig. 6 und 7 gekennzeichnete Konstruktionsver-
fahren.
Bei Figuren mit ausgeprägten Höhenunterschieden wie
Fig. 8 zeigt, ist das Profil auf der Linie — a — b — (Projek-
tionstafel) und dessen Reduktion auf — c — d — abzutragen
un<l durch entsprechende Linien (Fig. 9) zu verbinden.
Der Kreis in Fig. 10 und 11 wird mit Hilfe des umschriebenen
Quadrates gezeichnet, wobei die Peripherie in — e — g — f — h —
berührt wird. Die Zwischenpunkte — 1 — 2 — 8 und 4 — sind
durch die Diagonalen und die liinien der Zentralprojektion
festgelegt.
Bei Darstellung von Kurven (Fig. 12 und 13) oder Körpern
mit unregelmäßigem Umfange sind in der Hauptsache die Be-
rührungspunkte des Gegenstandes mit den Diagonalen und
und Sj'metralen von — 1 bis 8 — zu berücksichtigen.
Um die Schatten zu gewinnen, denke man sich in Fig. 14
zwei nebeneinander stehende Glaswürfel x — x' mit gemein-
schaftlicher .Seitenfläche y.
Die Körperdiagonalen s — s' geben die Richtung der Licht-
strahlen an, während s — s" ihre Grundriße sind.
Werden nun diese Strahlen durch zwei beliebige Parallele
geschnitten (hier durch x — y) und die zwischen diesen Strahlen
gelegenen Strecken a — b = b — c:=c — d usw. und gleich-
falls i — k = k — 1 = 1 — m n — o gemachte, so hat man,
wenn a — h, b — i, c — k usw verbunden werden, die Rich-
tuDg'der Lichtstrahlen
■7V vor sich. Sie ergeben
_ folgerichtig und in
hinreichender Weise
mit den Schnittpunkten
der in gleicher Weise
entstandenen Grund-
riß.strahlen s — s" die
Schattengrenze des
Körpers. Man ver-
gegenwärtige sich in
Fig. 16, daß alle Licht-
strahlen als parallel
erscheinen und sich
erst in der Perspektive
entsprechend verjün-
gen. Alle übrigen Kon-
struktionen sind leicht
aus den Figuren abzu-
lesen.*)
Vilmorin - Denk-
mal in Paris. Die aus
allen Teilen der Welt
eingelaufenen Beiträge
zu den Kosten eines Denkmals für den 1899 gestorbenen H.
Vilmorin haben eine Summe von fast 140,000 Franken ergeben.
Das Denkmal wird, wie wir hören, im Jardin de Luxem-
bourg aufgestellt und von dem Pariser Bildhauer H. Carlier
ausgeführt. Auf dem mit den Medaillonparträts von H. de
Vilmorin und seinen Vorfahren geschmückten Sockel erhebt
sich eine allegorische Figurengruppe.
-' V
/
/
/
/
<^v^^>^^^^^^-
Personal nach richten.
Kgl. Ilolgärtner Rosenberg, Sanssouci — Potsdam, feierte
am '2ii. März d. J. sein fiOjäliriges Dienstjubiläuiu. — Poths,
Friedr., Gmßherzogl. Luxemburgischer Hofgärtner in König-
stein i. T. ist am 6. April d. ,). gestorben. — Bromnie, Her-
mann zu Grünberg i. S., welcher seit 1. Juli lfSt>7 die Baum-
seliule der Grünelierger Gartcnbaugesellschaft m. b. 11. leitet,
ist zum Kgl. (iartenbaudircktor ernannt worden. — Hertens, E.,
Landschaftsgärtner in Züricli, Schöpfer der dortigen (^>u:iian-
lagen und vieler anderer Gartenanlagen der Schweiz, starb am
23. März d. .1., 60 .lahre alt. — Prestinari. Gärtnereibesitz<T
in VVieblingen bei Ileidellierg, ist dureli \'erleihung des Ordens
vom Zähringer Liiwen II. Kl. ausgezeiclinot worden. — Beirodt,
Otto, Orchi<leenzüchter in Marienfelde bei Berlin, eiiiielt die
gleiche Auszeichnung.
') Reduktionsdiagranime kiinnen vcm L. Ileerwagen, Darm-
stadt, Viktoriastr. (i? zum l'ri'ise von Mk. 3,20 per Naclmahme
bezogen werden.
Für die Bedaktion verantwortlich: Stadt-Gartcndirektor Hcicke, Frankfurt a. M. - Verlag von Gebrüder Borntraeger, Berlin SW. 11,
Dessauer Strasse 2». Druck von A. W. Hayn's Erben, Potsdam.
IX. 6
DIE GARTENKUNST
10!)
Parkbild aus den Kuranlaaen zu Bad Nauheim.
Gartenkunst und Städtebau.
Iiiueiijiäiteu.
Vun Theodor Goecke, Berlin.
(Schluß.)
LIBRARY
NEW YORK
H'-TaNICaL
In ähnlicher Weise ist ferner der Waldpark zu Blase-
witz bei Dresden rundum offen bebaut und von den Höfen
bzw. Hausgärten aus mit Privatzugängen, im übrigen
aber durch sechs öffentliche Zugänge erreichbar, wovon
zwei auf den den Park durchschneidenden Elsaßer Weg
entfallen (Städtebau, II. Aufl. von Dr. Ing. J. Stubben,
S. 592).
Endlich der Anlagenplatz an der Val|i\chler Straße zu
München, der an drei Seiten wieder geschlossen umbaut
ist und nur an der vierten Seite an eine öffentliche
Straße grenzt. An zwei Seiten durchbrechen öiffentliche
Durchfahrten die Bebauung. Höfe und Hausgärten trennen
die Häuserreihen von der Grünanlage (Zeitschrift ,,E>er
Städtebau", Jahrg. II, S. 8).
Auf Gemeinbesitz oder da, wo wie z. B. in München
gesetzliche Bestimmungen die Freilassung eines gewissen
Flächenmaßes zu öffentlichen Plätzen fordern, sind der-
artige Anlagen entweder von der Gemeinde selbst oder
auch dtirch Privatunternehmer ohne weiteres zu schaffen.
Einen schwachen Ansatz dazu zeigt der geplante Schöne-
berger Park, der wenigstens an einer Seite teilweise bebaut
werden soll. Ferner erweist die Möglichkeit, im Landhaus-
gebiet, wo nur'^/i„ der Fläche bebaubar ist, — im Falle sich eine
größere Fläche in einer Hand befindet, — ohne wesentliche
Opfer eine Innenanlage zu erreichen, der AmaUenpark zu
Pankow, auf einem von der Hartwigstraße in etwa 100 m
mittlerer Breite bis zur Breiten Straße, der alten Haupt-
straße des Dorfes, durchreichenden Grundstücke, das zwei
ungefähr gleichlaufende, in der Mitte einen Gartenplatz
einschließende Aufteilungsstraßen von je 8 m Breite durch-
ziehen, während am Rande herum freistehende Wohn-
häuser errichtet sind. In diesem Falle hat die Baupolizei
110
DIE GARTENKUNST
IX, G
zwar die Fläche einer ideellen, als grade durchgolegt
gedachten Straße von 9 m Breite von der bebauungs-
fähigen Fläche abgezogen, im übi-igen aber genehmigt,
die Bebauung bis zu ^/^ der Fläche durchzuführen, ob-
wohl die beiden tatsächlich angelegten Straßen nebst
Gartenplatz der Gemeinde ohne Entschädigung zum
Eigentum überwiesen und damit zu öffentlichen geworden
sind, während die im Privatbesitz verbliebenen einge-
friedigten Grundstücke durchschnittlich als zu ''/jg und
^/,Q bebaut erscheinen. Somit ist eine öffentliche Inuen-
anlage mit öffentlichen Zugängen entstanden (Deutsche
Bauzeitung No. 9 und 11 des Jahrgangs 1897 — Über
Wohnstraßen und die Landhaus-Baugesellschaft in Pankow
von Th. Goecke).
Im übrigen aber wird die Innenanlage nur auf Grund
gesetzlicher Bestimmungen zu erreichen sein und zwar
durch Einführung der sogenannten inneren oder hin-
teren Bauflucht. Sitte wies schon auf derartige Be-
strebungen im Hamburg*) hin und führte dazu aus: „Es
wäre wünschenswert, daß sich diese segensreiche Ein-
richtung überall hin verbreiten mochte. Eine Förderung
dürfte dieselbe dadurch gewinnen, daß die im Inneren
der größeren Baublöcke unverbaut bleibenden Räume
dann doch einer öffentlichen Verwertung nach Möglichkeit
zugeführt werden. Einen Versuch, in diesem Sinne einen
ganzen Stadtplan einzurichten, hat der Verfasser (d. i.
C. Sitte) mit seinem bereits in Ausführung begriffenen
Stadtplan für Mährisch-Ostrau gemacht, dem einzehios bei
den ebenfalls schon ins Werk gesetzten Lageplänen für
Teschen und für Olmütz vorausging.
Es wurde da das Innere größerer Baublöcke zunächst
verwendet im Sinne des vorher Besprochenen zur Unter-
bringung öffentlicher Gärten und Kinderspielplätze, dann
für Turni)lätze und Radfahrbahnen, Eisbahnplätzo u. dgl.
Auch in dem Bebauungsplan von Marienberg i. B.
kehren diese Vorschläge Sittes wieder. Ludwig Horcher
hat darauf in der Schritt „Großstadterweiterungen" (ein
Beitrag zum heutigen Städtebau. Göttingen, Verlag von
Vandenhoek-Ruprecht, 1904) ein ganzes Plansystem ge-
baut. In meinen Entwürfen zu Bebauungsplänen für
Treptow bei Berlin und die oldenburgischen Vororte von
Wilhelmshaven sind Innenanlagen für Kleinwohnungen
vorgesehen, ferner von Ehmig in seinem Bebauungsplane
für Warnemünde (Zeitschrift „Der Städtebau", Jahrgang IV,
Heft 1).
In meiner Abhandlung über „Berliner Wohnbau-
blöcke" (in der Zeitschrift ,,Dor Städtebau", Jahrgang 11,
S. 128 und 129) führte ich ungefähr aus, daß zur Frei-
haltung des Blockinnern, zur Anlage und dauernden Er-
haltung von Innengärten, abgesehen von den Fällen frei-
williger Baubeschränkung, nur eine hintere Baufluchtlinie
verhelfen könne. In diesem Falle seien große Baublöcke
zu empfehlen. Aber auch nur in diesem ! Dazu sind
vielleicht die jetzt größten noch nicht groß genug. Sonst
sind bekanntlich kleine Blöcke vorzuziehen und werden in
letzter Zeit auch wieder vorgezogen, um die allzuhäufigo
Entstehung von Hofwohnungen — sogenannten Garteu-
wohnungen — und die Verbauung des Innern zu ver-
hüten. Denn die früher in der wohlgemeinten Absicht,
einen zusammenhängenden Luftraum für Gärten offen zu
halten, übergroß zugeschnittenen Baublöcke sind nach
und nach mit Garten- und Hinterhäusern zugebaut worden,
weil es eben an einem Schutze für ihre Preihaltung fehlte.
Neuerdings hat die Gemeinde Heerdt-Oberkassel bei Düssel-
dorf auf dem Polizeiwege rückwärtige Fluchtlinien festge-
setzt, von deren NMrkung die Abbildung (Technisches
Gemeindeblatt, Jahrgang VIII, S. 120) Zeugnis ablegt,
doch nicht für eine öffentliche Grünanlage, sondern für
die Hausgärten der aus Einfamilienhäusern bestehenden
Randbebauung.
Im Gegensatz dazu ist bekanntlich mehrfach vorge-
schlagenen worden, den früheren Botanischen Garten in
Berlin zwar auch am Rande zu umbauen, jedoch in seinem
Kerne als öffentliche Parkanlage zu erhalten. Zuerst in
der Zeitschrift „Der Städtebau", Jahrgang I. Seite 94, wo
ich insbesondere eine möglichst geschlossene Umbauung
mit einer den Zuweg vermittelnden, die Straßenflucht be-
deutsam unterbrechenden Öffnung an der Potsdamer Straße
befürwortete.
Gegen die Innenanlage konnten nun ästhetische Be-
denken im Hinblick auf die Rückseiten der Bebauung er-
hoben werden. E)a aber die hintere Bauflucht keine tiefen
Seitenflügel oder gar Hinterhäuser mehr aufkommen lassen
könnte, würden diese Bedenken lediglich die Hinterfronten
der an der Straße erbauten Häuser treffen, Diese aber
in einfacher Weise durchzubilden, dürfte ohne erheblichen
Kostenaufwand möglich sein. Lier meist schon an der
Vorderfront entbehrliche Prunk ist wirklich nicht nötig,
wie die fast nüchternen Wandungen so mancher Pariser
Boulevards zeigen, die darum doch nicht das Straßenbild
schädigen. Auch empfiehlt es sich nicht, mit der Be-
pflanzung so dicht an die Häuserreihen heranzutreten.
Ein Hof sollte stets dazwischen bleiben, u. a. auch noch
ein Hausgärtchen. Thinn kann der Innengarten mit
höheren, die Häuser etwas verdeckenden Baumkronen
geschorenen Hecken, Strauchgruppen abgegrenzt werden.
Im übrigen wird seine Ausgestaltung immer mehr
nach der architektonischen, als nach der landschaftlich(Mi
Richtung neigen müssen, teils der baulichen Umgebung,
teils des praktischen Zweckes wegen. In diesem Sinne
ist auch der vom Gartenarchitekten Hoomann-Düsseldorf
für einen Innengarten autgestellto Idoalentwurf gehalten,
den Ihre Zeitschrift „Die Gartenkunst" im Jahre 1902
veröffentlichte.
Meine Herren : Ich schließe, womit ich angefangen lialie:
Mehr denn je ist die gemeinsame Arbeit von Gartenkünstler
und Architekt geboten, um die moderne, insbesondere die
Großstadt gesundheitlich wii> gesellschaftlich den Bedürf-
nissen der Zeit ontsprecln'iul auszugestalten.
*) Auch in Köln a. Rh. soll nach Mitteilung des Herrn
Stadtbaurat Gerlach, ßerlin-Schöneberg, schon vor Jahren die
Festsetzung einer hinteren Bauflucht vorgeschlagen worden sein.
IX, 6
DtE Gartenkunst:
111
Aus deutschen Gärten und Parkanlagen.
I. Her alte Park zu Bad NauluMiii 1857-1907.
\"(iii Heicke, Frunkrurt a. M,
Es mag nicht oft
vorkommen, daß die
Fliege einer Parkanlage
Vom ersten Entstehen
an ein halbes Jahr-
hundert hindurch dem-
selben Hause anvertraut
bleibt, wie es bei dem
alten Nauheimer Kur-
park der Fall ist. Seine
Anlage wurde im Jahre
1^57 von Heinrich
Siosmayor begonnen
und innerhalb zweier
•lahre beendigt; er hat
sich bis zu seinem
Lebensende der Weiterentwickelung seiner Lieblings-
schüpfung mit großer Hingabe gewidmet, und in seinem
Sinne wird sie seither von den jetzigen Vertretern des
Hauses Siesmayor, insbesondere seinem ältesten Sohn
Philipp Siesmayer, pietätvoll weitergepflegt.
Ich sage, ein solcher Fall mag nicht oft vorkommen.
Viel häufiger tritt der Fall ein, daß ein für seine Kunst
begeisterter Jünger der Landschaftsgärtnerei an eine große
Aufgabe, die sich ihm in jungen Jahren bietet, sein bestes
Können gesetzt hat, dann aber, kaum daß der letzte
Spatenstich getan ist, zuschauen muß, wie das Werk in
andere Hände übergeht und bei seiner weiteren Pflege
die Gedanken, welche ihn, den Schöpfer der Anlage, ge-
leitet haben, verständnislos unbeachtet gelassen werden
so daß das Werk eine ganz andere Entwiekelung nimmt,
als dem Urheber beim Entwerfen vorgeschwebt hat.
Mit der sogenannten Fertigstellung einer Anlage ist
ja nicht viel mehr getan, als daß die Übertragung des
Planes auf das gegebene Gelände beendigt ist. In den
weitaus meisten Fällen ist damit erst der Anfang der
Gartenschöpfung gemacht, es ist die Grundlage geschaffen,
auf der sich das vom Planverfasser beabsichtigte Bild ent-
wickeln kann. Ob es das wirklich tun wird, hängt von
sehr vielen Umständen und Zufälligkeiten ab; es bedarf
fortgesetzter EingrilTe und Nachhilfen und vor allem einer
Pflege, die sich eng an die den ersten Entwurf bestimmenden
Gedanken hält, um das Ziel zu erreichen. Je länger
die Zeitdauer ist, innerhalb der der Planverfasser seine
junge Schöpfung selbst überwachen kann, um so er-
freulicher ist es für ihn und um so besser für das Werk.
Es sind das Dinge, die schon oft gesagt sind und
jedem Jjandschaftsgärtner selbstverständlich erscheinen.
Wenn ich sie bei dieser Gelegenheit wiederhole, so ge-
schieht es, weil wir gar zu oft heutzutage die Wahr-
nehmung machen müssen, daß in vollständiger Verkennuni;
des Wesens der Landschaftsgartenkunst und ihrer .Auf-
gaben die Kritik über unsere Schöpfungen herfällt und
sie mit schnellfertigom Urteil zerpflückt, nachdem kaum
die ersten Grashalme gekeimt sind. \\'enn der Maler
nach Vollendung eines Bildes den Pinsel aus der Hand
legt, der Baumeister seinem Bauherrn den Schlüssel dos
Neubaues übergibt, dann sind ihre Werke fertig! Sie
können durch die Patina der Zeit noch gewinnen — aber
sie sind fertig 1 L»ie Kritik kann einsetzen und ihr Urteil
sprechen.
Wie ganz anders beim Garten und Park. iJa wird
über die ,,Tännchen" und ,,Pflänzchen" und ,,Grüppchen"
und manches andere gewitzelt und gespöttelt und leicht-
fertig darüber hinweggesehen, daß diese „Tännchon"
Tannen, diese „Ptlänzchen" Bäume? werden sollen, daß sie
erst in das richtige Verhältnis zu den Flächen hin-
einwachsen müssen, daß sie, die heute wegen ihrer
Kleinheit nur Unruhe in d.as Bild bringen, erst nach Jahren
zu raumbildeudon .Massen herangewachsen sein
werden und daß dann erst vielleicht die großgedachten
Bilder dem Beschauer vor .-Augen treten, die der Urheber in
seinen Phantasien erschaut hatte. Vielleicht! Wenn eben
in seinem Sinne die Pflege der Anlage geleitet werden
konnte, wenn rechtzeitig und sinngemäß diejenigen Maß-
nahmen getroffen werden, die die Entwiekelung im Sinne des
Schöpfers fördern könnten, wenn insbesondere auch die
Zutaten allmählich beseitigt worden sind, welche der An-
lage nicht für die Dauer eingefügt wurden, sondern nur,
um sie in ihrem Jugendstand nicht gar zu unfertig und
dürftig erscheinen zu lassen.
Man wird daher leicht verstehen und begreifen, daß
Siesmayer es als eine Schicksalsgunst betrachtete, daß
er noch mehrere Jahrzehnte hindurch seine Nauheimer
Schöpfung pflegen, und als die Zeit kam, wo er es nicht
mehr konnte, ihre Pflege einem Mitarbeiter und Nachfolger
überlassen durfte, der in seinem Sinne herangebildet war.
I»er Nauheimer Kurpark ist eine Anlage, in die ihr
Schöpfer sein Bestes hineingelegt hat. H. Siesmayer war,
(iruiipc der neuen Verwaltmigs- und Badeluaiser zu Bad ^('aalleim.
112
DIE GARTENKUNST
IX 6
als diese Aufgabe ihm übertragen wurde, 40 Jahre alt,
er stand also in seines Lebens Vollkraft. Er selbst hat sie
als eine seiner größten Aufgaben in seiner fast fünfzig-
jährigen selbständigen Tätiglceit bezeichnet. Er hatte sich
bis dahin hart durchringen müssen und noch wenig Ge-
legenheit gefunden, seinen Xamen durch Bewältigung einer
bedeutenden Aufgabe in weiteren Kreisen bekaimt zu machen.
Hier bot sich die Gelegenheit, aber es war nicht ganz
leicht an die Sache heranzukommen.
Konkurrenzplänen zur Vorlage kam, und mein Plan,
eine Bleistiftzeiclinung, erhielt denn auch die Genehmigung
des Kurfürsten. Die Nauheimer Anlage ist in englischem
Stile ausgeführt mit bedeutender, großer Terrasse und
Restaurationsgebäude nebst Auffahrt, ausgedehnten Fahr-
und Fußwegen, Alleen, freien Plätzen, großem Teicli von
ca. 36 Morgen für Gondelfahrer, warmem Sprudel, Bade-
häusem, Trinkhalle usw. Die Arbeit erforderte bis zur
Fertigstellung eine Zeit von zwei Jahren; es waren 150
Lageplan der EoranJagen in Bad Nanheim. Entworfen und ausgeführt vom Kgl. Gartenbaudirektor H. Siesmayer f*)
S. schreibt selbst darüber in seinen Lebenserinnemngen :
„Die Übertragung derselben vom kurfürstlichen Hof in Cassel
(Nauheim gehörte damals zum Kurfürstentum Hessen-
Cassel) stellten sich bedeutende Schwierigkeiten in den Weg,
da diese Arbeit in Konkurrenz öffentlich ausgeschrieben
war, und ich durch Hofintriguen ferngehalten werden sollte.
Man verweigerte mir die .Situationspläne, obschon ich kur-
hessischer Bürger war. Die Lust zu dieser Aus-
führung und der Drang zum Schaffen ließen mir
keine Rahe, bis ich endlich auf den glücklichen Ge-
danken kam, mich durch eine distinguierte Persönlichkeit,
den Stadtkommandanten und österreichischen General
V. Schmerling, an den kurhessischen Bundestag-sgesandten
V. Trott empfehlen zu lassen. Gestützt auf dessen
Empfehlung erhielt ich die Situationspläne sofort, schickte
binnen zwei und einem halben Tage die Skizze an Ober-
baurat Engelhardt, damit dieselbe gleichzeitig mit den
*) In dem Lageplan sind die neuesten Veränderungen be-
rücksichtigt.
bis 200 Leute und 10 — 1.5 Pferde ununterbrochen dabei
in Tätigkeit. Die Uferarbeiten am Usabach, die große
Fahrstraße nach der Stadt und dem Teichhause, die
Brückenübergänge, kleinere Wasseranlagen, Terrainarbeiten
an der großen Terrasse imd sonstige Terrainbewegungen
nahmen großen Kosten- und Zeitaufwand in .\nspruch. Die
gärtnerische Ausführung für Grundarbeiten, Chausseen und
Lieferungen erforderten 150 000 Mk. exd. Erdarbeiten
für Horizontallegung der großen Terrasse und Aus-
schachtungen vor der Trinkhalle."
Die glückliche Lösung dieser .\ufgabe trug viel zur Ver-
breitung des Namens Siesmayers als eines hervorragenden
Landschaftsgärtners bei und begründete seinen Ruf.
Und mit Recht. Keine der zahlreichen Schöpfungen
Siesmayers zeigt ein so charakteristisches Gepräge, wie
gerade diese Nauheimer Anlage, und wer Siesmayer richtig
beurteilen will, muß Nauheim studiert haben.
In dem im Norden der Stadt sich hinziehenden Tal
des Usabaches und an dem das Tal auf der Westseite
begrenzenden Hange ziehen sich die eigentlichen Anlagen
IX. 6
DIE GARTENKUN'ST
113
Aus Jen Xauheimer Kuranhigen: Blick nach dem Kurhause
in ungefähr 1000 m Länge hin. Weite Wiesenflächen,
umrahmt von malerischen Baumgruppen, lüihhing spendende
lichte Haine, durchrauscht von dem Usabach und durch-
zogen von bequemen Fußsteigen, nicht zuletzt aber die
seeartige große Teichanlage geben der Anlage ihr
charakteristisches Gepräge. In der Beschränkung zeigt sich
der Meister, kann man hier sagen: Alle jene Kunst-
stückchen neuerer Landschaftsgärtnerei, gewaltsame Boden-
tragung, gesuchte Effekte in der Bepflanzung. unnatür-
liche Zergliederung der Wasserflächen — alles ist ver-
mieden. Ruhe und Großzügigkeiten in allen Teilen machen
den Nauheimer Park vorbildlich.
Und diese Grundzüge, die man unschwer aus unseren
Bildern ersehen kann, haben nicht allein die erste Anlage,
sondern auch die weitere Entwickelung
beherrscht. Änderungen sind natürlich im
Laufe der Zeit nicht ausgeblieben, aber sie
waren nur unwesentlich und haben die
charakteristischen Züge des Gesamtltildes
nicht verwischt. Gegenwärtig ist eine Neu-
gestaltung der ganzen Nauheimer Bade-
einrichtungen nach einem umfassenden Bati-
programme im Gange, die aber auch mir
auf einzelne Teile der Parkanlagen Kintluß
nimmt.
Wenn man von dem hochgelegenen
Bahnhof herunter kommt, so gewahrt man
alsbald den bereits fertig gestellten Teil
der in modernem Geiste entworfenen und
für die modernen Bedürfnisse berechneten
Neubauten, Verwaltungsgebäude und Bade-
häuser, welche sich mit den noch der Aus-
führung harrenden Teilen beiderseits an
Säulenhallen anschließen, die um den Sprudel
gelagert sind, aber den 1 lurdihlick nach
dem Park freilassen.
Nach der Vollendung des Ganzen wird sich
in Verbindung mit den zwischen den Bauten
geplanten Schmuckhöfen und Schmuck-
gärten und dem Grün des Parkes im Hinter-
grunde ein Bild von großer Schönheit er-
geben. Eine ähnliche Anlage, allerdings
entsprechend den damaligen Bedürfnissen
von bescheidenerem Umfang, ist vor 50 Jahren
iiereits nach der oben erwähnten ersten
Bleistiftskizze H. Siesmayers vorgesehen
gewesen. An ihrer Stelle wurde dann aber
ein den Blick versperrendes, zur Achse
der Bahnhofsallee quer gelagertes Gebäude
errichtet, das jetzt den Neubauten Platz ge-
macht hat.
Hat man diese Gebäudegruppen iiinter
sich, so betritt man den eigentlichen Park
und gelangt, den Usabach überschreitend
und dem Promenadenweg geradeaus folgend,
lu laugsamer Steigung zu dem Kurhause
mit seinen geräumigen Terrassenanlagon.
.\uf dem Wege dahin bieten sich rechts
und links eindrucksvolle Parkbilder von großer Schön-
heit. Nirgends wird der Eindruck durch kleinliches
Beiwerk gestört, in ruhiger Schönheit wachsen die Baum-
gruppen majestätisch aus dem Rasen empor, bald ihre
schön gebauten Kronen frei über den Stämmen tragend.
bald durch malerischen .\stbehang bis zum Boden geziert.
L>er .Mann, welcher vor fünfzig Jahren in Voraus-
berechnung der uns heute erfreuenden schönen Bilder die
jungen Pflänzlinge an ihre Plätze gesetzt, wo heute die
prächtigen Bäume stehen, der in jahrzehntelanger, ziel-
bewußter Pflege gesorgt hat, daß diese Bäume im ein-
zelnen und in ihrer Wechselwirkung zueinander sich so
entwickelt haben, wie wir sie heute sehen, der hat nicht
in sklavischer Nachahniuns: irgend eine Natur-
Ljm.
Aus den Nauheiniei- Kuiaulasen : Das Kurliaus mit der neuen Terrasse.
114
DIE GARTENKUNST
IX, 6
scenerie nachgemacht, sondern er hat Bilder, die
seiner schöpferischen Künstlerphantasie vorge-
schwebt haben, frei in die Wirljlichlieit übertragen.
Gegenüber denjenigen, welche heut fortgesetzt über die Land-
schaftsgärtnerei als unlvünstlerisehen Naturalismus losziehen,
werfe ich hier die
Frage auf: War die
Betätigung die-
ses Mannes an
djiesem Platze
kein künstleri-
sches Schaffen-'
Wendet man sich
von der Kurhaus-
terrasse, die eine
durchgreifendeNeu-
gestaltung und l'm-
rahmung in moder-
nen Architekturfor-
men erhalten hat,
oder auch schon
unten im Tale dem
Laufe der L'sa ent-
gegen nördlich, so
gelangt man zu-
nächst an den idyl-
lisch gelegenen
kleinen, und wenige
Schritte weiter zu
dem großenTeich.Er
hat eine Länge von
ungefähr 500 Meter
bei einer mittleren
Breite von ungefähr
150 Meter. Der an
seinen l'fern ent-
lang führende Pro-
menadenweg istfast
1400 Meter lang.
Diesen Teich möchte
ich heute, wo es
fast zum guten Ton
gehört, über jedes
nicht in architek-
tonische Steinum-
rahmung gefaßte
Wasserbecken unter
Anspielung auf den
Vierwaldstätter See
zu witzeln, als das
Musterbeispiel einer landschaftlichen Teichanlage
bezeichnen. Ruhe und Großzügigkeit geben auch hierwieder
den Charakter. Der Teich bestand schon hei Schaffung
des Nauheimer Kurparkes als Stauweiher für weiter unter-
halb gelegene Betriebe. Siesmayer muß die Art, wie er
ihn in die Anlage einljezDgon hat, als Verdienst ange-
rechnet werden, namentlich auch, weil er der nahe-
liegenden Versuchung widerstanden hat, seine Ufer durch
Aus den Nauheimer Kuranlagen: Paikbi
unmotivierte Vorsprünge und Einbuchtungen umzugestalten
und mit dem üblichen Kranz von Trauerweiden u. dgl.
zu bepflanzen. Auf der ganzen Länge seiner Ufer treffen
wir fast nichts an als Weiden. Erlen und einige Ahorn,
Eschen und Eichen. Alte Kopfweiden, auch etwas Erlen
bestanden schon
früher, und der Be-
stand ist nur, so-
weit erforderlich, er-
gänzt worden. Bis
auf den Wasser-
spiegel senken sie
ihre Zweige herab
und geben ihm
einen höchst stim-
mungsvollen Rah-
men. Von Vorteil
ist, daß nur an be-
stimmten Stellen
diese Uferbepflan-
zung den Blick
über die W^asser-
fläche freigibt. Zwei
in der Mitte des
Sees befindliche,
gar nicht lehrbuch-
mäßig angeordnete,
aber für die Bild-
wirkuiig sehrglück-
lich gelegene Inseln
mit der gleichen
Bepflanzung unter-
bi'echen die Wasser-
fläche vorteilhaft,
und zur Belobung
der Bilder trägt das
am westlichen Ufer
gelegene Teichhaus
nicht unwesent-
lich bei.
Ich habe mit
dieser skizzenhaf-
ten Schilderung
einiger wesent-
licher Punkte die
Schönheit des Nau-
heimer Kurparkes
nicht erschöpft, auf
Schritt und Ti-itt
bieten sich dem
reizvolle Bilder, sei es. daß man am Ufer
der L'sa entlang wandelt, sei es, daß man die hrdier ge-
legenen Teile des Parkes durchstreift. Maßvolle Be-
schränkung in der Anwendung der zu Gebote stehenden
Mittel bildet überall den Grundzug und ist die Ursache,
weshalb der Park heut in seinei- VulhMidung einen so an-
heimelnden Eindruck erweckt.
Die Stadt Nauheim hat den Schöpfer ihros Kurjiarks
Auge
IX. (i
DIE GARTENKUISST
115
n Anliotracht seiner genialen Leistungen bei Anlage und sohiedener, aber immer ein schöner und starker und or-
Unterhaltung des städtischen Parkes wie auch seiner Ver-
dienste und Bemühungen um die Verschönerung der Um-
gebung unserer Stadt'' — wie es in der vom 19. Oktober
1871 datierton Urkunde heißt, durch Verleihung des
Ehrenbürgerrechts geehrt: seit 1872 führte er den Titel
eines groliherzogl. hessisischen Garteningenieurs. Das
sind wohlverdiente Ehrungen, aber sie sind äuüerlich. Un-
hebender sein.
Dem kann sich auch der Verfasser eines mir vor-
liegenden Führers durch die Park- und Waldanlagen von
Bad Nauheim*) augenscheinlich nicht entziehen, denn
er schreibt:
„Still und langsam lassen die herrlichen Gruppen
des alten Parkes über die breiten Wiesenflächen ihre
Aus den Nauheimer Kuranlagen: Am kleinen Teiche.
gleich höher anzuschlagen sind die Gefühle dos Dankes
und der Anerkennung, welche in einem jeden für die
Stimmungswerte solcher schönen Parklandschaften empfäng-
lichen Gemüte — oft unbewußt - — beim Durchwandern
ausgelöst werden. Nicht nur jetzt, wo der Park in
frisches Maiengrün gekleidet ist, nicht minder im Herbst,
wenn die Farben der Belaubung in Scharlach und Gelb
aufleuchten und durch das ernste Schwarzgrün der Nadel-
hölzer gehoben werden, oder im Winter, wenn der Schnee
Boden und Gezweig bedeckt, bei hellem Sonnenschein und an
ernsten Regentagen, — der Eindruck wird ein ver-
Schatten dahin ziehen und bilden so im Verein mit den
Lichtreflexen des heiteren Sonnenhimmeis eine seltsam
anheimelnde Stätte inmitten des Weltbadgetriebes und
trotz des Sprachengewirres eines sich untereinander
fremden, aus aller Herrn Länder zusammengeströmten
Publikums. — Draußen vom großen Teiche her weht
bald die kühlende Abendbrise, fährt säuselnd durch die
*) Die Park- und Waldanlagen in Bad Nauheim nebst
einigen Ausflügen in die Umgebung des Bades. Vom Großh.
Forstassessor Dr. Weber zu Bad Nauheim. Nauheim 1906, im
Selbstverlag des Verfassers.
IIG
DIE GARTENKUNST
IS, ö
Aus den Nauheimer Kuranlaaren Am aroßen Teiclie.
Blätter und Baumkronen und
weckt mich aus dem Traume,
dem ich auf einem jener lau-
sehigen Ruheplätze verfallen war.
Ich gedachte still und mit Be-
wunderung des genialen Schöp-
fers dieses irdischen Paradieses,
Heinrich Siesmayers."
„Heinrich Siesmayer, dessen
Sühne noch heute die Unter-
haltung und Pflege ihrer väter-
lichen Schöpfung besorgen, hat
in den Jahren 1857 und 1858
mit seltenem Geschick und unter
intelligenter Ausnutzung des ge-
gebenen Terrains und der vor-
handenen Wasserfläche jenes
Idyll zwischen den jetzigen
Villen und fast inmitten der
Ji'tzigen Stadt begründet, das
heute von uns mit berechtigtem
Stolz als einzigartig bezeichnet
werden darf."
,,Kein Wunder, wenn unter
diesen Umständen meiner Feder
Worte des Dankes und der
Anerkennung entfließen, und
wenn derjenige, dessen Obhut
unser Kleinod anvertraut ist,*)
das Bedürfnis fühlt, jenem
Manne hier ein bescheidenes
L>onkmal zu setzen, dessen Name
mit demjenigen Nauheims für
alle Zeiten eng verknüpft bleiben
wird."
Wir nehmen gerne Kenntnis
von diesem, einem hervorragen-
den Vertreter unseres Berufs ge-
widmeten anerkennenden Worte,
wüi'den es aber mit viel größerer
Freude begrü ßen, wenn die T a t e n ,
welche man außerhalb des
alten Parkes aut Nauheimer
Gebiet seit dem Jahre 1897 ver-
i'ichtet. etwas mehr von dem Geiste
des vom Verfasser jener Zeilen
so hochgeschätzton alten Meisters
Siesniayer verspüren lielieu,
als es in Wirklichkeit der Fall
ist. Darüber wollen wir uns bei
nächster Gelegenheit in einem
licsdudcren Aufsätze iintei'haltiMi.
^) Nämlich der Verfasser dos
l'iihrers, Kurstassessor Weber.
Aus den Nauheimer KuianlaHen: .-\m großen Teiche.
IX, (i
DIE GARTENKUNST
117
Heimatschutz und Landesverschönerung.
(Gesetzentwurf gegen die \'eninst;iltniig v(»ii (irtseliafteu und landseliaftlieli hervorragenden Gegenden.
Arthur Glogau, Hannover.
In dem Märzheft unserer Zeitschrift habe ich Ivurz auf dann mündlJcii und schriftlich weiter vorhandelt ist. liabcn
die Beratung des Gesetzes hingewiesen und die Forderung, das ihrige dazu IxMgetragen. unserer Eingabe Nachdruck
daß unsere Gesellschaft bei dieser Gesetzgebung mit tätig zu verleihen. Insbesondere verfehle ich nicht, auch an
Aus den Nauheimer Kuranlaaen: Parkbild.
sei, aufgestellt. Der Vorstand hat sofort die erforderlichen
Schritte getan, um seine Vorschläge an maßgebender Stelle
zur Geltung zu bringen. Zunächst wurden Verhandlungen
gepflogen mit dem Vorstande des Bundes Heimatschutz, um
möglichst ein Zusammengehen der beiden Gesellschaften zu
erreichen. Wir haben uns später den Vorschlägen des
Herrn Prof. Schultze-Naumburg angeschlossen, der
uns den Rat gab. eine besondere Eingabe mit unseren
Wünschen an das Abgeordnetenhaus zu richten- Die maß-
gebenden Herren des Bundes Heimatschutz, mit denen
dieser Stelle Herrn Prof. Dr. Conwentz, dem Vorstand
der staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege, verbind-
lichsten Dank auszusprechen für seine Unterstützung. Die
außerordentlich anerkennenden Worte des Herrn Abge-
ordneten Münsterberg sind wohl auf die freundliche
Fürsprache des Herrn Prof. Dr. Conwentz zurückzu-
führen. Ebenso darf ich nicht unterlassen, dem Vorstande
des Bundes Heimatschulz für die tatkräftige Hilfe unseren
Dank auszusprechen, wie auch Herrn Prof. Schultze-
Naumburg für die liebenswürdige Erlaubnis, die Eingabe
118
DIE GARTENKUNST
IX, 6
des Bundes Heimatschutz an dieser Stelle veröffentlichen zu
dürfen.
Und nun das Resultat unserer Bemühungen. Die
gesetzgebende Körperschaft hat nicht allein
unsere Eingabe wohlwollend besprochen, sondern
sie ist in einigen Punkten und gerade in den für
uns wichtigen Punliten auf d ie Gesetzgebung niaU-
gebend gewesen. Die 12. Kommission des Abgeordneten-
hauses, welcher die Beratung über den Gesetzentwurf zu-
gewiesen wurde, hat dem Abgeordnetenhause folgende
Anträge unterbreitet:
1. dem Gesetzentwurf gegen die Verunstaltung
von Ortschaften und landschaftlich hervor-
ragenden Gegenden, Drucksache No. 9. in der
aus der Zusammenstellung ersichtlichen Fassung der
Kommissionsbeschlüsse die verfassungsmätiige
Zustimmung zu erteilen:
2. nachstehende Resolutionen anzunehmen: a) die König-
liche Staatsregierung zu ersuchen, die zur Ausführung
des vorliegenden Gesetzes berufenen Behörden dabin
mit Weisung zu versehen, 1. daß sie bei Durch-
führung des Gesetzes enge Fühlung mit
Sachverständigen nehmen und insbesondere,
insoweit es sich um die Verwirklichung
höherer ästhetischer Ziele handelt, Ver-
treter der Künstlerschaft beteiligen, 2. dal.i
in allen Fällen, in denen auf Grund des Gesetzes
behördliche Eingriffe notwendig werden, auf die da-
durch dem Einzelnen entstehenden Kosten und Nach-
teile schonende Rücksicht genommen werde und
insbesondere die in baulicher Hinsicht zu stellenden
Anforderungen regelmäßig so bestimmt werden, daß
sie ohne erhebliche Vermehrung der Baukosten ver-
wirklicht werden können; b) die Königliche
Staats regi erung um möglichst baldige Vor-
lage des in Aussicht gestellten E)enkmals-
schutzgesetzes zu ersuchen;
3. die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen
durch die Beschlußfassung zu 1 für erledigt zu er-
klären.
Es würde zu weit gehen, wenn ich hier ausführlich
die Verhandlungen im Abgeordnetenhaus besprechen würde,
da der stenographische Bericht, den wir der Liebens-
würdigkeit des Landtagsabgeordneten für Hannover, Herrn
Senator Fink, verdanken, mehr als 100 Druckseiten um-
faßt. Ich muß mich daher auf die Beratung der für uns
wichtigen Fragen bezüglich der Zuziehung von Sachver-
ständigen beschränken. Bei der Beratung des § 2, bei
welcher Gelegenheit auch noch andere Paragraphen beraten
wurden, sprach der Herr Abgeordnete Münslerberg folgende
Worte, die auf unsere Eingabe Bezug nahmen:
„Meine Herren, der § 3 baut sich als solcher auf auf
die .Mitwirkung von Sachverständigen und ich bin der
Meinung, daß es sehr wesentlich darauf ankommen wird.
wie diese Sachverständigenkommissionen zusammengesetzt
sein werden, ob sie im höchsten Sinne Gutes und Nütz-
liches leisten werden, oder ob ihre Wirkung eine ganz
einseitig ästhetische und darum unter allen Um-
ständen schädliche sein würde. Gerade weil die
Anhörung von Sachverständigen obligatorisch
gemacht worden ist, halte ich ihre Zusammen-
setzung für eine überaus wichtige Sache. Nun
haben wir in der Kommission uns gefragt: wie sollen die
Sachverständigen zusammengesetzt werden? Es war erst
eine Strömung dafür: man solle das im Gesetz selbst fest-
setzen, um eben Einseitigkeiten und Übertreibungen vor-
zubeugen. Wir sind aber schließlich zu der Überzeugung
gekommen, daß eine solcheErnennungvonSachverständigen-
kommissionen viel besser von Fall zu Fall geschieht,
daß sie viel besser in den Ausführungsbestimmungen der
Staatsregierung geregelt werden könne, weil nur auf diese
Weise alle diejenigen Momente berücksichtigt werden
können, die in den verschiedenen Städten und verschiedenen
Landesteilen notwendigerweise zu berücksichtigen sind.
Damit war allerdings die Kommission einverstanden, daß
der Grundgedanke — und das ist auch in der Resolution
zum Ausdruck gekommen — ein richtiger ist, daß unab-
hängige Künstler in diese Kommission berufen werden
möchten, Künstler, die nicht nur bloß eingeschworen sind
auf den gotischen und Renaissancestil, sondern die etwa
an der Akademie der Künste oder sonst an einer so hervor-
ragenden Stelle wirken, so daß man ihnen weiten Blick
zutrauen kann, einen Blick, der sie davor schützt, etwa in
einen bestimmten Stil verliebt zu sein.
Ich halte es außerdem für ganz beachtens-
wert, daß die Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst
ebenfalls in einer Petition gebeten hat, sie zu be-
rücksichtigen. Eienn es wird an manchen Drten —
auch das wird man natürlich nicht verallgemeinern können
— notwendig und nützlich sein, auch Vertreter der Garten-
baukunst als Sachverständige heranzuziehen. Die Hauptsache
ist aber für mich, daß die Staatsregierung in den .\us-
führungsbestimmungen dafür sorgt, in Übereinstimmung
mit der Anschauung dieses Hauses, daß die Ausschüsse so
zusammengesetzt werden, daß in ihnen nicht eine ein-
seitige, sei es ästhetische, sei es historische, sei es finan-
zielle Richtung, zur Herrschaft gelangt, sondern daß sie
zusammengesetzt werden unter Berücksichtigung der
Gesamtinteressen des wirklichen Lebens. Dann
wird man hoffen dürfen, daß, wenn dieser Gesetzentwurf
erst in die Pra.xis übergeführt wird, es durch das Zu-
sammenwirken von Gemeinden, von Bürgerschaft und Sach-
verständigenkommissionen, und, soweit die Staatsbehörde
daran beteiligt ist, von dieser möglich sein wird, den
§ 2 zu einer wirklich lebensvollen Bedeutung zu bringen."
Bei der Beratung des § 5 brachte der Herr Abgeordnete
Dr. Becker (Siegkreis) einen Antrag ein: „Durch die Landes-
polizeiordnung, die auch lür einzelne Kreise und Kreisteile
erlassen werden darf, kann für genau zu bezeichnende
landschaftlich hervorragende Gegenden bestimmt werden,
daß die baupolizeiliche Genehmigung zur Ausführung von
Bauten und baulichen Änderungen außerhalb der ürt-
schaften vorsagt werden kann, wenn durch die Bau-
geslaltung oder das Baumaterial das Landscliaftsi)ild gröb-
lich verunstaltet werden würde. Vor Versagung der Ge-
nehmigung sind Sachverständige uiul der Gemeindevorstand
TX, 6
DIE GARTENKUNST
119
(usw. wie in den Kommissionsbeschlüssen)," bei dessen
Begründung folgender Passus für uns von Bedeutung ist:
Bei dieser Gelegenheit möchte ich dem Herrn Minister
warm ans Herz legen, bei seinen .Vusführungsbestimmungen
noch darauf Rücksicht zu nehmen, dati er den Kreis der
Sachver.ständigen nicht zu eng nimmt, dalj er namentlich
auch Kunstsachverständige heranzieht. Ich ver-
weise da auf eine Eingabe der Deutschon Gesell-
schaft für Gartenkunst, die gerade bezüglich des
§ 5 auch tüchtige ästhetisch gebildete Land seh afts-
gärtner in geeigneten Fällen empfiehlt. Meine
Herren, jede von ästhetischen Rücksichten geleitete Schutz-
maßnahme bedeutet zugleich einen Eingriff in die Rechts-
sphäre des Besitzers. In unserer materialistischen Zeit
haben wir allen Anlaü, ideale Gesichtspunkte und ästhe-
tische Rücksichten nicht zu sehr zurückdrängen zu lassen.
Die wirtschaftlichen Interessen stehen ja so wie so schon
sehr im Vordergrund, und icli bedauere außerordentlich,
was auch schon vorgestern hier ausgesprochen worden
ist, daß bei der Wichtigkeit des Gesetzes in der ganzen
Kommissionsberatung auch nicht ein einziger von den
Herren Ministern zugegen gewesen ist, weder der beteiligte
Herr Minister des Innern, den wir erfreulicherweise nun
heute hier sehen, noch der Kultusminister, noch der
Minister der öffentlichen Arbeiten und der Minister für
Landwirtschaft und E)omänen, der doch auch gerade an
diesen landschaftlich schönen Gegenden interessiert ist.
Der Antrag der Kommission, dem Gesetzentwurf die
Zustimmung zu geben, wurde dann mit den Resolutionen
zu den Ausführungsbestimmungen angenommen.
Im Anschluß hieran veröffentliche ich dann mit der
gütigen Erlaubnis des Herrn Prof. Schul tzo-Nau m-
buig die Eingabe des Bundes Heimatschutz und diejenige
der L)eutschen Gesellschaft für Gartonkunst.
Möge diesem schönen Erfolg, den wir in dieser Präge
gehabt haben, weitere Arbeitsfreudigkeit folgen, Eienn es
gibt noch viel auf dem Gebiete Heimatschutz und Landes-
verschönerung zu tun. l'nd mögen auch die bisher Fern-
stehenden und diejenigen, die den Förderern der Frage in
unserer Gesellschalt übertriebenen Idealismus vorgeworfen
haben, erkennen, von wie großer Bedeutung in kultureller
Beziehung die Behandlung derartiger Fragen ist.
Eingabe des Bundes Heimatschutz
betreffend den gesetzliehen Schutz der Landschaft und
der aufserhalb der geschlossenen Ortschaften liegenden
Bauwerke vor Verunstaltungen durch störende Bau-
ausführungen.
Dem hohen Hause der ADgeordneteii zu Händen der
12. Kommission
gestattet sich der Unterzeichnete im Xamen des Bundes Heimat-
schutz ehrerbietigst die Bitte zu unterbreiten;
Das hohe Haus möge in dem ihm vorliegenden Gesetz-
entwurf gegen die Verunstaltung von Ortschaften usw.
auch Bestimmungen aufnehmen, die einen Schutz land-
schaftlicher Schönheiten und auch einzelner Bauwerke
außerhalb der geschlossenen Ortschaften ermöglichen.
Der Bund Heimatschutz ist mit großem Interesse den Ver-
handlungen gefolgt, die im hohen Hause der Abgeordneten
bisher über den Gesetzentwurf gepflogen wurden, welcher für
Preiiücn einen Teil der Bestrebungen des Bundes verwirklichen
soll. Wir haben mit Freuden festgestellt, dal! unsere An-
sichten an maßgebender Stelle solche Zustimmung gefunden
haben, in.sbesondere, daß die Notwendigkeit eines Schutzes der
geschlossenen Ortschaften so allgemein anerkannt wird.
Aber ein Gesetz lediglich zum Schutz der geschlossenen
Ortschaften wäre doch nur eine halbe Maßregel: Deshalb ge-
stattet sich der Bund Heimatschutz hiermit auch zugunsten
eines Schutzes der vereinzelten Bauwerke und der Landschaft
noch ausdrücklich vorstellig zu werden.
Mag diejetzige Fassung des Gesetzentwurfes noch in mancher
Hinsicht Mängel aufweisen, das ist sicher, daß ihm für die
deutsche Kulturgeschichte hohe Bedeutung zukommt. Ist er
doch aus einem wahrhaft fortschrittlichen und sozialem Geiste
entstanden: aus der Erkenntnis, daß die Kultur unseres ganzen
Volkes darunter leiden muß, wenn die natürliche und ge-
schichtlich gewordene Eigenart unserer Heimat ohne weiteres
zerstört werden darf. So gewiß wie es Zeiten gegeben hat,
in denen die Deutschen es nicht verstanden, die nötige
materielle Stärke im Innern und nach außen sich zu erwerben,
so gewiß müssen wir uns jetzt davor hüten, die Segnungen
der materiellen Wohlfahrt zu überschätzen. Konnte doch jetzt
schon ein Schriftsteller gerade im Hinblick auf die Zerstörung
des deutschen Landes schreiben: .Die Menschheit hat sich
verlaufen. Sie ist in den Wald der technischen Fortschritte
geraten. Eigentlich wollte sie in ein Land gelangen, wo man
glücklicher, froher, freundlicher werden konnte." Die wirt-
schaftliche Wohlfahrt ist doch nicht Selbstzweck, sondern nur
die Grundlage zur Erreichung aller höheren Lebenszwecke und
Ziele, „Wozu alle Steigerungen des Reichtums, wenn mit der
Zerstörung idealer Güter die Möglichkeit zu verfeinertem
Lebensgenuß immer mehr genommen wird?" Wir erhalten
kein Gut umsonst, für das eine müssen wir immer ein anderes
geben: deshalb tut es not stets abzuwägen, ob das Gut, das
wir opfern wollen, nicht wertvoller ist, als das, was wir dafür
eintauschen werden. Nur ein Mittelweg kann zum Segen
führen.
Wir haben in Deutschland und gerade in Preußen schon
eine ganze Reihe von Gesetzen und staatlichen Maßnahmen,
die einen Ausgleich zwischen den Interessen an der Erhaltung
der Eigenart unserer Heimat und den widerstrebendan gewähr-
leisten. Es sei nur an die Konservatoren für Bau- und Kunst-
denkmäler erinnert, an die neugegründete staatliche Stelle für
Naturdenkmalpflege, an die Vogelschutzgesetze usw. Und in
dem Kreise dieser mannigfachen Maßnahmen wird der jetzt
vorliegende Gesetzentwurf für Preußen besonders fühlbare
Lücken füllen. Welche Verunstaltungen haben Bauausführungen
schon unserem Lande gebracht.
Es wäre nicht recht, wenn man den Schutz gegen splche
Verunstaltungen nur geschlossenen Ortschaften geben wollte:
sind vor ihr vereinzelte Bauten und die landschaftliche Schönheit
sicherer? Oder hat die Allgemeinheit ein minder dringendes
Interesse daran, daß auch diese letzteren beiden vor Verun-
glimpfung geschützt sind, daß z. B. nicht am Heidelberger
Schloß Hotelkästen und ausgerechnet gerade an der Porta
Westfalica Fabriken entstehen? Man kann u. E. konsequenter-
weise nicht betonen, ein Schutz der Ortschaften vor baulichen
Verunstaltungen sei nötig und im Interesse der Allgemeinheit
zulässig und zu gleicher Zeit behaupten, daß beide Fragen für
den Schutz einzelner Bauten und der Landschaft zu verneinen
seien.
Tatsächlich gibt man ja auch wohl zu, daß auch für diese
ein Schutz an und für sich angebracht sei, aber die Zulässigkeit
120
DIE GARTENKUNST
TX, (>
glaubt man verneineo zu müssen. Man beruft sich auf die
verfassungsgemäß gewährte UnverletzHchkeit des Eigentums.
Dem möchten wir entgegenhalten, dal.) das Eigentum im
Interesse der Allgemeinheit gar manchen Beschränkungen
unterworfen ist. Wir wollen nur auf einige Beispiele hin-
weisen: Man nimmt als selbstverständlich hin, dal.! der Eigentümer
von Tieren nicht Tierquälerei treiben darf, daß er bei an-
steckenden Tierkrankheiten zu Vorsichtsmaßregeln gezwungen
ist. Ganz besonders aber ist das Grundeigentum vielfach be-
schränkt: z. B. durch Bergrecht, Wasserrecht, Jagdrecht, durch
militärische Hücksichten. Und einen besonders starken Ein-
griff erhalten die Gesetze über Seperation (Verkoppelung); da
wird auf Antrag eines Teiles der Grundbesitzer, in manchen
Ländern eines Viertels, der andere Teil gezwungen, die Sepe-
ration mitzumachen, darein zu willigen, daß die Grundstücke
ganz anders gelegt werden, daß er für die seiuigen ganz andere
erhält und daß er obendrein Kosten zahlen muß.
Wenn im Interesse der Allgemeinheit so viele Be-
schränkungen des Eigentums schon in Geltung sind, muß es
da wirklich als ein Unrecht erscheinen, wenn im Interesse der
Allgemeinheit auch Bauausführungen verboten werden, die
einzelne Bauten der Ortschaften und landschaftliche Schön-
heiten verunstalten? Wird damit nicht vielmehr eine Rechts-
lage geschaffen, wie sie für einen modernen Staat einzig und
allein erstrebenswert ist?
Ehrerbietigst
gez. Paul Schultze-Naumburg, Professor,
Vorsitzender des Bundes Heimatschutz.
Eingabe der Deutschen Gesellschaft
für Gartenkunst zu dem Gesetzentwurf gegen die Ver-
unstaltung von Ortschaften und landschaftlich hervor-
ragenden Gegenden.
Dem hohen Hause der Abgeordneten zu Händen der
12. Kommission
gestattet sich der unterzeichnete Vorstand im Namen der
Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst ehrerbietigst die Bitte
zu unterbreiten:
Das hohe Haus möge in dem zur Beratung und Be.
schlußfassung vorliegenden Gesetzentwurf gegen die
Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich her-
vorragenden Gegenden Bestimmungen aufnehmen, durcli
welche eine künstlerisch einwandfreie, der ästhetischen
Tendenz des Gesetzes nachkommende Beurteilung der
gegen Verunstaltung zu schützenden Ortschaften und
Gegenden gewährleistet wird.
Seit Jahren hat die Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst
(früher Verein deutscher Gartenkünstler) alle Bestrebungen
auf das eifrigste eingehend erörtert und unterstützt, die die
Pflege des Heimatschutzes zum Ziele haben, soweit diese auf
die Erhaltung landschaftlicher Schönheit, historisch wertvoller
Schöpfungen der Gartenkunst und naturwissenschaftlich be-
deutungsvoller Naturgebilde gerichtet sind.
Vor kurzem hat der Vorsitzende des Heimatschutzbundes,
Prof. Schultze-Naumburg, in seiner Eingabe vom 10. März 1907
an die Kommission den Standpunkt dieses Bundes eingehend
begründet. Wir schließen uns diesen Ausführungen voll an.
Unsere ehrerbietige Eingabe soll jedoch den Zweck haben, auf
die Notwendigkeit der sachgemäßen Beurteilung bei der Au.s-
führung der Bestimmungen des Gesetzes hinzuweisen und
derartige Bestimmungen in das Gesetz aufzunehmen.
Gleich wie dem Maler, Bildhauer und Architekten infolge
seiner Schulung und seiner Begabung für die seiner Kunst
naheliegenden Kunst- und Naturobjekte eine schärfere Be-
urteilungsfähigkeit zugestanden wird, als dem gebildeten
Laien, so muß anerkannt werden, daß dem geschulten, fein
empfindenden Landschaftsgartenkünstler eine größere Be-
fähigung bei der Beurteilung landschaftlicher Schönheit zuge-
standen werden muß, als demjenigen, dem nicht das Studium
landschaftlicher Schönheit Lebensautgabe ist.
Wird der vorliegende Gesetzentwurf zum Gesetz, so ist
bei der Ausführung desselben die Beurteilung, was landschaft-
lich schön ist, von größter Bedeutung, und wird in jedem
einzelnen Falle zu prüfen sein, in welcher Weise die wirt-
schaftlichen Interessen mit den ästhetischen Grundgesetzen zu
vereinbaren sind. Gerade in diesem Punkte zeigt der von uns
allgemein mit großer Freude begrül5te Gesetzentwurf eine
Lücke, die auszufüllen wir für eine der vornehmsten Aufgaben
des Gesetzgebers halten.
Der Entwurf bezeichnet die Ortspolizei als diejenige Be-
hörde, die darüber zu entscheiden hat, was künstlerisch schön,
was landschaftlich schön, was überhaupt ästhetisch schön ist.
Bei allem schuldigen Respekt vor dieser Obrigkeit können wir
es nicht unterlassen, Zweifel in die Zuständigkeit dieser Be-
hörde in ästhetischen Fragen zu setzen. Es ist möglich,
daß bei vorkommenden Fällen die Ortspolizei den Rat des
Fachmannes einholen wird, aber es ist keine Bestimmung vor-
handen, die eine sachverständige Begutachtung zur Pflicht
macht. Eine derartige Bestimmung in das Gesetz aufzu-
nehmen, ist der Zweck der vorliegenden elirerbietigst über-
reichten Eingabe.
Wird es aber der Ortspolizei schon schwierig werden,
ohne Sachverständigen die Entscheidung bei der Beurteilung
landschaftlicher Schönheit zu treffen, so wird dieses noch
schwieriger, ja, unmöglich werden bei Entscheidungen, die
historisch wertvolle Schöpfungen der Kunst betreffen. Wohl
bestehen Gesetze und Verordnungen, die historische Baudenk-
mäler schützen; auch der Schutz von Naturdenkmälern ist in
gewissem, vorwiegend botanischem Sinne durch die Errichtung
der staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege gewährleistet,
aber den Schutz historischer Gartenkunstsohöpfungen bezweckt
bisher noch kein Gesetz, noch keine Verordnung.
Eine große Anzahl hochinteressanter Gartenschöpfungen
befinden sich in fiskalischem und Privatbesitz, z. B. unter-
stehen die für die Geschichte der Kunst bedeutsamen Anlagen
zu Marienwerder bei Hannover und Abtei Loccum der Kloster-
kammer zu Hannover. Diese Parks stellen in Gefahr, ihrer
Schönheit und Eigenart vollkommen verlustig zu gehen, in-
folge des allzu starken Überwiegens der wirtschaftlichen
Interessen. Es erscheint außerordentlich wünschenswert, Be-
stimmungen in das Gesetz aufzunehmen, durch welche der-
artige Kunstschöptungen zu schützen sind vor ästhetisch un-
begründeter Zupflanzung oder Verwachsung von Sichten und
Flächen, Abholzung wichtiger Pflanzungen, Errichtung von
Nutz- und Zierbauten, durch welche der tlesamtcluirakter ge-
fährdet wird.
Von ebenso großer Bedeutung ist die ästhetische Be-
wertung der Forstbewirtschaftung.
Immer dringender worden Forderungen laut, die dem nur
materiellen Nutzen ei'strebenden Forstmann die Pflege des
Waldes mehr als bisher zur Pflicht machen. Ganz besonders
wichtig ist die Berücksichtigung ästhetischer Bedenken bei
der Anwendung von Kahlschlägen. Diese forstwirtschaftliclie
Betriebsform sollte in solchen Gebieten, welche Tausenden
und Abertausenden als Erholungsstätten dienen, durch gesetz-
liche Bestimmungen überhaupt verboten werden. Es sei hier
auf einige Landschaften des Harzes, Thüringer Waldes, Lau-
IX, Ü
DIE GARTENKUNST
121
sitzer Gebirges hingewiesen, wo durch Kahls('hläge geradezu
Verunstaltungen des Landsohaftsbildes entstanden sind.
Auch dieses sind Fragen, bei denen ästlietische Gesichts-
punkte mehr als bisher berücksichtigt werden müssen und die
Forderung der Beurteilung durcli einen Fachmann berechtigt
erscheint.
Wie Schon bei der Beratung der volkswirtschaftlich be-
deutsamen Frage der Errichtung einer Talsperre im Bodetal
dem Gutachten zweier unserer Jlitglieder, des Gartendirektors
Encke-Köln und des verstorbenen Gartendiroktors Schoch-
Magdeburg, eine entscheidende Bedeutung zuerkannt wurde,
so geben wir der Hoffnung Ausdruck, daß bei der Beschluß-
fassung über das Gesetz auch eine Bestimmung gefunden
wird, die eine fachmännische Beurteilung der zu schützenden
Ortschaften, Gegenden. Naturobjekte, Kunstschöpfungen sei-
tens erfahrener Landschuftsgartenkünstler, ermügliclit.
Trip, Glogau.
Vorsitzender. Schriftführer.
Von der 111. Internationalen Gartenbauausstellung zu Dresden: Frühlingssymphonie v. l\ud. Eoehm.
III. Internationale Gartenbauaus.stellung zn Dresden.
Ich wollte ursprünglich nicht nach Dresden gehen.
Was kannst du da sehen V sagte ich mir, die Dresdener
Kulturen kennst du, den Rahmen der Ausstellung auch!
Ihre Leitung liegt in bekannten Händen — also auch da
ist kaum etwas Neues zu erwarten.
Schließlich entschloß ich mich doch, zu reisen; ich
wollte gern Weimar und seine schiinen alten Anlagen
mal wieder im Frühjahrskleido sehen; auch liegt
Eisenach, Kosen mit der Rudelsburg und manches andere
am Wege. — Außerdem reizt es ja immer, bei solchen
Ausstellungs- und ähnlichen Gelegenheiten alte Bekannte
unvermutet zu treffen, neue Beziehungen zu knüpfen
u. dgl.
So kam ich also doch nach Dresden und durch-
wanderte den Ausstellungspark. Am sächsichen Hause
von Kreis, welches, wie verschiedene andere im Park
zerstreute Bauten, von der vorjährigen Kunstgewerbe-
ausstellung herrührt, machte ich zuerst Halt und klappte
meinen Apparat auseinander, um das vor dem Hause
liegende vertiefte Parterre aufzunehmen, welches im
freundlichen Sonnenschein recht farbenprächtig dalag.
Ganz hübsch, aber etwas bunt! Ich wanderte weiter
und schenkte den in schönen Gruppen zur Schau ge-
stellten Nadelhölzern und sonstigen Baumschulerzeugnissen,
die man mit Geschick zur Ausgestaltung der landschaft-
lichen Parkbilder verwendet hatte, die gebührende Be-
achtung.
Aber was sehe ich dort?! Grüß euch Gott alle mit-
einander! Vor mir entwickelte sich eine ganze Straße,
eingerahmt mit den guten alten Bekannten: Pilze aus
122
DIE GARTENKUNST
IX, 0
Von der III. Internat. Gartenbauansstellung zu Dresden: Kaukasische Landschaft.
Ton als Gartensitze, Rehe,
Gnomen in allen miiglichen
Stellungen und Tätigkoiten,
einige mit Schläuchen und
anderen Berieselungsgeräten
ausgerüstet, — dazwischen
Sitze und Bänke aus „Natur"-
Eichunholz, Gartenhäuschen
aus weißberindeten Birken-
ästen und was dergleichen ge-
schmackvolle Bereicherungen
unserer Haus- und Vor-
gärten sonst noch sind Man
sollte meinen, dal! der-
artige Sachen doch auf un-
seren Ausstellungen nicht mehr
vorgelührt werden sollten,
oder wenn es doch geschieht,
weil man oft die Erträge
aus der Platzmii^te nicht
missen will, dann gehören
sie in die unvermeidliche
„Industrieabtcilung", zu den
Händlern mit Kartoffelschäl-
messern u. dgl. Unter keinen
Umständen sollten sie aber
noch mit „Ehrenpreisen" be-
dacht werden, wie es leider
in Dresden der Fall war!
Eine Ausstellung, wie die
Dresdener, soll doch nicht
nur die Kauflust anregen und
geschäftliche Vorteile bringen
— das mag ja für den-
jenigen, der unter Geldopfern
die Ausstellung beschickt,
das wichtigste sein — , nein
sie soll erzieherisch und
l)ildend auf die weitesten
Kreise wirken. Was nutzt es
aller, dali Schultze-Naum-
burg u a. tortgosotzt auf diese
üeschmucklosigkeiten hin-
weisen, wenn Gartenbauaus-
stellungen, an deren Spitze
die hervorragendsten Fach-
leute stehen, solche Sachen
immer wieder zulassen und
sogar prämiieren. Aber es
war eigentlich vorwundorlich,
daß diese Dingo überhaupt da
waren, denn das E)resdBner
Ausstcllungsprogramm stellte
unter E Gruppe IV, No. 17,
einen \\'ettbewerb für Kunst-
gegenstände, als Statuen.
Skulpturen, Brunnen, Vasen
usw. — ausgenommen
Von der IIL Internat. Gartenbauausstellung: Aus dorn Japanischen Garten.
IX, 6
DIE GARTKNKUNST
123
'■■J Vcin der III. Internat Gartenbauausstellung zu Dn-s'len: Pergola aus ileni Italien, (iarten.
fabrikmäßig hergestellte
Nachahmungen in Tier-
gestalten, Gnomen usw. —
und unter No. 18 derselben
Gruppe einen Wettbewerb für
Gartenhäuser, Laubengänge,
Brücken usw. auf (Zu-
lassung nur nach vor-
hergehender Einsendung
und Genehmigung der
Zeichnungen). Das beweist,
daß man sich des Zieles
bewußt ist, nach dem auf
diesem Sondergebiet gestrebt
werden muß, und diese Wett-
bewerbsnummern sind auch
mit recht achtbaren Leistun-
gen beschickt worden —
namentlich was die Skulp-
turen anbelangt — , aber diese
Dinge sind fast ausnahmslos
nur für die wohlhabenden
Gartenbesitzer erreichljar I
Der Minderbemittelte kann sie
sich nicht leisten! Es mußte
hier noch eine dritte Auf-
gabe gestellt werden: Garten-
einrichtungs- und Schmuck-
gegenstände in einfachster
Ausstattung und geschmack-
voller Form, für die ILu'-
s teil uns nnii den Vert rieb
im großen geeignet. Da-
ran fehlt es eben. Es geht
hier gerade wie bei Innen-
einrichtungen : Zaiilroicho
i\iinstler sind tätig, um das
llriiu des reichen Mannes
auszustatten — der Mittel-
stand und die Unbemittelten
müssen nach wie vor mit der
Fabrikware in geschmack-
losester Form sich behelfen,
weil sie beim besten Willen
zu Preisen, die im Verhältnis
zu ihren Mitteln stehen,
nichts Gediegenes kaufen
künnen. So kommen dann
doch immer noch die Gnomen-
fabrikanten auf ihre Rechnung !
Das war der Eindruck,
den ich aus dem Freien
mitnahm, als ich das Aus-
stellungsgebäude betrat. Zu-
erst die Wasserpflanzenabtei-
lung. Leider blute nur sehr
wenig. Die Gesamtanord-
nunt; war gnt und hätte in
Von der III. Internat. Gartenbauausstellung zu Dresden: Orchideenausstellung.
124
DIE GARTENKUNST
IX, G
voller Bliitenpracht ein prächtiges Bild ergeben müssen.
Schon bei dorn Bekanntwerden des Dresdener Programms
erschien mir die Veranstaltung einer Wasserpflanzen-
ausstellung zu dieser frühen Jahreszeit etwas gewagt;
bauliche und sonstige Schwierigkeiten kamen hinzu, um
die volle Entfaltung der Blüte zu verzögern, und so
mußte man sich zufrieden geben, wenigstens die hervor-
ragende Kultur der Pflanzen zur Schau zu bringen.
Aus der Wasserpflanzenabteilung kam ich nach
dem Durchschreiten einiger Räume, die mich nicht be-
sonders fesselten, in den japanischen Garten und dann in
rascher Folge durch die große Eingangskuppelhalle in
den italienischen Garten und in die Kleinasiatische Land-
schaft. Diese Bilder gesehen zu haben, lohnt allein die
Reise nach Dresden. Und zwar war es nicht die tadellose
Kultur der angeführten zahlreichen Pflanzengattungen —
Flieder. Rosen, Hortensien, Calla, Cytisus, Erika, Azalien.
Rhododendron — I Man weiß ja, daß die Dresdener Gärtnereien
in zielbewußter Arbeit erfolgreich ihre Kulturen auf eine
solche Höhe gebracht haben, daß sie „internationale"
Ausstellungen veranstalten können, zu denen das
Ausland fast nur noch Preisrichter, aber kaum
noch Aussteller schickt. Auch nicht die Fülle der
Farben, die eher manchmal etwas zu lebhaft waren und in
ihrer Häufung stellenweise fast wehe taten. Nein, was an
den Darbietungen so sehr fesselte — bei vielen Be-
suchern vielleicht unljewußt — , das war die Art, wie
diese Pflanzenschätze vorgeführt waren, das war die
künstlerische Höhe, auf der das Ganze gehalten war.
Das Ausstellen war hier zu einer Kunst geworden und
als Kunst gehandhabt, die nicht nötig hatte, Anleihen auf
verwandten Gebieten zu machen, sondern mit dem von den
Ausstellern dargebotenen Material Bilder schuf von
einer Schönheit und Eigenart, daß die Erinnerung denen,
die sich an ihren Anblick weiden konnten, nicht so
bald schwinden wird. — Durch die Wahl der Motive
(Kaukasuslandschaft, japanischer Garten, italienischer
Renaissancegarten) war erreicht worden, daß von drei
großen nahe beieinander liegenden Räumen jeder
trotz des bei allen ziemlich gleichartigen Ausstellungs-
materials eine ausgesprochene charaktervolle Eigenart
erhielt. Jeder bildete ein in sich abgeschlossenes
Kunstwerk, bei dem aber nicht, wie das so oft auf Aus-
stellungen und auch sonst zu beobachten ist, in auf-
dringlicher und gespreizter Weise der Künstler sein
Wirken und seine Absichten fühlen läßt, sondern wo er
sich daran hatte genügen lassen, das herrliche Material zur
höchstmöglichen Geltung zu bringen und selbst bescheiden
im Hintergrunde zu bleiben. Fast zu bescheiden! Denn die
meisten Besucher aus dem großen Publikum nahmen die Dar-
bietungen als etwas hin, dessen Schönheitswirkung ledig-
lich in dem vorgeführten schönen Pflanzenmatcrial beruhte,
nur wenige mögen bedacht haben, welch eine gi'oßo
Summe künstlerischer J.(;istungsfähigkeit in diesen sn-
genannten „Landschaften" steckte. Auch bei den Notaboln,
die sich am Abend des 6. Mai zum großen Festmalil
zusammenfanden, war es nicht anders. In der langen
Reihe der offiziellen und nichtoffiziellen Trinksprüche war
neben dem Landeshorrn von allem Möglichen die Rede,
von den Ausstellern, den Preisrichtern, den Behörden,
der Presse usw. usw.
Auch von der „älteren Schwester des Gartenbaus",
der Landwirtschaft, war reichlich oft die Rede, von der
anderen Schwester, der Kunst, aber mit keinem Worte.
Niemand schien Verständnis dafür zu haben, daß es sehr
zweierlei ist, schöne Pflanzen zu ziehen und aus
Pflanzenmaterial schöne Bilder aufzubauen.
Und doch war man durch mangelhafte Anordnungen
in Nebonräumen, die geradezu als Gegenbeispiel hätten
dienen können, auf die Wahrnehmung hingewiesen, daß
es das schöne Material allein nicht tut, sondern, (laß noch
etwas mehr dabei sein muß. Und hierin liegt für mich
die Bedeutung der diesjährigen Dresdener Ausstellung.
An ihrem Erfolg trägt die künstlerische Gesamt-
anordnung den wesentlichsten Anteil, und wenn Namen
genannt werden, dann muß der des Königl. Gartonbau-
direktors M. Bertram an erster Stelle angeführt werden.
Ich habe mich wenig darum gekümmert, wer die
Aussteller der schönen Pflanzen waren, ich habe auch
nicht kritisch die Zucht- und Kulturresultate der einzelnen
Einsender gegeneinander abgewogen, ich habe mich ledig-
lich dem Eindruck der schönen Bililer hingegeben und
habe ihre Farbensymphonien auf mich wirken lassen.
Gewiß hörte man öfter Bemerkungen wie: das ist bei
solchem Material kein Kunststück I oder: die Ltresdener
kennen ihre Räume und haben schon mehrfach Gelegen-
heit gehabt, sie auszuproben. L)as mag alles stimmen,
aller das verkleinert in meinen Augen ihre Leistungen
durchaus nicht.
Auch kann man die Frage aufwerfen, nb es über-
haupt richtig sei, Ausstellungsmaterial, wie es hier ge-
boten wurde, zur Gestaltung solcher Bilder zu verarbeiten,
und ich nehme mit Sicherheit an, daß sich Stimmen ver-
nehmen lassen werden, die es nicht für richtig und zu-
lässig halten. Da berühren wir aber die leidige Streitfrage
von der Zulässigkeit landschaftlicher Gartengestaltung über-
haupt. Wer die landschaftliche Gestaltungsweise in der
Gartenkunst für daseinsberechtigt und künstlerisch mo-
tiviert ansieht, der kann auch nichts dagegen einwenden, daß
man gelegentlich, wie es hier geschehen ist, bei vorüber-
gehender Veranlassung in Innenräumen solche Bilder
schafft. „Landschaften" waren es ja im eigentlichen Sinne
nicht. L)iorama wäre eine viel richtigere Bezeichnung ge-
wesen. Liem entschiedenen Verfechter des Grundsatzes
von der künstlerischen Wertlosigkeit aller Landschafts-
gartenkunst mag manches auf der III. Internationalen
Gartenbauausstellung ein Greuel gewesen sein.
Ich habe mir aber durch derartige Erwägungen die
Freude an den Darbietungen nicht verdorben, ich habe
mich vielmehr refloxionslos dem Eindruck der farben-
prächtigen Bilder hingegeben. Vnn den drei genannten
Szenerien stand für mein Gefühl der italienische Garten
den andern gegenüber etwas zurück, die Farben der
Azaleen im Vordergrunde waren etwas zu stark aufgetragen
und die riesigen Schauexemplare dieser Pflanzen an
und für sich Kultinstücke ersten Ranges — wirkten in
IX, (i
DIE GARTENKUNST
125
ihrer Häufung zu massig, während die Pergola, welche den
Vordergrund abschloß, wieder sehr reizvoll war.
Die Kaukasuslandschaft bildete unzweifelhaft den
Höhepunkt der Ausstellung. Das Bild (S. 122) gibt nur
einen schwachen Begriff davon: denn nirgends als bei
solchen Gelegenheiten wünscht man wohl, man könnte
die Farben in ihrer ganzen Pracht auf die Platte zaubern.
Die feinen Kontraste zwischen dem leuchtenden Gelb der
gewöhnlichen Azaleen und dem Violettrot vieler Rho-
dodendron, das lebhafte Farbenspiel der Rhododendron
untereinander waren von bezaubernder Wirkung. Dazu
das ernste Grün der stai'ren Kiefern und das Saftgrün des
Rasens, das dämmerige Halbdunkel unter den Bäumen und
die Lichteffekte. welche von den seitlieh einfallenden
Sonnenstrahlen auf der offenen Fläche hervorgerufen
wurden, das alles vereinigte sich zu einem unvergel.ilichen,
entzückend schönen Bild.
Kigenai'tig schön war auch die japanische Landschaft:
ein farbensatter Vordergrund wurde durch einen zwisclien
Kieternstännnen aufgebauten Tempel abgeschlossen, von
dem aus man weiter blickte in einen reizvollen Japangarten
mit Lilien und Iris und malerischen Zwergbäumen.
Auch die Form, welche man der (h'chideenausstelhing
gegeben hatte, verdient sehr beachtet zu werden. Ganz
abweichend von der sonstigen Gepflogenheit, hatte man
versucht, dem Beschauer ein tropisches Urwaldbikl vor-
zuführen, in welchem der Farben- und Formenreichtum
der Orchideen viel wirkungsvoller zur Geltung gebracht
wurde, als bei der anderwärts üblichen Xebeneinander-
stellung. Nur eins sollte man bei einer Wiederholung be-
achten : Die Pflanzen müssen, um die Gesamtwirkung zu
steigern, etwas weniger gleichmäßig über den ganzen
Raum verteilt, sondern mehr in Gruppen zusammengefaüt
werden, in denen dann auch einzelne Farben besonders vor-
herrschen müssen. In der Mittelpartie, die unsere Auf-
nahme erfaßt hat, war dieses Prinzip auch ziemlich durch-
geführt, in den übrigen Teilen herrschte aber eine ziemlich
unruhige Stimmung, die auf der zu gleichmäßigen Ver-
teilung der Pflanzen beruhte. Auch wird es bei einer
größeren Veranstaltung in ähnlicher Form notwendig sein,
einige Wege in die Szenerie hineinzuführen, damit man
zu eingehender Betrachtung mehr an die Pflanzen heran-
gelangen kann.
Es ließe sich noch manche reizvolle Einzelheit aus
dem weiten Gebiete der Ausstellung anführen, der Raum,
welchen ich der Sache widmen kann, verbietet es. Nur
einer Leistung sei noch besonders gedacht, ihrer künst-
lerischen Eigenartigkeit wegen. Liie „Frühlingssym-
phonie" von Rud. Boehm, firesden. Unter der Programm-
abteilung D. „Allgemeine P.indekunst" war eine Reihe von
Aufgaben für Blumenschmuck-lnnenkunst unter Benutzung
von Pflanzen, Bindereien und losen Blumen gestellt, darunter
No. 25 „Eine hervorragende L>ekoration großen Stiles".
Diese Wettbewerbsnummer, bei der keinerlei einschränkende
Bestimmungen der künstlerischen Gestaltungsfreiheit
Schranken setzten, bestritt Boehm mit seinen „Frühlings-
symphonie", von der ich auf Seite 121 eine Aufnahme
bringe. Es war keine „Binderei", es war streng ge-
nommen überhaupt keine „Tnnenkunst". aber es war ein
liild viJii bezaubernder Schönheit und voller Poesie; die
Preisrichter wußten augenscheinlich nicht recht, was sie
mit dem aus dem althergebrachten Rahmen heraustretenden
Werke anfangen sollten. Nur so verstehe ich es, daß
dieser Leistung nicht der zu vergebende erste Preis zufiel.
Ich meine, man hätte sich dieser Vorführung gegenüber
von aller zunft- und schulmäßigen Auffassung frei machen
und die künstlerische Leistung ausschlaggebend sein
lassen müssen. Was Boehm mit dieser „Frühlings-
symphonie" wollte, mag er selbst sagen:
„In meiner Auffassung soll es ein Hausgarten sein,
ein Plätzchen, geschaffen, die Illusion zu wecken, daß die
Erde kein Jammertal ist. Zehn Meter lang und breit,
mit architektonischer Wegführung, in der Diagonale des
Vierecks eine Plastik, die ich mir brennend gerne ein-
facher, herber, keuscher gewünscht hätte. Den Über-
sittliciien war sie zu nackt, andern zu geschlechtlich, zu
trauen lial'l für den Frühling, im übi'igen aber eine an-
erkannt tüclitige Arl)eit. Längs des Weges eine Reihe
vdii Cytisus, um die Statue Azalea mollis, Rhododendnm
und Waldfarne, dann Crimson mit Vergißmeinnicht und
Hortensien in unregelmäßiger freier Gi-uppierung. Prunus-
bäume überschneiden das Gesichtsfeld und das Jung-
fräulein sitzt im Schatten eines solchen. Ein Prospekt,
eine Frühlingslandschaft darstellend, schließt das Ganze
ab. Soviel vom Materiellen.
Die Psyche ist schwerer, wenn überhaupt, zu fassen;
Ich kann weder mit auf Schulbänken ersessenen Regeln
undGesetzen aufwarten, noch möchte ich die Schlagworte der
.Modernen für mich einfangen. Die geistreichen Worte
dieses oder jenes sind fürs Schaffen ohnedies unnütz,
Kunstwerke entstehen meist auf anderm Wege. Ich
möchte trotzdem beschreiben, wie mein Objekt entstand.
Seit ca. 10 Jahren übe ich in meinen Mußestunden
autodidaktisch die Malerei; mit welchem Erfolge, mag der
den Raum abschließende Prospekt dartun. Das Studium
der Großen in der Kunst hat die Erkenntnis in mir reifen
lassen, daß es in jedem gut komponierten Bilde, ganz
gleich welcher Art, ein Zentrum gibt, dem sich alle
farbigen und kompositorischen Elemente unterordnen
müssen. In der Gailenkunst — gleichgültig ob archi-
tektonisch gegliedert oder unregelmäßig bepflanzt wird;
das ist nebensächlich und fürs Kunstwerk ohne Belang
— muß gleichfalls eine Hauptidee alles überstrahlen und
sich alles andere dienstbar machen; sie muß dem Werke
das Gesicht verleihen. In unserm üblichen Hausgarten
verzettelt sich alles; hier ein Klex und dort ein Witzchen
ohne Wirkung, weil ohne Sinn und Empfinden hingesetzt.
.\hnliche Erfahrungen konnte ich in meiner Pra.\is als
Blumenbinder machen.
Beim Skizzieren vor der Natur drängt sich bei jedem
Blatt und Ast, bei jedem Stein das Gefühl auf, wie zweck-
mäßig und folgerichtig die Natur arbeitet. In der Schule
sollte das perspektivische Zeichnen dem Planzeichnen
übergeordnet werden; jenes fördert die Kunst des Sehens
und setzt voraus, daß der Schaftende seine Bilder im
Geiste plastisch sieht, während das Planzeichnen mehr
126
DIE GARTENKUSSf
IX, 0
mi^^.
)•K^^
Fig. !l. Übergang von Pflanzung in TJascn.
ein Konstruktionsverfahren ist und wenig l)ot'ruclitend auf
die Phantasie wirlvt.
Die Materie ist zu groü. um sie in wenigen Zeilen
auch nur annähernd zu erschöpfen. Zum Verständnis
meiner Friihlingssymphonie tragen meine Worte vielleicht einen kürzeren Weg als den vorhandenen zu gehen, so
Die (liruiKlzü^e der Laiidsdiaftsj'estaltuiif!;.
Hinweise, wie iiiaii ille iiatiirliclieii Scliiinlieileii vou
Gebiiselieii und Waldungen in Hrsclicininig treten
lassen kann.
Von J. Forsyth Johnson.
(Aus dem Englischen frei übertragen von (i. K.
Schneider und E. B. Behnick.)
(Fortsetzung. Hierzu Fig. 51 — 1.').)
Wege.
Johnson betont die Notwendigkeit solid
gebauter Wege, und vor allem, wie Aviclitig
es ist, sie richtig zuführen. Sie müssen uns
zu allem Schönen hinleiten. Die Hauptwege
sollton sich den Konturen des Landes an-
passen, nur dort, wo es absolut nötig ist.
vertieft oder erhaben verlaufen, und auch
dann sollton sie sich den Eigenheiten der
Gegend anschmiegen.
Kein Weg sollte um seiner selbst willen gebaut
werden. Er ist da um der Objekte des Bodens willen.
Es ist nicht nötig, daß eine Straße den kürzesten Weg
nehme, es sollte aber immer unmöglich gemacht werden.
etwas bei, die individuelle Auffassung bildet den Schlüssel
für das Verständnis: Mir liegt die Zukunft unseres Haus-
gartens sehr am Herzen."
Damit möchte ich meinen Bericht über Dresden
schließen; vielleicht findet sich Veranlassung, später noch
auf Einzelnes zurückzukommen. Bemerken will ich nur
noch, daß ich an der Wartburg und der Rudelsburg in
aller Eile vorbeigefahren bin und nur ganz flüchtig Weimar
dass dieser der kürzeste bleibt und den Erfordernissen
Rechnung trägt. Eine Straße, die mehrere Objekte be-
rührt, wird natürlich länger sein als eine solche, die
nur 2 — 3 Objekte vorbindet. Ein richtig geführter Weg
wird aber nie ungünstig wirken, da jede Biegung ihren
Grund hat.
Wir gebrauchen einfache Pfade, nur wenige Fuß
breit, zum Wandeln, oder Wege für Pferde und Hornvieh.
durchstreift habe. Dresden fesselte eben doch mehr als Außerdem breite Fahrstraßen und Zufahrtswege zu den
ich angenommen hatte. He icke. großen Gebäuden.
. , Im allgemeinen sollen die Wegelinien parallel laufen,
zuweilen aber können sie unterbrochen werden
^^c^^^-^-'y^^^-^^^^
Fig. 10. Allgemeine L'mrißlinien zur Dar.stellung der Verbindimg von Baum-
und .Strauchwerk mit Wasser (alles in natürlicher Anpassung an die Lage-
verhidtnisse).
durch Einschnitte für Sitze, Statuen, (Jucllcii
und dgl., um die GleichförmigkiMt zu unter-
brechen.
Breite der Wege: Johnson gilit an:
für Ziifahrtswege zu Schlössern 50 bis selbst
80 (engl.) Fuß, für gewöhnliche Landhäuser
20 Fuß: für Fußwege 6—12 Fuß, für Haupt-
fahrwege 18 Fuß, für einfache Haupt wege 12 Fuß.
Die Wölbung der Wegeflächeu sei nie zu
stark. l)ie Wegemitte soll immer im selben
Xivi^au liegen, wie die Höhe der Rasenfläche oder
des sonstigen Grundes, durch den der Weg
führt, jedenfalls diesen nicht überragen. Um das
Wass(>r abzuleiten, genügt bei gewöhnlichen
Fußwegen ein Fall von Va Zoll: 1 : (JO ist ge-
nügend Gefäll für jeden öffentlichen Fahrweg.
Ein schlecht gebauter Weg wird immer Löcher
aufweisen, und eine Erhöhung dci' Wölbung
würde dies nicht hindern. Ein .'50 Fuß breiter
Fahrweg braucht nicht mehr Gefäl
VU /-'•
auf 15 Fuß. Abflüsse in je 50 Fuß Absland
IX, 6
DIE GARTENKUNST
127
iiplimen alles Wasser auf, eho es sich zu starker Strömune;
ansammelt.
Öffentliche Zus'änge: Zu.u'an.t;'- uml Mingaiin'stor
sollten immer im Einklang mit dem Gliarakter der Anlage
stehen. In große, gut gepflegte Besitzungen führen
prächtige Zufahrten unter edlen Bäumen zwischen Rasen-
flächen durch stolze eiserne Tore mit glitzernden ver-
goldeten Ornamenten. Für Ijescheidenen Besitz scheint
uns eine einfache Pforte aus geöltem, unil in Naturfarben
gebeiztem Holze den Verhältnissen angi>messener.
Es ist ein allgemeiner Grundsatz, daß für l^ingänge
von öffentlichen Straßi'ii aus in eine Besitzung iler beste
Jeder Weg wirkt störend, der sich in auffallender Weise
quer durch eine Sicht zieht. Muß ein Weg unbedingt
eine solche Sicht kreuzen, so ist es em|)f(>hlenswert. ihn
durch Tii^tVrlegi'n in der Rasonbahn zu verbergen und ihn,
soweit es der Blick zuläßt, uurcli l'flanzung zu verdecken.
(lebrocheno Kurven.
Johnson betont, daß man gebrochene; Kurven ver-
meiden soll. Um die Wege recht zu führen, beachte
man das früher Gesagte und besonders die Darstellung
in Fig. S, S. 76. l*-he mau ilen Weg absteckt, fixiert
man die Siclil|unikti' durch Stiilx^ mit F.aluirii, uud leitet
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Fio;. 11. Anssliederung des Randes einer wilden Waldszenerie.
Platz an einer Biegung der Straße ist. Jedenfalls soll
man vom Haus aus das Tor nicht sehen, wohl aber den
Weg soweit überblicken können, um das Herannahen von
Wagen beobachten zu können.
Zugänge zum Haus: Hierfür gelten folgende
3 Gesetze. Der erste Ausblick vom Wege sollte das
Haus weder zu fern noch zu nah zeigen. E)ie erste An-
sicht des Hauses sollte eine perspektivische sein. Und
schließlich sollte der Zufahrtsweg die Wagen leicht und
bequem, ohne Störung durch starke Kurven oder Gefälle,
hinführen und ein schnelles Vorfahren ermriglirhen.
Kurven. Überschneidungen.
Kurven: Kein Weg sollte seine Richtung grundlos
wechseln. Gründe dafür bieten Land, Bäume, Boden-
bewegungen und das Bestreben, die Objekte des Bodens
zu zeigen.
Überschneidungen: Wege sollten stets mit dem
Fluß dos Bodens laufen, niemals augenscheinlich dagegen.
danach die Kurve in natürlicher Weise. Alle unnötigen
Biegungen und Wendungen sind zu vermeiden. Aus
Raummangel ist es unmöglich, Johnsons etwas weit-
schweifige Anführungen eingehend wiederzugeben.
Fußwege.
Allgemeine Regeln: Ist die weitere Umgebung schön,
so führen wir die Fußwege über Höhen; im entgegen
gesetzten Falle leiten wir sie durch tieferliegende Teile,
um den Ausblick auf die nächste Umgebung zu be-
schränken.
Wege die in natürlichen leichten Kurven auf- und
absteigen in Anpassung an das Gelände wirken immer
angenehm und gewähren gefälligere Abwechselung, als
wir sie etwa durch unnatürliche Erdhäufungen zwischen
wagerecht verlaufenden Wegen erzielen können.
Grenz Wege.
Wege sollten die Grenzen des Ortes nicht in Er-
scheinung treten lassen. Ein richtig angelegtes (irund-
128
DIE GARTENKUNST
IX, 6
Vis. 12.
VeEfetationsanorJnuna; im Innern einer Szenerie
stück soll unbegrenzt erscheinen. Wohl ist ein Grenzweg
um die Besitzung meist nötig, er soll aber nie die Grenzen
deutlich zeigen. Zentrale Fahrwege dienen zur
weiteren Aufschließung des Besitzes, man vermeide
aber, den Park dadurch gleichsam in zwei Hälften
zu teilen.
Graswege.
Graswege zwischen Gebüsch sind bei schönem
Wetter sehr angenehm, da man auf dem weichen
Grase sehr bequem geht. Sie können aber lediglich
dem Lustwandeln dienen. Waldwege lassen sich
oft reizend ausgestalten und sind namentlich für
Überschneidungen von Sichten mit Vorteil zu ver-
wenden.
Gruppierung längs der Wege.
Auf die Pflanzungen längs der W'ege ist viel
Gewicht zu legen. Sie bilden den Vordergrund der
Szenerien, an die sie sich anschliossen und als deren
Teile sie sich darstellen müssen. Sind es einzelne
Pflanzen, so müssen sie als Ausläufer des Szenen-
bildes wirken. Blutenpflanzen, die zum Charakter der
Szenerie passen, sollen in Menge da sein.
Keinesfalls dürfen aber die Pflanzungen
längs der Wege als eine Art Einfassung dieser
wirken.
Gerade diese dem Weg nahe Pflanzung
bietet Gelegenheit, feine Züge der Szenerie
dem Beschauer vor Augen zu führen, ihm
zarte Formen und Farben im Vegetationsbild
zu zeigen.
Schatten und Lichter, Szenerienfolge.
r»ie Wege ziehen sich im Vordergrund der
Szenerie entlang und verlangen eine Fülle
wechselnden Lichtes und Schattens.
Wo immer eine große Szenerie sich auf-
schließt, sollte der Ausschaupunkt von hohen
Bäumen oder sonst wie gut beschattet sein,
da der Ausblick von beschatteten Punkten aus
ein besserer ist als von beleuchteten.
Es ist nicht immer angebracht, in schma-
len Gärten Pfade durch hohe Bäume und Buschwerk nahe
dem Pfade zu beschatten, trotzdem sollte aber auch auf ihnen
«48..^
Fig. II. Ein Fliilj mit für lic'plhiii/iing geeigneten Ausbiichtnngon.
Fig. 13. Umrißlinien für ein Gewässer auf einer Lichtung mit
passender Eingliederung der Vegetation.
eine Folge von wechselnden Schatten und Lichtern spielen.
iJer Weg selbst kann häufig durch entfernter stehende,
den Proportionen der Szenerie entsprechende
Pflanzen beschattet werden.
Blaue Cl('niat'/s\ <lie über Silber-Birken
hängen, können höchst wirkungsvoll sein, eben-
so goldene Rosen, die Birken und Pfad über-
spannen, oder sonstige entzückende Über-
raschun«-en, wie sie das K'lima gestatlef..
Schluß- und ViUa-l'ronienaden.
Zu jedem Hause gehört ein Promenaden-
weg, der beschattet und mit duftenden
Pflanzen geschmückt sein soll. Seine Breite
betrage 2ü — 30 Fuß. Für das Haus kann
solcher Weg oft sehr nützlich sein, indem es
von ihm aus in rechter Weise in Erscheinung
tritt. Man setze die Schattonbäume so, dass
IX, 6
DtE GARTENKUNST
129
Russelliana, einem großen, dickstämmigen, zier-
lichen, schnellwaclisenden Biiumo.
Fig. 15 führt die Ausgestaltung von See-
uferu mit gigantischem Ulmus americana vor
Augen.
(Schluß folgt)
Fig. 1.5. Romantische Seepartie.
man am Hause eine Schattenseite für den Sommer und
eine Sonnenseite für den Winter erhält. Duftende Pflanzen
sollen das Haus umkleiden, so daß durch jedes offene
Fenster eine Duftwolke hineinweht.
Parklandschatten bestehen in der Entwickelung der
Schönheiten von Bäumen und Wiesen. Sie sind kein
Forst mit Stangenhölzern. Baumschönhoit kann sich in
voller Entwickelung nur zeigen, wenn die Äste, das Blatt-
werk, Blüte und Frucht sich ungestört entfalten können.
Und dazu gehört Kaum, damit nicht eines das andere
beeinträchtige.
Große Baummassen lasse mau nicht aus nächster
Nähe, sondern in einem Abstand, proportional ihrer Höhe,
in Erscheinung treten. Voll entwickelte Einzelbäume
geben weit weichere und tiefere Eindrücke, als irgend-
welche Häufung von Bäumen, sei sie viereckig oder
rund, natürlich oder künstlich.
Wohl sollen Blumen und Sträucher im Parke recht
häufig sein, aber Bäume bleiben immer die Hauptelemente
und sollten stets Raum genug zu charakteristischer Ent-
faltung haben.
E»ie Figuren 9 — 15 veranschaulichen die Art der
Baumpflanzung. Fig. 9 zeigt eine Skizze für verschieden-
artige Bäume, wo der Raum begrenzt und eine volle
Baumentwickelung nicht möglich ist, wie bei Vorsprüngen
und Buchten, Für Fig. 10 ist als Bepflanzung Acer
Pseudoplatanus gedacht. Fig. 11 zeigt eine Buchen-
landschaft (Fagus silvaüca). Man stelle sich einen Weg
vor, der eine halbe (engl.) Meile lang durch diese Buchen-
lichtungen führt! Welch unendlicher Reiz! Wie habe
ich im Frühling mich an den sprossenden Buchen erquickt!
Fig. 12 ist für amerikanische Linden gedacht, die
Gruppierung einer geschlossenen Szenerie. E>ie Linden
sind geeignet für Promenaden, sowohl Tilia atnericana
wie T. europaea.
Fig. 13 veranschaulicht eine geschlossene Szenerie
von Wasser und Weisseichen (Qiwreus alha). In Fig 14
sehen wir eine Wasserlaufausgestaltung mit Salix
Verschiedenes.
Die Pflanze als Schmuck für Haus, Balkon und
Fenster.
A'nrtrag, gehalten von Garteninspektor Fritz Zahn,
Hozent und Abteilungsvorsteher an der Krmiglichen
Gartnerlehranstalt zu Dalilem, im Verein für deutsches
Kunstgewerbe zu Berlin.
(Aus „Die Werkkunst", Verlag von Otto Salle, Berlin.)
Ein Landhaus, über dessen Dach ein Baum seine
Äste breitet, an dessen Mauern Schlingpflanzen em-
porranken, wird stets auf uns einen besseren Eindruck hervor-
rufen als ein kahl dastehendes Gebäude. Durch die Pflanzen
wird der Übergang vermittelt zwischen Haus und Garten,
zwischen Stein und Boden, zwischen Kunst und Natur; es
wird eine malerische Wirkung erzielt. Das können wir in unseren
Vororten, in unseren Landhauskolonien stets beobachten, das
tun selbst die Architekten, indem sie, eben um der malerischen
Schönheit willen, ihre Gebäudeansichten mit Pflanzenwerk ver-
gesellschaften.
Das einfachste Gebäude schon, ein Stall, eine Scheune,
gewinnt durch die Nähe eines Baumes. Unsere Dörfer würden
nicht den traulichen Eindruck hervorrufen, wenn sie ohne ihre
Bäume wären, die gleichsam die Häuser mit grünen Wänden
umschlingen; Nürnberg würde nicht so bezaubernd auf uns
wirken, wenn zwischen seinen alten Mauern und Türmcheu
nicht so viel Bäume und Bäumchen Raum gefunden hätten.
Weit mehr noch als die Bäume leisten die Schlingpflanzen.
Sie decken eine kahle Giebelwan dzu, sie verhüllen ungünstige
Architekturen, sie beleben Säulen und Pfeiler, Zäune und
Gitter. Bald aufwärtsstrebend, bald lang herniederhängend,
bieten die Schliuger eine ungemein vielseitige Verwendung.
Die selbstklimmenden wilden Weine und der Efeu bedürfen
gar keiner Stütze, der gewöhnliche wilde oder Jungfern wein
will angebunden sein. Freilich empfiehlt es sich auch, die
Selbstklimmer, wenigstens in den stärkeren Ranken, anzu-
binden, weil sonst nach starken Regengüssen die gesamte
orüne Wandbekleidunc,- leicht abreißt. Sind die Wandflächen,
die man verhüllen wül, weniger groß, so kann man sich, ms-
besondere auf der Südseite des Hauses, der Glycine bedienen,
deren herrliche blaue Blütentrauben das Auge so wohltuend
erquicken. Nur für rote Ziegelwände taugt sie wegen des
harten Farbengegensatzes nicht. Für solche Wände muß man
sich vielmehr der grünen Schlinger bedienen, wie des Efeus
und des Pfeifenstrauches (der Aristolochia) oder des wohl-
riechenden amerikanischen Weines. Die Waldreben, insbe-
sondere Clematis paniculata, entfalten im Herbst einen prächti-
o'en Blütenflor; sie kann man im Vei-ein mit den vorgenannten
zum Umrahmen von Türen und Fenstern, zum Umranken von
Lauben und Erkern verwenden.
Dagegen erfordern die Rankrosen, wie der Crimson
Rambler und die Agiaja, sorgfältige Auswahl ihres Stand-
130
DIE GAETENKUNST
IX, 6
ortes. Denn man soll sie eigentlich nicht zum Bekleiden der
Wände bestimmen, weil sie daran immer bald erkranken,
sondern nur zum Schmuck von Säulen und Lauben. Dort
entfalten sie auch ihre herrlichste Blütenfülle. Während Efeu,
Jungfernwein und Pfeifenstrauch uns durch ihre Blätter.
Glycine, Clematis und Rose durch ihre Blüten erfreuen, ent-
zückt uns durch seine Frucht der edle Wein. In alten Dörfern
und Städten trifft man ihn heute noch als Wandbekleidung:
die Fachwerkhäuser unserer alten märkischen Städte, meist
mit dem Giebel der Straße zugekehrt, zeigen ihn uns
fast immer seitlich neben der Türe gepflanzt, zum Laubendach
über Türe und Hausbank gezogen und im Oberstock um all
die kleinen Fenster geführt. Ganz allgemein trifft man das,
■wie leicht erklärlich, in den Dörfern und Städtchen am
Rheine an.
Sein uraltes Hausreoht teilt der echte Wein mit unseren
Obstbäumen. Apfel, Birne, Pfirsich und Aprikose sind ohne
Schwierigkeiten am Spalier am Hanse hochzuziehen, und es
ist sicher richtiger, das Spalierobst in solchen einfachen, durch
die Wandbekleidung von selbst sich ergebenden B^ormen zu
pflegen, als in jenen kunstvollen, oft doch nur recht mühsam
zu erhaltenden Gestalten der Liebhaberei. Alte Dörfer und
Städtchen, aber auch neuere Häuser, selbst ein Haus in Berlin
in der Ma.aßenstraße, liefern uns den Beweis, daß derartige,
von Obstbäumen und echtem Wein umkleidete Häuser der
vortrefflichen Wirkung niemals entbehren. Nicht umsonst
haben die Dichter immer das allseitig umrankte Haus als das
Kennzeichen der Idylle, des häuslichen Glückes und Friedens
gepriesen.
Der Balkonschmuck spielt für unsere Großstädte heute eine
überaus wichtige Rolle. Denn seitdem Grund vmd Boden so
teuer geworden sind, daß man notgedrungen auf den Garten
am Hause verzichten muß, hat man mit dem Balkon gleichsam
ein Stückchen Garten sich in die Höhe gerettet. Darin be-
kundet sich, so trübe der Anlaß selbst ist, doch erfreulicher-
weise, daß auch im Großstädter noch ein Zug zur Natur ver-
borgen ist. Von diesem Zuge zur Natur und dem dadurch
hervorgerufenen Balkonschmuck hat nicht nur der Balkon-
besitzer selbst Freude und Nutzen, sondern auch die ganze
Stadt, weil damit das Straßenbild verschönert wird.
Soweit die Pflanzen nicht unten im Boden wurzeln und
am Hause empor, gleichsam laubenbildend über die Balkone
gezogen sind, muß man ihnen auf dem Balkone selbst Be-
hälter mit Erde schaffen. Da aber stoßen wir auf einen
außerordentlich weitverbreiteten, schweren Übelstand. Die
Balkonkästen sind viel zu eng und zu flach, weil man ihnen
im Balkongitter nicht den erforderlichen Platz ausspart. Hier
liegt ein Erfordernis zutage, dem die Baukünstler unserer Zeit
unbedingt Rechnung tragen sollten. Balkonkästen sollen im
Lichten wenigstens 15 cm breit und 20--30 cm tief sein. Auch
sollen die Kästen Löcher im Boden haben, damit das über-
schüssige Gießwasser abtropfen kann, und damit dieses wieder
nicht auf den nächsten Balkon und die Straße hinabrinnt, muß
unter den Kästen noch ein Untersatzkasten' aus Blech sich
befinden. In ihm steht, aber auf Klötzchen, der eigentliche
Kasten; das Wasser aus dem Untersatz wird durch ein Blech-
rohr am Bodeu abgelassen. Blechkästen sind für die Pflanzen
ungeeignet, weil sie in der .Sonne zu stark sich erwärmen und
infolgedessen die Wurzeln austrocknen, auch lassen sie keine
Luft zur Erde dringen. Diese Fehler zeigen die Tonkästen
nicht, ^obwohl auch sie sich stark erwärmen. Am besten ge-
eignet bleiben immer Holzkästen. Sie sind durchaus nicht so
plump und häßlich, wie man immer meint, man muß sich nur
Mühe geben, ihnen durch richtigen Anstrich, durch einige
Linien oder Leisten ein gefälliges Aussehen zu geben.
Abgesehen von der Größe ist für die Bepllanzung des
Balkons von Wichtigkeit seine Lage, die Besonnung, Be-
lichtung, die Windseite. Mancher Mißerfolg in der Pflege ist
auf Nichtbeachten dieser Frage zurückzuführen. Für Nordlage
eignen sich z. B. nur wilder Wein und Efeu, Funkien, Zinimer-
maiblumen und hängende Tradescantien. Ist die Lage etwas
günstiger, vielleicht des Morgens besonnt, dann können
Pelargonien, Fuchsien, Petunien, spanische Kresse und Cobäa
angepflanzt werden. Je günstiger die Lage, desto reicher die
Auswahl. Es gibt eine solche Fülle von Schmuckpflanzen,
daß man, wenn man nur will, über das Althergebrachte schnell
hinauskommen kann. Allerdings muß der Balkonbesitzer einige
Pflanzenkenntnis haben, und auch der Gärtner darf sich nicht
nur darauf beschränken, das Landläufige zu führen.
Aber eine wichtige Frage noch kommt für den Schmuck
des Balkons in Betracht: soll der Blumenflor des Balkons vor-
wiegend dem Besitzer, vorwiegend dem Straßenpassanten oder
beiden zugleich Freude bringen? Für einen Balkon, an dem
sich wesentlich der Besitzer nur erfreuen soll, kann man
hängende Pflanzen nur beschränkt oder an Draht gebunden
verwenden. Will man aber sich nicht auf aufrechtstehende
Pflanzen beschränken, so kann man an geschickt und licht
aufgebautem, gegen Winddruck gehurig gefestigtem Sprossen-
werk leicht eine volle Laube über den Balkon ziehen. Dünne
Latten und Bambusrohr eignen sich zum Sprossenwerk; Cobäa,
Trichterwinde, Hopfen und bunte Bohnen umranken es schnell.
Schön wirken solche Lauben, wenn allzu liäufig wiederholt, im
Straßenbild allerdings nicht, aber dem Besitzer schaffen sie ein
lauschiges, gegen die Blicke der Nachbarn geschütztes Plätzchen.
— Das Straßenbild verschönen am meisten die herabhängenden
Pflanzen, wie Kresse, Nelke, Pelargonie, Feuerbohne. Winde usw.
Wenn zwischen den aufsteigenden und den herabhängenden
Pflanzen die richtige Mitte getroffen, malerische Wirkung durch
scheinbar unbeabsichtigten Wechsel erstrebt wird, dann ge-
winnen Straßenpassant und Balkonbesitzer gleich große Freude
an dem Pflanzenschmucke.
Aus Zwec.kmäßigkeitsgründen bepflanzt man seinen Balkon
nur einmal im Jahre. Das führt in gewissem Sinne zu einer
Gleichmäßigkeit. Wirksamer, aber selbstverständlich avich
teuerer ist es, mehrere Male im Jahre mit der Bepflanzung zu
wechseln, im Frühjahr z. B. auf Tulpen, Hyazinthen und
Krokus die Stiefmütterchen, Vergißmeinnicht und Primeln
folgen zu lassen, daran Hortensien, Spiräen und weiter im
Sommer Pelargonien und Petunien zu schließen, an die sicli
im Herbste die Astern reihen. Wer solcher Art mit der Be-
pflanzung seines Balkons wechseln will, der tut am besten,
die Kästen doppelt und dreifach anzuschaffen, damit in ihnen
immer schon vorher die Pflanzen herangezogen werden können.
Falsch ist es, den Balkon im Winter ohne jeglichen
Pflanzenschmuck zu lassen; nur muß das Material vvinterhart
und Wintergrün sein. Kleine Fichten oder Heideki-aut oder
Eibe, Lebensbaum, Buchsbaum in Pyramiden und in Kugeln
gezogen, eignen sich für diese Zwecke vortrefflii-h. Am aller-
besten aber ist unser ganz gewöhnlicher Grünkohl, lOr verträgt
den stärksten Frost, behält seine grüne Farbe wie seine
malerischen krausen Blätter und läßt sich vor allen Dingen
gut verpflanzen, weil er Ballon hält. Man hat im letzten
Winter in Berlin (Lennestraße, Kaiserallee) an solchem Balkon-
schmuck und seiner Dauerhaftigkeit sicli freuen können.
Der gutbepflanzte Balkon trägt unstreitig zur Verschönerung
des Straßonbildcs bei. Er tut es im kleinen ebenso wie eine
Festdekoration im großen. Mit Recht entwickelt sicli daher
IX, 6
DIE GARTENKUNST
131
zwischen den einzelnen Balkonbesitzern bisweilen ein Wettstreit
und mit noch größerem Rechte hat man Wettbewerbe für gut
ausgeführten Balkonschmuck erlassen. Anfangs ist man in diesen
Wettbewerben nicht mit darauf eingegangen, von wem der
Balkonschmuck herrührt, heute unterscheidet man mit Recht
zwei Klassen, solche die von Berufsgärtnern und solche, die
von Balkonbesitzern angelegt und gepflegt sind. Weiterhin
auch trägt man der besonderen Lage des Balkons Rechnung,
ob er sich beispielsweise in einer Fabrikgegend oder an einer
Nordwand befindet usw. Überall aber hat man zur Bedingung
gestellt, daß der Balkon von der Straße aus gut sichtbar ist
und zur Verschönerung des Straßenbildes beiträgt. Bewertet
wird meistens nach 10 Punkten, die jeder Preisrichter für sich
allein schätzt. In größeren Orten scheidet man vorher durch
Einzelausschüsse aus und bringt nur das alsdann noch Ver-
bleibende zur Beurteilung dureh die Preisrichter. Dieses mit
so hervorragenden Erfolgen anderwärts ausgeführte Verfahren
ließe sich auch für Berlin verwirklichen, nur müßte man sich
dann lokal oder sachlich begrenzen, z. B. innerhalb der Be-
amtenwohnungsvereine, der Spar- und Bauvereine usw.
Die Blume am Fenster wird man in den wenigsten
Wohnungen ganz vermissen. Selbst in den dumpfigen, übel-
riechenden Arbeitskellern und Kellerwohnungen unserer Groß-
städte findet man noch die Allerweltspflanze, die Pelargonie
oder die Auferstehungsblume, das Schilfhlatt und den Blätter-
kaktus. Ja, manchmal hat man den Eindruck, als ob gerade
in dieser Luft die Pflanzen am besten gedeihen. Wie solche
blühenden Pflanzen schon dazu beitragen, das Düstere imserer
großstädtischen Mietskasernen zu mildern, so noch mehr der
Blumenflor der Mansardenfenster. Die feuerroten Blüten der
Pelargonie, die gelben der spanischen Kresse, sie leuchten wie
verkörperte Sonnenstrahlen und es wäre sehr erfreulich, wenn
man die Lust zur Pflanzenpflege, deren ethischen Wert man
nicht unterschätzen wolle, gerade unter den Bewohnern unserer
Mietskasernen recht heben könnte. Die Gesellschaft der
blühenden Fenster in Paris verfolgt diesen Zweck. Unsere
Vereine, die die Schulkinder zur Pflege der Blumen anhalten,
nützen auch bereits nach dieser Richtung hin, aber noch immer
wäre ein Mehr gerade in Deutscliland am Platze. Wie
freundlich solch Blumenfenster wirkt, das zeigen uns am aUer-
deutlichsten die Wohnwagen der herumziehenden Artisten, die
Kajütenfenster unserer Flußschiffe.
Auch im Fensterschmnck haben wir zu unterscheiden, ob
er für die Straße oder für das Zimmer im wesentlichen be-
rechnet ist. Nach außen bedarf es der Fensterkästen, für die
ebenfalls wieder Holz vorzuziehen ist. Wünschenswert ist es,
Doppelkästen zu haben, nach außen solche, die man mit henab-
liängenden Pflanzen besetzt, nach innen solche, die aufrecht-
stehende blühende Topfpflanzen aufnehmen. Im Winter muß
der Außenkasten verschwinden und dafür der Raum zwischen
den Doppelfenstern uns dienen. Hier läßt sich wirklich im
kleinen recht viel schaffen, nur wäre es außerordentlich
wünschenswert, daß auch gerade hier unsere Baukünstler uns
größere Breite des Raumes schüfen. Die Auswahl der Pflanzen
für das Fenster ist fast unbeschränkt. Neben all den Blüten-
pflanzen und den Zimmergewächsen, den Tulpen, Hj-azinthen,
Maiglöckchen, Schwertlilien, kann man Blattpflanzen, Palmen
und Farne, ja selbst so reizvolle Gebilde wie die Orchideen
ziehen. Die Wahl zu treffen ist nicht schwer. Sie untersteht
der Hüterin des Hauses, der Schöpferin des traulichen Heims.
Denn zur Traulichkeit unseres Heimes trägt die Pflanze das
Beste mit bei, wenn die Hand einer richtigen Frau vom Hause
sie stellt.
Zur 200. Wiederkehr des Geburtstags
Carl V. Linnes.
Linne, geb. am 2:i. Mai 1707, ist einer jener Großen, dessen
Lebenswerk sich unzerstörbare Bedeutung für die gesamte
Naturwissenschaft bew-ahrt hat. Die Vorliebe für Botanik war
in ihm von Jugend auf so stark, daß er auf der Schule, in
Wexiö, zu den schlechtesten Schülern gehörte. Ja, wenn nicht
der Arzt Dr. Rothmann mit seinem Rat bei Linnes Vater, der
Prediger in R&shult in Schweden war, durchgedrungen wäre,
würde Linne zu einem Schuster in die Lehre gegeben worden
sein. Aber so konnte er, zwanzigjährig, die Universität Lund
beziehen, um Medizin zu studieren, und im nächsten Jahre
trotz schwieriger pekuniärer Verhältnisse Upsala. Hier lernte
er den Orientalisten Olaf Celsius kennen, der ihn unterstützte
und ihm seine Bibliothek zur Vorfügung stellte. In dieser
fand er eine Abhandlung von Vaillant, in der auf die Geschlechts-
organe der Pflanzen als Fundament zu einer Einteilung hin-
gewiesen wurde. Durch diese Arbeit erhielt LinnÄ die erste
.Anregung zum Aufbau eines neuen Pflanzensystems, seines
späteren Sexualsystems. Durch Celsius wurde er auch mit
dem Professor der Botanik in Upsala, Rudbeck, bekannt. Durch
dessen Unterstützung und als sein Vikar durfte Linne 1730 seine
erste Vorlesung über Botanik halten, besuchte auf Betreiben
seiner beiden Gönner im Auftrage der wissenschaftlichen Ge-
sellschaft Lappland und Dalekarlien, und begab sich 1735 nach
Holland. Hier promovierte er am 24. Juni zum Doktor der
Medizin. Während dieser Zeit gab er eine kleine Schrift her-
aus, Systema naturae, die die Begründerin seines Ruhmes wurde.
Zugleich wurde er in Leiden mit dem Arzt Boerhave bekannt
und durch seinen Einfluß erhielt Linne die Verwaltung des
Gartens und der Bibliothek von Georg Cliffort, jenes Amster-
damer Bürgermeisters, für den er bald darauf eine Reise nach
England unternahm. Nach kurzem Aufenthalt in Paris ließ
sich Linne 1738 als Arzt in Stockholm nieder. Allmählich erst
kam er in Ruf, erhielt eine Berufung als Professor der Medizin
an die Universität Upsala und blieb bis 1742 Mediziner. Dann
übernahm er die Vorlesungen über Botanik, ließ den botanischen
Garten restaurieren, gründete ein naturhistorisches Museum
und war ein ungemein anregender Lehrer. 1762 wurde er in
den Adelstand erhoben. Aber seine Gesundheit war bereits
untergraben. Er hatte Gicht und Gallensteine und erlitt im
Mai 1774 einen Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr ganz
erholte. Die letzten Lebensjahre bedeuteten nur eine allmähliche
Auflösung, und am 10. Januar 1778 trat der ersehnte Tod ein.
Er besaß ein wunderbares Geschick, mit unzweideutiger
Klarheit klassifizieren zu können, und dieser Gabe ist das un-
sterbliche Verdienst Linnes zu danken, daß er in den botanischen
Wirrwarr, wie er bis dahin herrschte, Ordnung zu bringen ver-
mochte. Er war der erste, der das bisher Geleistete zu einem
festen Gefüge zusammenschweißte und durch konsequente
Durchführung sj'Stematisch zusammenhielt. Linne teilte das
Pflanzenreich ein nach den Eigenschaften der Staubgefäße und
Karpellen; es war also ein Sexu.alsystem. Aber er selbst hat
freimütig bekannt, daß dieses künstliche System nur als Not-
behelf, um zunächst wenigstens Ordnung in der unentwirrbaren
Benennung und Klassifizierung zu schaffen, Geltung haben
könne, bis ein nach natürlichen Verwandtschaften geschaffenes
System gefunden sei. Und er selbst war es, der ein Fragment
hierzu, auf dem Jussieu weiterbaute, geliefert hat. Bei der
Beschreibung hat er das Latein in meisterhafter Prägung
und klarer Kürze angewandt. Jeder Pflanze gab er zwei
Namen. Nach dieser sogenannten binären Nomenklatur be-
zeichnete der eine Namen die Gattung, der andere die Art.
Und mit einem Schlage war alles Durcheinander und alle Un-
132
DIE GARTENKUNST
IX, G
klarheit fortgeräumt. Die binäre Nomenklatur übertrug Linn^
auch auf die Zoologie.
Etwa huntk'rtundfünfzig Jahre sind es her, dal.! das Genie
des unsterblichen Mannes der Welt sein Werk geschenkt hat.
Uns ist es gelungen, innigeres Verständnis für die Absichten
der Natur und ihre Zwecke herbeizuführen und das Geheimnis-
volle ihrer verschlungenen Wege zu ergründen. Die staunens-
werte systematische Arbeit Carl von Linnes war aber nötig,
um unsere moderne biologische Forschung zu ermöglichen. Die
gesamte wissenschaftliche Welt beugt sich, wo man die Wieder-
kehr des 200. Geburtstages feiert, vor diesem unvergessenen
5Ianne und preist dankbar sein Leben und seine Taten.
Kgl. Gartenbaudirektor A. Fintelmann f.
Axel Fintelmann ist tot! Derjenige, der fast ein Jahrzehnt den
Verein Deutscher Gartenkünstler, unsere heutige Deutsche Gesell-
schaft für Gartenkunst geleitet hat, weilt nicht mehr unter den
Lebenden. Gegenüber dieser Trauerkunde treten alle Meinungsver-
schiedenheiten zurück und uns alle vereint das Gefühl: Ein edler
selb.stloser Mann ist von uns gegangen, einer, der stets das Beste
wollte und der trotz der exponierten Stellung, die er lange Zeit inne
hatte, kaum einen Feind besal5.
Als ich noch in jungen Jahren seine Hilfe zum Vorwärtskommen
erbat, hat er sie mir nicht versagt. Bis in die allerletzte Zeit half
er gerne den Jüngeren unter uns, wo er nur konnte. Es mag viele
geben, die ihm näher standen im Leben, kaum einen aber, der über-
zeugter war von seinem redlichen Tun und seiner lauteren Gesinnung
als ich. Solche Männer gibt es nur wenige unter uns.
Fintelmann war geboren am 27. September 1848 zu Elinholt in
Schweden, wo sein Vater, der nachmalige Breslauer Stadt- und Forst-
rat Dr. Fintelmann, ein Gut besaß. Er besuchte 1867 — 1869 die Kgl.
Gärtnerlehranstalt zu Wildpark und wurde nach Beendigung seiner
Ausbildung im Jahre 1872 in Berlin als Stadtobergärtner angestellt.
Nach mehrjähriger Tätigkeit im Treptower Park übernahm er das
sogenannte Moabiter Revier im Berliner Nordwesten. Im Jahre 18'J1
wurde er zum städtischen Garteninspektor ernannt und erhielt das
Revier des Humboldthaines. Gleichzeitig war er Vertreter des Direktors
der Berliner Farkverwaltung. Im Wettbewerb „Südpark-Breslau-Klein-
burg" 1892 war er einer der Preisträger. In bester Erinnerung stellt
noch die von ihm geleitete Frühjahrsausstellung in der Philharmonie
zu Berlin im Jaare 1904, die zu den bestgelungenen Gartenbauausstellungen gehöi't und bei der er bewies, daß er
modernen Anschauungen nicht verschlossen gegenüberstand. Er erhielt bei diesem Anlaß den Titel eines König!.
Gartenbaudirektors. Lange Jahre hindurch war er auch Mitglied des Kuratoriums der Wildparker, jetzt Dahlemer
höheren Gärtnerlehranstalt.
Am 12. Juli 189(J wählte ihn der Verein Deutscher Gartenkünstler an Stelle des zurückgetretenen F. Hoppe
zum I. Vorsitzenden. Neun Jahre hatte er diesen Ehrenposten inne. Seine großen Verdienste in dieser Stellung
zu würdigen, mag die Zeit noch nicht gekommen sein. Sie würden mehr in die Augen springen, wenn ein Geliiu-
leiden ihm seine Tätigkeit als Leiter des Vereins nicht sehr erschwert hätte. Aus seinem Munde und aus seinen Briefen
weit) ich, daß ihm bei seiner vornehmen Denkungsart nichts so sehr am Herzen gelegen hat, .ils die uneigennützigste
Förderung unserer Bei-ufs- und .Standesintercssen. NeueZeiten brauchen neue Männer. Als die Verhältnisse auf eine Neu-
organisation hindrängten, wie sie nachher in der Umwandlung des Vereins Deutscher Gartenkünstler in die Deutsche
(iesellschaft für Gartenkunst zum Ausdruck kam, schied er mit Ablauf des Jahres 190.^ aus seinem ehrenvoll ver-
walteten Amte, der Sache, der er gern gedient hatte, sein wärmstes Interesse bewahrend.
Sein Tod ist überraschend gekornmen. Möge er den Anstoß zu besinnlicher Einkehr geben und alle, die im
Tageskampfe die idealen Werte unseres Berufs und unserer Kunst nicht aus den Augen verloren haben, zu ein-
trächtigem Zusammenwirken mahnen.
Ehre und Friede seinem Andenken!
11 an n !<>■■
Für die Redaktion verantwortlich: Stadt-Qartondirpktor Hoickc, Frankfurt a. M. - Vorlag von Gobrüdcr Borntraejrer, Berlin .S\V. 11,
Dessauer Strasse 29. — Druck von A. W. Hayn's Erben, Potsdam.
IX,
DIE GAliTlONKUNST
133
Lias neue GiolJheizug Karl Friedrich-Denkmal in den Aulagen vor dem Schloß in Mannheii
Mniiiilieiiii und seine dlarteubanausstelliins,'.
Von Heicke-Fraulifui't a. M.
uNi
E)ie im voraus \u'\ besprochene, durch eine ge-
schickte Reklame in aller Welt angekündigte Ausstellung
ist jetzt so weit, daß man über sie belichten kann. Am
l. Mai, am Eriiflhungstage, sah es noch recht diirttig
überall aus. Es war manches erst notfertig. Lias Wetter
war unfreundlich; man fror und damit sank die Fähigkeit
und Neigung, sich für das möglicherweise werdende —
aber vorerst nur zu ahnende schöne Bild zu begeistern,
das die Ankündigungen versprochen hatten, auf den
tiefsten Tiefstand. Und die Ptlanzen froren auch : es war
kc'in Leben, keine Triebkraft zu spüren und die vielen
weißen Mauern der Läugerschen Gärten trugen nicht zur
Milderung des frostigen Gesamteinilrucks bei. Man ging
mit einem recht unbehaglichen (lefühl umhin-, froh sich
in die Kunstausstellung flüchten zu kiinnen, wo in
Häumen, die Billing wunderbar gestaltet hat, eine Kunst
uns schadlos hielt, die vom Wetter unabhängig war. Auch
die vielen Reden, welche am Eröffnungstage gehalten
wurden, vermochten die Stimmung nicht zu heben.
Prostig, unbehagiii-h ! ,
Und als sich einige Tage später die Hallen der
rjresdener Ausstellung öflneten, da empfand man die
Dürftigkeit Alannhcims noch mi-hr. In E»resden Leben
und Wärme und Farben — und keine Kunst, wenigstens
nach unserer .isthetiker Auffassung, in Mannheim gar viel
Kunstbetätigung und .Isthetik, aber kein rechtes Leben,
keine packendi.i Wirkung. Und mancher mag gleich mir
sich gesagt haben, daß man sich in Mannheim trotz aller
künstlerischen Gehobenheit noch sehr plagen müsse, um
einen ähnlichen Eindruck zu erzielen, wie Eiresden in
seiner farbenfrohen unkünstlerischen BUUenpracht.
Inzwischen sind nun 8 Wochen ins Land gegangen,
sie haben günstigere Witterung gebracht, man ist außer-
dem recht rührig gewesen, noch vorhanden gewesene
Lücken und Unfertigkeiten zu beseitigen und wenn man
heute die .Mannhi'imer Gartenbauausstellung besucht, dann
muß man anerkennen, daß das Bild, welches sich bietet,
nicht nur ein recht erfreuliches ist, nein, dann muß man
offen und ehrlich eingestehen: die Mannheimer Garten-
bauausstellung ist ein künstlerischer Er folg. Und
134
DIE GARTENKUNST
IX,
Dekorative Gruppe vor dem Hauptbahiihof in JMannhei
das gehC'rt mm oiumal trotz
aller künstlerlsclu-n Ausstattung der
Gärten als Hauptsache dazu : die
rilanzeii im P.lältcr- und Hliiton-
schmuck.
Und man soll sieh tliescs Er-
folges freuen, denn es wäre sehr
zu beklagen gewesen, wenn die
rnsummen von Fleiß und Mühe,
Kunstsinn und liaiauitteln, wehdie
in diesem Ausstellungsunternehinen
Rt(X'keii, aufgewendet worden wä'ren
ohne ein greilbares, ein diirch-
sehlagendes Ergebnis.
Freilich muli man sich mancher
Vorfiilu'tnig gegenüber eine gewisse
l'nbrfangenheit zu licwahrcn wissen
und li.'denki'n, dali der Geschmack
des Beschauers und die künstle-
rische Auffassungs- und P)etäti-
gungsgabe des Schaffenden oft sehr
vofschicdeno r)inge siiul, und da(i
eine Zeit der Gärung, wie wir sie
eben durchmachen, neben Kunst-
schi.ipfungen von dauerndem Werte
auch manchen eigenartigen Einfall
zeitigt, dessen Wirkung augen-
blicklich vielleicht verblüfft, aber
einer Seifenblase gleich bald zerplatzt und nur in
dieser allgemeine Eindruck wird sich im Laufe der nächsten
Wochen unzweifelhaft noch steigern, wenn die Entwickelung der Erinnerung des aufmerksamen Beobachters noch eine
des Pflanzenwuchses sich noch mehr gehoben hat — denn Weile als eine absonderliche ]']rscheinung des Zeitab-
schnittes, in
dem wir leben,
liaften bleibt.
r>ie Mann-
heimer Garten-
bauausstellung
steht auf einer
künstlerischen
Hiihe, wie keine
je zuvor. An
keiner Stelle
tindet man den
bekannten
Ramsch- und
Seh und kram,
der sonst über-
alleinen breiten
Kaum einzu-
ntdimen p fegte
auchl)iiss(>l-
dorf, r)armstadt
und Dresden
machton darin
keine Aus-
nahme. Es gilt
da.s fast ohne
F^iiischränkung
Straßenaussi
ix, 7
DIE GARTENKUNST
von der ganzen
\'eranstaltung.
Man kann über
vieles zweierlei
.Meinimgsein, aber
wirkliche Ge-
schmacklosig-
keiten oder Dingi\
die jeder künsi
lerischen Eigenart
bar sind, findet
man kaum — im
wesentlichen nur
mit einer einzigen
Ausnahme. Eiabei
ist die Ausstellung
nicht etwa im
Sinne einer ein-
seitigi.'n Richtung
gehalten, nein.
ganz zwanglos
nebeneinander
kann man die ver-
schiedensten Stil-
und Geschmacks-
betätigungen be-
obachten. Es ist
das sehr wertvol
Ausstellung wie
Straßenausschmückuns
den „Planken" in Mannheim.
sowohl für die Gesamterscheinung der
auch für die Nachwirkung, welche sie
hoffentlich haben wird.
Eine Zeitlang konnte man die ernstliche Besorgnis
hegen, daß sich bei ihrer Veranstaltung die Auffassung
eines Einzelnen zu sehr durchsetzen und dem Ganzen
den Stempel seiner Eigenart aufdrücken würde. Es wäre
dies zu beklagen gewesen,
denn bei einem .Vusstellungs-
unternehmen von solchem l'm-
fange kann das ausschlieli-
liche Vorherrschen einer be-
stimmten Eigenart leicht er-
müdend und abstumpfend
wirken, zumal Wiederholungen
dann gar nicht zu vermeiden
sind. Die künstlerische Ober-
leitung darf sich vielmehr bei
solchen Gelegenheiten, zumal
wenn ihr die im Garten-
baufach einmal nicht zu ent-
behrende Sicherheit in der
Beherrschung des Pflanzen-
materials abgeht, vorzugsweise
nur in der Verhütung von
Entgleisungen allzu drastische
Art und in der Wahrunu
des allgemeinen Niveaus be-
tätigen. Ob diese Beschränkung
in Mannheim eine gewollte
oder durch die Macht der
Verhältnisse erzwungene war, kann uns gleichgültig sein,
die ffauptsache ist, daß sie beobachtet wurde. Es ist
nicht der Gesamtplan eines einzelnen der Ausstellung zu-
grunde gelegt und alles andere in diesen Plan hinein-
gepreßt worden, sondern es hat sich aus den vor-
handenen Verhältnissen ganz von selbst eine Gliederung
er^-eben, die die .Miiglichkeit bot, einzelnen .\usstellern
Ausschmückung' der Fiiedricbstraße in Mannheim.
136
DIE GARTENKUNST
IX, 7
Flächen zu überweisen, bei deren Ivünstlerischer Aus-
gestaltung sie sich in voller Selbständigkeit Ijetätigon
konnten. Dadurch ist jene Mannigfaltigkeit des Bildes
erzielt worden, welche ein besonderes und wohltuendes
Kennzeichen der ganzen Ausstellung bildet.
Und wenn ich einen besonders erfreulichen Umstand
hervorheben soll, so mag es die Wahrnehmung sein, daß
die scharfe Kritik der letzton .lahro nicht ohne
merkliche Ein wirk ung auf das Schaffen der Garten-
künstler von Beruf geblieben ist. Wer ihre Gärten
innerhall) der Ausstellung mit denjenigon vergleicht, welche
Baukünstler und sonstige Nichtfachmänner mit Hilfe von
gärtnerischen Pflanzenlieferanten ausgeführt haben, der
wird, sofern er sich ein unbefangenes Urteil bewahrt hat, ein-
räumen müssen, daß Fachkenntnisse gepaart mit künst-
lerischerBegabung immer noch eine gar nicht zu verachtende
Sache bei der Schaffung von Gärton sind und daß. wer mit
beiden ausgerüstet ist, spielend Aufgaben zu losen vermag,
über die andere sehr gern stolpern. Freilich fehlt es auch
nicht an Beispielen dafür, daß Sach- und Fachkenntnis
allein noch lange nicht ausreichen, sofern es sich um
mehr als die Schaffung einer ganz alltäglichen Schalilimen-
arbeit handelt — auch dafür bietet .Mannheim dem, der
es noch nicht wissen sollte, den Beweis! Es gibt eben
immer noch Leute, die meinen, wenn man schöne Pflanzen
hat, dann müsse der schiine Garten von selbst entstehen !
Ich möchte aber heute nicht auf iMuzelheiten eingehen.
Ich denke, daß sich dazu noch später Gelegenheit finden wird.
Auch über die Professorengärten, welche in Mannheim
ausgeführt sind, nii'ichte ich mich heute noch nicht ein-
gehend aussprechen; denn mit ein paar Zeilen sind sie
nicht abgetan. Nur soviel sei hier gesagt, daß ich wie
immer in solchem Fall meinen Berufsgenossen empfelilen
möchte, nicht mit irgend einer vorgefaßten Meinung an
sie heranzutreten. Wer auf den Standpunkt steht, daß
ein Architekt bei seinen Bauplänen, ein .Maler vor seiner
Staffelei bleiben und den Garten ausschließlich dem Gärtner
überlassen soll, wer es von vornherein ablehnt, andere
als die lehr- und schulmäßig überlieferten Anschauungen
über Gartenkunst gelton zu lassen — es gibt ja leider
noch viel mehr solcher Leute unter denen, die sich
Gartenkünstler nennen, als man denken sollte — , dem
ist nun einmal nicht zu helfen, er wird durch keine
Erfahrungen aus seiner Rückständigkeit herausgehoben
werden. L)er soll aber auch lieber zu Hause bleiben, an-
statt Gehl und Zeit zu einer zwecklosen Reise nach
Mannheim zu verschwenden. Wen der Behrenssche
Garten in Form eines Naturtheaters, oder der Schultze-
Naumburgsche Hausgarten nicht zu fesseln vermag, wer
die Schönheiten, die darin stecken, nicht zu würdigen
weiß, der ist selbst kein Gartenkiinsllei' und \m'V aus
dem Läugerschen Garten keine Anregungen mitnimmt, der
ist eben einfach blind und dem spreche i(;h auch die
Fähigkeit ab, dem Henkelgarten wirkliches Verständnis
entgegenzubringen, und habe ihn in Verdacht, daß er ihn
nur aus l']igensiiui lobt, weil er „landschaftlich" ist, nicht
aber, weil er eine Fülle von Schiuiheit und peesieveller
Stimmung l)irgt.
Ich sage unter voller Wahrung meines oft vertretenen
grundsätzlichen Standjjunktes zu der Streitfrage: Archi-
tektonisch oder Landschaftlieh':' daß ein Garten, wie ihn
Läuger uns in Mannheim vorführt, einen reichen Schatz
von Gartenschöinheit birgt; ich nehme aber auch ohne
weiteres an, daß Läuger selbst am allerbesten fühlt, wo
die Schwächen seiner Schöpfung liegen. Es wird ihm
ebenso gehen wie mir, wenn ich eine Arbeit vollendet
habe: ich nehme selbst am ersten wahr, wo ich daneben
gehauen habe, und es ist mir noch niemals vorgekommen,
daß ich vor einer fertiggestellten Aufgabe das Gefühl
gehabt hätte: das ist dir einmal restlos gelungen.
Bei der Würdigung von Darbietungen auf dem Ge-
biete der Gartonkunst, wie sie einem in Mannheim vor-
geführt werden, muß man überhaupt zunächst sich gar
nicht darum kümmern, von wem sie geschaffen sind.
LUese Frage kommt erst in zweiter Linie, nachdem das
..Wie" unliefangen geprüft und gewürdigt ist. E>iese
eigentlich selbstverständliche Mahnung i'ichte ich an
Jeden. j']s gibt zahlreiche Gärtner, bei denen die Wahr-
nehmung, daß ein ,, Künstler" der Urhel)er ist, genügt,
um ohne weiteres zu einem abfälligen Ih'teii übei' die
Sache zu gelangen. Ich persönlich benutze jede Gelegen-
heit, wo sich diese Geptlogenheit zeigt, um dagegen
Stellung zu nehmen und nachdrücklich auf das Unlogische
solchen Verhaltens hinzuweisen. Freilich, wenn man
beobachtet, mit wie wenig Neigung zu gegenseitigem
Verstehen seitens vieler Kunstschriftsteller die Leistungen
gärtnerischer Fachleute beurteilt werden, wie es gang
und gäbe ist, alles was vom ,, Gärtner" herrührt, einfach
als minderwertig, als gar nicht der Erörterung würdig hin-
zustellen, wie selbst ernsthaft sich um Klärung und
.Läuterung gärtnerischer Kunst- und Geschmacksfragen
mühende Fachleute abgetan werden,*) dann findet man es
schließlich verständlich, daß oft in den Fachkreisen eine
grundsätzliche Abneigung gegen alle Anregungen aus
,, Künstlerkreisen" zutage tritt. Es werden auf diese
Weise auf dem Gebiete der Gartenkunst, die an sich
*) Ganz besonders konnte man derartige Wulu'nehmungen
im Anschluß an die Dresdener Gartenbauausstellung dieses
Jahres machen. Wir finden da in der „Hohen Warte" Angriffe
auf Willy Lange, die nur zu verstehen sind, wenn man an-
nimmt, daß ihr Verfasser über das, was Lange in Dresden
gesagt hat, ungenau unterrichtet war. Lange hat in seiner
Polemik gegen Muthesius gar nicht über M. als Architekten
gesprochen, er hat ledighch seine abweichenden Ansichten zu
den von Muthesius in seinem Buche „Landhaus und Garten"
vertretenen Grundsätzen über Gartengestaltung geäußert; er
fiat sich aller geradezu dagegen verwahrt, etwa mit denen ver-
wechselt zu werden, welche Muthesius in seiner Lehrfreiheit
beschränkt wissen wollen. Lange hat seit Jahren die Kück-
ständigkoit der Gartenkunst erkannt und ist in ernstem
Streben um ilire fortschrittliche Weitercntwickelunj!; bemüht.
Wenn er dabei aus Neigung und Naturell einen eigenen We^
eingeschlagen hat, wenn ihn sein selbständiges Denken zu
einer anderen Auffassung fj;eführt hat, als Muthesius u. a. sie
hegen, so sollte man ihn gerade in den Kreisen derer, die
immer das Persiuilicbe in der Kunst betonen und — mit
IX, 7
DIE GARTENKUNST
137
doch eine so friedliche Kunst ist,
künstlich Gognorschafton iiToligezogvn,
die sehr bedauerlich sind und die den
Fortschritt liniimen müssen, den alle
iOrnstmriiienden hüiien und drüben
anstreben. Höften wir, daü in dieser
Hinsicht das Nebeneinandertreten auf
Aussteilungen, wie die Mannheimer,
einige Wandlung schaft't.
Wir haben auf Seite 137 einen
(Jbersichtsplan der ganzen Ausstellung
gebracht und wollen an Hand desselben
ganz kurz eine Aufzählung der wich-
tigsten Darbietungen geben — freilich
ohne heute schon näher auf Einzel-
heiten eiiizugelieu.
r>er Haupteingang liegt am
Kaiserring gegenüber der Einmündung
der „Planken" vor dem Wasserturm.
Rechts und links neben dem Eingang
sind Rosengärten angeordnet nach Ent
würfen von Prof. Länger, ausgeführt
und bepflanzt von Boehm-iJberkassel
und Puter Lambert- Trier. L>urcli
Anbauten am Wasserturm sind sie
getrennt von den übrigen Anlagen des
Friedrichsplatzes. E)ieser hat seine
Ausgestaltung bekanntlich durch Bruno
Schmitz erfahren, und es sind noch
in diesem Frühjahr wesentliche Um-
gestaltungen der Wasseranlagen vor-
genommen worden. E)ie Bepflanzung
seiner Blumenbeete wird, nachdem
die Tulpen Beisenbuschs verblüht sind,
von der Vereinigung Stuttgarter
Handelsfirmen bewirkt, und man muß
anerkennen, daß ihre Leistungsfähig-
keit in einem vorteilhaften Gegensatz
zu der derjenigen Firma steht,
welche die ülioraiis dürftige Bepflan-
zung des großen Blumengartens auf
der Eȟsseldorfer Ausstellung besorgt
liatte, L>urch Straßenüberbrückungon
gelangt man nach links in den
„Rosengarten" — den großen Fest-
saalbau Mannheims, erbaut von Bruno
Schmitz, nach rechts zu der neuen
Kunsthalle von Billing, in der sich
die Internationale Kunstausstellung
befindet. Die vertiefte Fläche davor
ist zur Erbauung eines Museums
bestimmt. Für die Dauer der Aus-
**^ ? .^■> y ■> "> "? > -> .i /> ^..> >
vollem Recht — Jen leisesten Versuch
der Beschränkung der Lehrfreiheit und
der Freiheit der künstlerischen Betätigung
bekämpfen, seiner Selbständigkeit und
Eigenart willen respektiei'en.
138
Dil: GARTENKUNST
IX, 7
Stellung ist sie von Siesmayer-Prankfurt a. M. in einen
Schmuckhof umgewandelt, der allseitigen Beifall finden
dürfte.
Die in der Längsachse des Friedriehsplatzes sich
erstreckende breite Alleestraße „Augusta-Anlage" birgt
Parbengärten von Prof. Länger, die .-Vasstellungsfliiche der
Mainzer Handelsgärtner, Rosenptlanziingen von Lambert-
Trier, Obstgärten von Hönings-Neuß und Gaucher-Stuttgart
und eine Gartenanlage von Buchnor-München.
Auf der rech-
ten Seite der Au-
gusta-Anlage —
immer vom
Wasserturm aus —
liegt das Gelände
mehrere Meter
vertieft und
wird von zwei
Alleen parallel
zur Augusta-An-
lage aufgeteilt.
Es wird teil-
weise begrenzt
durch die Hallen-
bauten von Läuger,
in denen die sog.
Industrieausstel-
lung unter-
gebracht ist und
wechselnde Son-
derausstellungen
veranstaltet
werden. Zwischen
den beiden Alleen
folgen, vom Pried-
richsplatz aus be-
ginnend, die
Sondergärten von
Goos &j Koene-
mann,*) Prof. Län-
ger, ProL Behrens, F. Henkol-L)armstadl und drr Uestaura-
tionsgarten**) und zwischen der südlichen .Mb'O und den
Hallen der Garten von Gebr. RouthoBonn und Architekt
Krug-Darmstadt, Schmuckbeete von Prof. Billing, die Gärten
des Prof. Schultze-Naumburg, des Gartenarchitekten Bralio-
.Mannheim, Gewächshausbauten und die Schwarzwald-
landschaft mit ihrer Bepflanzung in iXadelhülzern von
Weber & Co.- Wiesbaden und Stauden von Ahi'ens-Konsdorf.
Die neu erbaute Mannheimer Kunsthalle (Arch. Prof. Hilling)
Zur Veranstaltung der Ausstellung hat bekaimtlich
das 300jährige Stadtjubiläum Mannheims die Veranlassung
gegeben. Die Stadt begeht im Zusammenhang damit in
diesem Sommer eine Reihe von Festlichkeiten, die neben
den Ausstellungen viel Besuch nach Mannheim führen;
dementsprechend hat die Stadt sich geschmückt und
es ist recht Hübsches dabei geleistet worden. Einiges
haben wir in unseren Bildern festgehalten: so z. B. die
dekorative Gruppe, welche sich gegenüber dem Haupt-
ausgang des
Bahnhofs am An-
fang des Kaiser-
ringes befindet und
eine plastische
Wiedergabe des
aus einem Wett-
bewerb hor\'orge-
gangenen Aus-
stellungsplakates
bildet. Weiterhin
führen wir die
Straßendekoration
der „Planken" und
derp''riedrichstraße
im Bilde vor, sowie
die recht wirkungs
vollen Bogen, mit.
der die Straße
vor dem Schloß-
ausgeschmückt
ist. I'.ndlich ist
S eite 13:5 eine
.Vnsicht dos süd-
.istlichen Schloli-
tliigels mit dem
in den Anlagen
ilavor während der
Jubiläumsfestlich-
keiten enthüllten
Denkmal des Groß-
herzogs Carl P'i'iedi'ich und Seite 138 die von Billing ent-
worfene und erbaute iu:ue Kunsthalle wiedergegeben.
*) Der Garten der Firma Goos & Koenemanu erhellt, nicht
Anspruch darauf, als Versuch zur Lösung irgend eines garten-
künstlerischen Problems aufgefaßt zu werden. Die Firma hat
lediglich ihr Stau den material zur Schau stellen wollen. Immer-
hin wäre es, um Mißdeutungen zu verhüten, ratsam gewesen,
sich hierbei die Mitwirkung eines tüchtigen Gaitengestalters
zu sichern, anstatt die schönen Stauden zur Bepflanzung einer
„landschaftlichen" Anlage zu benutzen, wie sie nicht sein soll.
**) Ich war von der Ausstellungsleitung aufgefordert worden,
einen Entwurf für diesen Restaurationsgarten zu liefern, nach-
dem ich daniiif hingewiesen hatte, dali man ihn nirht lediglich
als Biergarten^mit Tischen, Stühlen und dem sonstigen Zubeluir
ausstatten solle, sondern auch für ihn eine dem ganzen Aus-
stellungsbilde entspiechende künstlerische Lösung versuchen
milchte. Die Ausführung dieses Entwurfes scheiterte nachher
an den Kosten, freilich nicht weil eine unerschwinglich kost-
spielige .\nsstattung vorgesehen gewesen wäre, sondern weil die
EntSchliessung über die Ausführung gerade in eine Zeit fiel,
wo man sich um die Einhaltung der Voranschläge große Sorge
machte \ind die Losung : .Sparen, s]iareii!.' ausgegeben war. So
bheb mein Entwurf auf dem Papier stehen. Da trotzdem aber
im Ausstellungskatalog Seite 41 No. 02 steht: Heicke, Entwurf
für die Aussclimückung des Restaurationsgartens, so habe ich,
um Mißverständnissen vorzubeugen, den Sachverhalt hier aus-
('inandergesetzt. Es ist nichts — aber auch gar nichts
von meinem iMitwuif ;i us "c f ii Int. worden. Heicke.
IX. 7
DIE GARTENKUNST
KU)
ajj JJU J .. J JJ.»
1. Lageplan. Maßstab ca. 1 : 7'jOO. Die oingeschriebenen Buchstaben^beziehen sich auf die nachfolgenden AhbihUingen 2, 8, -t, u. 5.
2 Griindphin der Anlage bei C des Lageplans. A. Verwaltungsgebäude mit Hof, ßeoiise, Stall und Geräte-
schuppen. B. Schule und Turnhalle mit Schulhof, Turnhof und Schulhof. C. Gärtnerei mit Gärtnerwohnung.
Gewächshäusern, Frühbeeten und Anzuchtbeeten.
Studie zu einer Vil|Ienkolonie. En|twurf von E. Barth, Cöln a, Rh.
uo
DIE GARTENKUNST
IX, 7
Stiidif '/AI einer Villeiikoloiiie.
Vun Erwin Barth, (Gartenarchitekt, Lübeck, zurzeit
Cüln a. i\h.
Es ist L'in ci-rrculiches Zeichen dos Fortschrittes
auf (lern Gebiete der Gartenkunst, dali bei der Er-
weiterung von Städten sowie bei der Anlage von
Garteiistiidten und Villenkolonien auch Gartenkünstler
zu Rat gezogen werden.
Ein Beispiel für einen Bebauungsplan hat uns
Ötadtgartendirektor Trip in seinem Plan für die
Erweiterung der Stadt Linden, ein Beispiel für eine
(iartenstadt Prof. Olbrich in seinem Entwurf für
eine Gartenstadt, am Hohlen Weg bei Darmstadt ge-
geben.
Mein Entwurf stellt eine Studie zu einer Villen-
kdlonio in einem liügeiigen Gelände der Provinz
Brandenburg dar.
Anforderungen an eine Villenkolonio im
Gegensatz zur Stadt.
Das Wohnen in der Villenkolonie soll in ge-
steigertem Maße Gelegenheit bieten, ein gemütliches
Heim zu scbaften, in dum man nach dem hastigen
Treiben in der Stadt und nach des Tages Arbeit sich
die volle liuhe günnen und die Natur in unmittelbarer
Nähe genielion kann.
Darum soll zu jedem Hause ein Garten gehören,
der nach dem individuellen Geschmack und Gefühl
des jeweiligen Besitzers einzurichti>a ist.
Straßen fü hru m
(Vgl.
u n il ( i r u n d s t ü c k e i n te i 1 u n g.
igeplan Seite 189.)
Itie Strallen schlieUen sich an die das Gelände
nordöstlich begrenzende Verkehrsstraße so an, daß
man von hier auf möglichst kurzem Wege alle
Punkte erreichen kann. L)ie Straßenführung ist un-
gezwungen und dem Gelände angepaßt. L»as stärkste
Steigungsverhältnis beträgt 1:24.
Lange, geratle Stra.ßen sind vermieden, weil ihre
Anlage liei den verschiedenen Steigungsverhältnissen
des Geländes große Erdarbeiten erfordern würde und
eine malerische Anordnung der Villen sehr erschwert.
An dem lloehwaLI an der Südostgronze ist die
eine Straße annähernd pai'allei in einer Entfernung
von !l m vorbeigeführt. um den Waldrand zu er-
halten imd ihn den Passanten wirkungsvoll zu zeigen.
Die Villen sind meistens in den Wald hinein projektiert.
Es bUsibt so genügend Kaum, einen sonnigen Garten-
teil nach der Straßo zu anzulegen. Die Lage der
Villen \or diMn Walde hätte den Vorteil, dali deren
einzelne liäume etwas In^ller geworden wären, doch
würde die Straßo B. nur mit bedeutiMiden ]<;rd;irbeiten
weiter vom ^\'a,ldl^ verlegt werdiMi kömnen.
Der Hochwald im Xordeii wii'd, um den Uand
so wenig wie möigiieh anzuschneiden, in anMahi'rnd
rechtem Winkel <lur('hbrochen.
Das Straßennetz ist im Zenirum enger aJs na.cli
der l'eripherie, weil auch die kleineren Grnnd-
IX, 7
1)1 K (lAUTKNKUMST
141
sLiicko wo.u'i'ii der gU'iclmi;iliii;'('ii Iliiheiila.ur
des Zt'ntruiiis Ihm \'ürmoiduni< griillcriT llid-
arbeiti'ii hior aiiii-cordni't worden muütcii. 1 Uircli
die I-a,i;e der •i'iiilli'i'eii Grundstücke an den
Grenzen \vir(l auüerdem eine .n'erinn'ere Aus
dtdinunu' der Stralien erzielt.
Im südlichen Ti'il ist ein Sti'allcnzui;' im
tion'en ziomlich dicht an den See heraiiKefülu'l..
um rocht vielen Villen die malerische Lage an
demselben zu verschatlen.
l'm den Bewohnern Spaziorgiinoo in ilie
Umgebung zu erleichtern, ist ein vorhandoner
Feldweg, der in südöstlicher Richtung an dem
Kiefernhochwald entlang aus dem Gelände her-
ausführt, beibehalten und ein neuer Verbin-
dungsweg nach dem die Westgrenze bildenden
bestehenden Feldweg vorgesehen worden.
Stralien breite und Hopflanzung.
Die Straßenbreite ist wegen dos geringen
Verkehrs auf das kleinste Maß beschränkt.
l>ie äußere der beiden Ringstraßen ist als
L'mfahrtstraße und Alischluß des Zentrums
14 m breit, d. h. 7,5 m Fahrdamm und 2 mal
3,25 m Fußweg mit Baumreihe.
r>or innere halbkreisfiirmige Straßenzug
ist l'S m JM'eit und hat 7,5 m Fahrdamm und
2 mal 2,75 m Fußweg.
iJie fast rechtwinklig von der viu'beifUhren-
den Verkehrsstraßo in die Mitte des Terrains
hineinführende Straße ist als Promenade mit
Schmuckanlage gedacht uml 34 m breit mit
2 mal je 2,5 m Fußweg und 14 m Anlage
mit Weg (vgl. nebenstehende Abbildung).
t>ie nördlichste der Verbindungstraßen
zwischen den beiden Ringen ist 17 m breit
mit 7 m Fahrdamm, 2 mal je 2,50 m Rasen
mit Baumreihe nnd je 2,5 m Fußweg.
L)ie übrigen Straßen haben 11 m Breite,
d. h. 6,5 m Pahrdamm und 2 mal je 2,25 m
Fußweg.
AUeeptlanzung ist nur in den Hauptstraßen
vorgesehen, weil durch die Bäume an den
schmalen Fußwegen die Vorgärten in Mit-
leidenschaft gezogen würden; es wäre somit
eine Verbreiterung der Straßen erforderlich;
die hierdurch und durch die Ptlegc der Bäume
notwendigen Kosten würden aber nicht im Ver-
hältnis zu der erzielten Wirkung stehen.
Als Alloebäumo in dem äußeren Ring
sind Betula alba, Betula papyracea und Sorlnis
aucuparia gewählt worden, da sie zu dem
Charakter der Landschaft (Mark Brandi'nburg)
passen, nicht zu stark wachsen und in der
freien Lage auch gut gedeihen werden. Sie
sind sortenweise auf einzelne Abschnitte zu ver-
teilen, um die Orientierung zu erleichtern.
142
DIE GARTENKUNST'
IX, 7
Verwaltungsgebäude und Schule.
Beide liegen im Zentrum bei C, damit sie von allen
Seiten leicht zu erreichen sind.
Das Verwaltungsgebäude ist als Point de vuo der
darauf hinführenden Alleestraße regelmäßig gedacht mit 2
Eingängen, die zu ver-
schiedenen Verwal-
tungen führen kön-
nen. An der Rück-
seite desselben mit
dem Eingang von der
Seitenstraße ist ein
Hof, von Stallung,
Remise und Geräte-
schuppen umgeben ,
vorgesehen. In der
Mitte befindet sich
ein rechteckiges
Bassin, von 2 Bäu-
men beschattet, als
Tränke für die Pferde.
E>ie Gewächs-
häuser der Gärtnerei
schließen sich an die
Mauer des Verwal-
tungshofes mit der
Glasseite nach Süden.
Vor ihnen sind Früh-
und Anzuchtsbeete.
An der Rück-
seite der Stallung
befinden sich Dung-
stelle und Erdmaga-
zin.
Die Schule mit
Turnhalle, Schul- und
Turnhof ist abseits
der Straßen gelegen,
weil der Lärm der
Kinder während der
Pausen die Ruhe der
Villenljewühner
stören würde.
Um gleich in den
Schulen Verständnis
und Liebe für di(^
Natur zu wecken, ist
der Hof von einem
Schulgarten umge-
ben. .Vußer einigen
Pflanzen, welche un-
umgänglicii auf Bee-
ten gezogen werden müssen, sind diese nicht in syste-
matischer, sondern natürlicher Weise zu gruppieren, so
wie sie in der .Natur vorkommen.
Die Grenzpflanzung besteht aus den verschirilnirii
deutschen Waldbäumen mit zugehörigem Unterholz und
Stauden. E)ie höher gelegene Fläche ist als ll.'idepartir
mit Birken, Kiefern, Wachholder, Ginster, Eriken und
Heidelbeeren gedacht.
Aus einer F'indlingspartio entspringt ein Wasserlauf,
an dessen Ufern Sum|il'ptlanzeu gedeihen; er mündet in
einen Tümpel, welcher zur .\ufnahmo von Wasserpflanzen
bestimmt ist. Statt
des üblichen Rasens
ist Wiesenvegetation
mit vielen Stauden
vorgesehen.
Den ausländi -
sehen Pflanzen, wel-
che vor der Schule
an der Straße an-
gebracht werden kön-
nen, ist weniger Be-
deutung beigelegt,
weil die Kinder zu-
erst die einheimische
Vegetation kennen
lernen sollen.
Seh muckplätze
u n d
Promonaden.
Die Schmuck-
plätze sollen das Ge-
samtbild der Villen-
kolonie verschönern
und den Bewohnern
durch einfache, wir-
kungsvolle, prakti-
sche Anlage sowie
gute Unterhaltung
Anregung geben,
selbst eigene schöne
Gärten zu schaffen.
In allen .Vnlagen
ist durch zweckent-
s|irei'hende einfache
Linienführung und
schattige Sitzplätze
der Gedanke der
Ruhe und Behaglich-
keit ausgedrückt.
1 lic gm'aden JJ-
iiien und scharfen
Ecken sollen dem
Ganzen durch kräftige
Licht- unil Schatten-
wirkiingcii einen
energischen ( 'harak-
Scharfe Wegeecken sind nur dort, wo sie
4a. StuJiu zu einer Villenkulonie. Entwurf von Iv Bartli.
Bassin und Sitzplatz in der AnLagc an der Abzweigung der Alfeestrafie (• i rund
plan Seite 141) von der HauptverkelirsKtraße.
tor verleihen.
kein Verkehrshindernis sind.
In din-Aulage A zwischen der äußeren Ringst ralle
und dem See ist ein (Grundplan S. 140) malerischer hiirch-
blick nach dem letzteren geschaflen. Um die geringen Höhen-
unterschiede wirkungsvoll auszunutzen, sind Terrassen je
IX,
DIE GAllTIONKliNST
143
:ia. Anlagen bei A des Lageplans, lllick vom Blumengarten auf die obere 'Penvisse. (Urundplan Seite 141) )
4 b. Blick von dem Verwaltungsgebäude nach Nordosten nach D des Lagephmes in der Längsrichtung der Alleestraße
(Grundplan Seite 141).
Studie zu einer Villenkolonie. Entwurf von E. Barth, Uöln a. Ivh.
144
DIE GARTKNKUN.ST
IX, 7
nach Zweck von verschiede-
ner Ausdehnung geplant.
Im Vordergründe erheben
sich 2 große Pyramiden-
pappeln, zwischen denen eine
einfache Bailustrade als Ab-
schluß nach der ersten Ter-
rasse sich entlangzieht, unter
ihr entspringt ein Quell,
in architektonischer Form
in Stein gefaßt, motiviert
durch das hochansteigende
Gelände im Hintergrund.
Vor dieser Partie er-
streckt sich ein langes ver-
tieftes Rasenparterre, von
einer niedrigen Epheurabatte
eingefaßt. Zu beiden Seiten
liegen Eichenhaine, in deren
Schatten Kinder wie Er-
wachsene Gesundheit und
Ausbildung des Körpers in
fröhlichem Spiel fiU-dern kön-
nen.
Die zweite Terrasse ist
als Blumengarten gedacht
und gibt durch ihre Licht-
flächen einen kräftigen Kon-
trast zu den Hainen. Ist die
ganze Anlage in ihrem Pflan-
zenmaterial dem Charakter
der Landschaft angepaßt, so
ist hier l)esondors ilie Heide-
vegetation hervorgehoben.
Auf den breiten Blumen-
rabatten finden Rhododen-
dron, Azaleen, Eriken und
andere Heideblumen Ver-
wendung. Die höheren Ge-
hölze sind Birken, Kiefern,
Wacholder, die schmalen
Pflanzungen bestehen aus
verschiedenen Heiderosen.
Von den angrenzenden Villen-
gärten führen Zugänge in
die Anlage.
Am Seeufer erweiterl
sich die Anlage, um in einem
kleinen ]<]rlnschungsgarten,
von Birken beschattet, zu
enden. In der Hauptachse
liegt der Landungsplatz für
Wasserfahrzeuge, zu seinen
Seiten sind einfache Boots-
häuser mit Ziegel- oder
Kupferdach vorgesehen. Diese
Partie ist nicht weit in den
See hineingebaut, sondern
Studie zu einer Villenkoloiiie. KntwuH' von 10. BhiUi
Maßstab ca. 1 : 1250.
Gnindphm der Anliigen des Stral.Senzugs bei E.
bcschoiden im Grün verbor-
gen, um jeden Schein des
Aufdringlichen zu vermeiden.
Die Straße, welche
auf das Verwaltungs-
g e b ä u d e h i n f ü h r t (G rund-
plan S. 141), ist wegen ihrer
Lage in der Mitte der Kolonie
als Promenade ausgebaut.
Die breiten Alleen von amer.
Eichen und der gerade Weg
sollen auf das Verwaltungs-
gebäude hinweisen, dem ein
zweckentsprechender Platz
vorgelagert ist.
Der halbkreisförmige
Platz an der Abzweigung
dieser Straße von der vorbei-
lührenden Verkehrstraße soll
dem Inneren der Kolonie et-
was Abgeschlossenes ver-
leihen. Tritt man von der
Straße auf den Platz, so muß
der Besucher gleich das Ge-
fühl haben: hier herrscht
Kühe und Frieden. Das tief-
gelegene Bassin (Abb. S. 142),
dessen Wasserfläche durch
einige Wasserrosen belebt
wird, die von Hecken bekrön-
ton Böschungen, die hochgele-
genen allgeschlossenen Sitz-
plätze und die ungezwungene
hohe Umpflanzung werden
diesen Eindruck hervorrufen.
Der Platz bei E (neben-
stehende Abbildung) liegt sehr
hoch. Um ihn noch mehr
h.'rvor/.uhcben, ist in seiner
Mitte ein um 60 cm erhöhter
Sitzplatz vorgesehen, der
von hohen Silberpappeln be-
schattet wird. Die Nachteile
dieser Baumart fallon hier
fort, da die Gehölz- und
lleckenpflanzung aus an-
spruchlosen Pflanzen besteht.
Die .\nlage ist kein Vor-
krlir.shindernis,weilihrMittel-
punkt nicht in der Mitte der
Stra-lionkreuzung liegL
Von diesem Platz ab-
lallend lülni die geschlossen
brbauto Straße nach Westen
in Uichtungaul den höchsten
Punkt des ganzen Geländes
welcher durch ein schloß-
artiges G(^bäuile zu erhöhter
IX, 7
DIE GARTENKUNST
145
Ca. Platz an der Sti'alJeiikreiizuni; bei IS. ISlick auf die Terrassen.
Wirkung gebracht wird. I »ir
vorgesehenen Vorgärten halsen
durchschnitüich 10 m Tiefe.
I'ie Häuserfronten sollen bald
Vor, bald zurückspringen; die
in dou Grundplänen einge-
tragenen Baufluchten sollen
nur nicht, nach den Straßen
hin überschritten werden. Ftie
P'uüwege sind durch Hasen-
rabatten, die mit Pyramiden-
eichen bepflanzt sind, von der
Fahrstraße getrennt.
Der Platz am anderen
Endo dieser Straße liegt tief
und ist deshalb auch in i\rr
Beptlanzung niedrig gehalten.
L>ie Fahrstraße führt nur an
einer Seite des Platzes vorbei.
DerPlatzbeiB(Abb.S.145)
endlich war notwendig, um
den verschiedenen dort sich
kreuzenden Straßen eine be-
quemere Steigung zu ver-
schaffen. Die Anlage ist in ver-
schiedeneTerrassen gegliedert,
welche nach den Seiten durch
Studie zu einer Villenkolonie.
Maßstab ca. 1
Entworfen von E. Barth.
1250.
hochgelegene Pflanzung abge-
schlossenwerden. Die unterste
Terrasse wird von einer
Mauer gestützt, vor der breite
Staudenrabatten liegen. Die
nach Süden abfallende La.ge
verbürgt ein gutes Gedeihen
der Pflanzen.
Werden derartige Villen-
kolonien, wie sie hier gedacht
sind, mehr wie bisher zur Aus-
führung gelangen, so wird
man bald die Erfahrung
machen können, daß die .\n-
wohner viel mehr Genuli und
Erholun.g in der Natur suchen
und finden werden als in dem
aufreibenden Leben der Groß-
stadt. So wird das Stückchen
Erde, welches Kunst und
Xatur geschaffen haben, dazu
beitragen, daß seine Bewohner
Glück und Zufriedenheit er-
langen, um neue Kraft für
den Kampf des Lebens zu
sammeln.
Platz an der Kreuzung der StraUe bei B. Grundplan.
146
DIE GARTENKUNST
IX, ;
Die (ilruii(lzüp;e der Laiidscliaftsjiestaltiiiij:;.
HiTiVeisp, \\\e man dii' Tiatiirliclicii Scliöiiliciti'ii von (icliiiscIii'H
und Waldmii^en in Ki'sclii'iniin^ liclcn lassen kann.
Von J. Forsyth Johnson.
(Aus dem Englischen frei übertragen von i'. K. Schneider
und E. B. Behnick.) (Sclduß.)
Szene rio.
Eine ausge-
dehnte Szenerif
enthält viele, viele
Szenen, deren jede
in sich selbst a.li-
gesc'hlüssen sein,
aber doch in har-
monischem /ii-
sammen klang mit
dem Ganzen stehen
sollte.
Jede Szenerie
gliedert sich in L'm-
riiS und Zentrum.
E>as letztere wird
mehr oder weniger
von niederer Vege-
tation und Wasser
ausgefüllt, während
das Wahrzeichen
des ersteren Höhe
ist. Hauptsächlich
die Wirkungen von
Strauch und Baum,
Gebäuden usw. Ijü-
den die Merkpunkte
der Szenerie, nur
das Zentrum zeigt
die Szenerie alb
solche.
Umri 11.
Bei J.andschal'ts-
gestaltung durch
Anpflanzung oder
Auslichtung werden
wir finden, dall
die KonturiMi in
Wirklichkeit die Umrißlinien bestimmen, l'iid diese setzen
sich bei i-ichtiger Entwickelung aus Vorspriingcn und
Buchton zusammen, die, wie unsere früheren Figuren
zeigen, gcmätl den (^liarnktoren des üelilndes und der
Objekte, mit denen \\ir dii^s besetzen, ständig variieren
In öffentlichen Parks jjllegen wir freilich oft nur l ni
rißlinien von einem gewissen Schematismus zu sehen.
Deshalb bewundern wir in diesen Parks wohl die Scliön-
helten des Rasens und der einzelnen Pflanzen, verurteilen
aber das ganze Arrangement, da (!s unnatiii-lich isl.
Die rmrililinien werden durch die Bäume markiert.
Die wuchtigen Züge von Englands Wildlandschaften
werden hervorgerufen durch Ulmen, Eichen, Platanen,
IJnden, Roßkastanien, Edelkastanien, Kiefern, Libanon-
zeitern, Buchen, Weiden usw., die alle weiten Raum zur
Entwickelung erfordern und weiten Abstand, damit ihre
Größe in Erscheinung trete. \Mr finden aber in unseren
Parks zu lächerliche Versuche, Massenanpflanzungi'n von
Bäumen einer Große
usw., Dutzende von
Bäumen werden ge-
pflanzt, wo ein ein-
ziger der obenge-
nannten in voller
Grolle ausreichend
sein würde.
In Amerika ge-
deihen die meisten
der angegebenen
Ijäume gut, aber
iilier alle türmt sich
der Tulpi/nbaum
und bildet eine neue
Formenwelt. E)ie
Sehiinheit des ameri-
kanischen Pflanzen-
lebens harrt noch
der Entwickelung.
Die Scharlachoiche
färbt sich im Herbst
so leuchtend wie
ein scharlachrotes
Geranium, und
die Ahorne. Hickory-
nüsse, Hartriegel
(Corniis) und
Sauerbäume (Oxy-
den drum) wallen
nni'h darauf, daß
man di'u lieii-h-
tum ihrer Farben-
schönheiten in Er-
scheinung Ireti'n
hisse.
In \r>\rv l'llan-
znng snjlte das l!e-
sd'ebcn zum .Viis
ili'iick kduinieu, zu
Aus: Felber, „Natur und Ivunst im Walde".
dien Jahi'es/.eiteii W'ii'kungi'ii zu ei'zieli'ii
S z (Ml e r i e (G e w ä s s e r).
Alle unsere Figuren zeigen wechselnde Linienfiilninig.
um zu veranschaulichen, dal! keine (iestaltungsarl einer
anderen gleich sei, ileiiii iiiinuT bielcn die Verhältnisse
zu .Xeuein (li'Uiid — zu N'ai'ialiniieii im ficlände, indessen
yleigen und h'aJIen. in den l''ernsi(diten, in scliiinen
Bäumen, E'elseii, Wasser usw.
Jedes I^and hat scinr nur ihm eigenen Züge. Das
Schönste im Tiefland ist das Wasser, wenn wir es in
seiner kristallenen Reinheit geben ki'mnen. Sein Platz ist
IX, 7
DIE GARTENKUNST
147
(las Zentrum der Szenerie und es ist empfohlenswert, den
\Vassers|)ie,i;-cl 12 Zoll unter das allgemeine Bodcnni^'eau
zu leo-en. Nahe dem Rande kann das J,and sich V(n'tief(in,
so dali (.iras und Wasser olnii< InliM'hreehunü; ineinander
übergehen.
Gewässer sind das Lrlien der Xiedcrungrn, wie
Bäume das des
llnchlandes.
Wasser ver-
leiht allem die
rechte Wirkung, es
vertieft die Täler
und verstärkt die
llrdienwirkung der
Hügel und färbt das
Land als Spiegel
des Himmels. Es
gibt frisches Leben
jedem Baum und
Strauch uml
schmückt. richtiu'
ausgestaltet, die
ganze Umgebung.
Die künstlich
angelegten Ge-
wässer sind meist
so unnatürlich, als
man es nur immer
sehen kann, rechte
plumpe Pfühle, die
wedi'r den Land-
formationen noch
dem Charakter der
Szenerien, die sie
verschönern sollen,
Rechnung tragen.
Die Umrißlinien der
Gewässer sollten
immer im Einklang
mit den Charakteren
der L'mgebung vari-
ieren. Fig. 13 — 14
zeigen, wie diesel'm-
rililinien gemäß den
gegebenen Bedin-
gungen wechseln.
Verfasser schildert dann noch die Reize der ver-
schieden Gewässer und betont die Schönheit richtig an-
gelegter Brücken.
Charakter.
Unter diesem Stichwort spricht Verfasser des längeren
ülier die künstlerischen Wesenszügo, die Charaktere, auf
deren rechte Erfassung alles ankommt.*) Ein instinktives
Au-^: i''ulbor, „Nntur und Kunst im Walde"
') Die Übersetzer fühlen sich außerstande, diese Aus-
führungen Johnsons gut 7.u übertragen. Bei solchen sub-
jektiven vom Thema weit abschweifenden und nicht allzu präzis
vorgetragenen Darlegungen über rein künstlerische Fragen, ist
eine objektive Übersetzung ohnedies recht schwierig. S.
Liebesgefühl zur Natur muß dos Gestalters Hand leiten.
S(diiinheit ist etwas so Uuwäg- und Unmelibares, dall ein
reiner Malei'ialist sie weder sehen noch verstehen kann.
Wir s(dirn die Szenerien nicht isoliert. L'berall,
wohin der Kuli ti'itt, sollen sich Einblicke in ein liar-
nionis(dn:'s Ganze dem .\uge erschließen. Es wäre das
fehlerhafteste, was
rs gelten könnte,
wenn eine Szenerii^
nur auf einen bc-
sljmmten Stand-
punktzugeschnitten
wäre und sonst iso-
liert in der L'm-
gebung stände.
Verfasser emp-
Ibdilt. beim Studium
von Gehölzen auf
fnlgende nenn
Pimkte vorn(diinli(di
zu achten: L'mriß-
linli'U. Wasser-
wirkung, junges
l^aub, reifes Laub,
Laubfall, Blüten,
Frucht, Stamm und
Cmfang.
Behandlung.
Wenn die Land-
schaftsgestaltung in
ihren großen Zügen
beendet ist, so er-
fordert die Anlage
wenigstens wäh-
rend der ersten
Jahre eine aufmerk-
same Behandlung.
Es gilt Gehölze und
andere Pflanzen zu
ergänzen und sonsti-
ges zu tun. Hier-
beikommt es darauf
an, das Neue stets
in Harmonie zum
Bestehenden zu
bringen, es muß helfen, dessen Charaktere weiter aus-
zugestalten und eventuell zu steigern.
Nehmen wir an, daß massige Gruppen von Libanon-
zedern zu üppig werden, so daß sie zu schwer erscheinen,
so helfen wir mit kleinen Gruppen oder einzelnen Bäumen
von Abios nobilis nach, die wir als Vorsprünge und
auf den hiichsten Punkten anbringen, wobei wir uns
natürlich sehr hüten müssen, das Szenenbild zu beein-
trächtigen. Wenn wir eine Szene weiter ausgestalten,
dürfen wir niemals durch neue Ideen den ursprünglichen
Charakter zerstören.
In der Behandlung von Gartenanlagen werden die
148
DIE GARTENKUNST
TX, 7
schwersten Fehler gemacht. Irgendwo wird eine Lnnd-
scliaft von einem Künstler gestaltet E>ann kommt der
Gärtner, der ein guter Kiiltivateur sein mag nnd das
Vertrauen des Besitzers gewonnen hat und zerstört durch
seine Unterhaltungsbemühungen mehr, als er aufbaut.
Verf. schließt
mit di'm wieder-
holten Hinweise,
daß jedes ObjelU
einer Szenerie sei-
nen Platz ausfüllen
und in harmoni-
schem Zusainmen-
klang mit dem
Ganzen zu dessen
Wirkling beisteuinn
muß.
Ivaiifinannschaft zu Berlin
Dr. Hermann Muthesius an
Lehrfach mit einer anderen Kraft zu lie.setzen
mit der Aufforderung, das von
der Handelslioclischule vertretene
Gegen dieses Vorgehen
29- April von mehreren der
Verschiedene
Mitteilungen.
Der Fall Muthe-
sius. In den letzten
Wochen begegnete
man wiederholt in
den Tageszeitungen
Mitteilungen unter
der Überschrift „der
Fall Muthesius", die
sich auf einen Streit-
fall zwischen dem
Geheimen Hegie-
rungsrat Muthesius
und demFachverband
für die wirtschaft-
lichen Interessen des
Kunstgewerbes be-
ziehen. Der „Fall"
ist, ganz abgesehen
von dem Namen, an
den er geknüpft ist,
bedeutungsvoll und
hat bis heute folgen-
den Verlauf ge-
nommen :
Im Februarheft der „Dekorativen Kunst" erschien die \ rui
Geh. Reg.-Rat Dr. ing. Hermann Muthesius in der Ihrliner
Handelshochschule gehaltene Eröffnungsvorlesung über „Die
Bedeutung des Kunstgewerbes".
Der Fachverband für die wirtschaftlichen Interessen des
Kunstgewerbes beschwerte sich am 28. März in einer Eingabe
an den preußischen Ilandelsmini.ster, Herrn von Delbrück, über
diesen Vortrag, der nach seiner Meinung Architekten, Maler,
Bildhauer, Handwerker gleichmäßig beleidige. Eine gleiche
Beschwerde richtete der Fachverb.md an die Ältesten der
Aii^: Felbel, „Xalui' und ]\üu.><L im Walde"
des Fachverbandes wurde am
angesehenen kunstgewerblichen
Firmen eine Gegen-
eingabe an den preu-
ßischen Handels-
minister gei'ichtet und
der Tätigkeit des
Dr. ing. Hermann
Muthesius .\nerken-
nnng gezollt.
Inzwischen war
am 30. April li)07
die Antwort von den
Ältesten der Kauf-
mannschaft erfolgt.
Sie lehnten die For-
derung des Fachver-
bandes ab.
Da vom preußi-
schen Handels-
ministerium Anfang
Mai auf die Eingabe
noch keine Antwort
eingetroffen war, er-
bat der Fachverband
unter dem 4. Mai
l'Jit? eine Audienz
bei dem Handels-
minister. Darauf er-
hielt er am l.'>. Mai
1907 vom Handels-
minister einen ab-
lehnenden Bescheid.
In dem Antwort-
schreiben der Ältes-
ten der Kaufmann-
schaft hielt es: „Die
Dozenten an der
Handelshochschule
r.erlin genießen die
akademische Lehr-
freiheit in demselben
l'nifange wie die
licizenten an<lerer
deutscher Hoch-
schulen. Dali im
vorliegenden Falle
ein Mißbrauch die-
ser Lehrfreiheit vor-
liege, haben wir
nicht finden kr.nnen Kino wissenschaftlich be-
gründete Kritik der bisherigen Leistungen und die Auf-
zeichnung der Mittel zur Weiterentwickelung in neuen Lehren
ist für Handel und Industrie nicht nur nicht schädlich, sondern
in hohem Jfaße föi'derlich. ja notwemlig. Dafür, daß dies im
vorliegenden Falle in beleidigender f'cinii geschehen sei. [ist
keinerlei Beweis erbracht "
Der Bescheid des Handelsministers hat folgenden Wort-
laut: „Ihre Vorstellungen gegen die Tätigkeit des (leheimen
Kegierungsrats Muthesius richten sich gegen wissenschaftliche
IX. 7
DIE GARTENKUNST
149
Ausführungen, die er in seiner Eigenschaft als akademischer
Lehrer der hiesigen Handelshochschule und unabhängig von
seiner Tätigkeit als Mitglied des Landesgewerbeamts gemacht
hat. Wenn ich schon deshalb grnndsätzlich Bedenken tragen
muß, Ihrem "Wunsch gemäß gegen diese Ausführungen amtlich
einzuschreiten, so vermag ich anderseits auch nicht anzu-
erkennen, daß diese Ausführungen Beleidigungen von Berufs-
klassen enthalten, die ein Eingreifen von Aufsichtswegen
erheischen würden.
Bei dieser Sachlage dürfte sich eine mündliche Besprechung
der Angelegenheit erübrigen."
nach niemals zu einem Vorgehen verleiten, wie es in diesem
Falle der Eachverband für die wirtschaftlichen Interessen des
Kunstgewerbes für zweckmäßig erachtet hat. H.
Vereinigung ehemaliger Dresdener Gartenbauschüler.
Anlälllich der 111. Internationalen Gartenbauausstellung in
Dresden hielt die \'ereinigung Ehemaliger Dresdener am 5. Mai
eine Versammlung im Hotel „t urstenhof" ab, an der zahlreiche
Ehemalige aus dem Reiche und dem Auslande teilnahmen.
Bei den Verhandlungen wurden Anträge angenommen, die
Leitung der Gartonbauschule zu ersuchen, deren Ausbau den
heutigen Ani'orderungen der Lands(;haftsgärtnerei und Garten-
-:^,
Aus: Felber, „Natur und Kunst im Walde".
Diesem Mißerfolg bei den Behörden folgte eine ziemlich
einmütige Verurteilung des Vorgehens des Verbandes in der
Presse. Der Verband versuchte dann sich durch Veröffent-
lichung von einer Anzahl der in der Angelegenheit gewechselten
Schriftstücke und der für sein Vorgehen wichtigsten Stellen
des Muthesiusschen Vortrags zu rechtfertigen; aber ohne Er-
folg, zumal auch aus den Kreisen der Mitglieder des Verbandes
das Vorgehen des Vorstandes gegen Muthesius entschieden
mißbilligt wurde. Auf dem Verbandskongreß, der am 14. .Juni
d. J. in Düsseldorf tagte, ist es dann infolge des Austritts
einer größeren Anzahl von Mitgliedern zu einer Spaltung des
Verbandes gekommen.
Wir wissen aus eigenen Erfahrungen, daß das Vorgehen
des Geh. Rates Muthesius sich vielfach durch eine Schärfe
auszeichnet, die nicht unbedingt notwendig erscheint, um vor-
handene Mängel und Mißstände zu offenbaren und abzustellen.
Aber das Mißbehagen, welches die betroffenen Kreise natur-
gemäß darüber empfinden müssen, dürfte auch unserer Ansicht
kunst anzupassen, Wünsche, die bei der Umgestaltung und
Verlegung der Lehranstalt nach Laubegast Aussicht auf Be-
rücksichtigung haben. Mit Freuden wurde die Mitteilung be-
grüßt, daß für die baldige Einführung der Staatsprüfung für
Obergärtner begründete Hoffnung bestehe. Leupold.
Bücherschau.
Natur und Kunst im Walde. Vorschläge zur Verbindung
der Forstästhetik mit rationeller Forstwirtschaft, für Freunde
des Waldes und des Heimatschutzes. Von Theodor Felder,
Professor der Porstwissenschaft am eidg. Polytechnikum in
Zürich. Mit 13 Figuren im Text und 23 Vollbildern. Verlag
von Huber & Co. in Frauenfeld, 1506. Besprochen von Heinrich
V. Sali seh auf Postel.
Das Feldersche Buch habe ich trotz seiner ansprechenden
Ausstattung mit einigem Mißtrauen zur Hand genommen, denn
150
DTE U ARTEN KI' NST
TX, 7
ich wußte mit dem Titel nicht recht etwas anzulangen.
„Vorschlage zur Verbindung der Forstästhetik mit
rationeller Forstwirtschaft" passen in mein System nicht
hinein. Das gefällt nicht besser, als wenn jemand schreiben
wollte: Vorschläge zur Verbindung der Gartenkunst mit
rationellem Gärtnereibetrielje. oder: Vorschläge zur Verbindung
der Lehre von der Baukunst mit dem Maurergewerbe. — Die
Forstästhetik soll nicht mit der i'orstwirtschaft „verbunden"
werden, sondern sie soll aus ihr hervorgehen — das hat nun
aber Professor Felder selbst nicht durchaus verkannt, denn er
bekennt sich zu dem Satz, den schon König in seiner Wald-
pflege ausgesprochen hat: „Der Wald in seiner höchsten
forstlichen Vollkommenheit ist auch in seinem
schönsten Zustande."
Der Herr Verfasser hat sich bemüht, in den einleitenden
Kapiteln „über einzelne Grundbegriffe in möglichster
Einfachheit und gedrängtester Kürze zu orientieren".
Dieser Versuch ist miljlungen, und wäre besser ganz unter-
blieben, denn Felder unterschätzt den Wert der spekulativen
Ästhetik. Es ist ja richtig, daß die schematische Anwendung
ästhetischer Grundregeln für sich allein noch nicht genügt,
unr ein hervorragendes Kunstwerk zu schaffen; aber es ist
nicht minder w'ahr, daß der Künstler sich niemals ungestraft
über anerkannte Kunstregeln hinwegsetzt.
Felder hat ganz richtig erkannt, daß der Forstkünstlor auf
dem Gebiet der Gartenkunst einigermaßen Bescheid wissen
muß; die Beti'achtungen aber, welche er der Gartenkunst
widmet, sind unzulänglich. Vom englischen „Gartenbau"
bemerkt er: „Statt langgezogener Straßen schlängeln sich die
Wege um Gehölzgruppen" — er hätte hinzufügen sollen, daß
Fürst Pückler uns gelehrt hat. schön geschwungene Wege
du rch das Innere der Gehölzgruppen hindurchzuführen.
Diese Bemängelungen beziehen sich auf das Titelblatt und
die ersten sieben Seiten. Von da an habe ich das Buch mit
zunehmendem Interesse iind großer Befriedigung gelesen. Es
erscheint wohl geeignet, in weiten Kreisen aufklärend
zu wirken und ebenso unter Forstleuten wie im
großen Publikum Verständnis und Neigung für
Waldschönheitspflege zu wecken. Besonders eingehend
sind diejenigen Aufgaben behandelt, mit welchen die Ver-
schönerungsvereine sich zu beschäftigen haben, wie z. B.
die Herstellung von Bänken.
I']s ist wohl nur ein wenig glücklich gewählter Ausdruck,
wenn der Herr Verfasser (Seite 24) die Verschönerung so weit
zu treiben anrät, daß der Wald zum Naturpark wird. „Die
Freude an der Natur," so schreibt er, „die Freude am Wald
muß zum Gemeingut aller werden. Von des Tages Mühen
und den Bescliwerdon der Woche niedergedrückt, soll jedem
Gelegenheit geboten werden, in . einem zum Naturpark ge-
.schaffenen Walde lOrholung und neue Lebenslust zu scluipfen."
— So weit dürfen es die Verschönerungsvereine aber nicht
treiben, daß ein Mittelding zwischen Forst und Park entsteht.
Daß selbst der scharf rechnende Forstmann ästhetischen
Forderungen gerecht werden kann, ohne seinen wirtschaftlichen
Grundsätzen untreu zu werden, beweist uns Dr. Felder an
vielen Stellen, so z. B. bei Berechnung des vorteilhaftesten
Umtriebsalters, indem er den Vorschlag macht, „daß in die
mathematischen Formeln ein Faktor eingeschlossen
werden soll, der die Leistungen des Waldes in all-
gemein volkswirtschaftlicher Bedeutung, auch da,
wo er nicht eine Schutz waldrclle spielt, zum Aus-
druck bringt". — Durch derartiges Rechnen wird der Forst
lange nicht zum Park, denn Park und Rechnen, das sind un-
versöhnliche Gegensätze.
Große Bedeutung haben für die Schweiz die Mahnungen
des Verfassers, die althei-gebrachte Wald weide Wirtschaft
niclit ganz aufzugeben. Er schildert diese Wirtschaft zu-
treffend wie folgt: „Bei dem sogenannten Weidewaldbetrieb
(Paturage boise) wird die Fläche nicht ausschließlich zur Holz-
produktion benutzt.
Zwischen plenterartigen Waldbestäuden — Waldgrupiien
— finden sich gröl.iere oder kleinere Partien unbestockter,
beraster Flächen, auf denen das Vieh Nahrung sucht und
findet. Der Wald wird belebter durch eine nützliche Tierwelt.
Man erhält den F]indriick, daß hier zwei Wirtsi-haftssysteme,
Wald und Weidewirtschaft, friedlich ineinander übergreifen,
bisher friedlich nebeneinander bestanden, und wenn nicht von
hüben oder drüben gewaltsame Übergriffe stattfinden, auch in
Zukunft friedlich nebeneinander bestehen können."
Bei uns in Deutschland oder doch wenigstens in Nord-
deutschland sind die alten Hutewälder schon sehr selten ge-
worden. Als der Hest eines solchen ist der sogenannte Neuen-
burger Urwald im Oldenburgischen berülnnt. Man sollte sich
angelegen sein lassen, diese malerischeste aller Kulturformen
hier und da, und wenn es auch sein müßte, mit Opfern, in
einzelnen charakteristischen Proben ebenso zu erhalten, be-
ziehentlicli neu darzustellen, wie man längst überwimdene
Baufonnen durch Erhaltung des Bestehenden oder durch Neu-
erriclitung — ich erinnere an die Kirche Wang im Riesen-
gebirge — für die Nachwelt lebendig erhält.
Man läßt es sich jetzt angelegen sein, in der Nähe von
Städten und Kuranstalton Kahlhiebe zu vermeiden, indem man
griißere Forstorte für horstweisen Plenterbetrieb aus-
scheidet; das ist sehr wohlgemeint und für die Monate Juli
und August auch ganz am Platze — für die zehn anderen
Monate ist es verfehlt. Die Sonnenstrahlen, welche wir im
Hochsommer fliehen, genießen wir in anderen Jahreszeiten
gern — im Hutewald wird man sie reichlich finden. Vor dem
Park hat dieser die Belebung dui'ch das Weidevieh voraus —
Wieviel Norddeutsche gibt es wohl, die schon einmal eine
Ziege auf der Weide beobaclitet haben'; ! und seine Unter-
haltung, weit entfernt ICosten zu verursachen, kann Über-
schüsse gewähren.
Sehr lebhaft interessiert sich Felder für die Bestrebungen
des „Bundes Heimatschutz". lOr verzeichnet unter Quellen-
angabe was in dieser Riclitung in der Schweiz, in Preußen
und anderen deutschen Bundesstaaten, in Osterreioh und
Frankreich schon geleistet worden ist, oder noch angestrebt
wird; er nennt auch die älteren forstästhetischen Werke, die
ihrerseits ausgiebige Literaturverzeichnisse besitzen.
Wer sich in das nun schon umfangreiche Gebiet der
Forstästhetik einarlieiten will, wird ganz gut tun. Felders
„Natur und Kunst im Walde" als ersten Leitfaden zu
benutzen.
Von den duriliweg lehrreichen und z. T. sehr hübschen
Abbildungen sind Proben in dieser Besprechung aufgenommen.
(Seite M()— 149.)
Personalnachrichten.
Trip, Stadtgartendiroktor in Hannover, der I. Vorsitzende
der D. G. f. G., hat eines Herzleidens wegen soeben eine Kur
in Bad Nauheim beendet, nachdem ein längerer Aufenthalt an
der Riviera im vorigen Winter die erhoffte Besserung nicht
gebracht hatte. Gegenwärtig weilt Herr Trip zur weiteren Er-
holung am Chiemsee.
Kür Hip R^rlftktinn verantwortlich: Stadt-Gartendirektor Heicke, FranU
Desaaaer Strasse 29, — Druck von \.
fnit n M. - Verlag von OnhrUder Borutraeger, Berlin SW. U,
W. l-ia>'ii'i* Krbeii, Potsdam.
IX, 8
DIE GARTENKUNST
1.^1
Preisbewerbungen
Wetthewerb Zeiitralfiicdliof Mannlieim.
Der zur Erlangimii von l"',iil\viiitVii l'iir eiiuMi Zentral-
friedhof in Mannheim im (tl<tober v. .1. ausgeschriebene
Wettbewerb hat dureli die am I. und 2. Juli d. J. vorge-
nommene Begutachtung der eingelaul'enen p]nt\vürf'e seine
Erledigung gefunden.
\\'ir bringen im fid-
genden die Niederschrift
der Preisgerichtsver-
handlungen, sowie Ab-
bildungen der preis-
gekrönten und ange-
kauften Entwürfe und
die zu den ersteren
eingelieferten Erläute-
rungsberichte. Zuvor
seien die wichstigsten
Bestimmungen des Aus-
schreibens wiederge-
geben :
Das Gelände, nord-
östlich der Stadt ge-
legen, etwa 6 km ent-
fernt, hat einen Flächen-
inhalt von 30,45 ha
und ist in der Haupt-
sache eben , mit Aus-
nahme einer dünen-
artigen Erhebung — dem
sogenannten Kuhbuckel
— welche sich etwa
6,00 m über das Terrain
erhebt. Es wird zurzeit
als Wiese und Ackerland
steht durchweg aus Sand.
Der neue Friedhof soll parkartig sein, ohne dalJ gerade
Hauptalleen auszuschließen sind. L>ie Anlage von Weihern,
obwohl schwierig, soll nicht grundsätzlich ausgeschlossen
sein. Wasserleitung liegt bereits in der Wormserstralje,
ein Kanal in der Sandhof erstraße.
E>er Friedhof wird zugänglich sein über den Sand-
hoferweg; an dieser Seite ist der Haupteingang, ein Neben-
eingang an der Lampertheimerstraße vorzusehen.
Am Haupteingang ist eine Wagenvorfahrt mit reich-
lichen Abmessungen zu projektieren.
Es ist in Aussicht genommen, die Leichen mittelst be-
sonderer Wagen der elektrischen Bahn hinauszubefördern.
Etie elektrische Bahn wird demnach in müglischst wenig
störender Weise an die Leichenhalle heranzuführen
sein.
LIBRARY
iNEW YORK
botanical
Garden
Eine kleine Gärtnerei mit Gärtnerwohnungen,
2 Ge-
Lageplan des Geliindes für den Mannheimer Zontralfriedhof,
benutzt, [»er Untergrund be-
wächshäusern, Schujipen, etwa 200 Fenstern und ca. .36 ar
Kulturland ist vorzusehen.
An Gebäuden sind im Grundriß anzugeben:
Eine möglichst im Mittelpunkt gelegene Leichen-
halle mit einer be-
bauten Grundfläche
von ca. 900 qm,
deren Errichtung
eventuell auf der
natürlichen Er-
höhung vorgesehen
werden kann;
ein Yerwaltungs-
und Wirtschafts-
gebäude am Haupt-
eingang, offene, aber
mit Dach versehene
Hallen zum Schutze
des Publikums bei
LInwetter ;
ein Hochkreuz.
Von der Anordnung
eines Krematoriums ist
abzusehen.
E>ie Grabstätten
sind einzuteilen in: All-
gemeine Grabstätten
(Reihengräber), getrennt
für Kinder und Erwach-
sene, Familiengräber,
Grüften (Erbbegräb-
nisse).
Der Friedhof soll in einfacher und würdiger Weise
und unter Berücksichtigung möglichster Verwertung des
vorhandenen Raumes zu Grabstellen entworfen werden,
wobei auch zu berücksichtigen ist, daß der Friedhof in
etwa 4 Etappen auszuführen ist.
Gefordert wird: farbiger Grundplan im Maßstab 1 : 500,
Zeichnung in Horizontallinien, aus der die Bodengestaltung
ersichtlich ist, 1 : 500, Detailplan über die Einteilung eines
Begräbnisfeldes im Maßstab 1:250, Erläuterungsbericht,
in dem auch die Bepflanzung beschrieben ist. Kosten-
anschlag.
E»ie Kosten der Gebäude und der Einfriedigung bleiben
unberücksichtigt.
E)er Einlieferungstermin wurde auf 15. Juni d. J. hin-
ausgeschoben.
Als Preise waren ausgesetzt: erster Preis 1500 Mk.
zweiter Preis 1000 Mk., dritter Preis 500 Mk. und der An-
152
DIE GARTENKUNST
1X,'8
MM
'f "^ *>' •?•;.,
.;: .;/v
Der mit dem I.Preise ausgezeichnete Wettbewerbsentwurf für den Mannheimer Zcnti-aHVioiniof.
Von J. P. Grol.imann, Dresden.
kauf weiterer Kntwiii'fo zum Preise von 500 Alk. in Aus-
sicht gennmmen.
Sämtliche Entwürfe werden auf der zurzeit in .Manniieini
stattfindenden (Jartenl)auaussteUung au.sg-estelll.
Niederschrift der Veriiaiidiu iigen dos
Preisgerichtes,
Xachdetn am Dienstag, den 18. und Mittwoch, den
19. Juni die eingegangenen 59 E]ntwürfe in Anwesenheit
des Stadtbaurats Elisenlolu' den Vorpackungen entnommen
und aufgehängt worden waren, trat man am 1. Juli d. J.
in Anwesenheit des Prcisrichlerkollogiums in die Pi'iifuns'
und Beratung der Wettbewerbsentwiirfe ein.
Von den Preisrichtern
waren erschienen:
1. Bürgermeister Martin,
in Vertretung des
Oberbürgermeisters,
als Vorsitzender,
2. Professor Pehrens-
Düsseldorf.
3. Stadtbaui-atKisenlohr-
Mannheim,
4. Stadtgartendirektor
Heicke-Fi'ankfurt a.M.,
5. Friedhofiiispektor
Ibach-Kiihi,
6. Stadtbaiirat l'eri'ey-
Mannheim.
Der Vorsitz 11 de lie-
griilU die Anwesenden im
liathause und stellt fest, tlali
Gartendirektor Trip- Hanno-
ver ohne Entschuldigung
fehlt — (das Schreiben des
Herrn Ti-ip war an einer
andern Verwaltungsstelle
eingelaufen und liegen ge-
blieben)— es wird daher be-
schlossen, sofort wegen des
Xichtorscheiiiens telegra-
phisclnini.Vuskiinftzuliitlen
bzw. im Falle eines ab-
lehnenden Bescheides auf
demselben Wege lleirn
Stadtgartendirektor Heiler-
.\1 uneben um sein Erscheinen
zu ersuchen.
Stad tbaurat Eisen-
lohr bemerkt, dal.l sämt-
liche 59 Entwürfe als recht-
zeitig angelietert zu gelten
hätten mit Ausnahme des-
jenigen mit dem Kmnwort
"Mannheim", von welchem
ein Modell nebst 2 Plänen
erst am 17. Juni zur Post ge-
geben worden sei. Ferner
seien 4 Projekte eingeliefert worden, welche nicht ganz den
Bedingungen entsprächen. Es wird Sache des Preis-
gerichts sein, darüber zu befiinleii, ob diese Entwürfe zur
Konkurrenz zuzulassen seien.
Stadtbaurat Perre.y schlägt vor, zur Erleichterung
der Prüfung die nicht geeigneten Entwürfe sofort auszu-
scheiden, womit sich der Vorsitzende unter dem Vor-
behalt einverstanden erklärt, daU eine nochmalige Revision
stattfindet, sobald das Preisgericht vollzählig ist.
Das Kollegium erklärt sich mit dieser Sachbehandluu^-
einverstanden.
Alsdann begibt man sich zur Kuifürsl-Friedricb-Schule,
woselbst dieEntwürfe in 3 Räumen Aulstcllunggefunden haben.
IX, 8
DIE GARTENKUNST
153
Ilicrsi'lhsl aiiii'i'kominen wii'il zunüf^hst hv-
schlossen. sänitlichi^ Entwüi't'e iii 3 Grupiien /.ii
teilen dergestalt, dalJ bei dem ersten Itundgaii;::
diejenigen zu bezeichnen wären, welche als nicht
geeignet von vornherein aus dem ^^'ettbewerb
auszuscheiden hätten, liicso iMitwiirfe wären
mit „hiau" kenn! lieh zu machen. Bei dem
zweiten Kundgang würden zu unterscheiden
sein solche, welche in die engere Wahl zu
kommen hätten, und solche, wehdic hiervon zwar
auszuscheiden, aber nötigenfalls — bei zu ge-
ringer .\ns\vahl — doch noch in beschränktem
Umfange in die Gruppe der liestiMi Entwüile
einzubeziehen seien. Krstero Gruppe wird mii
„rot", die letztere mit „grün" bezeichnet.
Nach dem ersten Huiulgang wurden nun
ausgeschieden in (irup|ie „blau" ilie naclistehen
den Entwürfe:
Xr. 11 ,.Xil". - Nr. 17 „So". — Xr. .M
„Gottesacker". — Xr. 12 „Sacer locus". — Xr. 0
„Priedenshain". — Xr. 1.3 „In kühler Krde". -
Nr. l.'j „Neckar I". — Xr. 11) „l'jniior". Xr. 3:',
„Priedensgarten". — Xr. 1.^ „Karl Theodor".
u
— Xr. b3 „Frieden". — Xr. 29 „y
Kreuze). — Xr. 26 ..Wald und Wiese'
„Mannheim". — X]-. '..i „1" (Krenz).
„Futurum". — Xr. 50 „Ruhe saiifi".
„Face". — Xr. 25 „Memento mori".
„Xeckar II". — Nr. 14 „Auferstehung I". — Nr. 40
„Friede 11". — Xr. 31 „Sepulcrum". — Nr. -11
„Der Zweck heiligt die Mittel". — Xr. 18
;■ ■;■" (di'ei
. - Xr. 39
— Xr. 28
— Xr. 32
— Xr. 36
Einzelzeichiiung zum Wottbewerb.sentwarf für den Maiinhoinior
Zentralfriedhof. Von .J. ,1^. tiroLimaun, Dresden.
„Ruhe"
Nr.
„Wiedersehen"
Beim zweiten Kundgan.g wurden zugeteilt der Gruppe
„grün" :
Xr. 1 „Item Tode Leben". — Xr. .j9 „Waldfriede". —
14
4.5
Nr. 2 „Ewige Ruhe". — Xr. 4 „Stilles Gedenken
„Memento". — Xr. 35 „\\'aldrrieden". — Xr. 7
„Friede I". — Xr. 16 „Konstruktiv und motlern".
— Nr. 10 „l'arkfriedhof". — Xr. 24 „Wal-
desfrieden". — Xr. 55 „Arm und Reich". —
Xr. 57 „Fax". — Xr. 22 „Staub vergeht, der Geist
besteht". — Xr. 34 „Rom". — Xr. 49 „Ave". —
Nr. 20 „Zentral 1". — Nr. 54 „Klarer Grundriü"
— Nr. 42 „Zentral II". — Xr. 21 „Fsyehe". —
Xr. 38 „Im Anfang war der Rhythmus". —
Nr. 43 „Friede III". — Xr. 45 „Auferstehung I!".
■ — Nr. 37 „Andere Zeiten" ; und der Gruppe „rot" :
Xr. 58 „Hochkreuz". — Xr. 3 „Mann-
heims heilige Gärten". — Xr. 46 „Erde zur
Erde" — Xr. 27 „Mons"- — Nr. 30 „Man kanns
auch so machen". — Nr. 56 „Architektur in der
Landschaft". — Nr. 23 „Grau und Grün". —
Nr. 8 „Stätte des Friedens". — Nr. 44 „Fried-
lich". — Nr. 47 „Ikaros".
Nach dieser Prüfung wurde beschlossen.
am Nachmittage das Gelände in Augenschein
zu nehmen und mit der weiteren Prüfung am
2. Juli vormittags 9 Uhr fortzufahren.
— Nr.
Zu bemerken ist ni>ch, dal.) die Entwürfe Xr.
„Auferstehung I" — Nr. 25 „Wald und Wiese" — Nr
„Auferstehun.g II" — , welche nicht bedingnngsgemäfi ein-
.geliefert wurden, bereits in Gruppe „blau" ausgeschieden
sind, somit eine Beschlußfassung hinsichtlich der Zu-
Sr-liaululd zum Wettbewerbsentwiirf für den Mannheimer Zentralfriedhof.
Von P. J. Großmann, Dresden,
IM
DIE ÖARTENKUNSt
IX, 8
Schaubild zum Wettbeweibsentwurf für den Mannheimer ZentiMUriedhol'
Von J. P. GroJ.imiinn, Dresden.
lassung entfällt. Hinsichtlich Entwurf Nr. 37 „Andere
Zeiten" bleibt noch Entschließung vorbehalten. Der Ent-
wurf „Mannheim", zu welchem ein den Bedingungen ent-
sprechender Plan erst am 17. Juni zur Post gegeben
wurde, befindet sich gleichfalls in der Gruppe „blau".
Portsetzung am 2. Juli, vormittags 9 Uhr In An-
wesenheit derselben Mitglieder des Preisgerichts wie am
vorhergehenden Tage.
Nachdem die in die engere Wahl gekommenen Ent-
würfe In einem Saale zusammen aufgestellt worden waren,
wird nach jeweiligem Verlesen des Erlauterungsberichts
in die Besprechung der einzelnen Entwürfe eingetreten.
Hierauf nahm jeder der Preisrichter für sich eine Be-
wertung der In die engere Wahl gekommenen Entwürfe
vor, woran sich auch der inzwischen eingetroffene Ersatz-
richter Stadtgartendirektoi' Pfeiler aus .München beteiligte,
nachdem er zuvor sämtliche aufgestellten Entwürfe ge-
meinsam mit den übrigen Herren einer Ijurchslcht unter-
zogen hatte.
[las übereinstimmende Ergebnis war, dalJ zuerkannt
wird :
1 »er I. Preis von l.'iOOMark dem Entwurf 3 mit dem K'enn-
wort „Mannheims heHlgo tiärten".
Der H. Preis von 1000 Mark dem lüilwuif 3.''> mit dein K'enn-
wort „Grau und Grün".
Der III. Preis von .500 Mark dem luitwurf 30 mit dem Kenn-
wort „Man kanns auch so machen".
Ferner wurden zum Ankauf empfohlen:
1. Entwurf .56 mit dem Kennwort „Architektur in der
Landschaft",
2. Entwurf 27 mit dem Kennwort „Muns" und
3. „ 44 „ „ „ „Friedlich".
F'ür die Beurteilung waren folgende GesIchtspunUle
maßgebend:
I. Entwurf „Mannheims heilige
Gärten".
Die Hauptachse dos Entwurfs ist
festgelegt durch die Zugsrichtung des
Kuhl)uckels einerseits und den in das
Privatgelände einspringenden Winkel
anderseits. L)adurch Ist der grolöe Vorteil
erreicht, dal.i die natürliche Bodener-
hebung In sehr wirkungsvoller Welse
zur Geltung gebracht wird und der bei
den meisten übrigen 1-intwürfen kümmer-
lich bedachte südliche Teil des Gebiets
tMiie gleichwertige Bedeutung crhä,lt.
Die Lage der Kaiiclle und Leichenhalle
ist glücklich gewählt und die \\'u'kung
durch den vorgelagerten tiefliegenden
Weiher noch verstärkt. Lue Verbindung
der beiden Hauptzufahrtsstraßen mit der
Mittelachse ist zweckmäßig angeordnet
und zerlegt das ganze Friedhofgebiet
lierart, daß ein allmählicher Ausbau In
jeder gewünschten Weise vorgenomme
werden kann. Die Unterteilung In die
einzelnen Felder ist geschickt an-
geordnet. Die Felder haben eine geschickte Form ohne
einförmig zu wirken. Es finden sich zahlreiche charakte-
ristische Stellen, welche das Zurechtfinden Im Friedhof-
gelände erleichtern.
Für die Aufteilung der einzelnen Felder hat der Ver-
fasser In seinem Erläuterungsbericht sehr fruchtbare Ge-
danken niedergelegt, durch deren Befolgung in jedem
Felde eine selbständige malerische Wirkung erzielt werden
kann. E)le gemeinsame Unterbringung von Reihengräbern
und Familiengräbern wirkt sozial und gibt Anlaß zu
wochselvoUen Bildern. Ein besonderer Vorzug In der vor-
geschlagenen Einzelbehandlung der Felder wird noch
darin gefunden, daß auch in der Zukunft noch liem
künstlerischen Schatten freie Bahn geboten ist.
IL Entwurf „Grau und Grün".
I'urch die Lage der Leichenhalle und die lieiden von
den Ilaupistraßen n.'ich ihr geführten Zugangswege ist
eine außerordentlich glückliche Einteilung des ganzen Ge-
ländes erzielt woi'den. r»le Lolchenlialle Ist außerdem auf
kurzem Woge zu erreichen und In geschickter Weise mit
der Straßenbahn In Vorbindung gebracht. \'on dem Platze
vor der Leichenhalle aus findet sich ein reizvoller Blick
nach der Anhöhe, deren vordere Abdachung mit waldum-
säumter Rasenfläche bedeckt ist. während die Kuppe mit
dichtei'cm Baumbestande gekrönt wird, lüc^ Anhöhe ist
für Familiengräber bestimmt, während sich die Massen-
gräber In großen Feldern vereinigt in der Niederung be-
iluden. In sehr geschickter Welse werden die großen
Felder füi- Reihengräber duicli lleckenanlagen uml
l'flanzungen In olir^elne kleinere Abschnitte zerlegt, während
anderseits doch die Vorteile der Relhengräbor für einen
wirtschaftlichen Betrieb In vollem .Maße ausgenützt sind.
Für einen Ausbau In einzelnen Abteilungen bietet die
IX, 8
DIE GARTENKUNST
15b
ganze Anordnung große Vorzüge. Der Entwurf ist in
dieser Beziehung dem mit dem ersten Preise bedaciiten
überlegen, während er in künstlerischer Hinsicht nicht
auf derselben Stufe steht. L)ie Erdbewegung ist auf ein
geringstes Maß beschränkt, so daß die Anlage mit ver-
hältnismäßig geringem .Vufwande auszul'ühren ist.
111. Entwurf „Man kanns auch so machen".
E»ie Aufteilung des Geländes ist eine zweckmälJige.
LHe Kapelle ist auf der Anhöhe angelegt und die Haupt-
achse durch die natürliche Bodengestaltung bedingt. L'ie
Wegführungen beiderseits der Hauptachse sind zweck-
mäßig, nur ist in gesuchter Weise zu viel Wert auf
Symmetrie gelegt. Die Einführung von der Haui)tzufahrts-
straße und der Wagenvorfahrt nacli der Hauptachse ist
wirkungsvoll ausgestaltet. iJie Autlösung der einzelnen
Felder in Heihengräber weist manche
Ähnlichkeit mit dem Entwurf „Grau und
Grün" auf. Es findet sich auch hier
die Verkleinerung der Felder durch ein-
geschaltete Heckenanla,t;en. L»er stufen-
weise Ausbau ist auch hier möglich,
wenn auch nicht in so klarer Weise,
wie bei Entwurf 23.
Entwurf 56 „.-Vre hitektur in der
Landschaft".
Zum Ankauf des Entwurfs 56 wurde
das Preisgericht bestimmt dadurch, daß
in der sonst ganz landschaftlich be-
handelten Anlage an zahlreichen Punkten
Gelegenheit zu stimmungsvoller archi-
tektonischer Ausbildung gegeben ist.
Entwurf 27 „Mons" und 44
„Friedlich".
Die Entwürfe 27 und 44 behandeln
denHöhenrücken in wirkungsvoller \\'eise
selbständig und teilen bei möglichst
zentraler Lage der Priedhofskapelle das
Gelände auf, ohne zu einförmig zuwirken.
Nach Abschluß der Verhandlungen wurden die Vm-
schläge der preisgekrönten und zum Ankauf empfohlenen
Entwürfe geöffnet und es ergaben sich als Verfasser:
Für Xo. 3 „Mannheims heilige Gärten" Garteningenieur
J. P. Großmann-Dresden und Leipzig.
Für No. 23 „Grau und Grün" Gartentechniker Fv. Hauer-
Magdeburg.
Für No. 30 „Man kanns auch so machen" Georg Gerstadt-
Frankfurt a. ^L
Für .\o. 56 „Architektur in der Landschaft" Gartenarchitekt
R. Hoemann-Düsseldorf.
Für No. 27 „Mons" Stadtgärtner Rudolf Hoerning und
Gartentechniker <Mto Gaedt, beide in Kiel.
Für No. 44 „Friedlich" Städtischer Obergärtner Hermann
Braband-Herrenhausen.
Zur Beurkundung:
^Martin. Behrens. J. Heiler. J. Ibach. Heicke.
Perrey. Eisenlohr.
Nach den Kostenanschlägen würde die Ausführung
der preisgekrönten und angekauften Entwürfe folgende
Beträge ergeben :
1. „Mannheims heilige Gärten" (Großinann) . Mk. 355000
2. „Grau und Grün" (Bauer) 182000
3. „Man kann's auch so machen" (Gerstadt) . „ 182740
4. „.\rchitektur in der Landschaft" (Hoemann) „ 300000
5. „Mons" (Hoerning-Gaedt) .320000
6. „Friedlich" (Braband) , 190000
Indessen stellt sich bei näherer I'rüfung heraus, daß
einzelne Faktoren in den verschiedenen Anschlägen (auch
bei den nichtprämiierten Entwürfen) eine sehr von ein-
ander abweichende Behandlung erfahren hatten. So ent-
halten z. B. einzelne Anschläge nur Beträge füi- Fußweg-
herstellungen. nichts für fahrbare Wege; der eine veran-
schlagt umfangreiche Be- und Entwässerungseinrichtungen,
ycL.uibdd zum
W'L-ttbeweibientwurf für den Maunht'uiit.'r ZentraltriL'JUut.
Von J. P. Großmaun. Dresden.
andere nicht; ähnlich war es bei Stüizmauern, Brüstungen.
Treppen u. dgl. der Fall. Es ergiebt sich überhaupt wieder,
daß solche Wettbewerbsvoranschläge meist ziemlich wertlos
sind; sie waren zum Teil gar nicht nachzuprüfen und
enthielten vielfach ganz oberflächliche Angaben wie z. B.;
„für Erdarbeiten und landschaftliche Ausgestaltung einzelner
Teile rund 50000 Mark." Was soll das Preisgericht mit
solchen Berechnungen anfangen ?
Über die Ausnutzbarkeit des Geländes für Beerdigungs-
zwecke haben die Verfasser der prämiierten und ange-
kauften Entwürfe folgende Angaben gemacht:
Großmann (Mannheims heilige Gärten) sieht eine
belegungsfähige Fläche von 140000 qm, also nicht ganz
507o vor. Bauer (Grau und Grün) rechnete 50000 Reihen-
gräber und 4000 Familiengräber und Grüften, was etwa
einer belegungsfähigen Fläche von 130000 qm entspricht,
heraus. Gerstadt (Man kann's auch so machen) gibt 46%
der Gesamtfläche als belegungsfähig an, Hoemann (Archi-
156
DIE GARTENKUNST
IX, 8
tektui- in der Landschaft) 178900 qm (ungefähr 58 »/o —
sehr hoch'). Hoerning und Gaedt (Mons) 134000 (|m,
Braband (Friedlich) 135000 qm. H.
Erläuteriiu^sboriclit
zu dem mit dem I. Preise ausgezeichneten Knlvvuif von
P. J. Grofsmann, Dresden.
Motto: Mannheims heilige Grärteu.
ist niclits gefühllos teohaisch oder raffiniert künstlorisoli Pro-
jektiertes, sondern hier ist etwas „Gewordenes", etwas organisch
Gewachsenes.
Organisch gewachsen! Das ist es, was auch den neuen
sog. „landschaftlichen" Friedhöfen fehlt. Sie sind in der Ab-
sicht projektiert, den Friedhof äußerlich zu „verzieren". Es
genügt aber nicht sog. landschaftliche Partien in den Friedhof
willkürlich einzufügen, der Friedhof mut! in allen seinen Teilen
Als ich an die .Vusarbeitung des Entwurfs ging, war
mir lie-
wußt, daß
es immer ^ ^
eine heik-
le Auf-
gabe ist,
etwas auf
dem Pa-
pier 'zu
^projok-
tieren,
was, wie
ein Fried-
hof, durch
Men-
schen-
alter hin-
durch aus
den Be-
dürf-
nissen
heraus-
wachsen
müßte,
dann
auch, weil
eine
Lösung
für den
modernen
Zentral-
oder
Massen-
friedhof
noch
nicht
geprägt
ist. Die
bestehen-
den
großen
Friedhöfe
können
nur als mehr oder minder befriedigende Versucl
ich den Friedliofcharakter zeigen und landschaftli
Der mit dem
angesehen
werden. Wir befinden uns in der Friedhofsgestaltung und Fried-
hofskunst in einer Zeitperiode der Umw.andlung. Die ver-
änderten modernen Verhältnisse bedingen neue Lösungen.
Die alten Fried- oder Kirchhöfe sind nicht in der Absicht
etwas besonders Künstlerisches zu schaffen gestaltet worden
sind, sondern aus den jeweiligen A erhältnissen heraus nach und
n.ach erwachsen. Wenn sie trotzdem meist schön und stim-
mungsvoll sind, so liegt das eben daran, daß man tiotz der ein-
fachen, schmucklosen Anordnung die Entstehung durch die
verschiedenen Zeitepochen verfolgen und erkennen kann: Hier
eiu' Gestaltung
dr.rf nicht
Selbst-
zweck
sein. Sie
ist eine
Reaktion
auf die
geistlose
Fried-
hofstech-
nik, die
durch ra-
tionellste
Aus-
nutzung
der
Flächen
bis auf den
letzten
Quadrat-
meter aus
den schö-
nen, stim-
mungs-
vollen
alten
Kirch-
höfen jene
trostlosen
„Gottes-
äcker" ge-
macht
hat, auf
welchen
die Grab-
steine und
Kreuze
dicht wie
die Ähren
dhof. eines
Korn-
feldes
stehen.
Anstatt al)cr die Ur.sache ihrer llätilichkeit zu beseitigen, glaubte
man. den Friedhol' durch „landschaftliche" Partien „verzieren"
zu müssen und fiel aus einem l'Ixtrem ins andere, ohne für die
Gestaltung des l''riedholes neue W'erti' vun innerer Wahr-
heit zu finden, denn hintci' ;ill ihn fiudsclial'tlichen Schön-
heiten entlang der Wege breitete sich nacli wie vor das Reihen-
gräbenjuartier mit all seinen Häßlichkeiton aus.
Nach reiflichem Studium hin icli zu der flberzeugung ge-
kommen, daß bei unseren teuren U()deu|ireisen für den Fried-
hof nur die geometrisch-architektouis(die Gestaltiinu'sweise in
Betracht kommen kann, sob;dd uelien seiner künstlerischen
II. Preis ausgezeichnete Wettbewerbsentwurf für den Mannheimer Zentra
Von Fr. Bauer, Magdeburg.
IX, 8
DIE GARTENKUNST
157
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Scluiubild ziiiii Wettbewei'bsentwurf i'üi- den ^Iimnheiiuer Zentnilfriedhof.
Von Fr. Bauer, [Magdeburg.
(Jurdität auch ;iuf ratio-
nelle Ausnutzung Bedacht
genommen werden soll.
Der rein landschaftliclie
Friedhof wird stets unra-
tionell sein, wenn er
schön sein soll, und ist
stets haßlich, wenn er
rationell ausgenutzt ist.
Niclit die Form der
äußeren Einteilung, einer-
lei ob landschaftlich oder
geometrisch - architekto-
nisch, kann uns zur rich-
tigen Losung führen, son-
dern nur der Aufbau aus
dem Zweck heraus.
Die Aufgabe, dem
Massenfriedhof das Ge-
präge des hälJlichen „Got-
tesaclvers" zu nehmen und
ihn in künstlerische Form
zu kleiden, steht und
fällt mit der Eeihen-
griib er frage Solange
sie nicht gelöst ist.
und sie ist es noch
nicht, wird aucli ein bloßes Verzieren des Friedhofes durch
landschaftlich schöne Partien und ein Verdecken der Eeihen-
giäber durch Anpflanzungen nur eine Scheinlösung sein.
Der alte Kirchhof lag ursprünglich an der Ivirche, Mauern
und Gebäude i'ingsum gaben ihm einen intimen abgeschlossenen
Charakter. Armengräber, Grüfte und Familiengräber lagen ein-
trächtig beisammen. Reichte der Raum nicht mehr aus, so
wurde ein neues Stück Land dazu genommen, wieder mit
.Mauern oder Hecken umgeben und erhielt hierdurch den gleichen
intimen L'haraicter, wie der erste Friedhof. Auf diese
Weise wurde der Friedhof durch Angliederung neuer Teile
vergrößert, ohne doch die Abgeschlossenheit und
Intimität seiner einzelnen Teile zu verlieren. Durch
die Anpflanzung von Rosen und schönblühenden
Sträucheru und gute Pflege, welche den Grabstellen
zuteil wurde, und durch ihre geringe Größe erhielten
diese Friedhöfe garten artigen Charakter.
Diesen Gartencharakter müssen wir auch in
unseren modernen Zentralfriedhöfeii anstreben. Sie
müssen gegliedert werden in eine Reihe kleiner
Einzelfriedhöfe oder, wie ich sie nennen will: „Fried-
hof sgärten".
Auch sie müssen heranwaclisen aus einem ersten
kleinen Friedhof durch Angliederung neuer Teile zu
dem großen Massenfriedhof.
Im Gegensatz zu früher muß diese EntwickeUing
beim modernen Zentralfriedhof nach einem einheit-
lichen Gesamtplan erfolgen, da sonst die bloße
Aneinanderreihung einzelner Friedhofsteile bei der
Größe und Ausdehnung unübersichtlich werden könnte.
Ein klares Wegenetz, um einen Mittelpunkt, die
Grabkapelle und Leichenhalle, grup|iiert, muß die
einzelnen Friedhofsgärten einschließen und zusammen-
halten, sie müssen dann je nach den Bedürfnissen
hintereinander belegt werden und zwar so, daß alle
Arten Gräber: Reihengräber, Familiengräber, Grüfte
durch^^geschickte Anordnung zu einem intim ab-
geschlossenen Garten ver-
einigt werden. An den
Verbindungswegen außer-
halb der Gärten sollten
niemals Gräber angelegt
werden.
Die eigentliche Fried-
hofsplanung beschränke
sich daher auf Festlegung
des Hauptwegenetzes und
dessen Bepflanzung, auf
Anordnung der Gebäulich-
keiten und derGrenzen der
eigentlichen Gärten. Bei
der Einteilung der Gärten
lasse man sich von den
Bedürfnissen leiten.
Jetzt ist es üblich,
die Gräber je nach ihrer
Art getrennt anzuordnen.
Die Grüfte bekonmien
die bevorzugten Plätze,
die Familiengräber werden
in Reihen entlang den
Wegen angeordnet, die
Reihen- oder Armengräber
in den von jenen um
säumten Feldern, sorgfältig durch Gebüsch dem Auge ent-
zogen. Diese Anordnung ist falsch, sie läßt die sozialen
Ge.gensätze zwischen x\rm und Reich scharf hervortreten,
schaltet für die Reihengräber die verschönende Wirkimg der
gut gepflegten und mit Busohwerk umpflanzten Familiengrab-
stätten mit ihrem Denkmalschmuck aus und läßt letztere bei
der reihen weisen Anordnung und Anhäufung entlang den Haupt-
wegen nicht zur Wirkung kommen.
Also nicht strenge Sonderung nach Klassen! Im
Gegenteil, mitten hinein in die Keiheng'räber müssen
Schaubild zum Wettbewerbsentwurf für den Mannheimer Zentralfriedhof.
Von Fr. Bauer, Magdeburg.
158
DIE GAllTENKUNST
IX, 8
die Grüfte, Familiengräber usw. kommen. Mit Gebüsch
umj'flanzt werden sie ebenfalls abgeschlossen und vorteilhaft
aufgestellt werden können, gliedern aber dann gleichzeitig die
Reihengrabquaitiere und werden sich nicht gegenseitig in
ihrer Wirkung totschlagen wie bei der üblichen Massenan-
hjiufung entlang den Ilauptwegen. So wie im Leben sich um
den Höherstehenden und Reichen arm und niedrig gruppiert,
friedhof vereinigt, als „Mannheim Heilige Garten" ein Vor-
bild geben für den neuzeitlichen "Massenfriedhof.
Neben den allgemeinen Gesichtspunkten seien Rücksicht
auf möglichst rationelle Ausnützung des Terrains \md klare
Übersichtlichkeit über den ganzen Friedhof maßgebend.
Wie der Grundi>lan ergibt, setzt sich der Friedhof aus ca.
4U Friedhofsgärten zusammen, die durch Fahrstral5en verbunden
Der mit dem 111. Preise ausgezeichnete Wettbewerbsentwurf für den MannhL'imer ZentrallrifdlioF.
Von G. Gerstadt, Frankfurt a. M.
so mag es auch auf dem Friedhof sein. Bevorzugte Plätze
ergeben sich trotzdem in Hülle und Fülle.
Ich stelle die Forderung auf: Der moderne Massenfriedhof
sei „parkartig" großzügig in .seiner Haupteinteilung und
doch „gartenartig" intim in seiner Finzclteilung. Diese
Gesichtspunkte waren bei der Gestaltung meines Entwurfs
maßgebend :
Die Stadt Mannheim möge nicht danach fragen; wie haben
andere Städte ihre Friedhöfe angelegt, welche Gesichtspunkte
waren für sie maßgebend, sondern sie möge einer modernen
Friedhofskunst den Weg bahnen, nicht einen schönen Park
schaffen, in welchem Gräber verstreut liegen, nicht eine
schöne Landschaft, dahinter Reihengräberelend sich verbirgt,
sondern einen Friedhof, dessen „Gärten" zu einem Zentral-
sinil. l'iino Hauptachr (K'iclitung nach Mannlieim), in welcher
ilie l'riedhofska]ielle liegt, bildet das Rückgrat der Anlage.
.Sie und vier weitere, ziemlich parallel zu ihr laufende Alleen
münden auf die vom Haupt- und Nebeneingange in den Fried-
hof füfirenden Zufahrtstraßen; hierdurch entsteht eine geradezu
ideale Übersichtlichkeit; sämlliche ,,Gärten" sind sowohl vom
Haupt- und Nebeneingange, als auch von der Kapellenanlage
ohne Umwege zu erreichen.
Der Haui)teingang liegt au der Lauipeitheimerstr.il.if, mit
Pförtnerhaus und Verkaufsständon in den Kolonnaden, liier
können auch Steinmetzwerkstätten unter .'\ufsiclit Mannheimer
Künstler eingerichtet werden, damit gute Vorbilder für Grab-
schmuck das Publikum vom Kauf von Fabrikware abhalten.
Das Eingangstor ist überdeckt gedacht und wird von zwei
IX, 8
DIE GARTENKUNST
15'J
Schaubi.
Torhäuschen flankiert, welche in den Schatten von
Nuß- oder Gütterbäumen zu stehen kommen sollen.
Ein SiUilenganp; schlielJt dann die ganze Gebiinde-
j;rn]ipe zusammen.
Vom Eingangstor strahlen di-ei Alleen aus. üie
Mittelallee mit kegelförmig geschnittenen Fichten oder
Thuja Lobbii und Trauerbirken bepflanzt, führt auf
die Hauptachse. Rechts erblickt man umrahmt von
Fichten und Lärchen das Hochkreuz, das am lOndr
der Hauptachse stellt unil auch vom Neboneingauge
sichtbar ist.
Die Kapelle liegt am Alihang des Hügels ca.
;i,r)0 m über dem Terrain des Friedhofes. Vor ihr ist
eine regelmäßige Teichanlage, umgeben von Arkaden,
angeordnet.
In der Jlitte tritt der Teich durch einen grollen
Bogen unter die Auffahrtrampe zur Ka[ielle. Hier
im Halbdunkel würde ein Monument nach Art von
Barthulemes „Monument aux morts" von hervor-
ragender Wirkung sein.
Die Kapellenanlage ist dreiteilig gedacht ; da-
hinter sind zwei Leichenhallenflügel angebaut, welche
mit der — beide Flügel verbindenden — .Straßenbahn-
halle einen Hof bilden.
In der beigegebenen Zeichnung eines Friedhof-
gartens ist die Einteilung eines solchen vorgeschlagen.
Sie soll natürlich nicht überall gleich, sondern ver-
schiedenartig gehalten sein. Es kann eben für jeden Garten
eine besondere Einteilung gewählt und die Belegung den Be-
dürfnissen angepaßt werden. Ein Vorteil ist ferner, daß der
Gesamtfriedhof .stets ein fertiges Bild bietet, da entlang den
Hauptwegen überhaupt keine Gräber liegen, und immer nur ein
Garten belegt wird. Auch ist eine Ausführung des Friedhofes
in vier Etapjien mit Leichtigkeit durchführbar.
Die Gärten auf dem Hügel (dem sog. Katzenbuckel) lassen
sich durch Terrassenmauern zu „Berggärten" avisgestalten.
In allen Gärten soll die Blume vorherrschen. Es sind
daher hauptsächlich blühende Bäume, Sträucher
und wenig Platz beanspruchende Stauden zu pflanzen.
Auf jedes ungepflegte Grab (deren Einebnung
halte ich für pietätlos) soll wenigstens eine blühende
Staude gepflanzt werden, die man dann wuchern
lassen mag. Die die Gärten abschließenden Hecken
sollen durchaus nicht immer streng im Schnitt ge-
halten, sondern können auch als Strauchrabatten frei
wachsen gelassen werden. .Je nachdem in den ein-
zelnen Teilen besondere Blumen- oder Pflanzenarten
vorherrschen, könnten die „Gärten" Rosengarten,
Fliedergarten, Rhododendrongarten genannt werden.
Auch die Lage kann zu besonderen Namen Anlaß
geben, wie vielleicht Kapellengarten, Terrassengarten,
Berggarten, Kreuzgarten usw. Das Publikum wir l
sich solche Beseichnungen viel besser einprägen, als
die sonst üblichen Buchstaben und Nummern.
Es sollen in den Gärten im allgemeinen wenig
Bäume gepflanzt werden, damit nicht die Gräber durch
dichten Baumbestand zu sehr beschattet werden und
dann nicht mehr mit Blumen geschmückt werden
können. Der Baumbestand ist so anzuordnen, daß er
kleine hainartige Trupps bildet. Außerdem sind haupt-
sächlich im hinteren, mehr „landschaftlichen", Teile
sog. Waldgärten vorgesehen, in welchen größere
waldartige Partien den Garten umschliel3en.
Durch diesen Wechsel kann eine landschaftlich
zum Wettbewerbsentwurf für den Mannheimer Zentral-
friedhof. Von G. Gerstadt. Frankfurt a. M.
schöne Wirkung erzielt werden, und es erscheint übei'flüssig, den
landschaftlichen oder gartenartigen Charakter künstlich durch
dem Wesen des Friedhofes fremde, gewissermaßen in denselben
eingeflickte, landschaftliche Durchsichten und Straucbkulissen
entlang den Wegen zu betonen.
Für die Anlage eines derartigen Friedhofs ist Erfordernis,
daß der Friedhüfsleiter eine Persönlichkeit ist, die neben prak-
tischen Kenntnissen künstlerische Befähigung besitzt, um für
jede vorkommende Aufgabe stets eine befriedigende Lösung
zu finden.
Schaubdd zum Wettbewerbsentw^urf für den Mannheimer Zentral-
friedhof. Von G. Gerstadt, Frankfurt a. M.
lüO
DIE GARTENKUNST
IX, 8
Zum Schluß möchte ich noch bemerken, daß dieser Friedhof
sehr rationell ausgenutzt werden kann. Es stehen ca. 14(t(luO qni
für Griiberflächen zur Verfügung, wenn für die Friedhofsgärten
etwa eine Einteilung gewählt wird, wie in der lieigegebencn
Einzelzeichnuns; des „Rosengartens".
Erläuterung'
zu dem mit dem IL Preise ausgezeichneten Eiitwuife
von F. Bauer, ^lagdebui-g.
Kennwort: Gimu uinl ^rüu.
Die reforniatorischen Bestrebungen auf dem Gebiete der
Friedhofsgestaltung sind noch nicht zum Abschluß gelangt;
denn die sogenannte landschaftliche Ausbildung, für die im
letzten Jahrzehnt viel Propaganda gemacht worden war, hat
im allgemeinen nur wenig zu befriedigen vermocht. Neuer-
Schaubild zum Wettbewerbsentwurf für den Mannheimer Zentralfriedhof.
Von G. Gerstadt, Frankfurt a. M.
dings greift man daher mit Recht auf die in früheren Zeiten
stets geübte und im Grunde genommen sachlich gegebene
tektonische Einteilung des Friedhofsgeländes zurück. Daß da-
bei die ausgiebige Verwendung des Pfhmzengrün nicht ver-
säumt werden darf, erscheint angesichts der stimmungsvollen
Bilder alter heimischer Friedhöfe, die uns bewußt oder unbe-
wußt als Ideal vorschweben, selbstverständlich. Das Grün soll
sogar bei der großen Ausdehnung der heutigen großstädtischen
Friedhöfe einen Haui)tfaktor zur großen Gliederung ebenso
wie zur Ein- und Abteilung auch im einzelnen abgeben. Seine
zweckmäßige und ansprecliende Anbringung und geschickte,
zielbewußte Anpflanzung ist Sache des Gärtners, der aber auch,
soweit es sich nur irgend ermöglichen läßt, der Natur ihr
immer wieder angestrebtes Rocht stellenweise lassen, ihr manch-
mal sogar dazu verhelfen sollte, ein Umstand, der sich eigent-
lich für die älteren Grabfelder von selbst ergibt, wo die gärt-
nerische Pflege ohnedies nachlassen muß.
Neben reicldichem Vorhandensein von Grün zeigen gute,
alte Friedhöfe noch ein zweites, heute besonders beachtens-
wertes Moment, nämlich die schlichte, dabei oft künstlerifsch
feine Formung der Grabdenkmäler im anspruchlosen, heimischen
Steiumatorial. Unaufdringlich und doch so stark wie nötig
sich abhebend von dem umgebenden Pfianzengrün, steht dort
ruhig und vornehm das warme Steingrau der gut gestalteten
tirabmäler. Ein gesunder, dem Zweck der Inschrifltafel ent-
sprechender Typ beherrscht die Formengebung, so daß auch
das massenhafte Zusammenstehen erträglich wirkt, keine Un-
ruhe, sondern wohltuende Harmonie erzeugt, Harmonie in
Form wie Farbe im äußersten Gegensatz zu den heute be-
liebten, so willkürlichen und bizarren Formungen in aufdring-
lichem, sehr kostbaren oder ganz schundigeu Material. Hier
müßten vor allen Dingen die Reformen zur Besserung des
Friedhofsaussehens einsetzen, dieser sinnlosen Willkür muß
tatkräftig gesteuert werden, der schlichte, prunklose Grabstein
muß wieder zu seinem Rechte kommen und Regel werden, da-
mit Ruhe und Farbenliarmonie wieder ins Friedhol'sbild
eintritt.
Im vorliegenden Entwurf ist neben mriglich.st
praktisclier Wegeführung auf die sachgemäße Ver-
teilung des l'flanzengrün das Hauptaugenmerk ge-
richtet worden. Natürlich können im Entwurf ülier
Bepllanzunucn und ihre Zusammenhänge mehr all-
gemeine Gesichtspunkte wie Besonderheiten, die
erst die ernstliche Ausführung ergibt, behandelt und
festgelegt werden. Jedenfalls ist hierbei stets der
Grundsatz innegehalten worden, größere Felder durch
Derkpflanzen zu umschließen und abzuschließen und
auch innerhalb dieser Teile das Gesichtsfeld durch
Einschieben von Pflanzenstreifen verschiedener Gestalt
und Größe stellenweise einzuschränken und räumlieh
oder nischenfürmig abzuteilen. Zu diesem Zwecke
k(innen neben reihenweisen Zwischenpflanzungen von
Sträuchern (Hecken), Baumsträuchern, selbst kleinen
Bäumen von einer der Örtlichkeit und sonstigen
Verhältnissen angepaßten Ausdehnung und Formung,
auch vorteilhafter Weise Geholzpflanzung mancher
ungepflegten, steinlosen Gräber vorgenommen werden.
Die Grabreihen sind durchgängig in koi^fseitig
i^usammeastolJonden Doppelreihen mit 1 m bzw.
80 cm breiten Zwischenwegen angelegt, ein Verfahren,
das sich vielerorts sehr bewährt hat. Zwischen
den Kopfenden der Gräber wären Zwischenflauzungen
von heckenartigem Cliarakter, mit dünnen Bäumen
und Sträuchern abwechselnd anzubringen. Der güns-
tigsten Sonnenlage gemäß sind alle Reihen möglich.st in Nord-
Südrichtung gelegt.
Bei Geländeeinteilung im GroLien war die Lage des Raumes
für Trauerfeierlichkeiten bestimmend, der als Ausgangspunkt
für die Beerdigungszüge nahezu in der Mitte des Friedhofs
angenommen ist. Fr wird vcm den lieiden Portalen an der
Sandhofer- und Lampertheimer.straße aus durch breite Baum-
alleen erreicht und liegt mit der Zugangsseite (Vorhalle) an
einer baumumschlossenen Wiesenflächo, dem auf der nächsten
Anhöhe auf terrassiortem Unterbau sich erhebenden Hochkrouz
gegenüber, liückscitig schließen sich an dieses Gebäude die
Tjoichenhallen mit Rampen zur Einbringung der Särge von den
üeförderungswagen der elektrischen Bahn, die auf dem kürzesten
Wege von der Sandhoferstraße aus hierher führt und nur an
zwei Stollen die Friedhofswege kreuzt. Südlich von den
Leichenhallen ist eine Bedürfnisanstalt vorgesehen.
Am llaupteingang Sandhoferstraße sind dio Verwaltungs-
und Wirtschaftsgebäude in V('rbindung mit einem pfeilerdurch-
brochenen Portalbau gebraclit; laubenartige Gänge setzen
diesen seitlich fort und dienen zum Schutz des wartenden
IX.
DIE GAHTENKUNST
161
rublikuins. Zu gleichem Zweck kiinu aucli die \'(iilialle des
Raumes für Trauerfeierlichkeiten benvit/.t: werden, .so dal! Türs
erste wold genügend in dieser Beziehung vorgesorgt ist. Der
innere Vorplatz bei den l'ortalbauten wird in ernst feierlicher
Weise von Pyramidenijappelnhalbkreisfurmig umschlossen, denen
breite, einfarbig bepflanzte Blumenstücke vorgelagert sind.
Den neben der Hauptallee rechtsseitig laufenden Fußweg be-
gleiten ebenfalls Blumenrabatten.
In der südwestlichen Kcke di's l'riedhofes liegt die
Ciartnerei mit den nötigen Bauten in der Gesamtgröße von
40 ar. Ein besonderes Einlaßtor für die elektrisclie Bahn dient
zugleich ilem Verkehr aller für den gärtnerischen Betrieb in
Betracht kommenden Fuhren, die man wohl gern vom Fried-
hofsportal entfernt halten wird.
Den zweiten wichtigen Anhalts- und Ausgangspunkt bei der
Geländeeiuteilung und Grabfcldervertoilung bildet der keilförmig
ins ebene Gelände einspringende Anhöheziig, der unter Wah-
rung seiner natürlichen Beschaffenheit dazu ausersehen ist, an
seinen Abhängen die bevorzugten Grabstätten, wie Grüfte und
Erbbegräbnisse aufzunehmen. Dieser Absicht entsprechend
soll die dichtere Kiefernwaldpflanzung der höchsten Punkte
nach unten hin in lockere, hainartige Gestaltung übergehen,
wobei durch stellenweise Anpflanzung anderer Koniferen und
Birken für größere Mannigfaltigkeit gesorgt werden kann.
Diese Waldanlage soll ganz schlicht und ohne jede Effekt-
hascherei aufgepflanzt werden, uud sich als Fortsetzung der
nahen Kiefernbestände unaufdringlich in den I'riedhof er-
strecken; die eigentliche gärtnerische Kunst soll sich nur mit
der wirksamen Einfügung der Grabstätten und deren Bepflan-
zung im einzelnen befassen. Zur Anlage teurer Begräbnis-
stellen wären auch die platzartig erweiterten Kreuzungen der
Ilauptwege geeignet, die natürlich, was Bepflanzung und räum-
liche Wirkung anbelangt, besonders reizvoll auszustatten
wären; in welcher Art das geschehen könnte, zeigen die bei-
gegebenen perspektivischen Zeichnungen.
Die Kiefernmasse der Anhöhe erstreckt sich, die WHese
umfassend, bis zur Hauptgebäudegruppe in des Friedhofs
Mitte und trennt im Verein mit den beiden Hauptalleen den
Friedhof in drei fast gleich große Teile, von denen jeder
mittelst streng zweckmäßiger (von der Mitte aus,strahlender)
Wegeführung in Grabfelder geteilt ist in einem aus Grabgröße
und örtlicher Sterblichkeit sich eingebenden Flächenverhältnis.
Durch die verschwenderische Größe des Kindergrabes —
wie sie die im Programm angegebenen Maße ergeben — geht
viel Beerdigungsfläche verloren (anderwärts beträgt das Grah-
maß für die in der Mehrzahl sterbenden kleinen Kinder nur
1 qm). Der Friedhof wird vor Ablauf einer mittleren Liegefrist
(2.Ö — 30 Jahre) selbst bei stärkster Ausnutzung der Flächen für
Reihengräber belegt sein. Er kann nach vorliegendem Ent-
wurf etwas über .50 000 Reihengrab.stellen aufnehmen lohne
rund 4000 Familiengrab- und Gruftstellen), mithin wäre er
bei Aufnahme von 3000 Leichen jährlicli in 17 — IS .Jahren
belegt.
Die l'amiliengräber sind nur zum kleinen Teil entlang
einiger Hauptwege an Stellen günstiger Sonneulage angeordnet:
die meisten sind dagegen zu größeren zusammenhängenden
(^»uartieren in der Nähe der Eingänge vereinigt, wo gangartige
und pilatzförmige Anordnungen abwechseln. Die Anzahl der
Einzelstellen der Familiengräber beträgt 3700, also '/u Jer
Gesamtzahl aller Gräber.
Die Auswahl der Bäume und Sträucher muß sich natür-
lich den dortigen Bodenverhältnissen anpassen und auf im
Sandboden sich gut entwickelnde Gehölze beschränken. Für
die Hauptalleen ist eine kräftig wachsende, vollkronige lUmen-
art angenommen. Zu beiden Seiten der Kiefornhöhi» sollen
Birkenalh'en in nachlässig gesetzter Reihung führen. Die ein-
seitige .\llec von der (Särtnerei nach der südlichsten Spitze des
{■"riedlKifi-s scjII aus ungeschnittenen Kugelakazien gebildet
werden. Auch sonst sollen, wo nur angängig, wie auch im
Plan vielfach angedeutet, schattige Gänge aus Hochsträuidicrn
uml kleinen Bäuiuen angelegt werden (Hainbuche, .\horn,
llollunder, Sjringen). Besonders den rundführenden Fahrweg,
der vom Haupteingang ausgehend sich bis zur Lamperthainer
Straße hinzieht, begleite seitlich ein sch.attiger Fußweg, dessen
Bepflanzinig sich mit der Zeit dachförmig schließen soll. Bei
zusammenhängenden Pflanzungen herrsche eine Art stets vor,
die jedoch stellenweise unterbrochen, d. h. untermischt werden
kann. Manche Wege und Gänge .sollen auf diese Weise ein
stark charakteristisches (.iepräge erhalten, das sehr das Zurecht-
finden auf dem Friedhofe erleichtern wird. Lange, etwas
gleichförmige Wegefluchten sind hier und da, hesonders bei
Wegekreuzungen oder -abzweigungen durch geeignete Baura-
gTuppc'n oder vorgesetzte Sträucher für den Blick abzuschließen
oder zu unterbreclien, auch Brunnenplätze können hier reiz-
volle Abwechselungen bilden. Im übrigen wären die Brunnen
reichlich im Innern drr Graljfelder. von allen Richtungen leicht
zugänglich anzulegen (Grund für die öftere Benutzung der
Iiiagon.-dwege) und zugleich als schattige, angenehme Ruhe-
plätze auszubilden.
Für Erdaufbewahrung, Komposthaufen und als .\braum-
lager soll der Platz hinter den Leichenhallen, sowie der an
der Südecke bei der Lampertliaiuerstraße angegebene Platz
dienen; ratsam wäre allerdings, je nach der Inangriffnahme der
Belegung, auch an anderen Stellen für diesen Zweck Vorsorge
zu treffen.
Die Anlage des Friedhofes wird am praktischsten in drei
Abschnitten erfolgen im Anschluß an Haupteiugang, Gärtnerei
und Leiclienhallen, doch läßt sich auch bei|uem eine Vier-
teilung der Arbeitsfolge vornehmen.
Ei'läiittM'Uiijisbei'iclit.
Zu dem mit dem Hl. Preise ausgezeichneten Entwurf
\-on H. Gerstadt-Frankfurt a. M.
Kennwort: Man kann's auch so machen.
Im vorliegenden Entwurf wurden die meisten Erfahrungen
auf dem Gebiete moderner Friedhofsanlagen in jeder Beziehung
berücksichtigt. Das Hauptaugenmerk richtete sich auf die
praktische Einteilung unter Innehaltung des parkartigen Ge-
samtbildes.
Das Programm, das nicht durch enggezogene Grenzen dem
Schaffenden in dem Entwurf schon hindernden Zwang auflegt,
stellt das begründete Verlangen nach einer reichlich abge-
messenen Vorfahrt. Dem ist der Entwurf in weitem Maße
entgegengekommen, durch die Anlegung des Haupteingangs
rechtwinklig zum Sandhoferweg, wodurch die einspringende
Ecke dort ihre störende Wirkung verlor. Durch die Ab-
schwenkung aus der Richtung des Hauptaufschlußwegs ist der
Blick zur Leichenkapelle von der Verkehrsstraße aus genommen
und der Eingang erscheint als ein Ganzes für sich, was ihm
einen vornehmeren Charakter gibt, als wenn bei Innehaltung
der Aehsenrichtung der Eingang nur als das eine Ende des
Hauptwegs erscheint und in vorliegendem Falle die Zurseite-
schiebung des Hochkreuzes bedingt hätte, wenn es nicht in
162
DIE GARTENKUNST
IX, 8
der Mitte des Wegs sperrend seine Aufstellung gefunden hätte.
So bildet das Hochkreuz den Abschluß des Eingangs, wo es
über dem Blumenbeet liinter einer Brunnenpartie im grünen
Rahmen heimischer Laub- und Nadelhölzer dem Eintretenden
den Ernst und die Würde des Orts vor Augen führt.
Von dem vor dem Hochkreuz gelagerten und mit einigen
Birken bestellten Platz zweigen die in den Friedhof führende
Rundwege ab.
Die Gärtnerei mit Gärtnerwohnung. Wirtschaftsgebäude,
Wettbewerbsentwurf füi
den Mannheimer Zentralfriedhof.
Düsseldorf (angekauft).
Gewächshäu.ser mit kalten und warmen Abteilungen, Schuppen,
Früh- und Anzuchtsbeeten usw. ist rechts von dem llauptein-
gang angeordnet. Sie ist leicht zugänglich' und doch durch
starke Vorpflanzung den Augen der Friedhofsbesuchar entzogen.
Es erscheint zweckmäßig, ihr, wie geschehen, einen eigenen
Zufuhrweg zu geben. Links von dem Eingang, dem Wirt-
schaftsgebäude gegenüber, befindet sich das Verwaltungs-
gebäude.
Die von der schon erwähnten Brunnenpartie gerade nach
der Leichenkapelle führende Fahrstraße (Hauptaufschlußweg)
ist absichtlich ohne Alleepflanzung geblieben um den groß-
zügigen Charakter sowie den Blick nach der Terrasse mit
Leichenkapelle frei zu erhalten. Man vermeidet neuerdings
die Bepflanzung der Hauptalleen in Friedhöfen aus verschieden
berechtigton Gründen und erkennt an, daß auch breite Straßen
ohne Bäume durch Anlagen schön sind. Wird aber früher
oder später eine Allee gewünscht wo der Entwurf den freien
Hauptweg vorsieht, so kann sie stets leicht angebracht werden.
Empfehlenswerter ist jedoch die Einfügung einzelner pyramiden-
artiger Bäume und Gohc'ilze in die Randpflanzung zu beiden
Seiten der Mittelachse.
Rechts und links des Haupt-
wegs sind in (juadratischer
Form Familiengräber, jeweils
durch Pflanzung gedeckt, an-
gebracht. Hinter diesen grup-
pieren sich Reihengräber für
Erwachsene und Kinder,
die wieder durch kräftige
Pflanzungen nach außen ge-
deckt und im Innern ilurch
Pfhmzungcn den Reihen-
grabflächen nacli wesentlich
gekürzt sind. Hierdurch ist
mit der sonst üblichen Art,
die Keihengräber nvir nach
außen hin abzuschließen, um
im Innern desto mehr die
kahle Öde eines langgestreck-
ten sog. Gottesackers zu
haben, gebrochen worden.
Dem Hauptweg sind größere
Plätze eingefügt, in denen
Rasenstücke oder Blumen-
parterro mit Bassins, Figuren
usw. liegen. Hinter der
größten Zieranlage des
Hauptwegs, wo dieser den
ebenen Teil des Geländes
verläßt und in sanfter .Stei-
gung bis zur Ti'0|ipe der
Terrasse führt, liegt links
ein Rosengarten, der Ab-
wechslung in das Bild brin-
gen, ästhetisch wirken und
die einsame I'^ricdhofsstim-
mung abschwächen soll. Der
Rosengarten ist in seinen
Grenzen so gehalten, daß
er gegebenenfalls als Gräber-
feld oder Birkenhain an-
gelegt werden kann. Gegen-
über dem Rosengarten an
der östlichen Abflachung
Kidibuckels befindet sich ein
Urnenhain gedacht ist.
Die Allee, die sicli vor dem Rosengarten und Birkenhain
zu beiden Seiten des Hauptfahrwegs abzweigt, bildet in
ihrem östlichen Teil den Zugangsweg vom Nebeneingang an der
Lampertheimerstraße. Sie ist mit Ulmus fastigiata Dampieri
Wredei (goldgelbe Pyr.imidenulme) be[iflanzt gedacht, durch
deren konstante goldgelbe Belaubung ein hübsches Bild er-
zielt wird.
Der .") m breite Umführungsweg ist aus Kreisbogen und
Geraden verschiedener Richtung gebildet, was eine größere
Von R. Hocmaun,
der vorgesti'ecktcn Zung
Birkenhain, der als Grüfte
des
und
IX, 8
DIE GARTENKUNST
163
Ausnutziint; des verfügbaren Geländes
zuläßt und dem Verfasser wohl nicht allein
besser gcfidlt als lange gleichlVlrniige
Bogenstücke oder gar Bretzelwege.
Hinsichtlich der übrigen Wege, die
der Anl'schließung der Fläche zu ihrer Be-
stimmung dienen, wird auf den llau[itplan
verwiesen. Es sei hier nur betont, daß bei
allen Wegen lange Durchblicke veruiieden
sind durch eingeschobene l'lätze mit
schönen Endbildern, wodurch die Vor-
teile praktischer Ausnutzung mit denen
rein hnidschal'tlicher Anlage günstig ver-
eint sind. Die Wegfiihrung am Kuli-
buckel lehnt sich fa.st vollständig dmi
Gelände an, so daß ein gnlßerer I'jmI.
trausport erspart geblieben ist.
Die Leichenkapello steht auf einer
Terrasse, die sich 1 m hoch von dem
übrigen Gelände abhebt und von der
Hauptstraße durch eine Treppe, sowie
2 Auffahiten zu erreichen ist. Die Ter-
rasse selbst ist mit Linden bepflanzt.
Die elektrische Bahn für den Leichen-
transport ist dem Programm gemäß in
einfacher und nicht störender Weise an
der Leichenkapelle geführt
Schaubild zum Wettbewerbsentwurf für den Mannheimer Zentralfriedhof.
Von E. Hoemann.
der Mauer entlang zu
Die Steigung, die hier schon an
sich sehr gering ist, wird durch das von der Bahn zu um-
fahrende Rondell am glücklichsten überwunden, wodurch auch
die Ab- und Zufahrt geregelt ist.
liechts und links der Terrasse führen Treppen in je einen
mit bevorzugten Gräbern und (Srüften belegten Teil. An der
weiteren Ausdehnung der Anhöhe wurden waldparkartige Teile
geschaffen, in denen kleinere Plätze mit bevorzugten Gräbern,
Familiengräbern und auch Grüfte vorgesehen sind. Solche
Plätze sind gesucht und werden auch gerne dem Ort ent-
sprechend bezahlt. Durch diese Partien führen, wie der Ent-
wurf zeigt, selbstgetretene Pfade, die in einiger Zeit durch die
naturgemäße Gangart und Führung durch die Gräberfelder
entstehen. Für die Bepflanzung sind an den Wegen und ein-
zelnen Gräberfeldern entsprechende Pflanzungen aus Koniferen
und immergrünen Sträuchern, sowie
aus heckenartigen und blühenden
Sträuchern gedacht. Die Alleen und
Schattenbäume sind aus Linden, Ulmen,
Platanen usw. vorgesehen. deren
Auswahl selbstver-ständlich nur in den
künstlerischen Geschmack des Aus-
führenden liegt. Bemerkt soll aber noch
werden, daß Roßkastanien bei der Bc'
Pflanzung zu vermeiden sind im Hinlilick
auf ihre schädigende Wirkung auf weißen
Marmor.
Hallen zum Schutze des Publikums
sind an den Plätzen in genügender Zald
und Größe vorgesehen, sowie sonstige
Steinbänke, Brunnen usw.
Die Bewässerung, ein für den Fried-
hof sehr beachtenswerter Punkt mui.l
mittelst Hydranten erfolgen. An den
Umfassungs wegen der Eeihengräber und
im Inneren der waldparkartigen Teile
in angemessener Entfernung, gedeckt durch die Bepflanzung,
Zapfstellen angebracht sind.
Die Unterbringung von Sitz- und Schmuckplätzen entlang
der Wege und an deren Kreuzungen ist aus dem Plan
genügend ersichtlich.
Stiidtiselie Miet^ärten in Müiiclieii.
N.ach Mitteilungen vom Stadt. Bauamtmann L. Schachner,
München.
In dor Sitzung de.s Münchener Gemeindekollegiums
vom 27. Miirz d. Js. fand ein Magistratsantrag die end-
gültige Zustimmung der Gemeindebevollmächtigten, der
sind Rohrleitungen zu legen, an denen
Schaubild zum Wettbewerbsentwurf für den Mannheimer Zentralfriedhof.
Von R. Hoemann.
164
DIE GARTENKUNST
IX, S
für die Einrichtulm' von Miet(Schrclicr)gärton ciwi
stiidtiscliem Gelände die Bewilligung von 25 000 Mark aus
öffentlichen Mitteln forderte. Damit fanden Anregungen
ihre vorläufige Erledigung, die die städtischen Verwaltungs-
körperschafton Münchens schon eine Reihe von Jnhrt'n be-
schäftigt hatten und nach den mir vorliegenden Blättern
der amtlichen „Müncheuer Gemeindezeitung" bis zum
September 1900 zurückreichen.
Bei den Verhandlungen über die Angelegenheit traten
Wettbewerbsentvvurf für den Mannheimer Zentralfriedhof. Von U. l!r:ib;in
Herrenhausen angekauft).
vielfach Bedenken zutage, die teils davon ausgingen, d;ili
derartige Bestrebungen l)ei der Münchener Bevölkerung
keinen geeigneten Buden finden würden, teils dali es
nicht Sache der Gomeindo sei, sondern privater Fürsorge
überlassen bleiben müsse, solche Angelegenheiten zu
betreiben. Erst 1905 eutschlofi man sich niiigistratseitig
der Sache ernstlich näher zu treten und eine kleine
Kommission, dem Wunsche des Gcmeind(d<ollegiums ent-
sprechend, mit der Behandlung der Angelegenheit zu
beauftragen.
Das Ergebnis war zunächst eine Studienreise nach
Leipzig und Berlin zur Besichtigung der dortigen Schreber-
gärten uml Laubenkolonien. Der hierüber erstattete Reise-
bericht ist sehr lehrreich und lautet unter Woglassung
unwesentlicher Teile wie folgt:
Zufolge Beschlusses des Magistrats vom 19. Sep-
tember 190.5 wurden Ma.gistratsrat Schlicht und Bau-
amtmann Schaclmcr lieauftragt. die Schrebergärten in
Leipzig und dii' Laubenkoinnien in Berlin und Umgegend
zu besichtigen. Dom von ihncMi erstatteten Bericht ist zu
entnehmen:
Sowohl in Leipzig wie in
Berlin wurde der Art der An-
lagen, sowie den technischen
h^inrichtungen derselben (Umzäu-
nungen, Brunnen, Spielplatz-
und Weganlagen usw.) spezielle
Aufmerksamkeit zugewendet, um
die gewonnenen \\'ahrnehmungen
in nutzbringender Weise auch
bei den in München eventuell zu
eri-ichtonden Mietgartenanlagen
bestens verwerten zu können.
Die Leipziger Mietgärten,
allgemein unter dem Namen
Schrebergärten bekannt, befinden
sich in fast allen Stadtteilen. Die
ersten derartigen Anlagen wurden
im Jahre 1832 von der Stadt
Leipzig errichtet, damals haupt-
sächlii'h aus dem Grunde, um
den ärmeren Bewohnern durch
Gartenbau eine nützliche und
anregende Beschäftigung zu ge-
währen, jedoch datiert die weitere
Ausgestaltung und Verbreitung
der Mietgärten erst aus dem
.Anfange der 00 er Jahre des
vorigen Jahrhunderts. r)er Be-
griindor und Hauptfrirderer der-
selben war der im Jidire 1861
verstorbene Leipziger Arzt r>r.
Schreber, welcher in erster
Linie die Schaffung von Jugend-
spielplätzen anstrebte, an welche
sich dann die Mietgärtchen
anglii'dorten. I.)ie nach ihm lie-
nannten Spielplatz- und Garten-
anlagon fa.nili'ii ilon lioitall Wolter Kreise der Bevölkerung.
Zurzeit bestehen in Leipzig und nächster Umgebung
rund 6000 kleine .Miotgärten. Die Mehrzahl derselben —
rund 5000 — ist auf städtischem Grunde errichtet, während
der Rest von rur.d lOOO Gärten auf Privatgrüntien ango-
gelegt ist. Die Sta,dtgemeinde Leipzig, welche der ;\nlngo
von Schrebergärten reges Interesse entgegonbi'ingt und
alle einschlägigen Bestrebungen nach Möglichkeit fördert,
hat zum Teil dii> Herstellung der Schrebergärten solb.st in
die llaini uenoniineii und führt sie in städtischem l>e-
trieb, zum Teil hat die Stailt größere Flächen gemeind-
lichen Areals an Sehreberveroine vorpachtet, welcln^ ihrer-
IX, 8
DIE GARTENKUNST
165
soits das Land in kleinorpn Abt('ilun,a,-en an ihre U'ü-
glicdor weiter verpachten und für die allgemeinen Ein-
richtungen Sorge tragen. N\'" die Stadt die Anlage
seihst errichtete, iimgal) sie die geeigneten Grundstücke
Bei vielen Anlagen befinden sich Turnspielplätze, sowie
klrini' Hallen und Wächterhäuschen, auch wurden wiederholt
(larlenwirtschalien und kleine Vereinsgebäude angetroffen.
Für den Fall die üartenpächter ihr Pachtgrundstück
mit Drahtnetzzäunen, stellte M'cge und Turnplätze her abgeben, werden die iMinachtungen und Pllanzungen gegen
und sorgte für die Anlage von Brunnen bzw. für Abirisun,i;ssuinnien hieifür von dorn Pachtnachfolger über-
dii' Zuführung der Wasserleitung usw. r>ie Herstellung nommen. Es ist, wie dies Bielefeld in seinen Abha.nd-
der Umfriedung der einzelnen Gärten überließ sie den hingen über Arbeitergärten (Zeitschrift für Armenwesen,
Pächtern derselben. Die Gärten
haben durchschnittlich eine
Größe von 150— 2ÜÜ qm. iJei-
jährliche Pachtzins beträgt bei
den von der Stadt errichteten
Anlagen je nach der Lage der
Gärten in den einzelnen
Stadtteilen (S — 11 I^fg. pro qm.
während bei den an ilie
Schrebervereine verpachtetiui
Ländi-reien 2'/2 — lU Pfg. l>ro
qm Pachtzins in Anrechnung
gebraciit wurden, je nachdem
das für Wege und Spielplätze
verwendete Areal mitbezahlt
wurde oder nicht. E>ie Nach-
frage nach den Gärten ist
fortgesetzt sehr rege, auch
hat die Stadtgemeinde mit
der Verpachtung der Lände-
reien gute Erfahrungen ge-
macht,
[lie verschiedenen, von
der Kiimmission besichtigen
Gartenanlagi'n machten durch
wegs einen günstigen Ein
druck. Dieselben waren sauber
gehalten und gut gepflegt.
Bei den älteren .Anlagen
waren Bäume und Sträucher
ziemlich hoch gewachsen und
boten einen hübschen An-
blick; dieselben sind zum Teil
als Ziergärten ausgebildet,
zum Teil zur Obstkultur ver-
wendet, so insbesondere die
in der Nähe des .Johannisspitales gelegenen Gärten. Auch .5. Jahrg., No. 8) erwähnt, vom volkswirtschaftlichen Stand-
bei den in neuerer Zeit angelegten Gärten finden sich punkte aus betrachtet hierbei allerdings der Mißstand hcr-
Wettbewerbseiitwurt zum Mannheimer Zentralfriedhof.
0. Gaedt, Kiel (angekauft).
Von K. Hoening und
gleichfalls größere Baumpflanzungen und Obstkulturen,
doch wird in denselben neben der Blumenzucht über-
wiegend Gemüsebau betrieben. F\ist in jedem Gärtchen
ist ein Gartenhäuschen oder eine Laube errichtet, auch
fehlt selten ein kleines Aborthäuschen. DiePäkalien werden
zur Düngung der Beete verwendet. r>as Wasser zum
Begießen der Beete entnehmen die Gartenpächter zum Teil
edn auf ihren Pachtgrundstücken von ihnen selbt aufge-
stellten Tonnen und Reservoirs, in welchen die Nieder-
schlagswasser gesammelt sind, zum Teil den allerorts lie-
vorgetreten, daß bei fortschreitendem Alter der Gärten ein
Nachfolger oft mehrere hundert Mark Entschädigung b vv.
Einrichtungs- und Anpflanzungsablösung an den Vorpäc ter
zu zahlen hat, was, wenn auch die Ablösungssumme dem
Werte entspricht, doch die L'nmöglichkeit der Übernahme
solcher Gärten durch Minderbemittelte mit sich bringt.
Die Stadtgemeinde, sowie die einzelnen Schreberverein;'
haben auf Gruud langjähriger Erfahrungen Pachtverträge
imd Gartenordnungen aufgestellt, um den Betrieb und die
Bewirtschaftung der gemeinnützigen Anlagen zu regeln.
findlichen, nächst den Wegkreuzungen angelegten Brunnen Ein Exemplar des derzeit geltenden Pachtvertragsformularcs
oder Wasserleitungshydranten. des Rates der Stadt Leipzig befindet sich bei den Akten.
166
DIE GARTENKUNST
tX8
Während die Leipziger Sclirebergärton den Eindruclc
dos Stabilen, des für liingoro Zeit geschaffenen machon
und auch die besondere gemeindliche Fürsorge erkennen
lassen, erscheinen die Berliner Mietgarti>nanlagen in der
Mehrzahl, insbesondere soweit sie niichst der Be-
bauungsgrenze der Stadt liegen, als Provisoria. l'ie
Berliner Mietgärton, unter dem Namen der Lauben-
kolonien weit und breit bekannt, sollen ihre Entstehung
nach einer Notiz in der Berliner Zeitschrift „lU'r Laulien-
kolonist" (19(J5. Seite (37) einer in früherer Zeit (den
Gründerjahren) bestehenden Wohnungsnot verdanken,
welche eine Reihe \\'ohnungsloser ver.anlallfc halieu soll,
vor der Stadt auf freiem Felde Buden zu errichten und
dort zu kampieren. Dio Laubenkolonien sind in erster
Linii' Arl)eitergärten, sie haben nicht den i)ürgerlichen
Anstrich der Leipziger Schwesteranlagen. Ihr Hauptzweck
scheint auch hauptsächlich im Nutzbau zu liegen.
Wer mit der Berliner Stadtbahn den Nord- und Süd-
ring befährt oder mit den Vorortzügen dem Lärm der
Stadt entflieht, sieht zu beiden Seiten, in der Mehrzahl
jedoch auf der der Stadt abgewendeten Seite, große Ge-
ländeflächen mit kleinen Gartonanlagen, den Laubenkolonien-
bebaut. So befinden sich solche u. a. in griißerer Aus,
dehnung besonders an den Außenseiten der Ringstrecke
zwischen Bahnhof Landsberger Allee und Bahnhof Weißen-
see, sowie bei Rummelsljurg. E)ie meisten dieser Kolonien
sind auf privaten Grundstücken, ein verliältnismäßig ge-
ringer Teil auf Ländereien der Stadt Berlin angelegt; im
ganzen sind zurzeit zirka 150 ha Terrain mit Lauben-
kolonien bebaut. Dio Stadtgemeinde Berlin befaßt sich
nicht mit der Anlage und dem Betriebe von Mietgarton-
anlagen, sondern sie verpachtet nur zu diesem Zwecke
geeignetes Ackerland .an Privatunternehmer mit der Befugnis
zur Weiterverpachtung und zur Einrichtung der Lauben.
Diese Pachtverträge werden von der Stadt nur auf drei
Jahre abgeschlossen. Es bestehen spezielle allgonieino
Pachtverträge, welchen in der letzten Zeit besondersnoch eino
Bestimmung dahingehend beigefügt wurde, daß auf den
Gartenplätzon keine Spirituosen feilgeboten werden dürfen
und auch seitens der Pächter in koiner Weise ein L>ruck
auf die Unterpächter bezüglich der .\lin;ihme geistiger Ge-
tränke ausgeübt werden darf. Die Verpachtung der Lände-
reien mit der Erlaubnis zur Einrichtung von La,uben-
kolonien erfolgt durch öffentliche Ausljietung odw' auch
in engerer Konkurrenz unter liekannten unii geoln-notcn
Unternehmern unter mriglichstem Ausschluß von Schank-
wirten. Mit den Versteigerungi'n hat di(^ StadtKonicinde
ein einträgliches Geschäft gemacht, da sie mehrfach den
fünffachen Betrag des Pachtzinses für gowühnliches Acker-
land erzielte.
Meistenteils übernimmt cmu Generalpächter das ganze
ausgebotene Terrain, teilt es auf, stellt Wege. Brunnen
und Umzäunungen (meistens Drahtnetzumzäunungen) usw.
her und vergibt nach Wunsch kleinere oder größere Par-
zellen an Unterpächter ab. Dio Größe der Gärtchen
.schwankt zwischen 20-30 U R = ,300 bis 4.50 mi"-
Gleichwie dies in Leipzig der Fall ist, sind auch hier in
in den meisten Gärten Hütten und Laubon errichtet (man
sieht auch alte Eisenbahnwagen und Omnibusteilo zu
Hütten umgestaltet); besonders fällt die große Zahl von
Fahnenstangen auf, an welchen Fahnen und Wimpel aller
.^rt meist mit Bezug auf den Namen der j(>weiligen Kolonie
flattern. Die Abgrenzung der einzelnen Gärtchen ist
gegen,' die Wege zu fast durchweg durchgeführt, zwischen
den Gärten fehlen jedoch Abgrenzungen und Ziiune des
öfteren. Wie bereits erwähnt, beschäftigen sich dio Kolo-
nisten meistens mit Gemüsebau. Größere Bäumo und
Strauchgruppen fehlen, was besonders auf die beroils ein-
gangs erwähnte Veränderlichkeit der Anlagen zurückzu-
führen ist. Nach Aussago von Kolonisten verwenden diese
die Produkte der Gärten zum Teil für sich selbst, zum
Teil verkaufen sie dieselben und erzielen hiermit sehr
gute Einnahmen. Die Pachtpreise für die Quadratrute
schwanken je nach der Lage und voraussichtlichen Dauer
des Beslandes der Kolonien zwischen 80 und GO Pfg.. be-
reclnien sich sonach für den Quadratmetor auf zirka 2 bis
4 Pfg. Hierbei muß allerdings erklärend beigefügt sein,
daß die ganze Ausgestaltung nach der Lage der Verhält-
nisse wesentlich primitiver als in Leipzig ist und daß bei
der Preishöhe speziell die kurze Verwendungsdauer der
Gärten von nicht unwesentlichem Einfluß ist.
Noch mehr als in Leipzig spielt die Geselligkeit und
das Vereinsleben bei den Berliner Kolonien eine Rolle,
was insbesondere aus den vielen Versammlungsberichten
in der Vereinszeitschrift „Der Laubenkolonist" ersichtlich
ist. Erntefeste, Ausstellungen der Gartenprodukte, Tanz-
feste, besonders aber auch Wirtschaftsfragen führen die
Laubenkoloniston zusammen.
Während eine große Zahl der Laubenkolonion die
Vorläufer der fortschreitenden Ausdehnung der Bebauung
der Umgebung Berlins und seiner Vororte sind — solche
Anlagen liefinden sich oft unmittelbar neben Neubauten
oder Terrains, welche für die Bebauung bereits vorbereitet
sind — , hat neben einigen anderen großen Kolonien be-
sonders ein Zweigverein des Roten Kreuzes, der Vater-
ländische Frauenveroin Charlottenburg, große Anlagen von
Arbeitorgärten auf Ländereien errichtet, welche vom Magist-
rat der Stadt Charlottenburg, zu äußerst günstigen Be-
dingungen gepachtet wurden. I>iose liegen im Westend
an der Kaiscn-in AiigustaAllee, sowie der GsnabrückiM-
Straße, die größten und bestausgestatteten in der Jungfern-
heide. ( Kortset/.uns folgt.)
\y,\s l!(»senlVst zu Maiiillieiiii.
Im Nibelungensaa,! des städtisciien Kosenga.rtens ver-
anstaltete Mannheim am 22. Juni d. Js. — um die Zeit
der Sommersonnenwende — ein Festspiel in großem Stil,
wio es wohl in gh^chem Rahmen selten abgehalten wird:
ein Rosenfest. Sein ( li'iindgedanke war; Mit Reigen und
Gesängen huldigen die Rosen ihrer Königin. Fanfaren
kündeten ihr iM'scIieinen an und ein nMches Gofolgo führte
sie nach dinn Königsthron in dei- Mitte des Podiums.
Schäfer und Schülerinnen — lieliliche Kindergruppen —
begannen die Huldigung; rote und weiße Rosen und Rosen-
IX, 8
DIE GARTENKUNST
167
knöspchen setzten mit einem Rosenwalzer und Rosen- desSaalesdurcli die Iteivoration lieiter und lustig zu ergänzen,
knospenreigen ein. Prinzessin Mai und Prinz Waldmeister ohne Fremdkörper in die Formenwelt des Saales zu bringen,
mit Gefolge erschienen vor dem Thron; auch Veilchen, mit anderen Worten also den gegebenen Motiven in jeder
Kornbhiraen, Feldmohn und andere Blumen brachten ihre Weise nachzugehen und sie durch den Blumenschmuck
Huldigung dar. Eine Schmetterlingsgruppe und eine Hui- zu heben. Auf dii'se Weise mußte der Rahmen
digung des klassischen .Mtertums (Ballett aus Glucks für das liebliche Tanz- und Blumonfestspiel geschaffen
Au.sscliuiückuiifj; des Nibelungen-Saales im Rosen.i;arten zu Mannheim ,i;elegentlich des Kosenfestes am 22. Juni d. J.
Iphigonie) waren reizvolle Vorführungen voll feiner Poesie und
Stimmung. Den Beschluß bildete die Vereinigung aller
Mitwirkenden (etwa 300 Personen) zu eiiu'r Gesamtgruppe,
die sich in Reigen und kunstvollen Figuren fortgesetzt
wandelte, und endlich klang das Festspiel in einer Rosen-
polonäse aus.
r)er ernste Nibelungensaal, in dem der Flrbauer —
Bruno Schmitz — durch den prächtigen Nibelungen-
fries eine Ideenverbindung geschaffen hat zwischen der
sagenhaften Vergangenheit und der alten Flurbi'zeichnung
des Geländes — Rosengarten — , auf welchem dieser
stolze Festbau Mannheims errichtet worden ist. hatte zu
diesem Rosenfeste eine prächtige Ausschmückung er-
fahren. Sie war von R. Flügel-Köln unter Mitarbeit des
Architekten Kurt Hoppe- Mannheim entworfen und aus-
geführt. Man war dabei von fdlgenden Gesichtspunkten
ausgegangen: Es galt, die ernste, last nüchterne Architektur
werden, und daß das nichts anderes als ein „Rosen-
garten" sein konnte, verstand sich ohne weiteres von
selbst, ein Rosengarten, von dem das Wormser Rosenlied
sagt: „Der hatte keine Mauer, kein Wasser ihn umfloß, es
war nur eine Borde von Gold, die ihn umschloß." Die
mächtige Saaldecke wurde mit breiten rosa Rosengurt-
bögen, auf Hex gebunden, in der Weise dekoriert, daß die
eigentliche Etecke zu verschwinden schien und das Ganze
als eine mit einzelnen Rosenbogen überspannte riesige
Rosenlaube erschien. E>adurch wurde eine Steigerung der
an sich schon gewaltigen Raumverhältnisse hervor-
gebracht, die noch erhöht wurde durch die Ausschmückung
der Beleuchtungskörper. Diese waren durch dunkel-
rote Rosongirlanden, ebenfalls auf Hex gebunden, zu
mächtigen, in den Raum hineinhängenden Prunkstücken
ausgebildet. Grüne Bänder, welche die Blumengewinde
hielten, verliehen ihnen einen besonders pikanten Parbenreiz.
ir.8
DIE GARTENKUNST
IX, 8
Einer goldcnon Borde glich die Brüstung der oberen
Galerie, die mit einem dichten Gehege von goldgelben
Rosen überwucheri war und in das Ganze ein zusammen-
haltendes Motiv brachte.
Die Brüstung der Empore war ebenso wie die Pfeiler
lind Bogen zunächst mit Tannengrün überzogen: Dadurch
entstand eine sehr wirkungsvolle Einheitlichkeit. Von
ihrem grünen Unters;rund hoben sich die lockeren rosa
bestockte und mit frischen Rosen reich dekorierte Logen
verkleinert und intimer gestaltet, und dadurch eine gute
Abgrenzung des Raumes für die Tänze, die zumeist in
der Mitte des Saales stattfanden, geschaffen. Im Hinter-
grund der Umgänge und Galerien waren die Wände
teils mit ernstem Kirschlorbeer, teils mit lustigem Birken-
grün geziert, so daö die eigentliche Umfassungsmauer
fast gar nicht in Erschoinunc; trat.
Ausschmückung des Nibelungen-Saales im Ivosenearten zu Mannheim gelegentlicli des Rosenfestos am 22. Juni d. .1.
Rosonranken, mit deni'u die Brüstung der I^mpuro iil)er-
wachsen war, ab, während die unteren Bogen der Estrade
durch dunkelrote Rosen zu lauschigen Lauben ausgebildet
waren. L)ie mächtigen Pfeiler, mit Tannimgrün umkleidet,
waren nur am Kai)itäl dui'ch eine mit weilien Rosen ge-
bildete strenge Verzierung geschmückt, von der aus an
d(Mi Ecken weifie Stoffbändcr, die Säulenform(>n betonond,
mich unten geführt waren. I »ie Säulcnkapitiile bildeten
zugleich den Ausgangspunkt der Dekoration der Gewiilbe-
bogen und Bcdeuchtungskörper über der Galerie, wie das
Bild zeigt, ein recht wirkungsvolles Dekoraiiiuisniotiv.
In den Pfoilerbogc^n waren mächtige lldizampeln mit
weißen Rosenfülliuigen aufgehängt und bildotrn zu den
Belouchtungskörporn eine wirksame Ergänzung.
Der Saal selbst wurde durch breite mit Tannenreisig
Besondere Liebe war der Ih^koralion di's Podiums
gewidmet, das als .\usgangspunkt drr Auftiilirung so-
wohl wie als Kopfstück der Iiekdralinn kraflvoll in
Erscheinung treten mulito.
Zwiilf kriirtig(^ Birkenstäranu^ a,n die zwölf Helden
der Rosi'ngartensage, dio Hüter des Rosengartens, erinnernd,
liildeti'R einen slimmungsvollen Rahmen für den Thron
der Resenkririigin. Je sechs von ihnen iinislanden einen
knorrigen, sog. tausendjährigen RosiMistoek, \(in ib^niMi der
eine roten, der andere mit weilien Tausenden von Blüten
geschmückt war. Das Ganze war vim einer Rosenhecke
aus kräftig blühentÜMi Crimscui Rambler umzogen, die in
der Mitte eine Art Rosenlaubo bildeti' und den Thron der
Königin barg, während an den SeitiMi ilii' niihlühendo
Hecke einen direkten Übergang zu den niil dunkelroton
IX, 8
DIE GARTENKUNST
169
Rosen dekorierten Bogonlauhen der Estrade liildote. Da-
durch war nicht nur eine organische Yerliindung zwischen
dorn Saal und dem Podium geschaffen, sondern auch ein
reizvoller Rahmen für die Gruppen iioblicher Menschenkinder,
die sich auf der Bühne liewegten.
Die Umfassungswände der Kühne waren als mächtige
dunkle Tannenwand ausgebildet, woraus sich in der Mitte
die Orgel sehr wirkunsi'svnll heraushob, und woduridi dem
ha,l>en, mehrere Tage Zeit. Wie sollen die Rosen während
dieser Zeit frisch gehalten worden? Das ist doch bei einer
Arbeit von solchem Umfange ganz unmöglich. Aber noch
eins: Selbst wenn es auch gelingen sollte, das Anbringen
der zahllosen Blumen sehr schnell zu bewerkstelligen und
die Blumen mit allen zu Gebote stehenden Mitteln bis zum
Beginn des Festes frisch zu halten, dann wäre dii' Miilie
doch eine vergeliliche und der Erfolg entspräche nicht.
Ausschmückung des Nibelungen-Saales im Rosengarten zu Mannheim gelegentlich des Rosenfestes am 22. .Juni d. .1.
Bühnenbild ein ruhig vornehmer, einheitlicher Hinter-
grund gegeben wurde.
Wer diese in solchem I^mfange nur selten durch-
geführte Saalausschmückung gesrhcn hat, als sie in
üppiger Frische eben vollendi't und der weite Raum mit
festlich gestimmten Menschen erlüllt war, konnte sich
ihrem wirkungsvollen Eindruck nicht entziehen. Die
strenge Kritik wollte freilich Ijomängeln, daß die Rosen
zum weitaus größton Teil künstliche Rosen waren.
Demgegenüber sei die Frage erlaubt: Wie denkt man sich
denn die Durchführung einer solchen Dekoration mit
echtem frischen Material? Angenommen selbst, die Masse
von Rosenblumen, welche dazu nötig gewesen wäre, sei
vorhanden gewesen I Das -Anbringen erfordert doch, man
mag noch so viele geschulte Arbeitskräfte zur Verfügung
den Erwartungen. Warum? Weil es nur ganz wenige
Rosen gil)t, deren Farben intensiv genug sind, um in
solchen großen Innenräumen auf die dabei in Betracht
kommenden Entfernungen zur Wirkung zu kommen. Man
mache einen praktischen Versuch und man wird überzeugt
sein, daß es so ist. Ein kleiner Saal, etwa für eine Hoch-
zeitsgesellschaft, mag sich wirkungsvoll mit echten Rosen
schmücken lassen, für Riesenräume, wie im vorliegenden
Falle, geht es einfach nicht. Soll man sich nun deshalb
das schöne Rosenmotiv für solche Gelegenheiten entgehen
lassen?
Will man sich auf diesen Stand|)unkt stellen, dann
wird man überhaupt auf die Verwendung von Blumen
bei solchen Gelegenheiten verzichten müssen — denn
was von den Rosen gilt, trifft auch bei den anderen
170
DIE GARTENKUNST
rx, 8
Blumen zu. Das wäre doch wohl etwas zu weit ge-
gangen.
Etwas anderes ist es, ob es geschmackvoll war, bei
den Ankündigungen des Mannheimer Festes mit schwung-
vollen \\'orten beim Laienpulilikum geradezu den Glauben
zu erwecken, als handele es sich um eine Ausschmückung
mit echten, wirklichen Rosen. Gewiß, es waren auch
solche vorhanden, sehr viele sogar, aber sie reichten
nur so weit und so hoch, wie man sich durch Be-
fühlen und Begreifen von ihrer wahren Natur überzeugen
konnte. \\'er will das alier anders machen?
Oflenbach a, M. Anläßlich seines 50jährigen Geschäfts-
jubiläums stiftete Kommerzienrat Ludo Mayer in Offenbach
zur Freilegung des Schloßplatzes und Herstellung eines von
Parkanlagen umgebenen Monumentalbrunnens den Betrag von
201 1000 Mk.
Verschiedenes.
Bund deutscher Baumschulenbesitzer. Am 22. Juni
d. .Js. ist in Mannheim der „Bund deutscher Baumschulenbe-
sitzer" gegründet worden, der die in den veischiedenen Landes-
teilen und Provinzen bestehenden Vereinigungen von Baum-
schulenbesitzern korporativ zusammenfaßt. Der „Bund" be-
zweckt nach einem Kundschreiben seines Vorsitzenden
H. Müller, Langsur bei Trier, die Wahrung und Förderung-
aller gemeinsamen Interessen der Baumschulenbranche und
gilt als Zentralstelle für Anträge der Pruvinzial- und Landes-
verbände. — Zu der Uründungsversammlung waren etwa
200 Teilnehmer aus allen Landesteilen erschienen. Unter den
Verhandlungsgegenständen befanden sicli folgende Angelegen-
heiten: Besprechung der allgemeinen Geschäftslage, Tarifan-
gelegenheiten, einheitliche (jualitäts- und Sortenbezeichimng,
Schutzzollfragen, Konkurrenz der Kreis- und Konimunalbaum-
schulen usw., das Pflanzenmaterial der modernen Gartenkunst
usw. — Wir behahen uns voi'. auf Kinzelheiten noch zurück-
zukommen.
Gartenvorstadt am Hohlen Weg b. Darmstadt. Die
.Stadtverordnetenversammlung zu Darmstadt genehmigte
den Entwurf eines Ortsbaiistatuts für eine neu zu er-
bauende Gartenvorstadt, Hohler Weg-Dieburgerstrasse
im NO. der Stadt Der Bebauungsplan ist von Prof. Olbrich
entworfen. Wir haben darüber im vorigen Jahrgang der
Gartenkunst ausführlich berichtet. Die wesentlichen Bestim-
mungen des Baustatuts sind nach der Südd. Bauzeitung folgende
Im ganzen bietet das Terrain für etwa 4.')0 Häuser mit Gärten
ä 10 X 20 m Platz. Kein Bauplatz darf unter 500 qm Größe
haben. Dreiviertel der Gesamtfläche eines jeden Bauplatzes
müssen unbebaut bleiben; die Gebäude dürfen außer dem Erd-
geschoß nur ein bewohnbares Obergeschoß haben und müssen
entweder auf der Grenze oder mit mindestens 5 m Abstand
von derselben errichtet werden. Mehr als zwei Häuser sollen
nicht aneinander gebaut werden. Die Errichtung von Hinter-
und Seitengebäuden zu Wohnzwecken ist unzulässig. Bau-
erlaubnis wird nur für solche Gesuche erteilt, die in architek-
tonischer Hinsicht eine befriedigende Gestaltung dos Äußeren
zeigen. Geräuschvolle Gewerbebetriebe und Wirtschaften sind
verboten. Um ein ab w echselungsreiches Straßenbild
zu schaffen, sollen die Erbauer nicht gezwungen sei n,
die Häuser in eine Richtung zu stellen. Die E\age
wegen Anlegung von Vorgärten wird vorerst offen gelassen.
Die Zusammenlegung der Grundstücke des ganzen Bauviertels
oder einzelner Teile desselben ist ausschließlich Sache der
Grundbesitzer. Solange eine Verständigung der Grundbesitzer
über sachgemäße Einteilung des Baublocks nicht erfolgt ist,
kann Bauerlaubnis nicht erteilt werden. Die Entscheidung
über letztere hat die Stadtverordnetenversammlung.
Personalnachrichten.
Dr. Beck, 0., Oberbürgermeister zu iMannheim, ist zum
Ehrenmitglied, Ritter, R., Bürgermeister, Leiter der Jubiläums-
ausstellung zu Mannheim, zum schriftwccbselnden Mitglied
der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst ernannt worden. —
Perring, Wilh., Inspektor des Botan. Gartens zu Dahlem,
wurde zum Kgl. Preuß. Gartenbaudirektor ernannt. — Karl,
Joh., Oliergärtner in den Kuranlagen zu Bad Pjms, ist ge-
storben. — Hampel, Carl, Gartendirektor der Stadt Leipzig,
erhielt das Kitterkreuz des Mecklenb.-Schwerinischen Greifen-
ordens. — Mader, J., Stadtgärtner in Briei;- (Bz. Breslau), er-
liielt den Titel Garteninspektor. — Koenig, Fr., ehem. Geisen-
heimer, wurde als Obergärtner bei der städt. Garteninspektion
in Gleiwitz O.-S. angestellt. — Kahler, J., Hofgartendirektor
in Schwerin und Hofgärtner Klett ebenda, sind am 1. Juli d. J.
in den Ruhestand getreten. Letzterem wurde das Verdienstkreuz
der Wend. Krone in tiold verliehen. Die Hofgartendirektorstellc
wird nicht wieder besetzt. Die Leitung des Reviers ist Hofgärtner
Schultz, bisher in Ludvvig.slust, überti'agen. An dessen Stelle
ist Hofgärtner Kalb in Schwerin nach Ludwigslust versetzt
worden. — Langenbucb, Stadtgärtner in Lübeck, ist gestorben.
— Masters, Dr. Maxwell T., Herausgeber der englischen
Fachzeitschrift „Gardeners Obronicle" ist am SO. Mai d. Js.
gestorben. Er war der Sohn eines Handelsgärtuers in Canter-
bury, studierte Medizin, wandte sich aber später der Botanik
und dem Gartenbau zu. Vierzig Jahre hat er „Gardeners
Obronicle" geleitet, daneben eine Anzahl anderer wissenschaft-
licher Abhandlungen und Werke verfaßt und eine äuBerst
fruchtbare und anregende Tätigkeit entfaltet. — Dr. Wortmann,
Profe.ssor und Direktor der Geisenheimer Lehranstalt, wurde
zum Geheimen Kegierungsrat ernannt, nachdem er einen Ruf
als Direktor der kaiserlichen biologischen Anstalt für Land-
und Forstwirtschaft (als Nachfolger Dr. Aderholds) abgelehnt
hatte. — Rausch, Garteninspektor der Flora in Köln und
Reinhardt, Cl arten arohitekt in Wiesbaden, haben dasOeschäft
des (iartenarchitekten J5arthels in Köln übernommen. — Müller,
Prof. Dr. Carl, Dozent an der Königlichen Gärtnerlehranstalt
Dahlem und an der Technischen Hoc^hschulc in Charlottenburg,
ist am 13 Juni d. .Is. gestorben. — Ohrt. Heinrich, Hofgarten-
direktor in tMdenburg, der am 1. November v. .1. sein .'lOjähriges
Dienstjubilaum gefeiert hatte, ist am ."). Juli d. Js. im Tfi. Lebens-
jahre gestorbert. — Kellermann^ Stadtgärtner in Neu!!,
ist zum Stadtgartoninspektor ernannt worden. — Sieber, In-
spektor dos botanischen Gartens in Marburg, beging am l..Iuni
d. Js. sein 2.">jähriges Dienstjubiläum. — Keerl, F., Garten-
bauingenieur in Mannheim, dem die technische Leitung der
Gartenbauausstellung obliegt und welcher das reizvolle Schwarz-
waldidyll dortselbst geschaffen hat, ist durch Verleihung des
Ritterkreuzes IL Klasse vom Zähringer Löwen ausgezeichnet
worden. — Veiten, Wilh., Mitinhaber der Firma Gebr. Veiten,
Mannheim, ist gestorben.
Berichtigung.
In der Unterschrift unter der ,\bbildung Seite Ki!) (Juli-
Nummer) muß es heißen; B. Schulhof, Turnhof und Schul-
garten. — Auf Seite 14li sind die Unterschriften unter den
beiden Abbildungen vertauscht. H.
Für die Redaktion verantworllicli: Stadt-Qartondirektor Heicke, Frankfurt a. M. — Verlag von Qohrüder Borntraeger, Berlin SW. 11,
GrofsbeerenstralHu 9. — Druck von A. W. Hayn's £rben, Potüdam.
IX, u
DIE GARTENKUNST
171
Städtische Miet.^iiirteu in Miiiidicii.
Nach Jlitteilungeu vom .StIUlt Baiianitnuinn L. Schachner, ^liimhen.
(SchhiT.. I
BflLt.UR - 5TRflS5t
''ÜREIME
nifTGnRTifnnnLiGC"''juCEnßbPiCLPL'iTZEn
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Lageplan der Münchener Mietgarten-Anla>;e. Von L. Schachner, stildt. Bauamtrnann, München.
Die großen Felder wurden hier in einzelne Patronate
zu je 12 — 15 Mietern zerteilt, von denen jeder in den
erstgenannten Anlagen zirka 250 qm, in der Jungfern-
heide 300 qm Land bekommt, wofür pro Woche nur der
geringe Betrag von 20 Pt'g. Miete erhoben wird. E>er
Mietpreis berechnet sich hieraus jährlich pro qm auf nur
zirka 2 Pfg. Die Mieter rekrutieren sich in der Haupt-
sache aus Arbeitern. Aus den Reihen der Mieter werden
Vertreter gewählt, welche im Verein mit den Patronats-
vorständen (meistens E»amen und Herren der höheren Gesell-
^' Schaftskreise) die Verwaltung der einzelnen Gruppen führen
und deren Interessen wahrnehmen. Auf die iMUzelheiten
der Organisation einzugehen würde hier zu weit führen.
er
er
Auf dem Grundstücke in der Jungfernheide hat der
Antialkoholverein vom Grünen Kreuz eine Verkaufsstelle
für Milch. Backwaren und alkoholfreie Getränke errichtet,
welche sich nach den gewordenen Jlitteilungen gut be-
währt haben soll.
E>er Vaterländische Frauenverein hat auch eine größere
Anzahl Parzellen Gartenland zu je zirka 250 qm Größe nach
Umfrage bei Fabriken, Werkstätten und Armenpflegen ver-
lost und kostenlos abgegeben, wobei besonders kinder-
reichen Familien der Vorzug gegeben wurde.
Auch trug der genannte Verein auf seinen Grund-
stücken für die Schaffung von Spiel- und Turnplätzen
Sorge. Die näheren Angaben über die Verpachtung und
er
172
DIE GARTENKUNST
IX, 9
Bewirtschaftung der Gärten sind in No. 8 der Zeitsrhrift
für Armenwesen Seite 12 — 14 gegeben.
Abgesehen von den aus der Gartenverpachtung und
Bebauung resultierenden Vorteilen bietet der Verein seinen
Pächtern auch eine Reihe Vergünstigungen in wirtschaft-
licher Beziehung durch Unterstützungen, billige Beschaffung
von Kohlen, sowie durch Einrichtung von Sparkassen tisw.
Ein Vergleich zwischen den Schrebergärten in Leipzig
und den Laubenkolonien in Berlin und Umgebung läßt die
Verschiedenartigkeiten in vielen Beziehungen erkennen.
Während in Leipzig von Anfang an zuviirderst die Für-
sorge der Stadtgemeinde und deren spezielles Eingreifen
in der Ausgestaltung der Gartenanlagen wahrzunehmen
ist. sind die Berliner Laubenkolonien aus den Arbeiterkreisen
heraus entstanden und hat sich hier erst im Laufe der
Zeit eine rege Anteilnahme weiterer Ivreise der Bevölke-
rung an der Ausgestaltung — wohl angeregt durch das
Leipziger Vorbild — herausgebildet. Indes in Leipzig nach
der Entwickelung die Pflege des Jugendspieles und die
Schaffung von Spielplätzen die Grundlage gab, war es in
Berlin der Wunsch des Arbeiters, ein Grundstück für sich
zu bebauen. In Leipzig wurden die meisten Anlagen als
länger dauernde Einrichtungen ins Leben gerufen, während
ihnen in Berlin mit seiner gewaltigen Entwickelung nach
der Lage der Verhältnisse mehr die Erscheinung des
Provisoriums anhaften mußte (mit Ausnahme einiger Au-
lagen, so der letztgenannten Anlage des Roten Kreuzes).
Im allgemeinen machen auch die Leipziger Anlagen
mehr den Eindruck des Wohlgeordneten als die Mehrzahl
der Berliner Laubenkolonien.
Es wird nun für .München auf Grund der gemachten
Wahrnehmungen und gepflogenen Verhandlungen die An-
lage von Mietgärten, sowie der Betrieb derselben durch
die Stadtgemeinde empfohlen. Bezüglich der Ausgestaltung
selbst möge von vornherein gewarnt sein vor einer un-
zweckmäßigen Sparsamkeit und Primitivität. Besonders
aus der Entstehungs- und Entwickelungsgeschichte der
Leipziger Schrebergärten läßt sich erkennen, wie man sich
allmählich von den primitiven Einrichtungen mit nicht un-
erheblichem Kostenaufwand zu größerem [\omfort durch-
rang. Gar mancher Pfennig der aus freiwilligen Beiträgen
und Schenkungen oder sonstwie a fond perdu floß, tritt
wohl großenteils bei dem Gesamtkostonaufwand nicht in
Erscheinung, so daß Vorsicht bei der Vergleichung der
Anlagekosten und auch der Mieten sehr geboten erscheint.
Es wird in Vorschlag gebracht, für den Fall der Er-
richtung von Mietgärten in München näher getreten
werden sollte, die äußeren Umzäunungen des Areales aus
Hannichel oder Prügelzäunen herzustellen, da die Draht-
netzzäuno — wenn sie auch etwas billiger bei der Be-
schaffung sind — oft schon in kiirzestor Zeit und leicht
Deformierungen und Beschädigungen unterworfen sind und
dann einen recht unschönen Anblick gewähren. Auch
ästhetische Gründe sprechen gegen Itrahtzäune, da ihnen
die Eigenschaft des Raumabschließens fohlt, hie Anlage
guter, kiesunterlogter, gewalzter WegverbindungiMi er-
scheint gleichfalls notwendig. Man lasse sich ja wegen
der anfänglichen Kostenersparnis nicht dazu bi'slininn'n,
Wege nur durch Ausstreuen von Sand und Kieseln auf
Grasboden herstellen zu wollen. Die Instandhaltungskosten
sind im letzteren Fall bi'deutend und die Wege bleiben
stets schlecht. Beim Oktoberfeste dahier hat man ähnliche
Erfahrungen gemacht und ist mit der Zeit an die
Schaffung fester Straßen und Wege gegangen. Auch
kann aus hygienischen Gründen, sowie wegen der unaus-
bleiblichen gegenseitigen Belästigung durch Geruch unter
keinen LTuiständen die Anlage einzelner Aborte auf den
Gartengrundstücken begutachtet werden. Es empfiehlt
sich hiergegen die Errichtung einer größeren Abortanlago
nach der Art der auf dem Oktoberfest bestehenden Be-
dürfnisanstalten, welche den einzelnen Garteninhabern zur
kostenlosen Benutzung freistehen soll. Liie Anlage einer
Spiel- und Unterkunftshalle erscheint schon im Hinblick
auf den Spielplatz geboten; die Einrichtung einer Wächter-
stube ist im Interesse der Sicherheit und Ordnung als
auch Wogen der Bewachung der Anlage notwendig. Ob
und in welchem Umfange ein kleiner Wirtschaftsbetrieb
mit Flaschenbier tisw., die Abgabe von kohlensaurem
Wasser und der Handel mit Obst, Brot, Zuckerwaren
wünschenswert und zulässig erscheint, dürfte die Zeit
lehren, jedenfalls sollte von vornherein die Einrichtung
einer gemeinsamen Wirtsstube oder eines Wirtsgartens aus-
geschlossen sein. Für eventuelle Festlichkeiten könnten
Stühle, Tische und Bänke auf den Spielplätzen und um
dieselben herum Aufstellung finden. Schließlich sei noch
darauf hingewiesen, daß im Interesse der Sauberkeit und
Ordnung die Herstellung der Umzäunungen der Gärtchen
durch die Stadt gelegen ist. Bei der Vergebung großer
Längen von Zäunen ist die Stadt in der Lage, dieselben
billiger herzustellen, als wenn der einzelne für seine Um-
friedung, wenn auch in einfachster Weise, sorgen muß.
Eiamit ist auch der Vorteil verbunden, daß recht unschöne
und mehr als einfache Gartenumgrenzungen, wie sie des
öfteren in Leipzig und besonders in Berlin angetroffen
wurden, vermieden bleiben, was doch im allgemeiner
Interesse gelegen sein dürfte. Es ist durchaus nicht zu
befürchten, daß hierdurch eine Uniformierung und unan-
genehme Gleichmäßigkeit in die Gesamtanlage gebracht
wird. Die verschiedene Gestaltung der Gärtchen, der An-
lagen und An])flanzungen in denselben sorgt genügend
hierfür, so daß eher einige Gleichmäßigkeit in manchen
Einrichtungen von Vorteil sein dürfte.
Zum Schlüsse sei besonders die Einrichtung von Miet-
gartenanlagen in verschiedenen Stadttculen unter An-
gliederung von Jugendspielplätzen wärmstens befürwortet.
Solche Anlagen sind in hygienischer Beziehung von ganz
hervorrager Bedeutung, sowohl wegen der Erholung und
Beschäftigung in freier Luft, als auch wegen der Ab-
lenkung vom Wirtshausbosuch, in wirtschaftlicher Hinsicht
besonders wegen der Fh-höhung des Sparsinnes umi der
Erweckung des l'^igentumsgefühles, in ethischer Beziehung
wegen der Stärkung des Familiensinnes und nicht zum
mindesten in kuliureller Beziehung durch liie Erweckuni;-
des Interesses an den Vorgängen in der Natur.
l»ios(! Momente sollten, abgesehen von anderen, aucii
die Stadtgeiiieinde veranlassi'u, für die Anlage von Miet-
IX, 9
DIE GARTENKUNST
173
gärten baldmöglichst Sorge zu tnin'on, zumal sich ein Bo-
dürfnis nach solchen bereits in lu'i'iton Scliichton dos
Volkes kundgegeben hat. —
Gleichzeitig mit diesem Bericht gelangte im März
1906 ein Entwurf des Bauamtmanns Schachner zur Vor-
lage, der die Einrichtung einm- Miotgartenanlage auf einem
städtischen Gelände im Nordosten der Stadt vorsah, wo
bereits Straßenbahnverbindung und Wasserleitungsanschlufi
vorhanden war. Der Entwurf wurde zur weiteren Prüfung
einem Ausschusse überwiesen, dem unter andern auch
Stadtgärtendirektor Heiler und Gemeindebevollmächtigter
B u c h n e r angehörten.
Nach längeren Verhandlungen in diesem Ausschusse,
im Magistrat und im Gemeindekollegium, bei denen in
der Hauptsache eine wesentliche Herabminderung der
ursprünglich auf 4'6 OUO Mark veranschlagten Kosten
unter Vereinfachung der geplanten Ausstattung der Gärten
herbeigeführt wunle, fand der Schachnersche Entwurf
die definitive Genehmigung.
Auf Seite 171 ist der Lageplan der ganzen Aidage
wiedergegeben. Über die bei der Einrichtung und für
den Betriel) mangebenden Grundsätze ist zu berichten:
[»ie Anlage umfaßt eine Fläche von 49 U9S qm mit
180 einzelnen Gartenteilen im Ausmaße von mindestens
120 und höchstens 270 qm; einige Gärten an den Ecken
sind noch größer und eri-eichen ein Plächenausmaß bis
zu 440 qm.
Sie zerfällt durch die im Interesse der Jugend not-
wendige, von Nord nach Süd verlaufende Spielplatzanlagc
mit Brunnen, Bedürfnisanstalt und Unterstandshalle in
zwei Teile. Die Ostseite umfaßt 104 Gärten, die West-
seite 70 Gärten. Ein Teil der Gärten ist von einem
Verein ,,Heimgartenbund", einige sind von der Portbildungs-
schule für Gärtner ermietet, der Rest von anderen Inter-
essenten.
Selbstverständlich werden diese Gärten nicht zu
gewerblichen Zwecken, auch nicht zur Errichtung von
festen Bauwerken bzw. zu Wohnzwecken vorgeben.
Nach dem Projekte übernimmt die Stadtgemoinde:
a) die Kosten für die Bereitstellung der Mietgärten
und die Anlage von Wegen innerhalb des Miet-
garten.areals;
b) die Kosten für die Anlage von Spielplätzen und
die Herstellung von Baumpflanzungen, von Brunnen,
die Aufstellung von Bänken innerhalb des Spiel-
platzareals;
e) die Kosten für die Wasserzuleitung (jeder Garten
. erhält seine eigene Wasserzuleitung, Steigrohr
und Auslau fhahn) und für die Anlage der not-
wendigen Abort- und Versitzgruben;
d) die Koston für die Bedürfnisanstalt und die
damit verbundiMie offene Halle.
Zu den Kosten 11t. a zählt insbesondere die Um-
friedung des gesamten Areals mit Hannichelzaun, die
ebenso, wie die einzelnen Gartenabschlüsse, nach den Er-
fahrungen in anderen Städten einheitlich und solid her-
zustellen ist und demnach den einzelnen Mietern oder
auch oinem Verein nicht überlassen werden kann, wenn
nicht schon das äußere Ansehen der ganzen Kolonie
beeinträchtigt werden soll. Die Gehwege innerhalb der
Kolonie sind von den Kolonisten zu unterhalten, weil sie
dem Verkehr in der K(donie dienen, ihre erstmalige An-
lage obliegt der Unternehmerin, also dor Stadtgemeinde,
die auch das gesamte Grundstück vorher durch Pflügen usw.
für die gärtnerische Benutzung herzurichten hat.
Die Spielplatzanlagn ist 84 m lang und 32,50 m
breit; sie umfaßt eine Fläch(( von 6861 ([m und ist von
einer Doppelallee eingerahmt, die auch später einmal
blcdlien kann, wenn die gauzeAnlage der Bebauung zugeführt
werden sollte. L>ie Benutzung des Spielplatzes ist nur
den Kolonisten gest.attet. Die Aufsicht und die Bedienung
dor Bedürfnisanstalt ist den Kolonisten überlassen.
Der Bestand der Anlage ist vorerst auf 15 Jahre in
Aussicht genommen. Der Mietpreis beträgt für die ersten
Pächter 16 Pf. pro qm, später sollen 18 Pf. gezahlt werden.
Es ergibt dies eine Rente von rund 5500 Mark, die für
Verzinsung und Unterhaltung vnllkommen ausreicbt.
Damit dürfte auch für München der Anfang gemacht
sein, die Neigung zum Gartenleben in denjenigen Kreisen
neu zu beleben, denen sie mangels eigenen Besitzes und
sonstiger tielegenheit zur Betätigung nach und nach ab-
h.anden gekommen war, ähnlich wie dem Maulwurf das
Sehen. Die Bedenken, in den Kreisen, auf welche der-
artige Einrichtungen berechnet sind, sei kein Bedürfnis
und Verlangen danach vorhanden, da der echte Münchener
lieber auf den Keller anstatt in den Garten gehe, sind
bereits widerlegt, indem die vorgesehenen 180 Gärtchen
alsbald nach Bekanntwerden des Planes fast sämtlich ver-
geben worden konnten und bereits eine Vereinigung
„Heimgartenbund" zur Förderung dor Sache entstanden
ist. So darf erwartet werden, daß dieses von der Stadt
gegebene Beispiel vorbildlich sein und anregend auf weite
Kreise wirken werde.
Zum Schlüsse bleibt mir noch übrig, Herrn Bauamt-
msmn Schachuer, München, für das mir freundlichst
überlassene Material zu diesem Berichte verbindlichst zu
danken. Heicke.
Das ßaumaterial der heutigen (lartenkunst.
Von Frhr. von Engelhardt.
(Vortrag in der Sitzung der Gruppe Kheinland, gehalten am
11. August 1907 in Benrath.)
Meine Herren! Die heutige Gartenkunst stelle ich
nicht in Gegensatz zu der ganzen bisherigen Gartenkunst,
als lüitte unsere Zeit etwas Besonderes und Neues ent-
deckt und geschalten. Wohl aber stelle ich das Wort
„heutige Gartenkunst" in Gegensatz zu der jüngst ver-
gangenen Zeit und ähnlichen Zeitabschnitten der Ge-
schichte, deren Park- und Gartenanlagen davon Zeugnis
ablegen, daß unsere Kunst, wenn auch mit Ausnahmen,
auf ungesundem Boden stand, daß ihre Blüten meist ver-
bildet und ohne E>u{t, ihre Früchte gröDtenteils unreif und
charakterlos, geschmacklos und daher für feiner gebildete
Sinne untjenießbar blieben. — Schuld daran war seitens
174
DIE GARTENKUNST
IX, 9
der Gartenkünstler, im besten Fall, Unklarheit über
den Sinn und Zweck der gestellten Aufgaben und dem-
gemäß Ratlosigkeit bei der Ausgestaltung des Werkes, —
im schlimmsten Fall bequeme, gedankenlose und unter-
schiedslose Anwendung einer angelernten Schablone, ge-
paart mit kunstfeindlichen Handelshiteressen. Schuld
daran war ferner seitens der Auftraggeber, im besten
Fall, widerstandsloses, gleichgültiges Mitmachen der Mode
— im schlimmsten Fall
unaufrichtiges Scheinwesen
und Protzentum, jenes un-
versiegbare Quellengebiet
ästhetischer Taktlosig-
keiten.
Nicht wir allein —
nein, wohl alle angewand-
ten Künste waren gegen
Ende des vorigen Jahr-
hunderts auf gleichen Ab-
wegen. Zum Ausgangs-
punkt in gesunde Bahnen
wurde der Gedanke an den
Zweck und die Gebrauehs-
fähigkeit des zu schatten-
den Werkes. Die klare
Einstellung unserer Sinne
auf diesen Brennpunkt
angewandter Kunst hat
auch uns Gartenkünstler
in gesunde Bahnen gelenkt.
Eine charakteristische Be-
gleiterscheinung solcher
Richtungsänderung (auch
auf anderen Gebieten) ist
die hier und da auftretende
Frage: Ja, was für Gärten
sind denn jetzt modern?
— wie soll man einen Park
und Garten heute machen?
Darf denn der landscdiaft-
liche Garten gar nicht
mehr vorkommen? u. dgl.
m. Es spricht aus solchen
Fragen der Wunsch, sich
wieder an ein neues Dogma
oder eine Schablone klam-
mern zu können, die beim
Versagen der eigenen Ge-
staltungskraft Rat und
Stütze bieten könnte. Es ist
ein Irrtum, m. H., wenn jemand glaubt, di(! regelmäßige,
architektonische Anordnung sei jetzt allein an der Tages-
ordnung. Dieser Irrtum ist nur daduridi entstanden, ibili
unsere Vergehen in der kleinen (iartenanlago am Hause be-
sonders schw(^rvviegend waren, weil wii" (b^n Wolinzweck dort
fast ganz außer acht gelassen hatten und der Architekt, der
?twas früher als wir aus dem Schablononschlaf aufgewacht
war, uns auf diese Fehler aufmerksam gemacht hatte. Außer
dem Wohnzweck können aber auch andere Zwecke in
Frage kommen — ich nenne als Beispiel den Nutz-
garten zur Erziehung von Gartenfrüchten aller Art, das
Arboretum, das Alpinum, die lebendige Stauden-
sammlung, das Rosarium, schließlich den botanischen
Garten zum Studium für den Liebhaber oder den Fach-
mann; ich nenne ferner die Schmuckanlage, die —
wie das Wort schon sagt
',k'-
>i, k>-
den Hauptzweck hat, ein
Gebäude oder ein E>enk-
mal durch Pflanzenschmuck
in seiner Schrmheit zu
steigern — oft leider auch
seine Häßlichkeit zu ver-
decken. Auch die gärtne-
rische Behandlung der
Straßiui in Stadt und
Land, die m.alerische Ver-
vollkommnung eines
L a n d s c h a f t s I3 i I d e s
durch gärtnerische Ein-
griffe, um etwa von der
Veranda eines Gutshauses
einen angenehmen Ausblick
zu haben .... Sie sehen,
es gibt so viele Zwecke,
denen unsere Arbeit zu
dienen hat, daß es schwer
f;illt, sie alle aufzuzählen.
In jedem Fall aber
wird der Zweck uns bei
der Wahl der Gruntlfnrm,
der Tonart einer Anlage
in erster Linie leiten
müssen. Und wenn wir
dann über das Gesetz ins
Klare gekommen sind —
über das besondere Ge-
setz, was bei dieser einen
Ausgestaltung zur Geltung
kommen soll — so tritt
die Frage an uns heran:
Mit welchem Material baut^i
wir am besten das Werk,
das uns vorschwebt, wel-
ches Baumaterial wird am
besten diesen besonderen
Zweck erfüllen und di(<sinn
besonderen Gesetz ge-
horchen?
Mit dieser Frage komme
»as P.aiiinaterial der heu I igen
*) Es sind liier mir :ds Beispiel einige Gohölzartcn ge.
naiint, welclie die von der l''ormel bestimmte Kollo übcM-nehmen
könnten, ich lielidlte es mir vor. dieses Verzeichnis ovent. zu
vervollstilndigeii und dabei besonders das nötige Baumaterial
aufznzählon, welches bisher nur selten oder g:i.r nicht :ingeb(iten
wurde.
Tafel 1. Die Kiisel.
Gehölzbeispiele:*)
Tilia, Ulmus, Oarpinas, Populus, Crataegus. Prunus.
Picea oxcelsa, Lauras nobilis, Buxns.
unbrauchbar,
unbrauchbar.
Buxns, Ta.xus, Thuja occ. globosa, Laurns, Crataegus,
Lisnstrum.
ich zu meinem Thema:
Gart e n k u n s t.
IX 0
DIE GARTENKUJJSl^
175
Der Stein, die Pflanze, das Twr stellen uns zu
Diensten. Diese Naturprodukte wei'den wir ,a;emäß der
gewählten Gestaltungsart entweder umbilden, so weit
es in unserer Macht steht, oder aber sie in ihrer natür-
lichen, oft gar individuellen Eigenart zum Bau ver-
wenden. Es liegt auf der Hand, daß der Stein das bild-
samste Material von den dreien ist, das wir zum Gehor-
sam unter das geprägte
Sondergesetz zwingen kön-
nen. Zeigt doch der Stein
seine Fügsamkeit in dn-
Menschenhand vom herr-
lichsten Marmorbikhveik
bis hiimnter zum zermali'-
nen Kies aul' dem Garten-
weg. Auch das Wasser,
eins der notwendigsten
Baumaterialien dieser
Gruppe, leiten wir ent-
sprechend seinem Aggre-
gatzustand in mannigfaltig-
ste Formen. Weniger füg-
sam zeigt sich die Pflanze.
Sie setzt unserem Herr-
schertum ihre lebendigen
Eigenheiten entgegen und
unterwirft sich nur sehr
bedingungsweise der i'c-
gelnden Menschenhand .
Und in noch weit höherem
Maße beansprucht das Tier
weitgehendste Wahrung
seiner Lebensbedingungen,
weim wir es ungebunden
an unsere Anlagen fesseln
wollen. Wenn wir uns
heute auf die Besprechung
der Pflanzen — insbeson-
dere der Gehölze im E»ienste
der heutigen Gartenkunst
— beschränken, so stellen
wir zunächst fest, daß, je
kraftvoller und je aus-
gebildeter |die individuelle
Eigenart dieses lebendigen
Baumaterials ist, um so
schwieriger die Abände-
rung oder Umbildung
dieser Eigenart für die
z weckentsprechende
Eiienstleistung in unserer Anlage. Wer ihren stetigen
\\'iderstand zu brechen imstande ist, den sie mit ihrem
Lebensgesetz unserem Kunstgesetz entgegenbringt, nur
der allein darf es wagen, das Pflanzenleben in den E>ienst
architektonischer Gestaltungsart zu stellen. Wer aber
ihren lebendigen Widerstand nicht brechen kann, der hüte
sich davor, seine Anlage auf eingebildete Herrscherkraft
zu gründen. Wieviele Beispiele zeugen von der häufigen
|k'
bk'
Verkennung dieser Warnung und stellen den Bositzei
oder SclK'ipfiT der Anlage als Nichtkönner bloß.
Weit weniger Herrscherkraft beansprucht diejenige
Park- oder Gartenanlago, welche aus solchen Pflanzen auf-
gebaut ist, die vermöge ihrer natürlichen oder gar indi-
viduellen Eigenart der Aufgabe gewachsen sind, die der
Gartenkünstler ihnen stellt. Xur ein guter Pflanzenkenner
ist daher imstande, sein
Baumaterial seinem Zweck
entsprechend zu wählen.
Wer aber die Lebensbedin-
gungen der Pflanze, ihre
Wachstumsart und -Schnel-
ligkeit, die Zeit der Blüte
und ihre Farbe, kurz, ihr
Itesonderes Sein und Wer-
den nicht kennt, der hüte
sich davor, die Rollen zu
verteilen, die die Pflanzen
übernehmen sollen. Sein
inszeniertes Schauspiel
wird, statt mit gesteigertem
Zusammenhang, mit einer
jämmerlichen Konfusion
enden. Wer kennt nicht
die Anlagen, in denen die
bedauerlichen Folgen sol-
cher Unkenntnis und ge-
dankenloser Rollen vortei-
lung nur allzu deutlich
zutage treten'.'
E)ie Frage, in welchen
Fällen das regelmäßig um-
gebildete — in welchen
das natürlich individuelle
Pflanzenmaterial zum Bau
verwendet werden soll, diese
Frage läßt sich überhaupt
nicht allgemein beantwor-
ten; darüber entscheidet in
jedem Einzelfall der Zweck
der Anlage und der künstle-
rische Takt. Wenn aber
unsere heutige Gartenkunst
beide Bauarten in ihrer
Eigenart deutlicher als
bisher auszuprägen,
charakteristischer aus-
zugestalten, zweck-
dienlicher als bis her an-
zuwenden bestrebt ist, wenn sie sich bemüht, die deut-
liche LIntorscheidung und zugleich angemessene Ver-
bindung der beiden Tonarten innerhalb einer zusammen-
gesetzten Anlage im .Vuge zu behalten, so ist das m.E. als ein
bedeutsamer Fortschritt zu begrüßen. E)ieser Portschritt
bringt neueAnsprüche mit sich.diewir an unsere Baumaterial-
lieferanten stellen müssen. Wir müssen uns daher in engere
Vorbindung mit ihnen setzen und sagen, was wir wollen:
K M' m )K'
Tafel -2. Die Kugel.
G e h o 1 z b e i s p i e 1 e :
Aesculus, Acer, Quercus, Ca.stanea, Platamis, Sorbus,
Alans, Rosen, edle.
Ellmus, Betida, Fraxinus, Alnus, Acer campestre,
A. titLiricura, A. pseudoplataiius, Sali.v, Robinia,
Gleditschia, Pruiiusartea.
dgl.
Berberis, Philadelphus, Ootoneaster, Cytisus capitatus,
Spiraea media, Prunus fruticosa.
1%
DIE GARTENKUNST
IX, 9
Erstens für den regelmäßigen, zweitens für den na- und der lange beschroiljonde Text auf die sachlichste
türlichen Ausbau unserer Anlagen brauchen wir vor- Kürze oingesciiränkt sein. Rin Ausrufungszeichon oder
schiodenartiges, charakteristisches Pi'lanzenmatcrial, welches gesperrter Druck würden genügen, um einzelne Gewächse
von Jugend auf für bestimmte Lebensaufgaben geschult innerhalb einer bestimmten Verwendungsgruppe als be-
und erzogen sein muß, um je nach seinen natürlichen sonders geeignet zu bezeichnen. Eine solche sachgemäße
Fähigkeiten oder seiner künstlichen Erziehung Verwonduns Übersichtlichkeit wird wenigstens uns Fachleuten mehr
"4 •-.'*.«%>
w •-.■■/. ..
.*-.%>A
finden zu können.
Zunächst einige Worte
über die einjährigen Kräu-
ter und Stauden: Für
die regelmä ßige .\ nlage
sind uns orwünsclit : S t a n d -
Ortsänderung vertra-
gende Gewächse mit
verschiedenen, ausge-
prägten, sattenBlumeii
und B 1 a 1 1 f a r b e n für
alle Zeiten der Vegeta-
tionsperiode, von mög-
lichst langer BUiten-
dauer, die nicht durch
langsames, häßliches
Abblühen gestört wird.
Für die natürlichen
Anlagen sind uns er-
wünscht : 0 i n j ä h r i g 0 B 1 ü-
her undStauden.welche
sich unserer Wiesen-
und Sumpfflora, dem
sterilen Boden und dem
Felsgeröll, insbeson-
dere der trockenen und
feuchten Schattonflora
ohne die schützende
Pflege der Menschen-
handeinzugliedern im-
stande sind. Auf diese
beiden Gruppen sollten un-
sere Handelsgärtner viel
mehr als bisher Gewicht
legen — auch von diesen
Gesichtspunkten aus in
erster Linie die Neuheiten
beurteilen, weil ihnen da-
bei am ehesten ein Massen-
vertrieb gesichert ist. Des-
halb braucht ja nicht die
reiche Mannigfaltigkeit der
Gewächse für den Hchnitt-
blumengarten, dasAlpinum
oder den botanischen Garten
eingeschränkt zu werden. Es scheint mir wünsihenswcrl.
daß auch in der Anordnung der Preisvcrzoichnis.se darin
Wandel geschaifen wird: statt der oft ühertricbtMien An-
preisung des „prächtigen", „iierrüchen", „nnübertrollenon"
Blumenflors sollte mehr die Vorwon dnngsmögli cli k<^it
betont und demnach dii- Arten gruppii'rt werden
jw^
bw
Tafel 3. Die Waiidform.
GeliOlzb ei spiele:
— Tilia, Oar]>iniis, Plataniis, "ülmus.
— unbrauchb;ir.
n
— Taxus, Biixus, Cydonia, Orataegu
piniis u. a, Heckengehölze.
— fast unbrauchbar.
" \v' —
bw' -
entgegenkommen, als die
nicht selten ans Amerika-
nische grenzende Anprei-
sung der Ware, deren Ab-
nahme aus Geschäftsrück-
sichton besonders erwünscht
ist.
Wir Fachleute werden
unsererseits darauf aus-
gelien müssen, uns, jeder
;in seinem Arbeits- oder
Wohnort, ein Areal zu
schatten, welches uns die
Möglichkeit gibt, Proben
von ^nnuellen und Stau-
den anzupflanzen, um sie
in all ihren Eigenschaften
zu jeder Jahreszeit vor
Augen zu haben und da-
durch sowohl ein selb-
ständiges Urteil über ihre
Verwendbarkeit zu ge-
winnen, als auch durch
dieses stetige Studium auf
neue und bessere Kom-
binationsmöglichkeiten zu
verfallen. f)er Besuch der
Handelsgärtnereien ist nur
ein schwacher Notbehelf,
der uns die eigene Farben-
und Formensammlung nie
und nimmer ersetzen kann.
Wer in der Lage ist — sei
es als Beamter einer Kom-
mune, sei es als Privat-
mann — , dii'ses für ge-
deihliche Weiterarbeit not-
wendige Hilfsmittel sich zu
schatTen.wirdderFörderuug
unserer Gartenkunst einen
wesentlichen Dienst leisten.
Es wäre mir interessant,
zu erfahren, wo derartige
reiche Pi-ebesammlungen
schon vorhanden sind,
mir fiMMinillichst darüber Mitteilung zu machen,
lioinine nun zu den (iehöjzen, die ich vom
aus beluuideil wissen möchte, wie
Wir lirauchen für die regel-
aucli Tilia. < 'ar-
Ich liitti
Ich
selben Gesichtspuniit
die Annuellen und Stauden
mäßigi^ Anlage: durch II ec li en seh n i 1 1 verschieden ge-
formtes (ieiiölzmatei'ial in verschiedenen Größen.
U C L U II U UHU VI t' IJl II <l V, 11 W 1 ' • n 1 L i. li f^ i U ^' I' i ' I u ,» V.' * vj ,- 11. , . . i i.. ^ . .- -....-.,,...... -
Die tabellenartige Darstellung sollte im Katalog bevorzugt Ich nenne als Beisi)iül die Kugel, die Wand, die Säule, die
IX, !J
DIE GARTENKUNST
177
Pyramide, dio Hängoform, die Daelii'orin, sowolil auf ge-
radem, freien Stamm, als audi oimo Stamm buseliig auf
der Erde stellend. Wir brauchen für die natürliche
Anlage: ungeschorene, vor allen Dingen ihren indi-
viduollen Charakter zeigende Gehölze in ähn-
lichen Hauptformen, wie die genannten, auf ge-
raden, krummen und
vorzweigt krummen
Stämmen, sowie in
Buschform. Um für diese
mannigfaltigen Grundfor-
men kurze Bezeichnungen
brauchen zu können, will
ich Ihnen Formeln vor-
schlagen, die bei Gehölz-
bestellungen, in Beptlan-
zvmgsplänen, in Erläute-
rungen einer Anlage, auch
in l'reisverzeichnisson be-
quem anzuwenden wären.
Inbezug auf die Krunen-
form möchte ich folgende
Bezeichnungen angewendet
sehen :
k = Kugel,
w = ^\'and,
s =^ Säule,
p = Pyramide,
h = Hängeform,
d = Dachform.
In bezug auf den
Stanun des Gehölzes wähle
icli folgende Zeichen:
I = ein gerader
Stamm,
', = (.'in krummer
Stamm,
*,) = verzweigter krum-
mer Stamm,
b = stammlose Busch-
form.
Für regelmäßige Form-
gohölze und anderseits in-
dividuell erzogene Gehölze
|S^
bs"^
wie oben.
schlage ich in der Formel
die Exponenten r und i vor:
r = regelmäßig,
i = individuell.
Zunächst lasse ich
einige Formeln als Bei-
spiele folgen:
|W'' 3 m
bedeutet eine 3 m hohe,
geradstämmige, regelmäßig geschorene \\'and.
bs'
dgi.
Juiiiperus virginiana
Anm.: Diese Fonubezeichming könnte man nach Bedarf
vermetiren, indem auch die Obstbaumformen, miteinbegriffen
werden: z. B. f = Fächer, e = Eiform.
bp'' 2 m bedeutet eine 2 m hohe, stammloso, also busch-
förmige, regelmäßig geschorene Pyramide.
V ->50 "> -> eine 'i'/a m hoho, verzweigt krumm-
stäm.mige Dachform, individuell erzogen.
') s' i,,v,i m „ eine l'/j m hohe, krummstämmige Säule,
indiviiluell erzogen.
Ich meine, die Formel
wäre existenzborochtigt,
da sie mit wenigen Zeichen
verhältnismäliig viel sagt.
Die Listen unter den
Abbildungen bringen ein
Verzeichnis aller möglichon
Kombinationen, von denen
viele unbrauchbares oder
nur selten anwendbares
Baumaterial bezeichnen
(vgl. die Formeln in kleiner
Schrift). .Man wird z. B.
eine verzweigt krumm-
stämmige, regelmäßige
Pyramide ('I,p'') nie an-
wenden. Es haben sich
aber bei der durchgeführ-
ten Kombination Möglich-
keiten ergeben, die wir bis-
her ungenutzt gelassen
haben, so z. B. die busch-
förmige, stammlose, indivi-
duolle Hängeform (bh');
denken wir uns Ulmus
montana pendula oder Be-
tula pendula ,Youngi etwa
U,8 — 0,5 m hoch veredelt,
so haben wir für steile
Puttermauern, Terrassen
und ähnliche Lagen ein
sehr wertvolles Schmuck-
material. Auf den beige-
gebenen Skizzen habe ich
versucht, die gebräuchlich-
sten Formen als Silhouetten
im Maßstab von 1 : 100
wiederzugeben und im
Hintergrunde die ' Verwen-
dungsart anzudeuten. Die
Horizontallinien geben in
Abständen von 50 cm die
Höhen der Silhouetton-
zeichnung an, wie sie mir
durchschnittlich bei der
Leferung erwünscht schei-
nen. Zu den Skizzen
gehören die angeschlossenen Tabellen, in denen jede mir
brauchbar erscheinende Form durch fettere Schrift hervor-
gehoben ist, unter Beifügung von einigen Gehölzarten, die
der Aufgabe gewachsen sein dürften, die die Formel aus-
drückt. E)ie genannten Gehölzarten könnten gewiß voll
Tafel 4. Die Säule.
Gehölzbeispiele:
Taxus, .Juniperiis, Thuja, Charaaecyparis, Quercus,
Lauras, Populus, Ulmus.
unbrauchbar.
|S' — Populus pyramidalis, Ulmus exonien.sis, Quercus ped.
pyr. Itobinia, Salix hehx pyr.
- dKl.
fastigiata, Juniperus hibernica.
17S
DIE GARTENKUNST
IX, 9
ständiger zusammengestellt sein, doch kam es mir hier
nur auf typische Beispiele an. Sollte die vorgeschlagene
Methode in der Praxis Anklang finden, so wird die Arten-
tabelle von selbst vervollständigt werden.
Es wäre mir wertvoll, zu erfahren, wie die Herren
Handelsgärtner sich zu
meinen Ausführungen stel-
len. Die Arbeit in der
Baumschule würde durch
meine gesteigerten Forde-
rungen in manchen Punk-
ten erschwert, teilweise
jedoch erleichtert werden.
Nicht nur der stetige
Heckenschnitt regelmäßiger
Pormgehölze, sondern auch
besonders die individuelle
Pflege malerischer Gehülz-
formen beansprucht mehr
und gebildetere Hilfskräfte
und vielleicht größere Kul-
turflächen als bisher. 1 »em
entsprechend hätten wir
eventuell Preissteigerung!' n
zu gewärtigen. Dom ge-
genüber ist aber zu be-
tonen, daß bisher verwor-
fenes Baumaterial, wie
krumme, schiefgewachsoni'
Gehölze, einseitig ausge-
bildete Kronen und der-
gleichen „Brackware" heute
gerade gesucht sein wird,
wo es sich darum handelt,
der Lage entsprechend
malerische Szenen zu bauen.
Das war uns bisher so gut
wie unmöglich, weil die
sogenannte „gute Baum-
schulware"für diesen Zwekc
absolut untauglich war und
die krummen Gehölze und
der Brackvorrat nicht ver-
schult worden war. Wer
es wagte, mit diesem Ma-
terial eine Wildnis zu in-
szenieren, machte sich
lächerlich, weil es viele
Jahre dauerte, bis die Baum-
schuldressur verschwand
und die Individualität zum
Durchbruch kam. Beson-
ders haftet dieser Mangel
den größeren Bäumen an,
IP'
SP'
<<,P'
bp>
bei denen der gerade Alleestamm durch allzu frühzeitige
Aufastung seine jugendliche Dehnungselastizität verliert,
wobei das geschwächte Kindonwachstum den Baum korsett-
artig einschnürt und am frischen Gedeihen hindert. Ich
weiß sehr wohl, daß diese getadelte Methode einfacher
durchführbar und für den Kaufmann vorteilhafter ist, als
die geforderte Erziehungsart. Der Baum muß aber natur-
gemäßer behandelt werden, wenn er seine natürlichen
Fähigkeiten nicht verlieren soll, die wir ja gerade in den
Dienst der Anlage stellen
wollen.
Doch dies nur neben-
bei, die Hauptsache ist,
daß wir bisher nur selten
Bäume von individuell na-
türlichem Charakter bezie-
hen konnten. Diesem Übel-
stand wird aber gewiß ab-
zuhelfen sein. Insbesondere
verspreche ich mir viel vom
Connex zwischen unserer
Gesellschaft für Garten-
kunst und dem neuen Bund
deutscher Baumschulbo-
silzer. Es werden sich da-
durch im Laufe kurzer
Zeit die Fragen, die ich
hier tlüchtig gestreift habe,
immer mehr klären und
genauer beantworten lassen,
so daß Angebot und Nach-
frage dann auch in gesun-
dem Gleichgewicht stehen
können.
Wenn ich auch in
meinen Ausführungen mein
Thema längst nicht er=
schöpfen konnte, wenn ich
sogar einzelne große Grup-
pen unseres Pflanzenbau-
materials, wie z. B. die
Schlingpflanzen und die
schönen Blütensträucher,
ganz außer acht ließ, weil
es da nichts besonderes zu
erwähnen gab, so hoffe ich
doch, einige wichtige Dinge
berührt zu habon, die zu
fruchtbarem Meinungsaus-
tausch Anlaß geben könn-
ten. Um eventuellen Miß-
verständnissen vorzulieu-
gen, betone ich zum
Schluß, daß die vorge-
schlagenen l''nrnieln die
Gefahr einer scliablonen-
lia.rten Gehrilzerziehung
durchaus nicht ein-
sogar das Gegenteil: die
Erziehung soll ja gerade
charakteristischere Mannig-
Tafel 5. nie Pyramide.
Gehölzbeispiele:
— Ulmus moaumentalis (!), Tilia argentea, Populvis
laurifolia, Platanus, Piriis communis.
— unbrauchbar.
- Ulmus, Uarpinus, Oornus raas, Hex, Buxus, Crataegus,
Picea excelsa, Taxus, Lauras nobilis, Tliuja Warreana,
Acer monspessulanum..
fast alle Abiesarten und Piceaartcn.
-- die Arten von s* breit gewachsen.
— dgl.
— Junipcrus communis und wie oben.
schließen,
gewünschte
darauf ausgehen,
faltigkeit als bishei
eh liehanpte
indi V iduel le
uns
zu
bieten, während anderseits der
IX, 0
DIE GAETENKUNST
ITU
regolmäßige Schnitt präziser durchgoarbeitete Form-
bäume als früher liefern soll. Die gefürchtete Formel hat
aber, wie bereits angedeutet, den Vorzug, dorn Garton-
künstler bei seiner Anlagenkomposition eine kurze Schreib-
melhodo an die Hand zu geben, wenn er in seinem Ent-
wurf Notizen darüber
machen will, wie die räum-
liche Ausgestaltung eines
im Grundriß vorgesehenen
Gehölzgruppenfleckes ge-
dacht ist. Schreibt er sich
z. B. die Formeln in den
Grundriß, wie die Grundriß-
skizze zuTaf .y zeigt,so ist da-
mit eine Gruppe in der Form
derauf Taf. 9 S. 182 entwor-
fenen leicht und bequem an-
gedeutet. Die Gehölzarten,
denen er diese besonderen
vorgeschriebenen Rollen zu-
erteilen wird, können dann
bequem später entsprechend
der Formol gewählt werden.
wenn nur die räumliche
Ausgestaltung der regel-
mäßigen oder natürlichen
Anlage dui'ch Gehölze im
allgemeinen vorher durch
die Formel festgelegt ist.
Ich lasse es bei diesem
einen Beispiel der Formel-
anwendung bewenden und
schließe mit der Bitte um
Kritik der Durchführbarkeit
oder praktische Abänderung
meiner Vorschläge.
yr>-
<5,h>-
bh'-
XX. Hauptversammlung
der
Deutschen Gesellschaft
für Gartenkunst,
Mannheim,
27.— 31. Jlüi 1907.
Die 20. Hauptversamm-
lung der D. G. f. G., welche
vom 27. — 31. Juli d. .J. in der
Ausstellungsstadt Mannheim
stattfand, bedeutet einen
vollen Erfolg nach jeder
Richtung hin. Sowohl der
äußere Verlauf der ganzen
Veranstaltung, wie auch der
innere Gehalt der Darbietun-
gen und die Ergebnisse der
Verhandlungen lassen diesen Ausspruch als nicht übertrieben
erscheinen.
Schon am Abend des 27. Juli waren soviele Teilnehmer in
Mannheim eingetroffen, daß das als Zusammenkunftsort be-
< h' - dgi.
(( hi
zeichnete Teichrestaurant in der Ausstellung voll besetzt war,
und am Nachmittag des 28. Juli waren es gegen 100 Mitglieder,
die an dem Besuche des Schwetzinger Parkes unter Führung
von Hofgärtner Unselt teilnahmen, abgesehen von denen, die
es vorgezogen hatten, nach Heidelberg zu gehen.
Programmgemäß trat der
Ausschuß der Gesellschaft
vormittags '/2 9 Uhr am
28. .Juli zur Erledigung ge-
schäftliclier Angelesenbeiten
zusammen, deren dringlichste
die Wahl eines II. Vorsitzen-
den und Versammlungsleiters
bildete, indem der Vorsitzende
der Gesellschaft, HerrGarton-
direktor Trip, durch schwere
Erkrankung am Erscheinen
verhindert und der IL Vor-
sitzende, Parkdirektor Ohrt-
Bremen, kurz zuvor von
seinem Postenzurückgetreten
war. Die Wahl des Aus-
schusses fiel auf Herrn
Gartendirektor Encke-Köln,
der demzufolge die Leitung
der Hauptversammlung über-
nahm.
Die Sitzung des Aus-
schusses dauerte mit kurzer
Unterbrechung bis zum
Abend. Den wichtigsten
Gegenstand ihrer Tagesord-
nung bildete die Angelegen-
heit der Zeitschrift. Von
der Verlagshandlung Gebr.
Bornbraeger war der die Zeit-
schrift betreffende Vertrag
gekündigt worden. .\uf Grund
der dadurch erforderlich ge-
wordenen Verhandlungen ge-
langten Vorstand und Schrift-
leitung zu der Ansicht, daß
es vorzuziehen sei, die Zeit-
schrift in eigenen Verlag zu
nehmen und nur die technische
Herstellung zu vergeben, den
Anzeigenteil gesondert zu
verpachten und den Versand
durch Postvertrieb zu bewir-
ken. Der Ausschuß stimmte
diesen Vorschlägen zu. Da-
gegen konnte der Leiter der
Zeitschrift die Mehrheit des
Ausschusses nicht von der
Zweckmäßigkeit des von
ihm beantragten vierund-
zwanzigmaligen Erscheinens
der „Gartenkunst" überzeu-
gen. Er zog deshalb seinen
diesbezüghchen Antrag zu-
rück; insbesondere waren es finanzielle Bedenken, die einen
Teil des Ausschusses zu ablehnender Haltung veranlaßten.
Am Montag, den 29. Jiüi, 9 Uhr vormittags, eröffnete Herr
Gartendirektor Encke im Saale der „Loge Karl zur Eintracht"
Tafel 6. Hie Hängeform.
Gehölzbeispiele:
Ulmus montana und campestris pendula sowie andere
Trauerbäume, die regelmäßig am Behang gesclmitten
in Parterres verwendet werden könnten,
unbrauchbar.
die Hängeformen von Acer dasycarpum, Aesculus
rubic, Alnus incana. Betula, Garagana, Carpinus,
Prunus Cerasus, Crataegus, Fagus, Fraxinus, Malus
Ouercus, Ulmus.
dgl.
dgl., Philadelphus Lomoinei. Lycium, Celastrus,
180
DIE GARTENKUNST
IX 9
die öffentliche Hauptversammlung. Der zweihuudertfünfzig
Sitzplätze enthaltende Saal war überfüllt, alle Zugänge waren
noch von Personen besetzt, welche den Verhandlungen stehend
beiwohnen mußten. Unter den Erschienenen befanden sich
neben zahlreichen Fachleuten aus allen Teilen des Reiches und
der Nachbarländer die Vertreter der badischen Staats- und
Mannheimer städtischen Behörden und vieler Stadtverwaltungen,
letztere so zahlreich, wie noch nie zuvor.
Es folgten die offiziellen Begrüßungsansprachen.
Im Namen des Groß-
herzoglichen Bezirksamtes
sprach Oberamtmann Dr. Le-
vinger, im Namen der Stadt
Mannheim Bürgermeister
Ritter. Er gedachte dabei
in besonders herzlicher
Weise des erkrankten Vor
sitzenden Trip, an den auf
Anregung Enckes ein Be-
grüßungstelegramm abge-
sandt wurde.
Der Vorsitzende ver-
kündete alsdann die Er-
nennung des Oberbürger-
meisters Dr. Beck und des
Bürgermeisters Ritter zu
Ehrenmitgliedern der Ge-
sellschaft, brachte den Jahres-
und Kassenbericht zurKennt-
nis der Versammlung und
erteilte dem Königlichen Lan-
desbau rat und Professor an
der Technischen Hochschule
zu Charlottenburg, Herrn
Th. Goecke, das Wort zum
ersten Vortrage : Garten-
kunst und Städtebau. In
fast einstündiger, glänzender
Rede, unterstützt durch zahl-
reiche Lichtbilder, fesselteder
Vortragende die Aufmerksam-
keit der Versammlung und
fand am Schlüsse seiner Aus-
führungen rauschenden Bei-
fall. Da die Vorträge alle
teils in Sonderheften, teils
in der Gartenkunst im vollen
Wortlaut und unter Beifü-
gung der Lichtbilder und
Abbildungen zum Abdruck
kommen, so kann auf ein
Eingehen auf den Inhalt hier
verzichtet werden: nur ein
Passus aus dem Vortrage
Prof. Goeckes sei des be-
sonderen Interesses wegen hier schon wörtlich wiedergegeben.
„Was heißt nun landschaftlicher Garten? Die Natur über-
zieht die Erdoberfläche mit Grün, so wie sie ist. Legt dann
der Mensch Wege hindurch, grenzt hier eine Baumgruppe
schärfer ab, schließt dort eine Lücke in den Laubmassen, wie
es seinem Schönheitsgefühle entspricht, oder legt eine Fern-
sicht mit Aussichtsplätzen an, setzt gar zum Kontrast ein Bau-
werk hinein, als Maßstab für hochragende Felswände usw., so
gestaltet er je nach Art und l'mfang der Korrekturen die Natur
|d'
bdr ^ wie
oben und alle Heckenstrliucher.
zu einem mehr oder weniger bescheidenen Kunstwerke um.
Verwendet er nun aber die einzelnen Elemente der Landschaft
zu einer neuen freien Komposition, etwa so, wie der Land-
schaftsmaler die der Wirklichkeit entnommenen Motive zu einem
in seiner Seele erschauten Bilde, so kopiert er so wenig wie
dieser die Natur, steigert sie auch nicht nur, sondern scliafft
mit ihrer Hilfe ein aus seiner Phantasie geschöpftes einheit-
liches Kunstwerk, dessen Erscheinung wieder wesentlich davon
bedingt sein wird, ob und wie die Gestalt der Erdoberfläche
benutzt und behandelt wor-
den ist."
Von der in diesem Worte
liegenden Anerkennung der
Landschaftsgestaltung als
Kunst aus dem Munde einer
Autorität, wie Prof. Goecke,
darf mit besonderer Genug-
tuung Kenntnis genommen
werden.
Nach einer kurzen Pause
folgte als Korreferent Garten-
diroktor Encke-Köln mit
seinem gleichfalls durchLicht-
bilder unterstützten gehalt-
vollen Vortrage, wobei er
sicli mit der gartenkünstleri-
sohen Ausgestaltung der für
das .Stadtbild in Betracht
kommenden Anlagen und
Pflanzungen befaßte.
Nach Schluß dieses Vor-
trages mußte die Fortsetzung
der Verhandlungen wegen der
bei der ÜbertüUung doppelt
empfindlichen Schwüle nach
einem geräumigeren Lokale,
dem von Bürgermeister Ritter
bereitwilligst zur Verfügung
gestellten Versanunluugssaal
des Rosengartens, verlegt
werden.
Hier wickelte sich im
Anschluß an die Vorträge
eine lebhafte Diskussion ab,
an der sich vorzugsweise
von Engelhardt - Düsseldorf,
Kube - Posen, Hoemann-
Düsseldorf, Heicke - F'rank-
furt a. M. u. a. beteiligten
und in der mit besonderem
Nachdruck gefordert wurde
daß die in den beiden Vor-
trägen dieses Tages zum
Ausdruck gebrachton Grund-
sätze mit allen Mitteln in
die breiteste Öffentlichkeit gebracht werden müßten, damit
den groben Verstößen wirksam künftig vorgebeugt werde, denen
man in großen und kleinen Städten auf dem besprochenen Ge-
biete fast überall begegnet.
Hiernach gelangte der von Heicke- Frauklurt a. M. gestellte
und begründete Antrag:
„Die Hauptversammlung wolle einen Ausschuß ernennen,
der beauftragt wird, zunächst mit dem Herausgeber des
Statistischen Jahrbuches deutscher Städte in Verbindung zu
Tafel 7. Üie Datlilonn.
Gehölzbeispiele;
— Tilia, Quercus, Platanus, Fagus, Carpinus, Flnuu
Morus, Crataegus, Catalpa Bungei.
— unbrauchbar.
IX, 9
DJE GARTENKUNST
181
treten, um zweckdienliche Erhebungen übor das Gartenwesen
deutscher Städte zu gewinnen, dann aber auch sonstigen
statistischen Aufgaben seine Aufmerksamkeit zu widmen und
alljährlich über da.s Ergebnis seiner Arbeit zu berichten"
zur Verhandlung. Der Antrag wurde angenommen und mit der
Bearbeitung der M.aterie die Gruppe Brandenburg beauftragt.
Glogau-Hannover begründete den Antrag der Gruppe
Hannover:
.,Die Hauptversammlung wolle beschließen, daß die Frage
der Ausbildung des Garten-
künstlers und der Regelung
des Prüfungsweseas erneut
aufgenommen und ein
Ausschuß zur Erörterung
dieser Angelegenheit ge
wählt werde."
Bei der Besprechung dt^
Antrages machte sich zu-
nächst die Neigung geltend,
eine Kommission zu bilden.
in der die bestehenden höhe-
ren Gartenbauschulen ver-
treten sein sollten. Da jedoch
weniger ein Ausbau oder
eine Umgestaltung dieser
Anstalten, sondern eher ein
Loskommen von ihnen das
Ziel sein kann, nachdem hin-
gestrebt werden muß, so
wurde ohne Rücksicht auf
sie der Ausschuß mit der
Befugnis der ZuwahJ be-
stehend aus Encke-Köln, von
Engelhardt und Hoemann-
Düsseldorf gewählt.
Am Nachmittag vereinigte
ein Festmahl im Foyer des
Rosengartens die Versamm-
lungsteilnehmer, und der
Rest des Tages war der Aus-
stellung gewidmet.
Das Thema des 2. Tages
der öffentlichen Hauptver-
sammlung bildete die Frage:
Heimatschutz und Lan-
des verschöne rung.Hierzu
sprachen als Referent der
Schriftführer des Bundes Hei-
niatschutz, Robert Mielke-
üharlottenburg, und alsKorre-
ferent Gartendirektor Kube-
Posen. Während ersterer
ganz allgemein die unter den
„Heimatschutz" fallenden Be-
strebungen besprach und im
besonderen sich über _Land-
schaftspflege" — anstatt
„Landesverschönerung" — äußerte, wies Kube die Wege und
Gelegenheiten nach, mittelst denen die D. G. f. G. erfolgreiche
Mitarbeit leisten könne und müsse. In der sehr anregenden
Diskussion wurde die Forderung gestellt, daß in jedem Gruppen-
bezirk und Landesteile eine Persönlichkeit aus dem Kreise der
Mitglieder bestellt werde, die auf die einschlägigen Angelegen-
heiten ihr besonderes Augenmerk zu richten habe. Schließlich
I £ ß <ß m
\&
bd'
einigte man sich dahin, die Angelegenheit dem Vorstande und
.Ausschüsse der Gesellschaft zu überlassen.
Danach gelangten die Anträge Heicke:
„Die Hauptversammlung wolle beschließen, dafi alljähr-
lich für die Mitglieder der Gesellschaft ein Wettbewerb zur
Erlangung künstlerischer Aufnahmen von Gegenständen aus
allen Tätigkeitsgebieten der Gesellschaft veranstaltet werde.
Die gewonnenen Bilder sollen zur Ausstattung der Zeitschrift
und zur .Anfertigung von Lichtbildern für Vorträge (ent-
sprechend dem Antrage der
Gruppe Rheinland (Verwen-
dung finden. Zur Ausar-
beitung der Bestimmungen
wird ein Ausschuß gewählt,
der seine Arbeit so zu be-
schleunigen hat, daß der
erste Wettbewerb noch im
Laufe dieses .lahres statt-
finden kann"
und Gruppe Rheinland:
„Die Hauptversamm-
lung in Mannheim wolle
eine Kommission wählen,
die veranlaßt, daß zu Vor-
tragszwecken für die Ge-
sellschaft eine Sammlung
von Photographien für
Lichtbildervorträge ange-
schafft wird, die den Vor-
tragenden gegen eine ent-
sprechende Leihgebühr
überlassen werden"
zur Annahme. Die Bearbei-
tungder Angelegenheit wurde
dem Vorstande der Gesell-
schaft unter Hinzuziehung
des Leiters der Zeitschrift
übertragen.
Die Beratung und Be-
schlußfassung über die Än-
derung der Grundsätze für
das Verfahren bei öffent-
lichen Wettbewerben auf
dem Gebiete der Garteukunst
mußte der vorgerückten Zeit
wegen auf den folgenden
Tag verschoben werden.
Nachmittags fand der vor-
gesehene Besuch der Strebel-
werke, eine Rundfahrt durch
den großartigen Mannheimer
Hafen unter freundlicher Füh-
rung des Herrn Stadtbaurat
Eisenlohr und abends Zusam-
menkunft im Friedrichspark
statt.
Am dritten Verhandlungs-
zunächst der von der Gruppe Frankfurt
Ergebnisse der Beratungen in den übrigen
Tafel 8. l»le Dachform.
Gehölzbeispiele:
Platanus, Tiha, Fagus, Ulmus, Pinus, Cedrus,
Crataegus, Acer
— (i>uercus
Castanea .
— Rhus typhina, Sambucns, Carpinus
campestre, Laburnum.
— Magnolia. Malus.
— Juniperus Sabina, Cotoneaster horizontalis, Catalpa
Bungei.
tage, 31. Juli, wurde
a. M. auf Grund der
Gruppen aufgestellte Entwurf für die Wettbewerbsbestimmungen
beraten und mit einigen Abänderungen genehmigt, im An-
schlüsse daran auch eine Neubearbeitung der Gebührenordnung
der Gruppe Rheinland übertragen.
In der darauf folgenden geschlossenen Mitgliederversamm
182
DIE GARTENKUNST
XI, ü
lung wurde gemäß der bereits im vorigen Jahre in Nürnberg
getroffenen Verabredung Potsdam als Ort der nächstjährigen
Tagung gewählt und der Voranschlag für das Geschäftsjahr 1908
genehmigt.
Gartendirektor Heicke als Leiter der Vereinszeitschrift
referierte sodann über die vom Ausschusse gutgeheißene künf-
tige Gestaltung der Verhältnisse der Zeitschrift und trug die
Entwürfe der über die technische Herstellung der „Gartenkunst"
und über die Verpachtung des Anzeigenteils abzusclilieI3enden
Verträge vor. Die Vorschläge fanden die Zustimmiinir der
Hausgartens. Es sprachen Professor Widmer-Karlsruhe
niid Kurgärtner Singer - Kissingen Ersterer, ein Freund
Läugers, besprach dessen Sondergarten auf der Ausstellung,
letzterer übte Kritik an den Gärten der Ausstellung, dabei be-
sonders auf die Gärten von Schultze-Nauniburg, Länger und
Behrens eingehend. Man muß sagen, daß sich Singer seiner
schwierigen Aufgabe mitgroßem Geschick entledigte. Er würdigte
unbefangen und rückhaltlos, was ihm an den „Professorengärten"
gefallen habe und tadelte ebenso freimütig ihre Schwächen. Sein
Vortrag hinterließ ei nen tiefgehenden Eindruck und zeugte von dem
sachlichen Bestreben, der Kunst zu dienen unterHintansetzung
aller kleinlichen Rücksichten auf Fachgrenzen und Sonder-
interessen. In diesem Sinne verlief auch die sich anschließende
Debatte. — Gegen 1 Uhr mittags schloß der Vorsitzende, Garten-
(lirektor Encke, die würdig verlaufene Tagung. Ein Teil der
Mitglieder blieb noch in Mannheim, die Ausstellung mit all
T/iP: 9.
Tatel '.I (zu „Baumaterial der heutigen Gartenkunst").
Versammlung und es wurde der Vorstand zur Vollziehung der
Verträge ermächtigt.
Die Anträge der Gruppe Rheinland: „Die Hauptversamm-
lung in Mannheim wolle beschließen, daß die Verhandlungen
der Hauptversammlungen einschliel31ich der Ausschußberatungen
ev. ohne Vorträge wieder veröffentlicht werden, da abgesehen
von dem bleibenden Wert der Veröffentlichung, hierdurch auch
das Interesse der Mitglieder an dem Vereinsleben wachgehalten
wird" und der Gruppe Brandenburg (Abänderung der Satzungen
§ 20 e und § '22 a): „Die Hauptversamndung möge beschließen,
daß bei Behinderung von Ausschußmitgliedern seitens der
Gruppen mit gleichen Rechten ausgerüstete Vertreter ent-
sandt werden können" fanden debattclos einstimmige Annahme.
An der nun folgenden letzten öffentlichen Sitzung kam es
zu einer hochinteressanten Aussprache zwischen Architekt und
Gartenkünstler über die künstlerische Gestaltung des
ihren Einzelheiten, Planausstellung, Friedhofskonkurrenz usw.,
welche bei manchem zu kurz gekommen waren, eingehend zu
besichtigen, ein Teil ließ sich durch die Bahn nach dem Schwarz-
wald entführen, wo die Teilnehmer hoffontlich angenehme Tage
erlebt und recht viel Schönes gesehen haben werden.
Was diese trockene Aufzählung der Tatsachen nicht geben
kann, ist eine Schilderung des Tones, der die ganze Tagung-
beherrschte und des Eindruckes, den sie auf die Teilnehmer
gemacht hat. Auch läßt sich daraus noch nicht erkennen, welche
tatsächlichen Folgen sich aus der Tagung ergeben werden.
Jedenfalls hat der ganze Verlauf bewiesen, daß die Deutsche
Gesollschaft für Gartenkunst auf dem richtigen Wege ist, nicht
um irgend jemandes Einzelinteresse wahrzunehmen, sondern
um ihrem großen Ziele „Förderung der Garteidiunst im weitesten
.Sinne" gerecht zu werden. Möge sie auf diesem Wege erfolgreich
fortschreiten!
IX, 9
DUO GARTENKUNST
18:5
ScIllofM Ito^alin. sein l'ark und seine Eichen.
Von Kiehl, Saaleck I). KöKon,
Schloli Hogaliii in der Provinz Posrn dürfto wulil last
allon LescM-n der Gartenkunst unl)ckannt sein, und diich ist
es mit der beachtenswerteste Punkt der ganzen Provinz.
Doch wie wenige, selbst geborene Posener, haben etwas
davon gehört, geschweige denn gesehen. Es müssen die
Fremden kommen, um den Posenern zu sagen und zu zeigen,
daß auch ihre Provinz nicht arm ist an Kunstwerken
und Xaturschönheiten, die sich den Ri'izeii anderer von
Natur und Kunst reicher bedachten Gegenden gi'trost
an die Seite stellen
ki'innen. IhreSchiin-
hüiten wollen nur
gesucht sein, zu
finden sind sie, und
der suchende \\'an-
derer wird oft
überreich belohnt
für die zuweilen
anstrengenden
Märsche; denn wan-
dern muli man
kiinnen, auch muli
man zufrieden sein
mit einem einfachen
ländUchen Butter-
brod und einer
meist tadellosen
Grätzer, diesem
Posener Erzeugnis.
Wie oft bildete
dies unser Mittags-
brot, und wie oft
sind wir dadurch
gestärkt weiter-
gezogen. Ja, einige Male bot uns der Wald selbst mit seiner
überreichen Fülle an Erd- und Heidelbeeren ein er-
frischendes Mahl. Iiahor ist's Wandern in Posen auch
billig. Ein weiterer, mir sehr willkommener Umstand ist
der, daß man während des ganzen Tages fast nie einen
Menschen trifft, mit Ausnahme einiger Landleute, die sehr
erstaunt sind, daß sich in ihre Gegend auch einmal ein
Städter verirrt. Doch von den Wanderungen durch Posen
vielleicht ein andermal und zurück nach Rogalin.
Von der Provinzialhauptstadt Posen führt uns die
Bahn in ca. 30 Minuten nach dem Landstädtchen Moschin
am Obrakanal; von hier geht es über die Bahn hinweg
durch Felder und Wiesen und zuweilen durch lichten
Kiefernwald bis zur Wartlie, die sich jetzt im Sommer
als etwa 10 — 20 m breites ruhiges Flüßchen durcli die
teils flache, teils leicht bewegte Landschaft schlängelt.
Von drüben grüßt freundlich das kleine, bescheidene Holz-
kirchlein des Fischerdorfes Rogalineg (Abi). 1). Man könnte
fast glauben, in einem der kleinen Fischerdörfer an der Ostsee
zu sein, wenn es nicht an der Warthe wäre, so breit und flach
und sandig ist hier das Ufer. Am alten Heiligenstein vorbei,
Abb. 1. Kirche zu Roaraliaee.
leiclit bergan, geht nun der Weg anfangs über kahle
Flächen etwa eine Viertelstunde entlang, bis der Wald-
park von Rogalin erreicht wird. Wie ein ehrwürdiger
\\'ächtor steht gleich am Eingang zum Park eine mächtige
Eiclie, in deren Stamm ein kleines Madonnenluldchen ein-
gelassen ist. Auf sauberem, gut gehaltenem Wege geht
es nun weiter: immer zahlreicher werden jetzt die riesigen
Eichen. Einen Schatz von ungeheurem Wert birgt dieser
Park in seinen Eichen. Es gibt wohl kaum in ganz
Deutschland einen Ort, wo in so großer Zahl und in so ge-
sundem Zustande und so sorgfältig gehütet derartige
Baumriesen vorhanden sind. Hier wird Naturdenkmals-
schutz in vollende-
ter Weise betrieben.
Alle diese Eichen
sind gleich male-
risch und üljer alles
schön uiul einzig da-
stehend in unseren
deutschon Wäldern
und Gärten (Abli. 2
U.3. S. 184 u. 18.5).
Ich habe Rogalin im
Sommer und im
Winter liesucht. und
ich weiß nicht,
welche Jahreszeit
ich für den Besuch
vorziehen soll. Im
Sommer sind (\s
die gewaltigen
dunkelgrünen Laub-
massen, die über-
raschen, im Winter
steht man staunend
vor diesem unend-
lichen Astgewirr.
.Man merkt sofort, daß diese Bäume dem Besitzer Rogalins,
dem Grafen Raczynski, wie seinen Vorfahren ans Herz ge-
wachsen sind. Jeder abgestorbene Ast wird sorgfältig
entfernt, die Wunde wird mit Dachpappe geschützt oder,
wenn sie tiefer geht, ausgemauert. Iveiner der Bäume
wird gefällt des Geldes wegen, sie alle gehen schließlich
nur an „Altersschwäche" zugrunde. Der älteste und
stärkste Stamm, leider nur noch eine Ruine, hat sogar
ein vollständiges Ziegeldach erhalten und ist am ganzen
Leib geflickt, nur um sein Leben so lang als möglich zu
erhalten (Abb. 4, S. 185). E»ieser Stamm hat, einen halben
Meter über den Boden gemessen, reichlich 4 m Durchmesser.
Wie winzig der .Mensch dagegen aussieht, zeigt die Abbil-
dung. Stämme von 3 m E>urchmesser sind sehr zahlreich vor-
handen, 2 — 2'/2 ni sind die meisten stark, und Kronen-
durchmesser von 30 — 40 m sind ebenfalls recht häufig.
Trotz des hohen Alters der Bäume ist ihr Aussehen
noch so gesund und ihre Entwickelung so urwüchsig, wie
die verschiedenen Abbildungen im belaubten und kahlen
Zustande zeigen. Ein Fußweg, noch schöner als der
eben geschilderte Fahrweg, geht gleich hinter der
184
DIE GARTENKUNST
IX, 9
Kirche in Rogalineg durch die Wiesen an dem hier ziemlich
stark abfallenden Gelände des Parkes an langgestreckten
Wasserflächen vorbei, und ich möchte behaupten, daß
dies der schönste Teil der ganzen Besitzung ist. Hier
wächst ein Eichenhain in einer Pracht und Ausdehnung,
wie er einzig dastehen dürfte, eine echt deutsche Land-
schaft. Viehherden geben diesem Bilde einen unbeschreib-
lichen Reiz (Abb. 7, S. 187). Allmählich führt uns nun der Weg
aus dieser freien Landschaft in den eigentlichen Park, der in
der Regel für Fremde gesperrt ist, jedoch fast ausnahms-
los auf vorherige Anfrage bei
dem Generalbevollmächtigten,
Herrn Szubert, bereitwilligst
geöffnet wird, selbst während
der Anwesenheit der gräflichen
Familie, wie es bei unsorm
Besuch der Fall war. Nur
das Schloß selbst ist dann
unzugänglich.
Gehen wir nun zurück
zu dem anfangs betretenen
Hauptfahrwege, auf dem wir
bald das Dorf erreichen.
Überall sind die Häuser in
gutem, auffallend sauberen
Zustande, die meisten von
kleinem Garten umgeben, in
dem die alten schönen Stock-
rosen und die Sonnenblumen
die Hauptrolle spielen und
leuchtender Mohn, denn der
Pole liebt in allem einu oft
glühende Farbenpracht, die
sich besonders in dem Hoch-
zeitsgewand einer polnischen
Bäuerin äußert. Auf Schritt
und Tritt begleiten uns die
riesigen Eichen, bis wir an
das Ende dos Dorfes ge-
langen.
Eine prächtige Allee
wohl hundertjähriger Birken,
deren Zweige stellenweise bis auf den Boden hängen, führt
von hier zur einfachen Dorfkneipe, wo es wieder eine
gute Grätzer und ein ausgezeichnetes Schinkenbrot, zu-
sammen für 25 Pfennige, gibt, allen Besuchern Rogalins
bestens empfohlen. Nach rechts zweigt jetzt der Weg
zum Schlosse ab. In weitem Halbkreis legt er sich um einen
großen freien Platz. Das Schloß ist Endo 1700, Anfang ISOO
im neuklassischon Stil erbaut (Abb. b, S. 186). An den
hohen Mittelbau schließen sich zwei niedrige, im Viortel-
kreis geschwungene Flügel .in. Das Innere birgt zahl-
lose alte und neuere Gemälde, Statuen, prachtvolle Kron-
leuchter aus Porzellan, eine reiche Waffonsammlung und
kostbare alte Möbel. In dem runden, nach der Garten-
seite gelegenen Waffonsaal wurde am 13. Dezember 1806
der Friede zwischen Prankreich und Sachsen geschlossen,
wie eine hier angebrachte französische Inschrift besagt,
und 1848 lagerte hier Krauthofer. An das Schluß schließt
sich nach der Gartenseite zu eine breite Terrasse an,
deren Stutzmauer dicht mit Efeu berankt ist. In der
Achse des Schlosses liegt om großes Parterre, das vielleicht
in früheren Zeiten reichen Blumensclimuck nach franzö-
sischem Muster gehabt hat. Alte, prächtig entwickelte
Linden rahmen <liesen Platz ein. Noch zahlreiche Statuen
vor dunklen Taxuspyramiden lassen die einstige Pracht
ahnen. Dieses Parterre begleiten zu
schorene Hainbuchensänji-e,
beiden Seiten ge-
Abb. 2. Eichen im Park von Rogalin
die jetzt wieder gut gepflegt
und, wo nötig, durch Nach-
pflanzungen ergänzt worden.
In bestimm tenZwischenräumen
erweitern sich diese Gänge
zu kloinen, etwa 10 m breiten
und 20 m langen Höfen (Abb. 6,
S. 180). Auch hier stehen
noch zahlreiche, doch stark be-
schädigte Sandstoinfiguren. In
den Achsen dieser Gänge sind
stets einige Pyramidenpappeln
gepflanzt, die dem Bilde einen
eigentümlichen Abschluß ge-
ben. Etiesem Parkteil wird,
wie schon bemerkt, seit eini-
gen Jahren wieder die ihm
gebührende Pflege zugewen-
det, und es wäre zu wünschen,
daß diese in der Provinz
Posen einzig erhaltene Anlage
im französischen Geschmack
wieder in altem Glänze er-
stehen möchte, zumal dem Be-
sitzer große Reichtümer zurVer-
fügung stehen. Es fehltschein-
bar nur an einer tüchtigen,
beratenden gartenkünstleri-
schen Kraft. Der weiter sich
anschließende Park birgt man-
chen Baumriosen, darunter
prächtig entwickelte Fichten,
Gleditschien, Ailanthus, Linden
und Schwarzpappeln und die zahllosen Eichen. Allmählich
geht der Park in freie Wiesen- und Auonlandschaft über,
die schon zu Anfang geschildert wurden. An verschiedenen
Stellen führen hier einfache Holzsteige über den den Park
und die Wiesen durchziehenden Wasserlauf, den zahllose
Wasserrosen und gelbe Mummeln stellenweise vollständig
bedecken, zur Zeit der Blüte ein wundervoller Anblick.
Auf der anderen Seite des Schlosses grenzt an die
breite Auffahrt ein von gerader Kastanionalleo begrenzter
Rasenplatz, an den Si'iten und Ecken mit dichtem Flieder-
gebUsch bestanden. Weiter in der Achse liegt auf eincnn
Hügel zwischen hohen Bäumen das Mausoleum. Es ist
ein antiker Tempel, und zwar eine Nachltildung der
„Maison quareo" zu Nimes. Eine breite Erritrcppr, auf
deren Wangen Löwen ruhen, führt zu ilcr von li Säulen ge-
tragenen Vn^hi^lU^ i'hie scliwere l'iichentür schließt das
IX, 9
DIH GARTENKUNST
185
und Liebe geschaffen, zu dem wir danii-
bar aufblicken müssen.
Abb. 3. Eichen im Park von Kogaiin.
Innere ab. Die Grabkapelle ist, wie eine fnsclirift auf
dem Giebelfelde sagt, dem heiligen Marzellino geweiht,
und eine weitere Inschrift gilit 1820 als das Baujahr an.
Unter der Kapelle beflmlet sich die eigentliche Grabstätte,
eini^ dreischiffige, gotische Krypta, deren hervorragendster
Schmuck die Marmorstatue des Grafen Roger Raczynski,
des Sohnes des Erbauers, bildet, von Rauch geschatien.
L»iese groß angelegte Besitzung verrät in allen Teilen
das hoho Kunstempfinden der Grafen Raczynski. Eile
Stadt Posen verehrt in dem Grafen Eduard R. einen ihi-er
größten Wohltäter und Gönner. Die ebenso reichhaltige
wie kostbare Bibliothek ist samt dem säulengetragenen
Prachtbau, der sie birgt, Eigentum der
Stadt geworden. E'io berühmte Raczynski-
sche Gemäldegalerie, die bis vor kurzem
in Berlin aufbewahrt wurde, ist jetzt im
Posener Kaiser-Priedrich-Museum unter-
gebracht. Nicht weit davon, in derWilhelms-
alloe, steht der Prießnitzbrunnen, vom
Grafen Eduard R. zur Erinnerung an den
Arzt Prießnitz, durch dessen Behandlung
seinem Sohne das Leben gerettet wurde, ge-
stiftet, gleichzeitig eine Ausflußstelle der
ebenfalls vom Grafen geschaffenen Wasser-
leitung. Elen Abschluß dieser ersten, jetzt
nur noch teilweise bestehenden Leitung
bildet eine Nachbildung der Sixtinischen
Madonna in Bildhauerarbeit, zu deren
Füßen in einer kleinen, gotischen Halle
der Wasserstrahl hervorsprudelt.
Ein edles Geschlecht hat sich durch
seine Wohltätigkeit und durch seine lümst-
und Naturliebe in Stadt und Provinz Posen
ein bleibendes Denkmal der Verehrung
Kino heikle Kraffc.
In Mannheim war ich in die 1 1 ;ingel<om-
mission für die Planausstellung gewählt worden
und .sollte zugleich als Preisrichter fungieren.
Es war das erste Mal, daß ich hier in
I'eutschfand einer solchen Aufgabe gegen-
über stand. Eine Menge Pläne, Iiilder, Modelle
l:if;on vor, welche die verschiedenartigsten
.\nlagen darstellten. Wir gingen an die I^o-
sichtigung. Ich musterte zuerst fliiclitig, dann
genauer, veitiefte mich baid in dieses, bafd in
jenes Projekt — dann kam die Frage: Aus-
schi'idcn oder Zulassen'.' Diese Frage war
sehr schwierig zu beantworten, weil ein Ueneral-
niaß fehlte, wie es bei einem gemeinsamen
Wettbewerb, bei einer bestimmten Aufgabe,
wenn auch nicht ohne weiteres, so doch elier
ausfindig gemacht werden kann. Ich IraRte
mich weiter: Streng oder milde urteilen .' und
entschied mich für „streng". Ich notierte mir
die Pläne, die ich nach bestem Empfinden
glaubte zulassen zu können. Es erwies sich, daß die Auswahl
weniger als die Hälfte der eingelaufenen Arbeiten betrug.
Schon schien es mir, als hätte ich allzu „subjelitiv" und hart
geurteilt, denn es wurden mir Vorstellungen gemacht: es ginge
doch nicht an, so viele zurückzuweisen, vor den Kopf zu stoßen,
es bliebe ja auch nichts übrig, die Ausstellung würde zu klein
und — — es würde sehr übel gedeutet und als persönliche
Kränkung aufgenommen werden, wenn diese oder jene Pläne
ausscheiden müßten — es sei auch nicht Sitte, so scharf z\i
urteilen, man schädige damit den Ruf und das Geschäft eines
Kollegen. Diese und ähnliche Einwände brachten mich dazu
gegen mein Empfinden zu handeln, obgleich ich mit einem Mit-
glied der Kommission im strengen Urteil übereinstimmte. Aber,
Abb. -i. Eiche im Park von Kogaiin.
186
DIE GARTENKUNST
IX, 9
Abb.
Sclilul.l lloiiuliii.
dav.an lerne. Anregung bekUmc und auf
iliesem Gebiet weiter gebildet werde. Wenn
das richtig ist, so liegt es auf der Hand,
dalj für die Zulässigkeit nur dieser eine
genannte Zweck maßgebend sein kann und
jode persönliche oder gar geschäft-
liche Rücksichtnahme durchaus wei-
clien mul.5. Scheint dieses Prinzip einer
Ausstellungsleitung zu hart — nun so mögen
alle eingelaufenen Pläne ohne Hänge-
komniission zugelassen werden. Es darf
aber weder von der Ausstellungsleitung noch
von den Ausstellern das Ansinnen an eine
Uängekommission gestellt werden, das sach-
liche, künstlerische Urteil durch andere
Rücksichten irgendwie zu beeinträchtigen.
Es sollte ferner m. E. die Beurteilungs-
inethodo zuerst in einer Gruppierung be-
stehen: und zwar kämen zur Auswahl zu-
iiächst die besten einwandfreien Pläne;
daran würden sich anschließen die allen-
fallszulässigen und als dritte Gruppe die
iliirchaus nicht einwandfreien, sowie
viertens die schlimmen Stümperarbeiten.
Nach dieser Gruppierung würde es sich
fragen, ob außer der ersten Klasse nur
die zweite oder auch die dritte Auswahl zugelassen werden soll.
Die vierte fällt ja selbstverständlich fort. Bei dieser Frage
glaube ich für strenge Beurteilung stimmen zu müssen und
daher aus der dritten Grupiie möglichst viele Pläne ausscheiden
zu lassen. Ist aber die Wertdistanz zwischen der ersten ev.
zur Gegenäußerung zu bewegen, damit unter uns durch solchen
Meinungsaustausch eine im Prinzip einheitliche Stellungnahme
zu dieser „heiklen Frage" erzielt werde. Meiner Ansicht nach
ist der Zweck solcher Ausstellungen doch wohl, dem Publikum
zu zeigen, was wir heute als wirklich gute, künstlerisch
durchgearbeitete Leistungen anerkennen, damit das Publikum
wie gesagt, ich gab nach; es wurden nur wenige Pläne aus-
geschieden und viele aufgehängt, mit denen ich nur zum Teil
mich einverstanden erklären konnte.
Man wird fragen, weshalb ich das alles hier mitteile'
Antwort: Ich teile es deshalb mit, um das Endresultat meines
Zwiespalts den Lesern vorzulegen und um Andersdenkende reichhaltigen Gruppe und der zweiten auffallend groß, so würde
vielleicht auch diese letztere mit geringen Ausnahmiui in Weg-
fall kommen müssen. Kurz gesagt: „non multa, sed mul-
tum", sei das Leitmotiv unserer Hängekommissionen.
Das mag sehr hart klingen — aber wir sind es unserer Kunst
schuldig. Jeder einzelne und wir, als Gesellschaft für Garten-
kunst, können in der Selbstkritik nicht streng genug
sein. Wenn vi-ir das nicht sind, so werden
wir von außen um so heftiger angegriffen
und um so schärfer beurteilt werden, wie
es uns die letzten Jahre deutlich gezeigt
haben.
Meine Äußerungen werden bei manchem
Leser vielleicht weitere Fragen wachrufen:
Welche Kommission hat denn das Recht, so
streng zu urteilen.' Welcher Fachmann
hält denn von seinem Urteil so viel, daß
er den verwegenen Mut hat, die anempfohlene
Strenge walten zu lassen'.' Etwa der Ver-
fasser dieser Zeilen, der so skruppellos da-
für plädiert? Muß man nicht viel eher tole-
rant, sein und auch gelten lassen, was einem
nicht gefällt.' Wer wird dann überhaupt
noch ausstellen': — All diese Einwandfragen
•-ind sehr verständlich und werden gewiß
jc'ilcs .Mitglied einer llängekonimission he-
w eL;en und das Richtoramt sehr erschweren.
mitunter gar unmii^lich machen. Ich will
versuchen, kurz zu s;igi'n, wie ich zu diesen
l'.edenken glaube Stellung nehmenzu müssen :
Erstens, jede Kommission hat das Recht
— nach bestem Wissen und Gewissen
Abb. (i. Von Hecken umgebener Garteidicji im Park von Uogalin. natürlich — streng zu urteilen, denn sie
IX. <)
DIE GARTENKUNST
1S7
hat sich nicht selbst zum Richter gemacht, sondern
man hat sie gewälüt nnd ihr dadurch ein gesundes
Urteil zugetraut — ob mit Recht oder Unrecht, bleibt
dahingestellt; die nachteiligen Folgen fallen dann auf
die Wähler zurück; sie tragen in erster Linie die
Schuld für eine schiefe Beurteilung. — Zweitens :
Der Fachmann wird den Mut haben, streng zu
urteilen, der den Mut hat, sich selbst einer strengen
Kritik zu unterstellen und der bei den Ausstellern
den gleichen gebildeten und allein bildsamen Stand-
punkt voi-aussetzt; er wird in Konflikt geraten, wenn
er erfährt, daß dieser oder jener Aussteller eine
empfindsame Persönlichkeit ist und eine strenge Be-
urteilung persönlich übel nimmt. Er wird dann, wenn
auch mit einiger Überwindung, den Konflikt sachlicli
zu entscheiden bemüht sein. Jeder ernst arbeitende
Mensch wird bestrebt sein, das eigene Urteil zu kläreji,
d. h. unterscheiden zu lernen. Wieweit er in diesem
Streben gelangt ist, wird er selbst schwer entscheiden
können. Wer ihn zum Richter wählt und ihm damit
Urteilskraft zutraut, kann davon nicht mehr ver-
langen, als wie vorhanden ist. Und was schließlich
die Toleranz betrifft und das (Jeltenlassen, so ist mein
Standpunkt: Jeder urteile nach bestem Wissen und Gewissen
so, wie er beurteilt sein will: sachlich, streng, gerecht.
Toleranz und Geltenlassen, die mitleidiger Schonung gleich-
kommen, bedeuten für mich FörJennig des Rückstandes —
und ilen wünsche ich weder mir, noch meinen Fai-hgenossen,
noch unserer Gartenkunst. Frhr. von E n ü;elhardt.
Abb.
Landsrliaftsbild aus der Umgebung von Rogalin.
Bücherschau.
„Grofs-Berlin" nennt sich die jüngst von der Vereinigung
Berliner Architekten und dem Architektenverein zu Berlin
herau.sgegebene Broschüre, welche Anregungen zur Erlangung
eines Grundplanes für die städtebauliche Entwickelung von
Groß-Berlin geben will.
Haben auch die Fach- und Tageszeitungen
hin und wieder kurz berichtet über die schon im
September 1905, wo die Anregung zur Bildung
eines Ausschusses gegeben wurde, begonnenen
Vorarbeiten und Beratungen, so kann doch
als erste zusammenfassende .Schrift diese
Broschüre angesehen werden. Sie bildet gleich-
zeitig den Abschluß eines, wenn auch nur
geringen Teiles der gewaltigen Vorarbeiten und
ist als Denkschrift, mehr vielleicht noch als
Propagandaschrift, bestimmt, zu wirken in den
weitesten Kreisen, aufzurütteln auch wohl die
Gemüter, die bisher dem großen Gedanken
wenig Interesse entgegenbrachten.
Der erste Abschnitt macht uns mit den von
den herausgebenden Vereinen im .Januar 1907
angenommenen Leitsätzen bekannt. Diesen
schließen sich an: Berlins Wachstum und
bauliche Zukunft von Regierungsbaumeister
Emanuel Heimann; Wald- und Parkgürtel,
eine Anregung für Groß-Berlin von Landes-
b.aurat Professor Goecke. der als Mitbegründer
und Herausgeber der Zeitschrift „Der Städte-
bau" auch in unserne Fachkreisen wohl be-
kannt ist; Groß-Berlin als wirtschafts-
politischer, verkehrsteclinischer und baukünstlerischer Organis-
mus von Architekt Albert Hofmann, dem Redakteur der
„Deutschen Bauzeitung" .
Diese drei Abhandlungen legen klar und deutlich dar, wie
zwingend notwendig es ist, nun endlich dieser brennend.sten
aller Fragen näher zu treten: „Wie soll Berlin sich gestalten
bei gleichem Fortschreiten der Bevölkerungszunahme wie bis-
her?" Die angeführten statistischen Nachweise und Zahlen
reden eine gewaltige Sprache. „Sechs Millionen Einwohner in
.SO Jahren und damit noch kein Ende! Der Gedanke hat etwas
Erschreckendes." Man vergegenwärtige sich nur einmal diese
schier endlose Häusermasse, die diese Menge aufzunehmen nötig
ist, man denke sich einmal das Bild Sonntagsausflügler Berlins
in 80 Jahren, wähle zum Vergleich eine zum Grunewald führende
Straße der .Jetztzeit oder den Bahnhof eines beliebten Ausflugs-
ortes. Scheint eine iSteigerung auf das Doppelte, auf das Drei-
Abb. y. Parklandschaft in der Umgebung von Rogahn.
188
DIE GARTENKUNST
IX, 9
lache überhaupt noch möglich, sollte es nicht, trotz stetig
fortschreitender Verbesserungen der Verkehrsverhliltnisse, fast
zu den Unmöglichkeiten gehören, all die Hunderttausende
am Abend heimzubefördern '? Wald- und Parkgürtel, welche den
dichten Kern der Häusermassen umschließen, werden die Er-
holung Suchenden auf viele Gebiete verteilen, werden kürzere
Wegestrecken zurücklegen lassen, leicht und schnell erreichbar
sein und somit dem schädlichen Einfluß der Großstadt auf
die körperliche Entwickelung der Einwohner hemmend ent-
gegentreten. Nicht Wald allein und Park und Wiese sollen inner-
halb des großen Kreises, der mit dem Potsdamer Platz als
unter B dahin gekennzeichnet, daß a) die grundsätzliche
Regelung der Ansiedelung auf dem vom Anbau noch nicht
(■rreichton Gelände und b) die möglichen Verbesserungen in
den bereits bebauten Teilen Borlins, seiner Nachbarstädte und
Vororte ins Auge gefaßt werden müssen, beides in wohldurch-
dachter, von künstlerischem Geiste getragener Form
um im Zusammenklang mit der Landschaft aus dem
(iroß-Berlin des XX. Jahrhunderts eine wirtschaft-
lich-technische und künstlerische Einheit zu machen.
Der Weg, der zur Erreichung dieses Zieles beschritten
werden soll, ist ein Wettbewerb zur Erlangung eines Grund-
Gfliei/.tes Basbiij im Botanischen Garten Gießen. Aus Henkel, das Bucli der Nyniphäaceeu.
Mittelpunkt 25 km Radius hat, liegen, sondern auch die durch
die Bebauung immer weiter hinausgedrängten Spielplätze,
Arbeitergärten usw. Festgelegt für immer, r.nveräußerlich und
nicht ein Spekulationsobjekt darstellend, seien auch diese
Plätze, genau so wie Wald, Wiese, Wasser ein gemeinsamer
Besitz. Die Wald- und Wiesengürtel Wiens könnten hierfür vor-
bildlich sein, auch die großen Parkanlagen amerikanischer Städte.
Das hohe Ziel, da.s man sich gesteckt hat, findet seinen
Abschluß nicht in diesen Forderungen allein, die Ausführungen
von Albert Hofmarm enthalten ein Programm, in dem Wirt-
schaftspolitik, Verkehr und Kunst hervorleuchten. Zimi Ver-
gleich werden herangezogen die großartigen Umgestaltungen
in Paris unter Haußmann; die Vorschläge von Christopher-
Wren für den Wiederaufbau von Ijondon nach dem großen
Brande von 1666; die Vorschläge für Pariser Straßendurch-
brüche von E. Henard.
Das Endziel der gewaltigen Aufgabe ist in den lieitsäty.pn
planes für Groß-Bcrlin. Wer dieses Programm durchliest,
wird sich des Gedankens nicht erwehren können, dat! es alles
enthält, was nur irgend gefordert werden kann, daß <!S a>uh,
weit in die Zukunft schauend, aufgestellt ist.
Die mit mehreren Plänen im Buntdruck und Tcxtaliliildungen
ausgestattete Broschüre ist im Verlag von lernst Wasmuth.
A.-G., Berlin W. 8 erschienen. Preis 2 Mk. Z.
Das Buch der Nymphaen oder Seerosengewäclisc. \'on
F. Henkel, F. lielinelt und L. Dittmann. Eigentum und
Verlag Fr. Henkel, Neuwiesc-Darmstadt. — Die Vorliebe für
das Geschlecht der Seerosen ist nicht neu. Schon seit langer
Zeit hat es PfianzcnlVeundo gegeben, die an diesen schönen
Gewächsen ihren besonderen Gefallen gefunden hatten, oder
Künstler, die den eigenartigen Reiz liebten, der im Kontrast
zwischen den die Horizontale einer Wasserfläche nachdrücklich
betonenden Nyniphaonblättern und den senkrechten Linien
anderer am Ij'ferraudo aufstrebender und sich im Wasser
IX, 9
DIE GARTENKUNST
IhO
spiegelnder Gewächse liegt. Neu ist aber die Fülle der Formen
und Farben, welche die in den letzten Jahrzehnten in Kultur ge-
nommenen oder durch Kreuzungen entstandenen Arten und Spiel
arten der Seerosen aufweisen. Neu ist ihre weitgehende Ver-
wendungsmöglichkeit auf dem Gebiete der Landschattsgärtnerei.
Wer die aul'serordentlich reizvollen Teichanlagen von Fr. Henkel
auf den Gartenbauausstellungen der letzten Jahre gesehen und
Gelegenheit gefunden hat, in Gärten und Parkanlagen Teiche
zu bewundern, die mit der farbenpräclitigeii Fülle der neuen
Seerosenarten beviilkert sind, z. B. im Park der Kruppschen Villa
Hügel, der wird nicht gern darauf verzichten wcillen. sie selbst
insbesondere Henkels, durch eigene Beoliachtung an den zahl-
reichen dort gepflegten Arten gewonnen wurden sind. Dazu
kummeii die nach allen Ländern der Erde gehenden Be-
ziehungen, welche die Firma Henkel unterhält und die die Ver-
fasser instand setzten, sich die Mitwirkung von Kennern und
Sachverständigen in aller Welt zu sichern.
Das so zustande gekommene Werk enthält aul'ser einer
kurzen geschichtlichen Einleitung eine eingehende Beschreibung
aller bekannten Nelumbien, Kabomboideen und Nymphäen und
ihre systematische Einteilung, gibt genaue Anweisungen für
die gärtnerische Kultur und Winke für die zweckmäCsige Ver-
Tropische Nymphäen und \'iktoriaregia im Stadtgarten zu Karlsjulie. Aus Henkel, das Buch der Nymiihäaceeu.
bei passender Gelegenheit zu vorwenden und die schonen
Wirkungen, welche sich mit ihnen erzielen lassen, sich nutzbar
zu machen.
Da ist es nun höchst dankenswert, daCs Henkel in seiner
Gärtnerei zu Neuwiese bei Darmstadt, deren Besuch ich jedem
Pflanzenfreunde nicht dringend genug emi>fehlen kann, eine
kaum jemals versiegende Bezugsquelle für Nymphäen und alle
sonstigen Wasserpflanzen geschaffen hat, dal's er aufserdem aber
auch in dem vorliegenden Buch der Nymphäen jedem Lieb-
haberein wertvolles Hilfsmittel an die Hand gibt, um die Kultur
dieser herrlichen Pflanzenarten zu betreiben und sich vor Mifs-
erfolgen zu schützen.
Was diesem Buche Wert verleiht, ist. dals sein Inhalt nicht
lediglich aus alten Werken verschiedener Autoren zusammen-
getragen und an Hand von Herbarmaterial und einzelnen Neu-
beobachtungen ergänzt wurde, sondern dal's die Unterlage da-
für in den ausgedehnten Wasserpflanzeukulturen der Autoren
Wendung. Auch Angaben über die Einrichtung von Behältern.
Kästen und Häusern für die Kultur der Wasserpflanzen, An-
gaben über das Abdichten von Teichanlagen u. dgi. findet man
in dem Werke.
Einen grofsen Wert hat das Buch durch seine zahlreichen
bildlichen Darstellungen erhalten. Mittelst Photographie und
Federzeichnung ist eine Fülle von allerbestem neuen Bilder-
material beigebracht: Abbildungen einzelner Pflanzen und ihre
Bestandteile geben Aufschlufs über botanische Einzelheiten,
Gruppen- und Schaubilder ganzer Wasserpflanzenanlagen zeigen
die reizvollen Gruppierungen, die sich mit einigem Geschick
aus diesem ausgezeichneten Pflanzenmaterial bilden lassen und
die Konstruktionszeichnungen ausgeführter Gewächshausbauten
für Wasserpflanzenkulturen geben Anleitung über die zweck-
mäßige Anordnung. H.
Camillo Karl Schneider, Illustriertes Handbuch der
Laubliolzkunde. Siebente Lieferung. (Zweite Lieferung des
190
DIE GARTENKUNST
IX, 9
zweiten Bandes.) Vtrlag von Gustav Fischer in Jena. Aus-
gegeben am 15. Mai 1907.
"Wieder liegt eine neue, inhaltvolle Lieferung des Schneider-
schen Werkes vor. Das AVerk nochmals zu empfehlen ist
eigentlich überflüssig; die bisherigen Lieferungen haben ja be-
reits allseitige und gebührende Anerkennung gefunden. Man
kann nur sagen: auch dieses Heft macht in Te.xt wie Illustra-
tion den gleichen Eindruck der Gründlichkeit, Wissenschaft-
lichkeit und Zuverlässigkeit. Es bringt außer den letzten
Leguminosensträuchern der Gattungen Lespedeza und Pueraria
in der Hauptsache die bei uns winterharten Geholze der
Rutaceen ;Skimmia, Ptelea, Phellodendron !), Siniarubaceen
(Ailanthu.sO Buxaceae (Buxus); Anacardiaceen (Cotinus, Rhus),
Aquifoliaceen (Hex), Celastraceen (Evonymus, Celastrus)
Staphyleaceen und insbesondere den gi-ußten Teil der Aceraceen.
Acer mit seineu mannigfachen Schönheiten in Blatt. Blüte und
Frucht, die die Abbildungen klar und treffend veranschaulichen.
— Die nicht erwähnten Familien und Gattungen des Buches
wird der praktische Gartengestalter als Ballast empfinden ;
ihre Besprecliung war aber für den dendrologischen Botaniker
und Spezialisten natürlich notwendig. Das Buch vom rein
wissenschaftlichen Standpunkt £us zu kritisieren, halte ich
mich nicht für kompetent: das ist eine Aufgabe für einen
Professor der systematischen Botanik. Der Gartengestalter er-
hofft besonders viel von der in der „Landschaftlichen Garten-
gestaltung" angekündigten praktischen Gehölzkunde mit be-
sonderer Berücksichtigung der künstlerischen Verwendung.
Wer wäre wohl geeigneter zur Abfassung eines solchen not-
wendigen Werkes als Camillo Karl Schneider, nach einer
solchen Vorarbeit, mit seinem vielseitigen, lebhaften Interesse
und feinem Verständnis für die Gartenkunst'?! — Einstweilen
aber ist auch für den praktischen Gartengestalter Schneiders
Laubholzkunde von den großen Dendrologien wegen ihrer
praktischen Vorzüge (Bestimmung nach Blatlmerkmalen usw.!)
als die geeignetste zu emi fehlen. W. li.
Personal nach richten.
Stefen, Heinr. Jos., Gartendirektor der Stadt Essen f.
Fern von seinem Wirkungskreis, im Sanatorium Schloß Mar-
bach am Bodensee hat sein an Arbeit und Erfolgen reiches
Leben am Morgen des 5. August sein Ende gefunden. —
Stefen ist im Jahre 1852 zu Haumberg (Bez. Düsseldorf) als
Sohn des Prinzlich HohenzoUernschen Schloßgärtners Jakob
Stefen geboren. Seine erste gärtnerische Ausbildung erhielt
er in der Schloßgärtnerei Gerath bei Bearath. Nach ilinr Be-
endigung und nachdem er seiner militärischen Dienstpflicht
genügt hatte, ging er 1876 — 1879 nach England, l'rankreich
und Belgien, wo er in den bedeutendsten Gärtnereien tätig
war; 1879 — 1881 hielt er sich in Süddentschland und Österreich
auf. Nachdem er noch größere Studienreisen nach Italien und
Spanien beendet hatte, wurde ihm im Jahre 1883 die Stelle
des Stadtgärtners der Stadt Essen übertragen, die er fast
25 Jahre bekleidete und in der er sich allzeit als pflichttreuer
Beamter und gewissenhafter Förderer aller gartenkünstlerischeu
Bestrebungen bewährte. Was er während dieser Zeit in Essen
geschaffen hat, weiß nur der recht zu würdigen, der Essen
vor 25 .fahren gekannt liat. Der Stadtgarten, der Nord- und
Ostpark geben Zeugnis von seiner schöpferischen Tätigkeit.
In Anerkennung seiner Verdienste ernannte ihn die Stadt Essen
zum städtischen Gartendirektor.
In die große Öffentlichkeit ist Stefen fast nie getreten, er
gehörte zu denen, die im stillen wirken. Wer aber Gelegen-
heit hatte ihn kennen zu lernen, wird ihn als einen ge:
fälligen, liebenswürdigen Menschen und Kollegen im Ge-
dächtnis behalten haben, wer ihm nälier gestanden hat, ver-
liert in ihm einen treuherzigen, biederen Freund: seinen Unter-
.gebenen war er ein luimaner Vorgesetzter, der jedem mit
ßat und Tat zur Seite stand.
Von seiner Beliebtheit bei Fachgenosseu und Bürgerschaft
zeugte das zahlreiche Trauergefolge, welches ihm zu seiner
letzten Ruhestätte auf dem Ostfriedhofe, einer seinerSchöpfuugen
geleitete. H.
Geheimrat Hermann Ende f. Der langjährige Präsident
iiuil zuletzt Ehreniiräsident der Königlichen Akademie der
Künste in Berlin, Geh. Regierungsrat Professor Hermann Ende,
Mitglied der D. G, f. G, ist am 10. August d. J. in seiner
Villa in Wannsee gestorben. Er war geboren am 4. März 1830
in Landsberg a. d. W. und hat sich in unermüdlichem .Streben
vom einfachen Architekten zum Senator und Akademiepräsidenteu
emporgerungen. Er war der Mitbegründer der bekannten Archi-
tekturfirma Ende & Boeckmann. Seine besten Werke sind im
Stile der deutschen und italienischen Renaissance gehalten.
Von großem Einfluß auf die Baukunst der letzten Jahrzehnte
war neben seinem praktischen Schaffen seine Lehrtätigkeit an
der Technischen Hochschule zu Gharlottenburg, wo er seit
1877 eine Professur bekleidete und seit 188.") ein Meisteratelier
für Architektur leitete. Vielfache Ehrungen wurden ihm zu
seinem 75. Geburtstage zuteil.
Perring, Wilhelm, Kgl. Gartenbaudirektor, lns|jektordesbo-
tanischen tJartens zu i)ahleiu, ist am 24. August d. J. gestorben,
— Geboren am 2. September 1838 zu Ampfurth (Magdeburg),
hat er seine Ausbildung vorzugsweise in botanischen (Tärten er-
halten und war 181)8 — 1876 Obergärtner des bekannten Pflanzen-
und Gartenfreundes Killisch v. Hörn in Pankow. 1877 wurde er
unter Prof. Eichler als Universitätsgärtner und am 1. .Januar
1882 als fns]iektor des Kgl. bot. (iartens angestellt. Was
Perring in dieser Stellung und besonders bei der in den letzten
Jahren bewerkstelligten Verlegung des botan. Gartens nach
Dahlem geleistet hat, ist bekannt. Seine Beliebtheit in Fach-
kreisen kam bei seinem zu Anfang dieses .Jahres gefeierten
Dienstjubiläum unzweideutig zum .\usdruck.
Für die Redaktion veraiitwortndi; .SUult-Gnrtpndirektor Heicke, Frankfurt a. M. — Vorlag von Gebrüder Borntraeger, Berlin SW. 11,
Grofsbeeren Slrnfsu 9. — Druck von A. W. Hayn's Erben, Potsdam.
IX. 10
DIE GARTENKUNST
191
Abb. 1. Aus den Sondergilrten des Prof. M. Läuger auf der Mannheimer Garfcenbauansstellung:
Blick iu den Garten am Badehau.s.
Die SoiKlei'sJii'teu des Prof. M. Langer auf der Mauiilieimer (Tarfenbauausstelluug.
LIBRARY
NEW YORK
ßOTANICAL
GARDEN.
V'ortrag. gehalten auf der XX. Hauiitversamtniung der D. (J. f. G..
von Prof. Widmer, Karlsruhe.
-:!l. Juli U)ü7. in Mannheim,
Meine verehrten Damen und Herren! Ge.statten Sie
mir, daß ich das kün.stlerische Problem des Hau.sgartens
an einem einzelnen konkreten F'all behandle, nämlich an
den auf der hiesigen Ausstellung vertretenen Gärten, die
Professor Max Läuger. der künstlerische Leiter der Ge-
samtausstellung geschaffen hat, also an den sogenannten
Läugerschen Sondergärten. Damit wir die Aufgabe, die
sich der Künstler gestellt hat, richtig auffassen, müssen
wir von vornherein festhalten, daÜ Professor Läuger nicht
einen einzelnen Garten, etwa zu einem gedachten Haus
wie Schultze-Naumburg entwerfen wollte, sondern daß er
eine möglichst vielseitige, verschiedenartige Anregungen
und Gedanken gebende Gruppe von Einzelbeispielen
schaffen wollte, so daß seine Gärten also ein Komplex
verschiedener Ausstellungsgärten sind, die mehr oder
minder selbständig gedacht sind. Es sind fünfzehn solcher
Einzelgärten, von denen sich allerdings einzelne nieder
zu äußeren Gruppen zusammenordnen. Das schließt na-
türlich nicht aus, daß diese Gärten nach einem einheit-
lichen Plan angelegt sind und daß wir aus diesen ver-
schiedenen Einzelbildern schließlich wieder das Resultat
eines harmonischen, in sieh abgerundeten Gesamtbildes
erhalten sollen. Aber diese Tatsache, daß hier nicht ein
einziger Großgarten gedacht ist. sondern ein Gartenkom-
plex, das ist für die richtige Auffassung der Sache durch-
aus notwendig.
Professor Läuger ist als Maler, als Künstler zu der
Ausgestaltung der Gärten gelangt, er ist also unbedingter
Anhänger des modernen Prinzips. Seine Gärten sind
durchaus Stilgärten. Der Hausgarten ist ja selbst eine
Portsetzung des Hauses, er pflanzt die Innenräume ge-
wissermaßen nach außen fort, er dient auch Zwecken,
die denen des Hauses vorwandt sind, er dient dem Aufent-
halt von Menschen, allerdings mit der Beschränkung, wie
sie eben dem Aufenthalt im Freien durch die Natur von
selbst gesetzt sind. Steht das Haus in einer freien Land-
schaft als Villa, so hat der Garten die Aufgabe, zwischen
Architektur und Landschaft zn vermitteln, er soll als eine
architektonisch gepflanzte Natur allmählich in die freie Natur
überleiten. Steht das Haus in einer Stadt, etwa in der
vorgartengeschmückten Straße eines modernen Villen-
quartiers, dann hat der Garten etwas andere Aufgaben:
er soll dem Bewohner die Natur durch den künstlich ge-
ptlanzten Garten bis zu einem gewissen Grad ersetzen, er
soll das Haus damit zugleich von der Straße isolieren,
die Abgeschlossenheit, die Intimität des Wohnens erhöhen.
E>arin sind uns die Engländer voraus. Der Engländer ist
überhaupt ein großer Gartenfreund und hat die Kultur,
1^2
DIE GARTENKUNST
IX, 10
M."
mmr?.ww7r\:^ti't^^^mi
0 3 10 (5 m
Sondergiirten des Prof. M. Länger auf der Mannheimer Gartenbauausstellung: Lageplan. (Die eingeschriebenen Zahlen ent8|.recUen den Biuiem.)
die ästhetische, aber auch die praktische Seite des Garten-
baues in ganz besonders hohem Maße entwickelt. Der
Engländer hat es sich nicht nehmen lassen, und ist nicht
durch Polizeivorschriften gehindert, seinen Garten mit
einer hohen Mauer oder einer Buchswand von der Straße
abzuschließen, so daß er mit seinem Garten gewisser-
maßen in einem großen Räum eingoschlossen und von
der Straße abgeschlossen ist. Ohne Zweifel ist das ein
schöneres, jedenfalls vom Standpunkt des Bewohners
empfehlenswerteres Prinzip, und wir müssen bedauern,
daß uns unsere Polizeivorschriften zwingen, die Garten-
umzäunung so nieder zu halten, daß man von der
Straße in den Garten hineinsehen kann. Ich erinnere
auch an die südlichen Gärten, an die orientalischen, an-
tiken Gärton, die sich auch auf diese Weise durch eine
hohe Mauer von der Straße abschließen.
Also der Garten ist seinem Zweck nach eine Art von er-
weitertem Haus, also ein Werk von Menschenhand, der Garten
ist eine Art von Architektur, die allerdings mit einem
lebenden und wachsendem Material schafft und folglich
auch die architektonischen Gesetze in einem etwas freieren
Sinne auffassen kann. Man braucht nicht so weit zu
gehen, wie etwa das 17. oder 18. Jahrhundert, das nun
jeden Baum in eine Kugel oder Pyramide verwandeln
wollte. Man kann dem freien Wachstum der Pflanzen
bis zu einem gewissen Grade, den das künstlerische Takt-
gefühl vorschroil)en muß, schon freien Spielraum lassen.
Aber der Grundgedanke einer Gartenanlage und spezioll
einer Hausgartenanlage, die sich eng an das Haus an-
schmiegt, muß ein architektonischer sein. Es mag sich
anders gestalten, wenn der Giirten zum Park wird, wenn
der Garten immer mehr in die Natur, in die wirklichem
Landschaft hinauswächst; dann natürlich lockern sich mit
der Entfernung vom Haus und mit der Ausdidinung des
Gartens zum Park auch diese Gesetze. Also mit andern
Worten: der Garton soll nicht die Natur imitieren mit
allen ihren ^\'iilkürlichkeiten, er soll nicht freie und un-
gebundene Natur geben, sondern nach architektonischen
Gesetzen gebundene Natur, stilisierte Natur, eine Natur,
welche das Einwirken, das Bauen der menschlichen Hände
in allen Formen zeigt. Denn Stil ist in letzter Hinsicht
die Unterwerfung der Natur unter die Gesetze des mensch-
lichen Geistes, Stil ist das Aufprägen menschlicher Ge-
danken auf das von der Natur gelieferte Material. Diese
Art von Garten, der Stilgarten, der architektonisch emp-
fundene Garten war ja das Erbe einer uralten Kultur.
Diese Kultur reicht viele tausend Jahre zurück bis zu den
alten Ägyptern und Assyriern, also soweit wir überhaupt
menschliche Kultur verfolgen können. Diese Tradition
hat nur vorübergehend Unterbrechungen erfahren, zu
Zeiten, wo der Geschmack verwildert ist und diese alte
Tradition dem naturalistischen Landschaftsgarten schon
in früherer Zeit vorübergehend Platz gemacht hat. Aber
im großen und ganzen geht der Paden dieser Tradition und
diese alte Kultur durch die Jaln-tausonde hindurch beinah
ununterbrochen, bis sie vor hundert Jahren sehr rasch,
beinah unvermittelt abbrach. Auf den letzten Zeugen der
alten Gartenkultur, den Rokokogarten folgte der moderne
Landschaftsgarton. Daneben führte der Stilgarten im
Biedermeiergarten noch eine Zeitlang ein bescheidenes Da-
sein fort. Seine letzton Ausläufe finden wir noch heute
in manchen Bauorngärten. 1 »ie neue Botschaft, daß der
Garten die Wiederholung der wilden Landschaft, der
freien Natur im kleinen sein soll, kam damals von Eng-
land herüber: das wissen Sie ja alle, das ist ja alles alt-
bekannt: die neue Gartenform wurde darum der englische
Garten genannt und es ist bezeichnend, daß nun auch
die Wiedoranknüpfung an die alte Tradition dos Stilgartons
von demselben England herübergekommen ist. Wie die
Dingo heute liegen, sind aber unsere Berufsgärtner im
wesentlichen noidi hartnäckige Anhänger dos Landschafts-
gartens. Die neuentdeckte Kultur dos Stilgartons ver-
danken wir Nichtgärtnorn, nicht eigentlichen Fachleuten.
In England waren es Architekten wie zum Beispiel der
XI, 10
DIE GARTENKUNST
193
2. Gartenhof mit Zierbrunnen.
8. Vorhof mit Pergola und Marraorbelag.
Aus Jen Sondergärten des Prof. M. Länger auf der Mannheimer Gartenbauausstellung.
194
DIE GARTENKUNST
IX, 10
große Künstler Voysey und andere. Die haben zu ihren sind es im allgoiuoinen Nichtgärtner: Maler, Architekten,
Landhäusern auch gleich die entsprechenden arcliitektonisch Leute wie Olbrich, Peter Behrens und Schultze-Naumburg.
empfundenen Gärten geschaften. Auch in Heutschland Es ist auch bezeichnend, daß Bilder, unmittelbare Schöp-
fungen der Malerei, Anregungen
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gegeben haben und geben. Ich
erinnere Sie nur an ein Bild
von Böcklin: die Laube, wo die
beiden Alten in dem Gartenhause
sitzen. Da hat Böcklin einen
alten Biedermeiergarten heraus-
gegriffen als künstlerisches Motiv
für sein Bild. Also die Maler,
die Ivünstler haben zu allen
Zeiten die Schönheit des alten
Stilgartens begriffen und für
ihre Ivuust vorwertet. So geht
also diese ganze Bewegung aus
von Künstlern. Es ist eine ab-
solute Parallele, ein Seitenstück
zu der Art, wie überhaupt unser
heutiges Kunsthandwerk wieder
entstanden ist, denn wir können
schließlich auch die Gärtner unter
die Reihe der Kunsthandwerker
rechnen. Das alte Kunsthand-
werk ist aus dem Handwerk
selbst hervorgegangen, das haben
Handwerker geschaffen: Schrei-
ner, Glaser, Schlosser usf. : das
moderne mußten Künstler erst
wieder schaffen, sie mußten das
Handwerk erst wieder zur lumst
erziehen, l'nd so ähnlich ist's
auch mit dem modernen Stil-
garten gewesen. J<]r ist eine
Schöpfung moderniM- Kunst.
Um also von diesen allge-
meinen Betrachtungen auf unse-
ren Läugergarten zurückzu-
kommen, so ist der Ijäugcrgarton
in seinem ganzen Charakter ein
Stilgarten; er ist architektonisch
empfunden in der Gosamtanlago,
architektonisch empfnndi'n im
einzelnen, architektonisch em-
pfunden vom großen bis ins
kleinste. E>io Gesamtanlago er-
innert in gewissem Sinn an die
Anlage eines großen Hauses.
Der Mitti*lpunkt, oder wie Sie
wollen, der Kopf der ganzen An-
lage ist dasBad (S. 195). Von hier
ordnen sich die einzelnen (lärten in
;-} große parallele Fluchten. Sie
la-gern sich vor dem llaiiso her,
nud das Freibad, das sieh da-
hinter anschließt, bildet dann
eiiu! Art von GarteidKil. Dioso
IX, lü
DIE GARTENKUNST
195
-1. Vorderansicht des Badehauses.
5. Rückseite des Badehauses.
Aus den Sondergärten des Prof. M. Länger auf der Mannheimer Gartenbauausstellung.
196
DIE GARTENKUNST
IX, 10
3 parallelen Fluchten enthalten etwa 15 Gartcninteriours,
Gartenräume, die wie gesagt, zum Teil voneinander ganz
unabhängig sind, sich aber doch alle einem gewissen Plan
unterordnen, tier Vergleich mit dem Bilde des antiken
nimischen Wohnhauses liegt nicht fern. Man kommt vorn
durch den ersten Garten wie durch ein Vestibül, dann
kommen Räume, die an das Atrium mit seinen Fort-
setzungen und Seitenflügeln erinnern usw.
Bei der Anlage der einzelnen Gärten haben wir nun
eine wechselvollo Reihe verschiedenartiger Bilder. Wir
haben Gärten, die sich im wesentlichen in der Fläche
ausdehnen und so Durchblicke gestatten, wo man von
einem Garten in den andern über niedere Mauern hin-
wegsehen kann, so daß ganz besonders Bedacht genommen
ist, dui'ch die Perspektive reizvolle Bilder zu schafl'en.
also verschiedene Gärten wieder zu Gartengruppen zu-
sammenzufassen, andere sind in sich abgeschlossen. Das ist
bei dem Freibad der Fall (Bild 1, Seite 191). Hier ist das ja
ganz von selbst gegeben in dem praktischen Zweck des Frei-
bads. Es ist auch in dem kleinen Gärtchen der Fall, wo die
Sphinx von Beermann steht (Bild 13, Seite 203). Das Prinzip,
den Garten durch Entwickelung in die Höhe abzuschließen, ist
besonders wichtig für Leute, die in einer Stadt dem Bau-
gelände Platz für einen Hinterhausgarten abgewinnen.
Viele unserer Hmterhausgärten haben den Fehler, daß
der genügende Abschluß fehlt. Da hat man von seinem
Garten den prosaischen nüchternen Blick in Nachbarhöfe,
auf Hinterhäuser, und die große Belästigung, daß man
von allen Seiten beobachtet wird. Man sollte bei diesen
Gärten prinzipiell mehr Wort darauf legen, daß der Blick
nach außen und von außen abgeschlossen ist,
Soviel über die Gesamtanlage.
E)as architektonische Prinzip des Gai'tens zeigt sich
dann auch in der Ausgestaltung der einzelnen Gärten in
sich. Der künstlerische Charakter des Gartens ist bedingt
durch die Absicht, Natur und Kunst so innig wie mög-
lich miteinander verwachsen zu lassen. Es zeigt sich das
zunächst in der Verwendung der Elemente, aus denen
sich der Organismus des Gartens aufbaut: neben der
Pflanze treten Architektur, Plastik und Keramik gleich-
bedeutend auf.
Auch die Plastik ist natürlich nach streng arcbitek-
tonischen Gesichtspunkten angebracht. Manchmal bildet
eine Plastik, wie der Hirsch in dem einten Garteninterieur.
eine Art Mittelpunkt, steht — ich fürchte da nicht miß-
vorstanden zu werden — fast wie der Altar in einer Kirche,
an einem ganz bestimmten, architektonisch gegebenen Pia.tz
(Bild 12, Seite 203). In anderen Gärten, wie dem Freibad
ist die Plastik hermenartig verwendet; da bilden vor den
Thujawänden diese Hermen eine Reihe, die etwa an die
Sphinxalleen vor den altägyptischen Tempeln erinnert usf.
Also die Plastik ist immer nach streng architoktonischon
Gesichtspunkten angeordnet, wie Länger für seine Gärten
auch durchaus archit(!ktonisch empfundene Plastik ver-
wendet hat (Bild 7, Seite 197).
Die Keramik findet in dem Garten ihre natürliche
Verwendung vor allem als Brunnen durch den reichlichen
Bedarf von Wasser. Dann als Blumenkübel ii. il:;-!. für
Pflanzen, die nur Sommers im Freien stehen usf. So ist
auch die K'eramik hier reichlich verwendet. Sie liegt
ja besonders nahe einem Künstler, dessen ganze künstle-
rische Rntsvickelunc,- von der Keramik ausgegangen ist.
Dann ist noch ein Wort zu sagen über die Verwen-
dung des Pflanzenwuchses, der Bäume und der Blumen.
Ich möchte zugeben — um gewisse Mißverständnisse zu
vermeiden — , daß nach meiner Ansicht und auch nach
der des Künstlers, der Blumenschmuck den Intentionen
des Künstlers nicht ganz nachkommt. Er war von dem
Künstler selbst wohl reicher, üppiger geplant; er ist ein
bißchen mager ausgefallen. Die Absichten, die der Künstler
verfolgt, werden sich ja aus dem ganzen Plane, aus der
ganzen Anlage für den, der sich hineinzudenken versteht,
sehr leicht ergeben. Aber der unmittelbare Eindruck,
namentlich auf das weitere Publikum, auf die Laien, wird
ohne Zweifel darunter leiden, dass die Fülle des Blumen-
schmucks fehlt. Wen soll man hier anklagen? Es ist
eben das Unglück unserer häuslichen Gartenkunst, daß
sie im wesentlichen auf Ausstellungen angewiesen ist. In
England liegt die Sache besser. Da können wir die
Gärten bei den Häusern suchen. Bei uns in E)eutschland
finden wir moderne Stilgärton im wesentlichen nur auf
Ausstellungen, sie führen auf Ausstellungen noch eine
Art von Treibhausextstenz, wie heute die Dinge liegen.
Und daß eben bei Ausstellungsgärten die Kürze der Zeit
ein sehr bedenkliches Wort mitspricht, das weiß jeder.
Wenn ein Garton angelegt wird, hört man ja immer:
Man muß abwarten, bis die Zeit gekommen ist, bis sich
alles ausgewachsen hat. Das macht sich auch bei den
Läugergärten in vielen L>ingen geltend. Es ist nicht alles
so gekommen, wie es sich der Künstler gedacht hat.
Soviel über die verschiedenen Elemente, aus denen
sich der Läugersche Garton aufbaut. Wir haben also da
eine sehr mannigfaltige Skala von Gartenbauelementen:
Pflanze, Architektur, Plastik, Wasser, zu einem einheit-
lichen, in sich fest gegründeten Organismus zusammen-
gebaut.
Sodann zeigt sich natürlich der architektonische Ge-
danke des Gartens in der Formenbehandlung. Alle
Formen sind auf architektonische zurückgeführt. Es sind
durchgehende geradlinige Achsen, nicht der Natur nach-
geahmte, krumme und gewundene Wege. Es sind Flächen,
auf dii> ursprünsTic.liste nrchitoktonisehe Form, auf das
Rechteck zurückgeführt. Wir haben Rasenflächen, wir
haben Blumenflächen, wir haben Wasserflächen immer auf
knnstmäßige, architektonische, geometrische Art geformt.
Auch hier ist es der ausgesprochene Gegensatz zum Na-
turalismus des Landschaftsgartens, dei- /.. U. aus eiiuMu
Bassin, statt es als ein von Menschenhänden geschaffiMUis
keramisches oder in Stein gefaßtes Becken zu gestalten,
einen kleinen Si'e machen will: Kaskaden, wo künstliche
Wasserstürze tlielien, in einen natürlichen einer Schwarz-
waldlandschal't al)geschanten Wasserfall verwandeln will.
Auch in die lirilu^ haben wir die Entwickelung nach archi-
tektonisehen (iesetzen: also die Bäume ni(Oit zu Banm-
gruppen zusammengefaßt, wie sie in einem wirklichen
\\':M etwa stehen, sondern zu Alleen g(^ordnet, die
IX, 10
DIE gartp:nkunst
197
G. Blick in einen Einzelsrarten.
7 Hermen im B:idehansgartrn.
Aus den fSondergiirten des Prof. M. Liinger auf der Mannheimer Uartenbauausstellnug.
198
DIE GARTENKUNST
IX, 10
Sträucher, die Thuja usw. ebenfalls zu architektonischen
Formen, zu Wänden und Mauern usf. ausgebildet. Also
das architektonische Prinzip vom großen bis ins kleine.
Und nun den eigentlichen Träger der künstlerischen
Wirkung haben wir in einer fein ausgerechneten Pro-
portionalität, also in der feinsten Beachtung der Vor-
hältnisse. Da liegt der eigeiitlicho Reiz der Sache, da
müssen wir die eigentliche Schönheit suchen, in der Pro-
portionalität auf Grund sachlicher Einfachheit. Es liegt
auch hier eine eigentümliche Parallele zu dem modernen
Kunsthandwerk. Wir haben keine Schnörkel, keine
Spielereien, wie wir sie so oft finden, also z. B.. daß
Blumen in einen künsthchen Korb gefaßt werden, oder,
daß Zwerge. Rehe usw. aus gefärbtem Ton aufgestellt
werden. Wir haben keine Imitation wirklicher Grotten,
wirklicher Felsen usf. I.>er Garten gibt sich als das, was
er ist, er ahmt keine Theatorszenerio nach, kein Panop-
tikum mit Wachsfiguren, keine Kunststücke, die uns ein
Stück Natur vortäuschen wollen. Wir haben überall
strenge Sachlichkeit. Die Schönheit liegt in den not-
wendigen Linien, ganz parallel zu dem Gegenstand des
modernen Kunsthandworks. Denn hier haben wir auch
den eigentlichen Grundgedanken, nach dem sich der mo-
derne Stil des Handworks entwickelt hat. Früher war
ein Schrank womöglich die Kopie einer Renaissance-
fassade, Jeder Gabel-, jedor Löffelstiel mußte bedeckt
sein mit Renaissance- oder Rokokoornamentchen. Heut-
zutage erfreuen wir uns an der einfachen Zweckform.
Der Schrank bleibt, was er ist. Die unnötigen Profile
verschwinden, die aufgeschraubten und aufgeleimten Leisten,
Simse, Pilaster, Säulen, Giebel fallen weg. Glatte Wände,
glatte Flächen, alles zurückgeführt auf das notwendige,
und so vom großen bis ins kleinste, bis zu jedem Löffel
und kleinen Instrument herab, einfachste und natürlichste
Zweckform. Also das Gesetz sachlichster Einfachheit, bei
dem die Schönheit in den notwendigen Linien und ihren
Verhältnissen liegt. Dasselbe Prinzip geht durch diese
Gärten hindurch. Insofern berührt sich der Geist dieser
Gärten mit dem allgemeinen Geist des modernen Kunst-
handwerks.
Selbstverständlich spricht neben der Form auch die
F'arbe ein gleich gewichtiges Wort. Es sind Farbenakkorde
versucht worden, die uns auch nach dieser Richtung hin
ein möglichst vielseitiges Bild von der künstlerischen Ver-
wertung der Pflanze geben sollten. Ich betone hier noch
einmal, daß das Versagen des eigentlichen gärtnerischen
Teils der Aufgabe allerdings diese Seite der Sache etwas
beeinträchtigt hat. Wenn wir Läuger als Farbenkünstler
kennen lernen wollen, gehen wir am besten in das Innere
des Bades hinein, wo er sich nach freiem h]rmessen be-
wegen konnte und wo wir ein außerordentliches Kunst-
werk von Parbenschönheit iiiul -harmonio verwirklicht
haben.
Selbstverständlich gibt einen weiteren ausschlag-
gebenden Wert dieser ganzen Gartenschöpfung der per-
sönliche Geist des Künsilers, der ihn gescha,l1'eii hat. Wir
lesen da auch die Handschrift einer künstlerischen Indi-
vidualität heraus, es atmet da die Seele einei- künstleri-
schen Porsiinlichkeit. Und Läuger ist ja seiner ganzen
Persönlichkeit nach bestimmt für eine feine, liebenswürdige
Klassizität. In dem Geiste vornehmer, fein abgewogener
Einfacbhoit liegt aber eben die Übereinstimmung mit der
allgemeinen Richtung der modernen Kunst.
Wir müssen im Auge behalten, daß es sich bei
allem dem um etvvas Neues, Bahnbrechendes ha-ndelt, um
den Versuch handelt, Traditionen wieder mm anzuknüpfen,
also aus gewohnten Geleisen herauszugehen. L»aß dabei
auch Irrtümer vorkommen können, auch Fragen aufge-
worfen werden, die damit noch nicht ein für allemal ge-
löst sind, daß man im einzelnen vielleicht auch noch da
und dort etwas aussetzen mag, daß nicht jeder sagt: das
ist das letzte und endgültige Resultat, das ist selbstver-
ständlich; darauf kommt es auch nicht an für die Wert-
schätzung aller dieser Schöpfungen, sondern die Frage ist
hauptsächlich die: Lst das Prinzip richtig': E>aß das Prinzip
richtig ist, diese Antwort gibt mir der Zusammenhang
nicht nur mit unserer ganzen heutigen künstlerischen
Kultur, der wieder erstehende und wieder gefundene An-
fang und Faden einer großen lebenumfassenden künstle-
rischen Kultur, mit der diese Gärten zusammengehen als
ein Teil eines großen Ganzen. Es gibt mir die Antwort
darauf auch die Übereinstimmung mit dem, was zu allen
früheren Zeiten künstlerischer Kultur als recht gegolten
hat. Darin sehe ich vor allem die Bedeutung der Gärten.
Sie helfen mitbauen an einem Stück Boden für einen
neuen Stil, für eine neue künstlerische Kultur unserer
Zeit.
Über kiiiistlei'i.sclie Ge,staltuiif!; de.s Haus^arteus.
V'orti'ag, auf der XX. Hau[itversammliing der D. G. f. G. in
Mannheim gehalten von W. Singer. Bad Kissingen.
Zugleich mit der Einladung, von diesem Platze aus
über die künstlerische Gestaltung dos llausgartons zu
sprochen, wurde mir von unserm verehrten Vorstande
mitgeteilt, daß vor mir b Herren das gleiche Thema unter
Bezugnahme auf ihre in der gegenwärtigen Aus.stellung
geschaffenen Sondergärten behandeln sollten: tla deuchte
es mir rechtens wahrscheinlich, daß ich als letzter der
langen Reihe mehrfach Gesagtes wiederholen würde, wollte
ich auf Einzelheiten der Hausgartengestaltung eingehen;
ich beschloß deshalb mich auf 2 generelle Fragen zu be-
schränken, die augenblicklich im lelihaftesten Streite der
Meinungen stehen:
1. Soll der llausgart(Mi ausschließlich uml streng
architektonisch, d. h. in vermenschlichton, unser
Herrenrecht über das der Natur entlehnte Material dar-
stellenden Kunstformen, od(>r landsc^haftlich, d. h. in
freien, der Natur nachgebildeten Formen oder schließlich
in einer Vermischung dieser zwei so verschiedenen Kunsl-
prinzi]iien gestaltet werden'.'
2. Wer soll den I lausgarten gestalten'?
Eine Wüi'digung der ephemeren Ausstellungsgärten
ergibt sich dabei von selbst. — Jetzt aber höre ich,
daß die meisten der vorgemerkten KünsIliM- ihre Vor-
IX, 10
DIE GAKTENKUNST
199
8. Niedrige Mauer mit Holzwerk als Abschluß zwischen einzelnen Gärten.
10. Laube.
Aus den Sondersarten des Prof. M. Länger auf der Mannheimer Gartenbauausstellung.
200
DIE GARTENKUNST
IX, 10
träge abgesagt und dadurch meine Voraussetzungon illu-
sorisch gemacht haben. Trotzdem kann und will ich nicht
plötzlich eine völlige Änderung der einmal gewählten
Eiisposition vornehmen, ebensowenig wie mich die so hoch-
interessanten Ausführungen des Herrn Vorredners, Pro-
fessor Widmer, der uns die Ziele und Absichten dos
Schöpfers der Läugergärten mit geradezu liebevollem Ver-
ständnis geschildert hat, in meinem Urteile, das sich einzig
unter dem Eindrucke des tatsächlich Vorhandenen, nicht alier
des vom Künstler Gewollton gebildet hat, beeinflussen dürfen.
„Aus der Jugendzeit, aus der Jugendzeit klingt ein
Lied mir immerdar", so möchte ich bei der P)eleuch-
tung so mancher modernen Bestrebungen zur künstleri-
schen Ausgestaltung des Hausgartens singen, ich, der ich
aufgewachsen bin in einem kleinen, fernab vom lauten
Weltgetümmel und Weltverkehr gelegenen Badeorte, wo
in herrlicher Landschaft zwischen buchenumwipfelten
Bergen ein feinfühliger Geist die ganz regelmällig geord-
nete Gruppe einfacher Kurhäuser quer durch d;is Wiesen-
tal, von Hang zu Hang gebaut hatte, verbuiulen durch
beschnittene Alleen und durch heckenumgrenzte Gärten
voll all der gemischten Blütenpracht der Bieilermeierzeit;
nur das silberklare Bergflüßchen war in seirier landschaft-
lichen Form belassen mit einer Beptlanzung, von der man
nicht wußte, hatte die Natur oder der Künstler sich selbst
übertroffen. Die Hauptachse wurde von dem einfachen
Schlosse beherrscht, zu dem mehrere ausgedehnte Terrassen
mit reichem Blumenschmucke, Obst- und Gomüseanlagen
emporführten. Das Ganze war nach einheitlicher Idee
komponiert und voller \\ohlklang. nur der mächtige, an
sich meisterhaft in heroischen Formen gebaute lüirsaal
stand wie ein riesenhafter Fremdling in der ländlichen
Idylle; dort sah ich als Kind noch Reifröcke und altväter-
liche Fräcke, Krückstöcke und Zylinder und einfach und
harmlos wie die ganze Szenerie waren die Menschen und
ihr Getriebe. Die folgenden Jahre in klosterlicher Abge-
schlossenheit des landstädtischen Gymnasiums waren nicht
darnach angetan, <lie Eindriick(^ der K'indheit zu vor-
wischen, deren Bild heute noch klar in der Erinnerung
des Mannes dasteht, nur wenig getrübt durch die and(n--
artigen Einflüsse der fachmännischen Lern- und Arbeits-
jahre, die allerdings als zwingende Folge der Allherrscherin
Mode eine Abkehr von der ererbten Kunst- und Geschmacks-
richtung brachten. Aus diesem Entwickelungsgange heraus
ist es wohl zu verstehen, daß ich wie nur irgend einer
freudig und gierig den Worten jener neuzeitlichen Kunst-
reformer lauschte, die eine Wiederbelebung der (Jarten-
kunst im Sinne meiner Jugenderinnerungen erstrebten.
„Zurück zur Natur" war einst das Schlagwort, die
Richtschnur der führenden Geister nach Jean Jacques
Rousseau, wonach wohl die großen Meister landschaft-
licher Gartenkunst herrliche, in allen Entwickelungsstadien
befriedigende Parklandschafton, aber wonach auch minder
große Nachfolger schließlich in spielerischer Nachäfhing
der Natur wahre Zerrbilder voll l'nkunst und Schund-
kunst geschaffen, die trotzdem wegen ihrer glänzenden
Aufmachung mit all den kostbaren Requisiten der Land-
schaftsgärtnerei den Beifall der breiten Menge gefunden
haben. r)as war selbstverständlich für eine Änderung
des herrschenden Grundprinzips gartenkünstlerischer Ge-
staltung ein gewaltiges Hemmnis, genau so wie auf allen
Kunstgebieten namentlich aber in der Baukunst die zeit-
liche Modcricbtung eine Besserung sehr erschwerte. Und
es bedurfte wirklich der fast überlauten Rufer im Streite,
die anfänglich als schreckliche Störenfriede der ausge-
fahrenen Geleise alltäglicher Gewohnheit empfunden wurden,
die aber heute von allen ernst und redlich Denkenden
dankbar als Pfadflntler aus dem weglosen Sumpfe geist-
loser Naturnachahmung gefeiert werden. Diese Worte
freudiger Aneikennung, die ich aufrichtig und gerne
Männern wie Schultze-Naumburg, Lichtwark, Muthesius
und anderen widme, vorflichten mich jedoch durchaus
nicht, die Offenbarun.n'en jener gedankenlos nachzubeten,
sie waren mir al)er Wegweiser zur Vertiefung in die
Kunst der alten, luuien und auch der künftigen Zeit.
Ich komme nun zur ersten Frage: Sull der Haus-
garten architektonisch oder landschaftlich gestaltet werden?
Aus dem einzigen Vortrage über Gartenkunst, den ich
vom alten Jühlko in Potsdam gehört, ist mir der Satz in
Erinnerung geldieben: „L'er Garten ist die Sonnenwohnung
des Menschen". Jühlke hatte dieso Auffassung wohl noch
aus der alten Zeit übernommen, uns Jungen war damals
der ^^'ohnbegl■iff für den Garten leider sehr nebensächlich
geworden. Inzwischen aber ist dies Wort von der er-
weiterten Wohnung zu außerordentlicher Bedeutung für
die Gartengestaltung gelangt und darnach ziemlich allge-
mein und mit Recht anerkannt worden, daß der Haus-
garten wenigstens in kleineren Verhältnissen im Grund-
riß streng regelmäßig an die Architektur des Hauses an-
zugliedern ist; ganz selbstverständlich ist dies für den
Vorgarten und den Gartenhof. — So sehr ich selbst den
regelmäßigen Hausgarten liebe und die gedrängte Über-
sicht über die gesamten tektonischen Gebilde und die
ganze Flora des h^rdballs in einem kleinen Hausgärtchen
verurteile, so muß ich doch offen die Meinun.ti; bekennen,
daß bei größerer räumlicher Ausdehnung und
namentlich da, wo bereits ein wirkliches Stück Land-
schaft: Wald, Wiese, Wasser usw. vnrliaiKlcn ist, die
regelmäßige Gliederung auf die L'mgebung des Hauses
und den eigentlichen Wohngarten beschi'änkt wertlen
kann, ja daß sogar die landschaftliche Gestaltung ganz
nahe an das Gebäude herantreten darf, immer unter der
strikten Vorauss('tzung, daß in allen Fällen eine scharl'e
Abgrenzung der architektonischen Teile von dem Land-
schaftsgarten eri'ichtet wird, soi es durch eine Mauer,
Hecke, dui'ch Gitter oder Böschungen, und daß namentlich
auch alle aus dem laiulschaftlichen in den regelmäßigen
Teil einmündenden Wege durch Tore, Pfeiler, Gitterwork
usw. rhythmischen 7\nschluß an ilii^ (lebäudearchitektur
erhalten: nicht daß durch solche Abgrenzungen der land-
schaftliche Garten als etwas Fremdes, Unlogisches von dem
Hause geschieden werden soll, nein, die deutliche Ihiter-
scheidung soll nur jeder der hier gleichbei'echtigt(>n
Formen, Architektur- und Landschaftsgarten, die notwen-
dige geschlossene Einheitlichkeit wahren.
L)ur(dl den Hinweis auf die Zulässigkeil landschaft-
IX, 10
DIE GAKTENKUNST
201
9. Gärtchen mit Laube.
^ 11. Gärtchen mit Plastik und Silberpappeln.
Aus den Sondergärten des Prof. M. Länger auf der Mannheimer Gartenbauausstellung
202
UIE GARTENKUNST
XI, 10
lieber Gestaltung des Hausgartens unter gewissen Ver-
hältiüsst'ii iioinme ich von selbst auf die Verwerfung des
landschcaftlichen Prinzips in der Gartenkunst durch die
meisten der modernen Reformer, die da sagen, daß die
Nachahmung der Natur überhaupt nicht unter den Be-
grifl" „Kunst" falle. Nun, die Kunstbegrifle sind ja durch-
aus nicht ewige, unwandelbare und es hat Zeiten ge-
geben — sie liegen noch gar nicht so lange hinter uns — ,
in denen der Naturalismus als oberstes Gesetz in der
Kunst galt. Die Frage ist schon bei unserer vorjährigen
Tagung mehrfach besprochen worden und bildet in allen
neuzeitlichen Abhandlungen über Gartenkunst den sprin-
genden Punkt. Ich will deshalb nur das eine als aller-
wichtigsten Grundsatz festlegen, dali der landschaftliche
Hausgarten keine sklavische Nachahmung von Natur-
szenerien darstellen soll und darf, sondern dalS wir in den
Werken der Landschaftskunst den individuellen künstleri-
schen .\usdruck der Naturan.schauung, der Vertielung
in den logischen, ge.setzmäßigen Zusammenhang der or-
ganischen Gebilde, des eingehenden Studiums der geo-
logischen und tloristischen Verhältnisse sehen müssen, be-
schränkt, einerseits durch die praktischen Bedürfnisse und
die räumliche Ausdehnung, anderseits aber unendlich
steigerungsfällig durch die Phantasie des Künstlers, der
demnach in seinem Landschaftswerke so gut wie im archi-
tektonischen Garten eine ganz bestimmt gewollte und be-
wußte Darstellung der Vermenschlichung von Naturbildern
in die Erscheinung treten läßt. — Und dann, meine
Herren, so sympathisch mir persönlich die Wiederbelebung
des Biedermeierstils durch Schultze-Naumburg ist, so muß
ich doch sagen: „Andre Zeiten, andre Sitten"! Damals
hatte der behäbige Bürger wohl Zeit und Muße, nach
Feierabend vor den Toren der Stadt Natur zu sehen und
zu genießen; in unseren modernen Großstädten bei dem
beklagenswerten Hasten und Drängen nach Erwerb und
Vergnügen sind dem Großstadtkinde die Werke des Land-
schaftskünstlers oft das einzige, wenn auch unwahre
Stückchen Natur, das er alltags schauen kann, und da-
her ist wohl die Liebe zum Landschaftsgarten so tief in
die Herzen unseres Volkes eingewurzelt. Schon deshalb
werden wir, abgesehen von den rein künstlerischen Rück-
sichten, gezwungen von der Macht der Verhältnisse, auch
Hausgärten landschaftlich, schon, angenehm und lehrreich
zugleich gestalten müssen. Zwar ist da ein beliebtes
Schlagwort: „der Künstler soll vorbildlich, erzieherisch
wirken, er soll den Stil der Zeit, Geschmack und Mode
des Volkes bestimmen"!
„Eng beieinander wohnen die Gedankc^n, doch hart
im Räume stoßen sich die Sachen"; wenn irgendwo, gilt
hier das Dichterwori!
Ich brauche Ihnen als Fachmännern nicht zu er-
zählen, welche Anforderungen häufig vom Bauherrn an
den Gartengestalter gestellt werden, und wie schwer es
hält, nur die allei'tollstim l'^ntgleisungen zu vermeiden,
wenn da einer auf seinem bißchen Grund und Boden eine
ganze Musterkollektion von Landschaftsbildern aus allen
Zonen, die mit Rocht so geschmähton Thoatcrszenei'ien
des sogenannten Landschaftsgärtners aufgebaut wissen will.
Was da tun? Es ist nicht jeder wirkliche Künstler in
der glücklichen Lage, derartige Zumutungen rundweg ab-
zulehnen, da sicherlich irgend ein anderer die Aufgabe
sogar mit Behagen zu liisen versuchen wird, wenn's nur
gut bezahlt wird. Der Künstler wird meines Erachtens
zunächst dem Bauherrn einen Vortrag über die eigene
Auffassung in bezug auf die Gartengestaltung, über die
engen Beziehungen zwischen der Architektur des Hauses
und des Gartens halten, bei manchem auch das Wort
„neueste Mode" recht kräftig wiederholen, was ja öfters
leider mehr zieht, als die tiefsinnigste Entwickelung
künstlerischer Notwendigkeiten. So wird wohl manchmal
ein voller Erfolg, meistens aber nur ein mehr oder minder
günstiges Kompromiß errungen. Ein praktischer Fall aus
jüngster Zeit: Ein Architekt, der auch anderen Künsten
huldigt, überreichte mir eine selbstgefertigte Skizze für
seinen eigenen Hausgarten im Landschaftsstil mit einer
ganzen Speisekarte von Wünschen: neben einem Gemüse-
und Obstgarten ein Waldidyll, dazu eine Wiese mit Blut-
buchen, Blautannen, bunten Ahorn und allen iniiglichi'n
sonstigen Bäumen und Sträuchern. r»ie verfügljaren
Mittel waren gei'inge, liie Situation die denkbar ungün-
stigste: das Haus ohne Gliederung nach der Gartenseite,
das ganze Erdgeschoß Bureauräume und der Zugang zu
dem Garten nur durch das einzige als Hofraum verwend-
bare Teilstück führend. Ich war zufrieden, a,ls ich zu-
nächst einmal eine regelmäßige Gestaltung einzelner
Gartentoile und der ganzen Wegeführung durchgesetzt
hatte, mich im Stillen der Hoffnung hingebend, so wenigstens
einer späteren befriedigenden Umgestaltung vorgearbeitet
zu haben: wie dieser Fall, so liegen wohl viele, aus
denen später dem Gartengestalter Vorwlirfe über die An-
wendung landschaftlicher Formen bei einem viel zu kleinen
Räume gemacht werden.
Und dann: hat es künstlerischen Wert und Zweck
einen in Form und Bepllanzung vollendeten Biodermeier-
garten zu schaffen für irgend jemanden, der die intimen
Reize des feinsinnigen Kunstwerks gar nicht verstehen
kann und der nur für aufdringliche Pracht in seiner
ganzen Lebenshaltung Geschmack hat, oder genügt ein
streng architektonischer Garten den W'iinschi'n eines philn-
sophierenden Naturfrinindes, dei- in der Pflanze mehr sehen
will, als die sti'onge Form und nur in di'r Beobachtung
des ewigen Werdens und Vergehens geistige uml künstle-
rische Befriedigung findet'.' Garten sowohl wie Haus
ki'iiinen eben nur dann a,ls wahre Mei.sterwerke gölten,
wenn nicht allein die Gestaltungskraft ihres SchöpiVu's,
sondei'n auch Geist und Stil des Besitzers siiuifälligen
Ausdruck darin gefunden haben.
Und nun zur Unterfrage: ist im regelmäßigen Garten die
Anwendung freier NaturforuKMi gestattet'.' — In der land-
schaftlichen Raumkunst ist die Komiiosition des Aufrisses
die Hauptsache, im architektonischen Garten dagegen kommt
eine gleich hohe Bedeutung dem Grundrisse zu; während
ich für diesen die Anwendung freier Formen im Hausgarten
möglichst beschränkt wissen möchte, glaube ich für den Auf-
riß auch im regelmäßigen Hausgarten die Verwendung
nalürlicher Foi'meii sehr Wdbl begründen zu ki'innen.
IX, 10
DIE GAliTENKUNST
203
12. Gäitchen mit dem Elch.
13. Gartcheu mit der Sphinx.
Aus den Sondergärteii des Prof. M. Länger auf der Mannheimer Gartenbau-Ausstellung.
204
DIE GARTENKUNST
IX, 10
Sicher kann man architektonische Gärten ausschliol3-
lich aus Kunstformen in ganz vollendeter Weise zu-
sammensetzen, wie es ja z. B. die Meistorwerke der Barock-
gartenkunst, in der das absolute Herronrocht des Menschen
über die Formen der Natur am stärksten zum Ausdruck
gebracht wurde, deutlich liewcisen. Ich aber möchte den
herrlichen Rhythmus, der dem freien Ptlanzenwuchse
inne wolint, nicht aus der Nähe des Menschen vorbannen,
und selbst die grüßten Fanatiker für die Vermensciilichung
der Nalurfurmen im Garton lassen z. B. die Sciilingpflanzen
an Häusern und Pergolen als lieblichen Gegensatz zu den
strengen Linien der Architektur gelten und wer möchte
einseitiger Kunstanschauung zuliebe einen malerischen
Lindenbauni missen, unter dessen Krone es sich oft wohliger
als in der Gartenlaube sitzen läßt und der im Wechsel des
Tages und der Nacht die verschiedensten Schattenbilder
auf Weg und Rasen malt, die aus dem einen Gartenbild
eine ganze Menge herrlicher Eindrücke hervorzaubern und
den starren Linien wundervolles Leben einhauchen 7
Wer möchto auf den reichen Flor von Flieder, Jas-
min, Spierstrauch, Wildrosen und wie sie alle heißen, die
schön blühenden Gehiilze verzichten, nur um aus ihnen
eine Hecke, eine Kugel oder einen Würfel zu formen?
Wer kennt nicht Bauwerke, die an sich häßlich, durch
den Zauber einer schönen Baumgruppe, durch den wohl-
tätigen Schleier aus Epheu oder Geißblatt ein geradezu
malerisches Aussehen erhalten? LTnd hat nicht gerade
Schultze- Naumburg, der rechtens so gefeierte Vorkämpfer
des regelmäßigen Stils im Hausgarten in seinen „Bei-
spielen" recht lehrreich die Wirkung freien Pflanzen-
wuchses auf die scharfen Linien dos kalten Gesteins ge-
zeigt? Beschneiden Sie einmal dorten die Pflanzen und
Sie erhalten vielleicht die kräftigsten „Gegenbeispiele"!
Die Folgen und Wirkungen dos Alters, die so mild
und lieblich den Ausdruck manch eines Menschenwerkes
verschonen, sind sie nicht eigentlich eine Rückbildung der
menschlichen Kunst in die Naturformen V Flechte, Moos
und Mauerbrech, die den toten Stein beleben, Regen und
Frost in ihren Kniwirkungen auf Holz und Stein, die
Patina auf dem Broncestandbikl, arbeiten sie nicht alle in
meinem Sinne, ohne daß ihre Arbeit jemals als unkünstUv
risch verurteilt worden wäre?
iJie Verwendung freier Naturformen im Kimstgarten
leitet mich über zur hiesigen Ausstellung, die Sie ja nun-
mehr alle kennen. Den Ausstellern stand (Mn großes Ge-
lände mit mehr oder minder schönem Baumwuchs zur
Auswahl frei; da ist es denn eigentlich sehr vorwunder-
lich, daß kein Fachgonosse die Idee faßte, einen Haus-
garten unter Nobeneinanderstellung der architektonischen
und landschaftlichen Formen zu gestalten, ebenso auf-
fällig wie es ist, daß die beiden einzigen, unregelmäßigen
— ich sage nicht: landschaftlichen — Gärten keinen An-
spruch darauf erhoben, irgend etwas zur Lösung der uns
bewegenden Kunstfragen beizutragen, denn der eine der
Aussteller hatte lediglich das geschäftliche Intei'esse, für
sein Slaudenmaterial einen Platz zu schaffen, auf dem die
einzelnen Pflanzensorten für sich gut zur Geltung gelangen
sollten, während der andere wohl ebenfalls in der Haupt-
sache mehr seine großen und schönen .Sammlungen von
Wasserpflanzen, Dekorationsmaterial und japanischen Stein-
laternen unter Entwickelung recht wirkungsvoller Einzel-
bilder dem Publikum zeigen wollte.
Von den regelmäßigen Gärten interessieren uns na-
türlich am meisten die sogenannten Professorengärten, mit
denen ich mich hierausschließlicli unter Verzicht auf eineWür-
digung der tektonischen Gärten unserer engeren Fachgenossen
beschäftigen will, soviel des Anregenden es auch über di(^
Sondergärten Brahe, Büchner und Roethe zu plaudern gäbe.
Schultzes-Naumburg Biedermeiergarten soll uns
wohl weniger eine neue Gartenkunst offenbaren als
vielmehr zur Wiederbelebung der einfachen bürger-
lichen Gartengestaltung der Zeit, in der Großvater die
Großmutter freite, beitragen und ich darf sagen, daß mit
verhältnismäßig geringen Mitteln ein wohltuendes Bild eines
vernünftigen zweckmäßigen Gartens, mit Platz für alle uns
anmutenden Gewächse unter geschickter .Ausnutzung der
gegebenen Verhältnisse und mit allem diesem feinsinnigen
Künstler innewohnendem Geschmacke geschaffen worden
ist: die hohe Mauer mit dem ordentlich zum Eintritt ein-
ladenden Tore gibt dem Ganzen einen weltabgeschiedenen
klösterlichen Anstrich, so recht geeignet zur Sammlung
und Erholung vom Getriebe des Alltagslebens, gut ange-
ordnete Sitzplätze, der einfache Weingang, das gemütUche
Gartenhaus, der schöne Baumbestand muten traulich an,
die Form und Anordnung der Blumenrabatten mit ihrer
altväterlichen Bepflanzungsweise aus buntom Gemisch aller
möglichen Blumen bilden ein treflliches Gegenbeispiel zu
so vielen überladenen Hausgärten mit ihren gekünstelten
Schniirkelbeeten, die meist nur wenigen Blumensorten
Raum bieten. Nicht befriedigt hat mich das allzugroße
Wasserbecken und seine Umrahmung und gewundert hat
sich mit mir wohl mancher, daß der Künstler nicht an
Steile des Rasens seine von ihm selbst so hoch gepriesenen
Gemüsebeete gesetzt hat. Ich will hierzu gestchen, daß
mir in seinem kritischen Werke „Gärten" dies Lob des
Gemüsegartens am wenigsten gefallen hat und Schultze-
Naumburg scheint hier selbst zwischen Theorie und Praxis
einen harten Gegensatz gefunden zu haben. \\'ohl soll
in geeigneten Fällen ein kleiner Gemüsegarten mit den
so prächtig zierenden Blumenrabatten nicht fehlen, doch
muß liedacht werden, daß die Zeiten, in der ein joder
Bürger notgedrungen sein besseres Gemüse selbst ziehen
mußte, längst vorbei sind und man heute sogar in kleinen
Städten seinen Bedarf besser und billiger auf dem Markte
kaufen kann. l'nd so reizend es aussieht, wenn ein
Schmetterling über die Wieso gaukelt, die Schnecke samt
ihrem Hause am Buchenstamme klebt: im Gemüsegarten
wird aus diesen Insekten eine Plage und die übelriechen-
den Düfte des Mistes und der Jauche, die nun einnuil un-
entbehrlich zur Gemüsekultur sind, gehören nicht gerade
zu den ,\nnehmlicl)keiten des Lebens.
Die Pill inj;'' sehen Beete kann ic'h übergeluMi. sie
iliirflen Wdbl .■i.llueineiu als niißlungen bezeichnet wcn-deu.
Professor Behrens stellt ein Gartentheater aus: im
allgemeinen gefällt mir seine Schöpfung viel besser als
ji'ue in Düsseldorf trotz des damaligen reichen und kost-
IX, 10
DIE GARTENKUISST
205
IT — rMl^'?^r~"-' L3^' "T^" 'D Ja fil^
-^
i^rxsM~ll!| ' j . lu]
"i^ Hl Bk,
14. (iäi tchen mit Gartenhaus und l'kistiken.
15. Rückseitiger Abschluß des^Badehausgartens.
Aus den Soudergärtea des Prof. M. Läua-er auf der Mannheimer Gartenbauausstellung.
206
DIE GARTENKUNST
IX, 10
liehen Beiwerks an Architekturen und Plastiken ; vor allem
finde ich die straffe Gliederung wohls;elungen. dagegen
dürften die allzu aufdringliche Verwendung weißen Spa-
lierwerks und das in seinen Abmessungen ins Riesenhafte
übertriebene Beet blauer Lobelien auch auf anderer Leute
Augen die gleiche unangenehme Wirkung, wie auf die
meinen ausüben und die K'osten für die Wasserkünste in den
Kulissen wären meines Erachtens besser für einen reichen
Blumenschmuck verwendet worden.
Als man in den Vorberichten über die Mannheimer
Ausstellung verschiedentlich gelesen hatte, daß Professor
Länger eine ganze Reihe von Einzelgärten um ein kostbares
Badehaus herum anlegen werde, da wird wohl mancher
nach Uhland gedacht haben:
„Und rings von duft'gen Gärten ein blütenreichor
Kranz, Lirin sprangen frische Brunnen im Regenbogen-
glanz." — Für mich ist der Begriff Hausgarten fast un-
trennbar mit dem Worte „Blume" verknüpft und nach
dem Beispiele der letztjährigen Künstleri'arbengärten hatti.^
ich von dem durch seine farbenprächtigen Werke berühmten
Keramiker Gärten erhofft, schwelgend im Rhythmus ihn'
Formen und in volltiinigen Farbenakkorden; leider bin ich
in letzterer Beziehung enttäuscht worden! Als ich vor
4 Wochen zum ersten Male hier zum Ausstollungsbesuche
landete, hing der Himmel voller Wolken, bleiern, düster,
regenschwer und bald auch öffnete er seine Schleusen
zu einem Dauerregen; ich selbst war infolge mehrmonat-
licher Krankheit körperlich und seelisch herabgestimmt
und diesem Zusammentreffen so ungünstiger Bedingungen
schrieb ich damals einen Teil meines Unbehagens beim
Durchwandern des Läugergartens zu, um so mehr tat ich
dies, als ich zu Hause die Julinummer der „Kunst" mit
den außerordentlich glücklich gewählten Bildern aus dem
Garten sah, wo Sonnenlicht und Schatten das tote Material
in köstlichem Leben zeigen. Ich kam dann wieder hier-
her und durchwanderte den Garten in anregendster Ge-
sollschaft, am hellen Tage und bei gedämpftem Abend-
lichte, aber auch jetzt ließ bei aller Freude über so manch
trelTliches Bild der Mangel an Blumen und Farben in
mir die rechte Befriedigung nicht aufkommen. — Ich kann
es dem Künstler menschlich gut nachfühlen, daß er seinen
Bauten und Plastiken zuliebe den Vorgarten zu dem im
Äußern wie im Innern gleich gelungenen ßadehause so
i'infach und ruhig gestaltete, um <las ihm besonders am
Herzen liegende Bauwerk vorteilhaft herauszuheben; da-
mit ist aber die Verfehlung des Gartenzwecks, den Be-
sitzer außer durch bequem gestaltete Wohnräume im Freien
vor allem durch ein farbenfrohes Blumen- und Pflanzen-
bild zu erfreuen und zu zerstreuen, noch lange nicht ge-
nügend begründet.
Bei den vielen, unter sich scdiarf abgegi-enzti'ii Einzid-
gärten hätte sehr wohl eine reiche Sammlung künstle-
rischer Ideen für die verschiedenartigsten Hausgärten, vom
Sonnenbad des prachtliebonden Millionärs, vom Garton des
Künstlers, des Philosophen, der Blumenfreundin bis herab
zum einfachen Gartenhof und zum schmalen Vorgärtchen
der Großstadt nebeneinander Platz gehabt. So finden wir
zwar eine Häufung herrlicher Plastiken und glücklicher
Baulichkeiten und eine Anzahl klarer Grundrisse mit sehr
beachtenswerten Einzelbildern, aber das Gefühl, im trau-
lichen Hausgarten zu lustwandeln, überkommt uns selten,
bieten doch die 1.5 Gärten von den Tausenden von Blumen-
sorten nur eine ganz armselige Auslese: Knollenbegonien,
Lobelien, bunte Pelargonien, Fuchsien und Zinien. Ange-
nehm belebt wird das Bild durch die schönen alten Bäume,
welche, die allzu strenge Regelmäßigkeit der Kunstgärten
wohltuend unterbrechend, willkommene Ruhepunkte für
das ermüdete Auge und zugleich, besonders am Badhause,
ein ebenso vortreflliches Zeugnis für den aufs Malerische
gerichteten Sinn des Künstlers wie ein greifbares Beispiel
für die Verwendung freier Naturformen im Kunstgarten
bilden. Über die zur Erzielung tiefer Perspektive baum-
schulartig im Einmeterverband angepflanzten Silberpappeln,
diesen gigantischen Parkbäumen (Bild 11 Seite 2(Jl). über die
Häufung von buntem Ahorn mit gelben Ulmenhecken, die An-
l)flanzung edler Clematis auf der Nordseite der Mauern oder
im Schatten der Kastanien könnte man als Fachmann eigent-
lich stillschweigend hinwegsehen, handelte es sich nicht
darum, daß diese Beispiele von manchen Fliferern als neue
Ütl'eubarungon, als lehrreiche Muster dem rückständigen
berufsmäßigen Gartenkünstler vorgestellt werden, doch als
solche muß ich sie ablehnen, so sehr ich anderseits eine
vermehrte Mitwirkung genialer Künstler von der Art
Läugers bei den Werken der Gartonkunst auf das Freu-
digste und E)ankbarste begrüße, immer aber auf der selbst-
verständlichen Grundlage des Studiums der für die Garten-
gestaltung maßgebenden Materialien und Bedingungen,
sonst könnte die für den Düsseldorfer Behrensgarten ge-
prägte Aufschrift;
„Natur trieb oft ihr Spiel mit Dir,
Nun Künstler, spiele Du mit ihr!"
womit sicherlich des Künstlers Horrenrecht über die
Natur betont werden sollte, leicht einen anzüglichen Bei-
geschmack erhalten!
Die beiden Läugerschen Rosengärten auf dem Wasser-
turmplatz haben in ihrer allgemeinen E)isposition wohl An-
spruch auf unseren Beifall; wenn schon verfehlte Einzel-
heiten (die zu tiefe Lage der Gartenhäuser, die mißglückte
V^erwendung von Koniferen) etwas stören, so bleibt doch
ein guter Gesamieindruck, denn da ist neben wohlge-
gliederter Raumeinteilnng wirkliches Blumenleben und
üppige Farbenpracht. — Wenn ich nun zurückblicke auf
all die reizvollen Eiuzelmotivo, die vielen guten Bau- und
Bildwerke, und dagegen den unbefriedigenden Gesamtein-
druck abwäge, so muß ich's lebhaft beklagen, daß Pro-
fessor Länger nicht den Versuch gemacht hat, einen
künstlerisch ebenbürtigen Gartongestalter als Mitarbeiter
zu gewinnen, um d(un ganzen, so groß angidegten Werke
eine wahrhaft vollendete r)ur(diführung zu sichtnai.
Diese Betrachtungen vermitteln den Übergang ziii'
Frage, wem eigentlich die künstlerische Gestaltung des
llausgiirtons zukommt? Die ersten Gärten wurden sicher-
lich von den Eigentümern selbst gemacht, die damals zu-
ghnch auch Baumeister in eigener Person waren, womit die
Einheitlichkeit zwischen Haus und Garten und zwischen
der ganzen Lobensgestaltung von selbst gegeben war.
IX, 10
DIE GARTENKUNST
207
1. I'urtie aus dein Rosengartrii links vom Eingmig.
2, (Tartenhaus im Rosengarten links vom Eingang.
Aus den Rosengllvten auf der Mannheimer Gartenbauaustelhmg.
208
DIE GAETENKUNST
IX, 10
.öT^^-en
Zweifelsohne wäre es auch heute noch der Idealzustand, könnte
jedermann sich sein Haus und seinen Garten nacli eigenem
Geschmacke selbst gestalten; die außerordentlich intensive
Arbeit der Jetztzeit läßt aber dem Einzelnen nicht mehr
Muße, einen größeren Teil seiner Lebensbedürfnisse eigen-
händig herzustellen und hat zu einer weitgehenden Speziali-
sierung in allen Fächern geführt.
Wenn Muthesius in seinem neuen, sehr leseuswei'ten
Werke „Landhaus und Garton" die Gestaltung des Gartens
für den Archi-
tekten in An-
spruch nimmt
und scheinbar
richtig sagt :
„der Grund
gedanko einer
Schöpfung muß
aus einem
Kopfe entsprin-
gen, wenn diese
ein einheit-
liches Gepräge
tragen soll",
so möchte ich
ihm entgegen-
halten, daß bei
der logischen
Weitorent-
wickelung die-
ser Sentenz ein-
zig und allein
der Bauherr,
also weder der
Architekt
noch der Gar-
tengestalter
den Grund-
gedanken für
Haus und Gar-
ten angeben
muß, denn der
K'unstwert des
Hauses ist doch
nicht Zweck
an sich, hier
faßlichem Ausdruck gebracht haben, auch zwischen Ar-
chitekt und Gartenkünstler eine ersprießliche Verständigung
über Haus- und Gartengestaltung zu erzielen sein.
Haben wir doch z. B. wiederholt schon bei unseren
Wettbewerben ein sehr förderliches Zusammenwirken
zwischen Raum- und Gartenkünstler erlebt, häufiger nodi
zwischen Architekt und Plastikcr und zwischen Architekt
und Ingenieur. Zwar will ja auch Muthesius den Gärtner
als Hilfskraft Ijei der Gestaltung des Gartens gelten
lassen, ich
meine aber,
Muthesius ver-
kennt liier voll-
kommen das
Zweckprinzip
(lesGart('ns,ibm
ist die Form
alles, der In-
halt etwas Ne-
bensächliches,
während beim
Garten Form
und Inhalt un-
trennliar sind
und für eine be-
friedigende Ge-
samtwirkung
den gleich ho-
henWerthaben.
Jetzt worden
leider in den
Architekten-
gärten aus dem
unermi'lilichen
Schatze von
Pflanzenfor-
m(ui, den uns
Natur und Men-
schenfleiß so
wundervoll ge-
schenkt, nur
weiiig(^ prun
ki'nde LMelstei-
ne gefaßt, so
daßderBlumen-
Liigeiiliin des Eosongartens links vom Eingang auf der M:i,nnheimei- (iiiitoiib:\ii;iiisstellung.
Entwurf von Prnf. M. Lilugcr, bepflanzt von T. Boulun-Oheikassel.
wie beim Garten steht in erster lanie eine glückliche Fin-
kleidung der Bedürfnisfragen in eine künstlerische Form,
ein liebevolles Eingehen auf die ganze Ideenwelt und
Lebensweise des Bauherrn, eine Vertiefung in all die
sonstigen Wechsel!)ezi(!hungen zui' ganzen .Umgebung, lia
worden denn der Architekt sowohl wie der Gartenkünstler
recht häufig ein Kompromiß zwischen den eigenen Kunst-
anschauungen und jenen di'S Bauherrn und alle drei unter-
einander schließen müssen, und icli meine, wenn die beiden
Künstler den Anforderungen der Zeit gewachsen und von
gutem Willen beseelt sind, dann sollte bei dem Reichtum
unserer Muttersprache, in der die größton Denker und
Dichter ihre oft sehr verschlungenen Gedankengänge zu
freund schließlich stall d. r ewigen Blütenpracht, der Mannig-
faltigkeit der l'llanzenformen iles La,ndschaftsgarlens eine
gähnenile Eintiinigkeit im tektonischen (iarten linden wird,
die beim lebens- und farbenfrohen Menschengeschlochto
nicht rechte Freude an der a.ngestrelilen neuen Kichlung
aufkommen läßt.
Warum soll es nicht uiöglicli si'in, daß sich ein
tüc!itig(n' Baukünstler mit. einem gleichwertigen Garten-
künstlei- zu gemeinsamem Katen und Taten verl)i!ulot? Wo-
möglich in einei' h'irma, geeint wiii'den sie sowojd künst-
lerischen wie
Naumljur
erstrebt,
;-eschäftlicb(Mi lü'lolg eri'ingen!
Schultze-
hat schiui, wie i(h hörte, .\hnliches dadurch
laß er junge Gartenkünstler als .Mitarbeiter in
IX, 10
DIE GARTENKUNST
209
3. ^[ittelpartie des UoseDgartfUS links vom Eingang.
4. Partie aus ileiu Rosengarten links vom Eingang.
Ans den Hosengärten anf der Mannlieimer Gartenbanansstellnng
210
DIE GARTENKUNST
IX, 10
ajin Atelier aufgenommen hat. Ein weiterer Sehritt in
dieser Sache wird getan sein, wenn die Bild iingsf rage des
Gartcnkünstlars endlich einmal in meinem Sinne, so, wie
ich's bereits auf unserer Elberfelder Hauptversammlung
vorgeschlagen habe, gelöst wird.
Eigentlich sollte es ja gleichgültig sein, wo und wie
einer seinem Kunst erlernt hat, wenn er überhaupt nur ein
wirklicher tüchtiger Künstler geworden ist, wozu manchem,
dem die natürliche Begabung fehlt, selbst die allerbeste
Schule nicht
helfen kann.
L»och bei uns in
E»eutschland
und namentlich
im öflenllichen
nüenste fragt
man Icidci' nicht
zuerst, was
einer kann, son-
dern welche
A u s b i 1 d u n g
er genossen hat
und nur ein
mehrfach ge-
prüfter und
gewappeltor
Künstler gilt
als vollwertig.
Aus diesem
Grunde und da
tatsächlich
ganz außer-
ordentlich viele
Berührungs-
punkte zwi-
schen Bau- und
Gartenkunst
bestehen, sollte
die Ausbildung
der jungen
Gartengestalter
nicht auf einer
wie immer ge-
arteten Fach-
schule oder
Pachhochschulo, sondern gemeinschaftlich mit den Archi-
tekten auf der technischen Hochschule erfolgen; sind doch
Gi'undgesetze der Kunst, Rliythnius und Harmonie, für
Bau- und Gartonkunst die gleichen uiul luii' die Unmög-
lichkeit, in unserer raschlebigen Z(iit all die unzähligen
technischen Kenntnisse und Erfordernisse der beiden
Künste zusammen in sich aufzunehmen und geistig zu
vorarbeiten, verlangt neben der grundlegenden gemeinsaincai
noch eine spcziollo fachliche Ausbildung.
Dann worden die beiden Schwesterkünstc; auch
äußerlich vollkommen gleichberechtigt sein; wenn dann
Bau- und Gartonkünstler ohne Noid und Eifersüchtelei,
getragen von dem edlen Geiste echter Kunst uml dem
ernsten Willen, nur dieser und damit dem Mitmenschen
zugleich zu dienen, einträchtig zusammenarbeiten, unter
gegenseitigem Vertiefen in die fteilanken des amlcren drn
Blick fortwährend auf die künstlerische Einheitlichkeit und
Gesetzmäßigkeit des Ganzen richten, und wenn noch der
Plastiker als Dritter im Bunde zu freudiger Mitarbeit sich
findet, ja dann wird eine neue, glückliche und ei-sprieß-
liche Epoche für uns hereinbrechen, der neue Stil als
wahrer Ausdruck unseres Zeitgeistes von selbst heraus-
wachsen und
ein goldenes
Zeitalter der
Gartenkunst
die Menschheit
mit dem ewig
und unver-
gänglich
schönen Wohl-
klang aus Natur
und Kunst be-
glücken!
Lngejdan des Rosengartens rechts vom Eingang auf der Mannlieimcr (JartcnlKiiunissti
Entw. v. Prof. M. Läuger, bepfl. von Peter Lambert, Trier.
uuin'.
Roseiigäi'ieii.
Von
Heieke-Erank-
furt :i. M.
Ich habe
seither nie be-
snnderen Ge-
fallen an Rosen-
gärten gefun-
den. ^\"arum?
Weil wii' keine
Rosengärten
hatten, snndern
„Rosarien".
Es ist ein
Unterscliied in
dem, was beide Worte bezeichnen. Rosarium — sihon
die lateinische Wortbildung deutet etwas exakt-methodisches,
fast möchte ich sagen wissenscjiaftliches an. l'nd das trifft
auch in gewissem Sinne avif unsere Hosarien zul Sie
sind keine Rosengärten, sondern Rosensainmlungen.
Sammeleifer und Sortenfexerei, die Feinde jeder künstle-
rischen Gestaltung, geben ihnen das Gepräge. Des Roson-
IVeundes Ehrgeiz gipfelt darin, recht viele, möglichst alle
erreichbaren Rosonsorten zusammen zu liekinnnien und
die Findigkeit und Rührigkeit unserer Rosenzücliter sorg(^n
dafür, daß dieser Sammeleifer nicht erlahmt, indem alljähr-
lich zahlreiche noue Sorten mit mehr oder minder glän-
zenden Eigenschaften in den llamlid gebracht werden.
IX, 10
DIE GARTENKUNST
1211
5. Durchblick durch die Pergola nach dem Gartonhansc im Rosengarten links vom Eingang.
6. Partie aus dem Rosengarten rechts vom Eingang.
Aus den Rosengärten auf der Mannheimer Gartenbauausstellung.
212
DIE GARTENKUNST
IX, 10
Infolge des Vielerleis an Sorten geht den Kosarien
jede ruhige und einheitliche Wirkung ab und die Stim-
mung, welche sich uns unwillkürlich mit dem Worio
Rosengärten verbindet, ist in der Wirklichkeit in diesen
Rosarien selten vorhanden. Die Farben der Rosenblumen
durchlaufen zwar die ganze Stufenleiter vom tiefsten
Schwarzrot bis ins zarteste Weißrusa mit Gelb und \\'eiü
in allen denkbaren Abtönungen, aber gerade hier gilt
das Wort: Weniger wäre mehr! und zwar erheblich mehr.
E>ie Blütezeit ist ziemlich einheitlich, wenn auch nicht
ganz; dafür aber weisen dio Sorten in Wuchs, Haltung
und Belaubung wieder dio denkbar größten Verschieden-
artigkeiten auf. Überhaupt sind die meisten unserer Rosen
als Strauch betrachtet fast häßlich. Sie bauen sich schlecht
auf, sperrig strecken sie ihre Zweige von sich und durch
den fortgesetzten Schnitt wird das noch verschlimmert.
Die einen machen zudem nur ganz wenig Holz, sind
sehr schwachwüchsig, andere wieder sind äußerst stark-
wüchsig und kaum zu bändigen; wonige nur bilden einen
Strauch, der durch seine Form an sich befriedigt. Am
unvorteilhaftesten macht sich diese Eigenschaft bemerk-
bar beim Rosenhochstamm. Überhaupt diese Rosenboch-
stämme! Sind sie nicht schon au und für sich eine Ge-
schmacksverirrung? Eine lange, dünne Rute, kaum finger-
stark, so daß sie des Haltes an einem Fichtenstab gar
nicht entbehren kann, und oben daran ein Büschel ein-
seitig und sperrig gewachsener Zweige, das man stolz
die „Krone" nennt! Aber man hat sich so daran ge-
wöhnt, daß man die Häßlichkeit dieses gärtnerischen
Kunstproduktes kaum noch empfindet. Ich habe in meiner
Berufstätigkeit noch nie einen Rosenhochstamm verwendet!
Und nun dio Anordnung der Rosarien! Über die
beiden typischen Grundrißanordnungen in Meyers Lehr-
buch der schönen Gartenkunst Tafel 15 und Niethners
gärtnerischem Skizzenbuch Tafel 49 ist man seit 40 Jahren
nicht hinausgekommen, wenigstens ist mir keine Anlage
bekannt geworden, die in wesentlichen Punkten davon ab-
wich. Lange schmale Rabatten, in der Mitte eine
Reihe „Hochstämme" in den verschiedensten Höhonabstu-
fungen, dazwischen die Strauchrosen in endloser Sorten-
fülle und buntem Durcheinander, wobei natürlich auch
Abnormitäten und .Monstrositäten, wie z. B. die berühmte
grünblühende Rose u. dgl. nicht fehlen dürfen. An den
Rändern der Beete stehen die Monatsrosen. Schmale
Wege trennen die einzelnen Beete, dio sich um einer
Laube aus gerissenem Eichenholz oder dergl. ordnen. Wo
das Geld dazu nicht reicht, pflegt statt deren oin rundos
Beet den Schwerpunkt der Anlage zu bilden, das mit
Stammroson bepflanzt ist, die fein säuberlich nach dor
Mitte hin ansteigen. Die sogenannten botanischen Rosen-
arten bilden rundum den Übergang zu den Baum- und
Strauchgruppen der anderen Garten- und Parkteile.
In der Aufzählung dor Fehler stocken auch schon die
Fingerzeige für die Verbesserung! Fangen wir mit dem
letzten an: Muß ein Ro.songarten wirklich durch die Vormitte-
lung einer Pflanzung von Wildrosen in den Park oder Garton
allmählich übergehen? Ich finde nicht nur, daß das über-
flüssig ist, sondern halte os für einen Fehler. Ich wende
nicht gern das Wort „intim" an. Es ist ein Wort, mit
dem Unfug getrieben wird. Aber wenn es nirgendwo am
Platze i.st, dann hier. Ein Rosengarten muß „intim"
wirken und um das zu erreichen, muß ein Abschluß
da sein, der sofort die Empfindung erweckt, daß hier
etwas Besonderes geboten wird, ohne den erforder-
lichen Zusammenhang mit der Umgebung zu zer-
stören. Das kann eine Hecke sein, eine Baumieihe, oine
Mauer, oin Spalier — die Läugorgärten und die Rosarien
auf der Mannheimer Ausstellung geben da mehr als ein
gutes Beispiel — das kann sogar der Saum von Gehölz-
partien sein, kurz es kann auf die verschiedenste Art ge-
macht worden und muß sich aus dem Zusammenhange
im einzelnen Falle ergeben; es darf nur nicht zu störender
Trennung ebensowenig zum „vermittelnden" Übergang
werden, der die beabsichtigte Wirkung zerflattern und
keine Stimmung aufkommen läßt.
Rosengärten und nicht Rosarien! Also bei der Be-
pflanzung Rücksichtnahme auf die Wirkung, nicht auf den
Sammelsport. Mit hundert Rosen in fünfzig Sorten kann
man keine Wirkung erzielen, aber wenn man die Auswahl
unter Berücksichtigung des Wuchses und der Blütenfarbe
auf wenige Sorten beschränkt, dann wird es schon sehr
viel besser. Jedenfalls geben uns auch in dieser Richtung
die Mannheimer Rosengärten beachtenswerte Anregungen.
Dio Bepflanzung größerer Flächen mit Sorten von ein-
heitlicher Farbe und übereinstimmendem Wüchse hat aus-
gezeichnete Wirkung gehabt, ohne daß dadurch Eintönig-
keit zustande gekommen wäre. Noch mehr kann in dieser
Hinsicht geschehen, denn in dem von Boehm bepflanzten
Garten finden wir immer noch ca. 100 Sorten, davon
rund 4500 Stück niedrige Strauchrosen in ca. 40 Sorten,
also von jeder durchschnittlich 100--120 Stück und
200 hochstämmige Rosen in ca. 60 Sorten.
Wer sehen will, dem kann an diesem Beispiel in
Mannheim gar nicht entgehen, welche wohltuimde Wirkung
gerade die Beschränkung in der Sortenzahl und die
Anwendung großer Mengen einer Sorte bei den niedrigen
Ro.sen zur Folge gehabt hat. Wer die Beete mit Caroline
Testout, Gruß an Teplitz, Farbenkönigin, Van Houtte,
Mad. Levavasseur, Mad. Jules Grolez, Frau Karl Iiruschki
in Blüte gesehen hat, der wird mir unbedingt beipflichtiMi,
wenn ich die große Sortenzahl unserer Rosarien als ein
Hauptgrund ihrer unbefriedigenden Wirkung bezeichne.
r)io Wirkung der Beschränkung in der Sortenzahl
wird noch wesentlich gesteigert, wenn bei der Auswahl
der Sorten Wert auf gofälligon Wuchs gelegt wird. Über-
lasse man doch den Liebhabern großer Sortiments alle
die zahlreichen Sorten von schlechtem Wuchs, \ind suche
sich statt dessen dic^jenigen Sorten aus, welche neben
einer gut gef'ormton Blüte und wirkungsvoller Farbe die
Eigenschaft besitzen, einen Strauch von gefälliger Form
zu bilden.
Und daini, wie schon gesagt, die llochstännnci Will man
mit ihnen wirken, und daß man es unter Umständen kann,
ist ja nicht zu bezweifeln, dann muß auch bei ihnen Vorsicht
in der Sortenwahl beobachtet werden. Noch mehr als
bei den Slraiichroson hängt der l"]rfolg von giitnii Wuchs
IX, 10
DIE GARTENKUNST
213
ab und man sollte allo Sorten von schlochtom Wüchse
von der Anzucht als Hochstämme ausschließen. Die
Kronen müssen geschlossen, dicht und gleichmäßig ge-
formt sein, der Stamm gerade, nirht zu dünn und vor
allen Dingen die Stammhüho niul! gleichmäßig sein: nicht
als ob ich fordern wollte, daß in einem Rosengarten nur
Stämmchen von einer bestimmten Stammhiihe verwendet
werden sollen — nein, das verlange ich nicht. Aber es geht
doch nicht, an. daß auf einer schnurgeraden Rabatte in ganz
willkürlicher Reihenfolge Stämme von den verschiedensten
Hiihenabmessungen einander folgen. Will man wechseln
in der Kronenhcihe, dann muß es in bestimmten Inter-
vallen geschehen, so also, daß dann auf je zwei Halb-
stämmo ein Hochstamm folgt und so fort. Im allgemeinen
möchte ich überhaupt den Halb- oder Niederstämmen,
d. h. den Ivronenbäumchen von kurzem Stamm (etwa bis
75 cm Höhe), eher das Wort reden, afs den höheren und
letztere vorzugsweise für Trauerrosen, d. h. hochstämmig
gezogene Schlingrosen, vorbehalten. Aber auch in letzter
Hinsicht, d. h. in der Verwendung der Schlingrosen als
sog. Trauerrosen sollte man sich rechte Zurückhaltung
auferlegen. So schön an rechteni Platz ja einmal eine
solche Trauerrose sein kann, ebensosehr verliert ihr
Anblick, wenn man ihr zu oft begegnet. Die herrlichen
Schlingrosen, welche wir heute besitzen, köinnen doch
unendlich viel reizvoller am Spalier, an der Laube oder
Pergola wirken, statt mit herabhängenden Zweigen auf
hohem Stamm als sog. Krone. Gerade in ihnen ist uns
neuerdings ein Schatz von ungeahnter Wirkungsmöglich-
keit gegeben. Wenn wir unseren Rosengärten etwas von
dem märchenhaften Dornröschenzauber geben wollen, dann
können wir es nur mit Hilfe unserer Polyantha- und
Schlingrosen. Ich erinnere an die herrlichen Wichurajana-
hybriden und ähnliche Sorten. Sie sollten uns viel zu
gut sein, um sie in ganz widersinniger Weise als hoch-
stämmige „Trauerrosen" zu verwenden.
Was nun endlich die Form und Anlage der Rosen-
gärten anbelangt, so möchte ich warnen vor jeder
Schablonen- und Regelhaftigkeit. E)ie Erfindungsgabe und
Phantasie mag sich bei ihnen betätigen und Lösungen zu
finden suchen, die dem jeweils vorliegenden F'alle ent-
sprechen, nicht aber sich bemühen einen „Typus" für
den Rosengarten zu erfinden. Wenn man tunlichst voraus-
setzungslos an die Aufgabe herantritt, dann wird es auch
andern als Prof. Läuger gelingen, gute Lösungen und
neuartige Beispiele zu finden. Ehe ich schließe, möchte
ich einen in Mannheim vorgeführten Rosengärten noch einige
Worte widmen. Die Gärten in ihrer Ausführung ent-
sprachen nicht ganz den Plänen. Hierbei fällt zunächst
auf: die Ausstattung mit Bildwerken, Architekturen,
Bänken, Brunnen u. dgl. ist bei weitem weniger reich-
haltig ausgefallen, als es geplant war und das ist sehr
schade, denn es sah an manchen Stellen geradezu dürftig
aus. Wir können ja nicht untersuchen, ob die Aus-
stellungsleitung hier falsche Sparsamkeit hat walten lassen
oder ob die Aussteller es haben an sich fehlen lassen.
Jedenfalls hat es keinen Sinn, Sitzplätze vorzusehen und
nachher die Bänke fortzulassen und ähnliches. r»as
andere, was auffällt ist, daß die vorhandenen Bäume nicht,
wie es geplant war, zu strengen Formen, ivugeln u. dgl.
verschnitten worden sind und das ist sehr gut. An
einigen hat man es zwar versucht, aber der Schnitt ist
wieder verwachsen, die Mehrzahl hat man in ihrer zwang-
losen Form gelassen und so erfreuen wir uns an dem
malerischen Kontrast zwischen der strengen Grundriß-
anordnung und Architektur der Gärten und den regellos
malerisch sich entfaltenden Baumkronen, die dazwischen
stehen.
Die Architektur hat manchiin .Vnlaß zu ironis(di-
kritisehen Bemerkungen gegeben. Ich will gern bekennen,
daß auch ich beifällig gelächelt habe, als jemand beim Anblick
der weißen Pfeiler des von Boehm-Oberkassel bepflanzten
Rosengarten zitierte: „In den öden Fensterhöhlen usw."
Es schien nicht ganz unzutreffend, und ebenso pflichtete
ich bei, wenn man den von Lambert-Trier bepflanzten
Rosengarten bevorzugte, weil nicht soviel aufdringliche
weiße Architektur darin war und die Aufteilung des
Gartens durch eine grüne Efeuwand bewirkt war. Allein
je mehr die Anpflanzungen sich entwickelten und nament-
lich Schlingrosen und wilder Wein das harte Weiß ein-
zuspinnen tortfuhren, desto reizvoller wurde die Sache und
ich habe mich in jenem Garten ganz im Gegensatz zu den
anderen förmlich verliebt. Gewiß kann man über manche
Anordnung zweierlei Meinung sein, so dürfte z. B. sich
darüber streiten lassen, ob die Höherlegung dos Bodens
zwischen den beiden Pfeilerstellungen nicht zweckmäßiger
einer Senkung gewichen wäre. Auch kann man einwenden,
daß die zweimalige Aufteilung des Gartens durch die pergola-
artigen Pfeileranordnungen etwas des Guten zuviel geworden
sei — gewiß, aber daß sich durch sie eine Menge höchst
reizvoller Bilder ergaben, das kann nicht bestritten werden.
Ich habe beide Rosengärten auf das eingehendste mit
der Kamera durchforscht und während sich in dem einen
ganz ungesucht mir die Bilder fast an jeder Ecke auf-
drängten, ist es mir kaum gelungen, eine leidlich be-
friedigende Aufnahme in dem andern Garten zustande zu
bringen. Das will doch sehr viel besagen.
Verschiedene Mitteilungen.
Preisausschreiben Friedhof Stahnsdorf. Die Berliner
Stadtsynode ei'liiljt mit l'rist zum 1. Februar 1908 ein Preis-
aussclireiben zur Erlangung von Entwürfen für die Einrichtung
des Südwestfriedhofes bei Stahnsdorf (Kr. Teltow). Das Aus-
schreiben ist offen für deutsche Architekten und Gartenkünstler.
Unterlagen versendet gegen Einsendung von .5 Mark, die bei
Einreichung eines Entwurfs zurückerstattet werden, der ge-
schäftsführende Ausschuß der Berliner Stadtsynode. Berlin C 2,
Neue Friedrichstraße 69. Drei Preise sind ausgesetzt in Höhe
von 6000, 4000, 2000 Mark. Weitere Entwürfe können für
1000 Mark angekauft werden. Unter den 9 Preisrichtern be-
finden sich neben i Laien 1 Bildhauer, 2 Architekten und
2 Gartenkünstler (A. Weiß und Vogeler).
Das in Frage kommende Gelände ist rund 110 ha groß,
etwa zu zwei Dritteln mit Kiefern in Altersklassen von 20 bis
214
DIE GARTENKUNST.
IX, 10
80 Jahren bestanden und weist Höhenunterschiede his rund
8 Meter auf.
Im Programm wird es als wünschenswert bezeichnet, dal.!
sich für die Bearbeitung Architekten und Gartenkünstler ver-
einigen, da die Lösung der gestellten Aufgabe (Grundplan»
Höhenschichtenplan, Plan eines Beerdigungsblockes, Ansichten,
Grundrisse und .Schnitte der erforderlichen Baulichkeiten) teils
auf dem Gebiete der Baukunst, teils dem der Garteukunst liegt
und der Entwurf die Gesamtanlage darstellen soll. Der Ein-
druck des öffentlichen Parkes soll vermieden werden, die
Anlage soll einfach und würdig sein und eine weitgehende
Verwertung des Geländes ermöglichen. Es gilt in diesem
Wettbewerb „künstlerische Ausdrucksmittel für eine
Friedhofsanlage zu erhalten, die dem Empfinden der
evangelischen BevölkerungNorddeutschlands zusagt
und vertraut ist".
Der geschäftsführende AusschidJ der Stadtsynode behält
sich das Recht vor, eine zusammenfassende V^eröffentlichung
einiger oder aller preisgekrönten oder sonst erworbenen Ent-
würfe zu veranstalten. H.
Obergärtnerprüfung an der Gartenbauschule zu
Dresden. lOinera lange gehegten Wunsche entsprechend ist
nunmehr auch für Besucher der Gartenbauschule des CJarten-
bauverbandes für das Königreich Sachsen, die bekanntlich un-
längst in Laubegast ein neues Heim bezogen hat, die Möglich-
keit geschaffen, die Obergärtnerpräfung abzulegen. Unter dem
7. September d. Js. hat das Kgl. Sachs. Ministerium des Innern
zu Dresden die Prüfungsordnung für das Obergärtnere.\amen
genehmigt.
Personalnachrichten.
Stadtgartendirektor Julius Trip.f Die Nachricht von
dem Hinscheiden des Vorsitzenden der D. G. f. G. hat uns
nicht unerwartet getroffen. Man wußte, daß er, der noch im
vorigen .Jahre die Hauptversammlung der Gesellschaft in Nürn-
berg in gewohnter Frische und Rüstigkeit geleitet hat, von
einer schweren Erkrankung befallen war, die in seiner, keine
Rücksicht auf die eigene Person kennenden rastlosen Tätigkeit
auf den verschiedensten Gebieten, ihren Ursprung gehabt haben
dürfte. War auch den Näherstehenden seit einigen Wochen
bekannt, daß sein Zustand hoffnungslos geworden war, so hat
trotzdem die Nachricht von seinem am 18. September d. Js.
eingetretenen Tode überall erschütternd gewirkt und das Gefühl
schmerzlichster Teilnahme erweckt. Unwillkürlich legt sich
jeder die Frage vor, was hätte dieser erst 50jährige Mann bei
seinen Fähigkeiten und glänzenden Eigenschaften noch alles
leisten können, wenn ihm eine längere Lebensdauer beschieden
gewesen wäre. Die Lücke, welche .sein Scheiden hinterläßt, wird
nur schwer auszufüllen sein.
Diesen Empfindungen hat der M.agistrat der Kgl. Ilaupt-
und Residenzstadt Hannover in seinem Beileidschreiben an
Frau Stadtgartendirektor Trip Ausdruck gegeben, in welchem
hervorgehoben wird, daß der Verstorbene im nie ermüdenden
Schaffensdrang sein mit vornehm künstlerischem Geschmacke
gepaartes reiches Können der Verschönerung Hannovers dienst-
bar gemacht und Kunstwerke von unvergleichlichem Wert habe
entstehen lassen, die seinem Namen einen Ehrenplatz in der
Geschichte der Stadt sichern. Das Schreiben schließt mit der
Mitteilung, daß die städtischen Kollegien beschlo.ssen haben,
in Anerkennung seiner grol.'ien Verdienste auf dem Stöckener
Friedhofe und zwar in dem schönen als Heidepartie ausge-
bildeten Teile, die eine Lieblingsschöpfung des Verstorbenen
war, ein Erbbegräbnis unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.
Dort ist er um die Mittagsstunde des 21. September zur
letzten Ruhe bestattet worden, als erster auf dem von ihm
geschaffenen neuen Friedhofsteile. Außer zahlreichen Mit-
gliedern der Behörden und Vereinigungen, denen er angehört
hatte, gab ihm der Vorstand und eine große Anzahl von Mit-
gliedern der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst, deren
Förderung ihm von jeher am Herzen gelegen und für die
er besonders in den letzten Jahren zielbewußt und mit unver-
kennbarem Erfolge seine ganze Kraft eingesetzt h.atte, das
Geleite. Heicke.
Dr. Höstermann, Assistent am botanischen Institut der
landwirtscliaftlichon Akademie in Poppeisdorf bei Bonn, ist als
Nachfolger Dr. K. Müllersf zum Lehrer der Botanik und Vor-
steher der pflanzenphysiologischen Versuchsstation an die Kgl.
Gärtnerlehranstalt nach Dahlem berufen. — Lindemuth, H.,
Dozent an der landwirtschaftlichen Hochschule zu Berlin, ist
zum Kgl. Gartenbaudirektor ernannt worden. — Hartnauer, R.
seither in Berlin, übernalun die Leitung der Ga,rtenanlagen der
Flora in Köln-Riehl. — Lukas, Fr., Kgl. Ökononderat, Besitzer
und Leiter des pomologischen Instituts zu Reutlingen, feiei't
am 28. September d. Js. sein SOjähriges Berufsjuhiläum. Geb.
30. Okt. 1843 zu Regensburg, wo sein Vater, der nachherige
Gründer des in Obstbaukreisen hochangesehenen Reutliuger
Institutes, Dr. Ed. Lucas, damals Obergärtnor war, eignete sich
Fr. Lukas seine ersten gärtnerischen Kenntnisse bei Hofgärtner
Müller auf der Wilhelma bei Stuttgart und bei Benary, Erfurt,
1858 — 1861 an. Später war er bei Baltet Freres in Troyes
und seit Herbst 18(i7 im väterlichen Geschäft tätig, in dessen
Besitz und Leitung er 1882 seinem Vater folgte. Sein Vor-
dienst auf dem Gebiete des Obstbaues und seine erfolgreiche
praktische und literarische Tätigkeit sind allgemein bekannt
und allseitig anerkannt. — Hellemann, Baumschulenbesitzer in
Moorende bei Bremen, langjähriges Mitglied der D. G. f. G. ist
im Alter von 54 .lahren nach langer Krankheit gestorben. —
Karich, Th. G., Bremen, erhielt auf der Jubiläumsausstellung
des Gartenbauvereins für Bremen und Umgegend in der Ab-
teilung „Gartenkunst" die große goldene Staatsmedaille des
Senates der Freien und Hansestadt Bremen. — Ledien, F.,
Inspektor des Botan. Gartens zu Dresden, ist als Nachfolger
Perrings zum Inspektor des Kr>nigl. Botan. Gartens in Dahlem
ernannt worden. — Löbner, Max, Obergärtner und Lehrer
an der Schweizerischen Gartenbauschule zu Waedonswil, ist
als Inspektor des Botan. Gartens nach Dresden berufen worden.
— Richter, llofgärtner in Dessau, ist am 1. Oktober d. .1. in
den linhestatul getreten. — Diermaycr, M., seither bei der
.Jnbiläumsaus.stellung in Mannheim tiitig, wurde als städt-
Gartenbauingenieur nacli Kattowitz O.-Schl, berufen.
KUr riie Redaktion verantwortlieh: Stadt-Oartendirektor Heicke, Frankfurt a. M. - Verlag von Gebrüder li « rn t r aege r , Berlin SW. 11,
GrofMbeeren .Sirafse 9. — Druck von A. W. Uayn's Erben, Potsdam.
IX. 11
DIR GARTENKUNST
215
1. IJlick über den Teich nach der Pergola.
Aufnahmen aus dem Sondergarten von Fr. Henkel-Darmstadt auf der Mannheimer Gartenbauausstelhinc
Von der Mannheimer Gartenbauausstellung 1907.
Ob Gartenkünstler oder Kunstgiirtner. die Wort-
spielerei tut's hier nicht, der Henkeische Garten muß jeden
interessieren, ganz gleich, zu welcher Riclitung er schwort
und ob er dem lieben Gott oder dem Menschen den
größeren Anteil an der Gestaltung von Gärten einräumt.
Spreche ich hier .lusschlioülich von dem Henkeischen
Garten, so bin ich gezwungen, auch jene Leistungen zu
streifen, die im großen und ganzen die Mannheimer Aus-
stellung ausmachen sollten. Ich meine die Läugerschen
Gärten, die programmäßig den künstlerischen Mittelpunkt
des Ausstellungsgeländes in gärtnerischer Beziehung bilden
sollten, gleichsam mit der Voraussage: sie sollten zeigen,
wie heute Gartenkunst gcpfle.gt werden müsse — viel-
II. Her Soiulersaiteii von Fiv Henkel, Darmstadt.
V..n Otto Schulze, f;iberfeld.
sehen Garten schließe ich hiervon nicht aus, denn die
gewichtigsten Stimmen klingen darin zusammen, daß die
Gärten L>armstadts 1U05 nicht erreicht, geschweige denn
übertrotten worden seien. Ich neige zu derselben An-
sicht, ohne mich aber auch der anderen verschließen zu
wollen, daß die gärtnerische Gesamtleistung, mit .ganz
geringen Ausnahmen, in Mannheim die von Eiarmstadt
1905 überragte, und das nicht bloß im Sinne der räum-
lichen Abmessungen genommen. Nicht alle ExperFmonte
schlagen gleich gut aus. Wenn Maler und Architekten
neue Raumkunstprobleme heraufholton und überwiegend
mit großem Geschick lösten, so war damit noch nicht zu
erwarten, daß dieselben in anderen E)ingen von gleichem
leicht in der Erwartung, daß die die Musterbeispiele um- Glücke begünstigt sein würden. Es ist doch noch lange
gebenden Gärten von lümstgärtnern und den neueren Garten-
künstlern schlechthin der. Beweis erbringen würden, wie
man es eben nicht maclien solle! L)as ist nun nicht
alles so eingetroflen; es haben gewisse Verschiebungeij
stattgefunden, die neue Perspektiven schufen und damit
auch neue Standpunkte forderten.
nicht gleich, ob meine Phantasie Totes belebt, was iloch
in der gesamten bildenden Kunst unbedingt der Fall ist,
oder ob diese selbe Phantasie Lebendiges tötet, was in bezug
auf den Begriff „Garten" bisher noch überwiegend der
Fall gewesen ist.
Ich kann die Läugerschen Gärton in Mannheim nur
Wirklich große Leistungen im Fordern der Garten- als Gartenhöfe und Brunnenhfife, als Introduktionen, als
kunstbewegung hat keiner der m Mannheim beteiligten Übergänge zu wirklichen Gärten ansprechen. Was sind sie
Berufenen und Unberufenen gezeitigt, auch den Henkel- weiter, was kiUmcn sie uns weiter sein, da sie doch dem,
äi6
DIE GARTENKUNST
IX, 11
dem sie den Boden bereiten sollten, das AUm-notwendio-ste
der Lebensbedingungen genommen haben. Ich lasse hier
nur den Badhaus,a:arten heraus, und den finden wir so
oder doch sehr ähnlich in jeder früheren Kulturepoche
auch, ob wir deswegen bei uns oder in größeren Fernen
Rundschau halten: je schöner, je mehr wir uns dem
Süden nähern und nicht schlechter, wenn wir in 1 >eatsch-
land bleiben. Nennen wir doch endlich mal wieder die
I»inge bei ihrem richtigen Namen, erinnern wir uns doch
im Weichbilde des
Mannheimer Rosen-
gartens, daß Schwet-
zingens noch immer
schöner und inter-
essanter Park nicht
weit al)liegt. Es tut
mir leid, ich kann
hier nicht mittun, so
lieb mir sonst Läuger-
sche Kunst immer
gewesen ist.
So lange die
Gartenkünstler die
Lebensbedingungen
aus ihren Kunst-
gärten bannen, resp.
sie zwischen all den
Steinen und Künste-
leien, zwischen Kies-
schüttungen, Latten-
gorüsten und unar-
chitektonischen
weißen Mauern nicht
aufkommen lassen,
so lange kann von
einer Gartonkunst in
dem schon oft be-
rührten Sinne nicht
die Rede sein. Zwei
Reihen Birkenstämm-
chen, die sich ge-
genseitig ersticken
müssen, und eine
Skulptur zweiten
Ranges, die machen "s
Lageplan zum Sondergarten von Pr. Heukcl-Dai-mstadt auf der
Mannlii-iiiicr (1 arten baiiaii stell im "■.
nicht aus. Weshalb hat sich Läugcr in seinen beitlen
Rosarien von einer bedeutend vortoilhalteien Seite gezeigt?
Ich weiß es; die Gärtner, die ihm dafür ihre Lieblinge
hergeben mußten, werden gesagt haben: „Schon, lieber
Herr Professor, — aber unsere Rosen wollen und sollen
blühen, das aber überlaßt uns!"
Und drüben bei den Steinen uml Hasen streifen sind
sie zu Willen gewesen, haben es wenigstens sein wollen
und haben gemeint: Was schert's uns? Taxuswände von
6 — 8 m gibt es nicht, aber auf ein [lutzend Birken-
stämmchon und — doch — eingehende Lebeiisbäume
und dergleichen soll es uns nicht ankommen. Diesen
Gärtnern mache ich den Vorwin-f, daß sie Professor Läuger
zu sehr zu Willen gewesen sind, [.»ann doch lieber sagen:
„E)azu gebe ich meine Kraft, mein \Mssen und Können
nicht her. Hier handlangere ich mal nicht." Und somit
streiche ich wehmütig den Begriff Garten aus der
Mannheimer Ausstellung, die anderen an sich netten
Leistungen von Brahe, Behrens, Schultze-Naumburg, weil
nichts Neues bietend, übergehend. Es ist auch nicht
meine Aufgabe, hier darüber zu sprechen, ich bin erstaunt
über alle die \Mdersprüche, die sich hier gegen die
Forderungen der
neueren Bewegung
hervordrängen. Sol-
len nicht Haus und
Garten eine architek-
tonische Einheit sein?
Wie kann ich aber
eine Einheit gewin-
nen, wenn ich die
Teile abtrenne. Frü-
her machte man der
hohen Kunst so oft
zum Vorwurf, daß
sie Werke liefere, die
sich schwer oder gar
nicht in Räume ein-
gliedern ließen. Ja,
ist es denn nicht das-
selbe, den kleinen
Garten, hier sogar
Kunstgarten benannt,
als einzelnes Ge-
schehen zu bringen,
lo.sgelöst von allem
Zugehörigen? Läu-
gers Badhaus ist in
unmittelbarer Nähe
eines Wohnhauses
nicht zu denken,
denn es ist ein Tus-
kuliim für sich: es
kann nur in dem
verschwiegenen Teile
eines, wenn auch
kleinen, Parkes ge-
dacht wenlen. |ti(>
anderen Gärten Läugers fordern aber geradezu die Nähe
von Architekturen, zum mindestens beslimmt angedeutete
Nachbarschaften, aus denen l'borgänge gefolgert werden
kiinnen. Auch als Atisschnitte größerer Anlagen gedacht,
sind sie zu klein, zu maßstablos. Btu Henkels Garten trill't
ilas ni(-ht zu, (M' kann nur der Aussehnitt eiiii-r großen
Anlage sein.
E)er hier mit einer l\(>ihe guter Abliildunu-en zur
V(>röffinitlichuili;- keininellde lli'llkelselie (lai'ten, so \(ill
und ganz es sich auch in ihm um eine .Meisterleistung
großen Stils handeln mag, ich stehe unter diesem Ein-
druck, ist auch kein Garton jener „höheren" künstlerischen
Art, will auch nu'iiu's Wissi'us tcar kein solcher sein.
IX, n
DIE GARTENKUNST
217
2. Eingangspartie mit l'avillon.
3 Brücke.
Anlnahmen aus dem Souderffarten von Fr. Henkel-Darmstadt auf der Manuheimer Garteubauausstellnng.
218
DIE GARTENKUNST
IX, II
4. Sitzplatz; seitlich im Gebüsch eine japanische Steinlaterne.
.'). Kleiner 'J'i'ich mit japanischem Pavillon.
Aufnahmen ans dein Sonderkarten von I'r. llenkel-üarmstadt auf der Mannlieimer Gartenbanansstellui
IX, 11
DIE GARTENKUNST
M!)
6. Blick iü die Pergola.
7. Pergola von außen gesehen.
Aufnahmen aus dem Sondergarten von Fr. Henkel-Darmstadt auf der Mannheimer Gartenbauausstellung.
220
DIE GARTENKUNST
IX, 11
sondern ein Pai'kausschnitt, ein Pai'k\vini<el einer sroli-
herrschaftlichen Anlage, oder — oline seine Steinliunst
— ein Teil einer botanisch- wissenschaftlichen Siedelunir,
einer Floragesellschaft und dergleichen. Kein Mensch
würde sich ein gleich großes Gelände gärtnerisch so auf-
teilen lassen, auch wenn die natürlichsten Vorbedingungen
dazu geboten schienen.
Und doch haben wir es in und an sich mit einer
Leistung zu tun, der wir neben dem aus der Kritik ver-
bleibenden Lobe nur Bewunderung zollen können, [»a
mag vieles auf den ersten Blick etwas exotisch anmuten,
man denkt an Japan, Indien und Slam, um beim Anblick
der mächtigen deutschen Laubkronon wieder in die Hei-
mat zurückzukehren. Kein anderer Gartenkünstler. be-
halten wir dieses Wort getrost bei, hat sich wohl mit
dem Gelände und seinem Vegetationsbestand, namentlich
an schönen alten Bäumen, so abzufinden gewulit wie
Henkel. Natürlich haben größere Erdbewegungen und Neu-
pflanzungen stattfinden müssen, um ein so geschlossenes
Bild üppigsten, strotzendsten Wachstums zustande zu
bringen. Hier hat das Werden eine ebenso große Rolle
gespielt wie das Erhalten in der Gestaltung. Der Gärtner
sieht hierbei die Zukunft in der Gegenwart: der Auch-
gärtner wartet ab, was daraus worden möchte; mit vielen
Rissen ist auch him- nicht geholfen. Ist es schon eine
große Kunst, sich mit Vorhandenem in der Natur alizu-
flnden, sein Daseinsrecht zu respektieren, so eine noch
viel größere, das Hinzukommende maßstäblich damit in
Übereinstimmung zu liringen. Als ich kürzlich in unserer
Zeitschrift meine kh'ine Studie über „Die Szenerie in der
Gartenkunst" veröflentlichte, da dachte ich noch nicht an
Mannheim und seine Überraschungen. Hier fand ich viele
Einzelheiten bestätigt: mehr als das: ich fand eine
Steigerung wie wohl nur wenige auf die Dauer sie aus-
zuhalten vermöchten. Aber Henkel tat recht daran, er
mußte darauf bedacht sein, die stärksten Eindrücke zu
hinterlassen. So will es die Ausstellungskunst, mit der
eine berühmte Großgärtnerei in die Schranken zu
treten hat.
Henkel hat an dem jungen Architekten Kurt Hoppe
in Mannheim einen tüchtigen Mitarbeiter gefunden, der
sich eben so sehr in die Absichten des Gärtners hinein-
fand, wie dieser selbst in die ^^'ünsche des Architekten.
An manchen Stellen des märchenhatten Gartens hat man
zwar das Gefühl, daß ein überaus angespanntes Messen
der Kräfte stattgefunden habe, bei dem wechselnd der
Gärtner oder der Architekt einen besonderen Trumpf als
Sieger ausspielte: mir will es scheinen, als habe dieser
wie jener oft mit zu vollen Händen gespendet. Die Kunst
im Garten muß auch hier wörtlich genommen werden.
Sie bildet auch hier das Zugegebene, das in die Natur
Hinoing(itragono. Vielleicht hätte manches Steinmonument
herausbleiben können zugunsten der an sich ganz reiz-
vollen kleinen Architekturen, die zum Genießen der An-
lage aufforderten; die Gesamtanlago würde damit noch
gewonnen haben an Größe und I'^inhoit, in der Zusanunen-
ziehung einzelner Partien. Man glaubt gar nicht, wie
wonig ein echter Garten an hineingetragener Kunst bedarf.
Aber die Architekturen selbst waren glücklich gewählt,
geschickt gelöst und äußerst vorteilhaft verteilt. Hier
zeigte der Architekt in allem eine glüeklifho Hand. L)ie
ausged(5hnto Pergola, die den Henkel-G:irten nach deni
Kaffeegarten des Zillertals mit dem ekeihnfton Hnmni'n
abschloß, war ein Schachzug ersten Ranges, um das gi'oße
Gesamtbild zur Ruhe zu bringen und nach Belieben partien-
weis wieder aufzulösen.
Daß der Garten nach den übrigen Seiten offen lilieb,
ist mit Recht zu tadeln, denn er ging stellenweise zu sehr
in das übrige Gelände über und zeg Teile damit zu sich
heran, die nicht immer zu ihm paßten. Aber Henkel
durfte sieh diese Freiheiten eher leisten als irgend ein
anderer. Wäre Schultze-Naumburgs Garten ohne die hohe
Mauer gewesen'' Sie schloß einen Rest schöner Er-
innerung ein: mehr nicht. Der Henkeische Garten würde
noch mehr gewonnen haben, wenn er ganz zwischen großen
Baummassen mit starkem Unterholz hätte eingebettet
werden können. Jenseits der Pergola konnte es dann
auflichten, in niedrige Bepflanzung mit Wiesenflächen
übergehen. Wir sehen darn,us, daß trotz aller ehrlichen
Anstrengung immer noch manches übrig bleibt, das der
Kritik Angritl'spunkto gewährt. Lieferten wir stets \'ol-
lendetes, wo bliebe der Fortschritt. Sei das auch ein
Trost tür die, die uns in Mannheim enttäuschten.
Henkel hat seine Kulturen, die aufzuzählen über den
Rahmen dieses kleinen Aufsatzes weit hinausgehen würde,
mit seltenem Geschick, mit liebevollster Hingabe, ja mit
zum Teil raffiniertem Egoismus ans Lieht zu bringen ge-
wußt, die damit gesteigerte Pflege nicht scheuend. Hier
berührten sich Gegensätze, stießen einander nicht ab; es
war eben die Ausstrahlung gärtnerischer Kunst bis in die
feinsten Lebensbedingungen hinein. Trotz der Wasser-
flächen keine grellen Lichthärten, die Baunischatten dämpfton
wieder, das satte Grün ließ Blütensterne aufleuchten in
allen Farben. Vor der mächtigen, wie in Gold getauchten,
mit Grün und Blüten behangenen Pergola breitete sich
der Teich, dahinter gliederten sich die Baumgruppen,
bargen sich die eingebetteten kleinen Arciiitekturen. \\'ar
man von Sonnenglanz begünstigt, dann waren der Phan-
tasie keine Grenzen gezogen ; und stiegen abends die
webenden Dünste vom Wasser auf, dann bauten sie den
Träumen Brücken.
Das mag eitel Sinnen sein, und tlorli ist es ki'ins.
Und doch, geht nicht all' unser Wünschen auf eine Spanne
Land, über die sich ein Stückchen Himmel W(ilbt'' Und
mochten wir daim dai'auf nicht lieber Blumen denn Steine
haben, nicht lielier lasteinle Zweige denn ragende Götzen!
Und miiehten wir dann das Ganze nicht lieber Garten
denn Hot nennen'.' Was macht der lia.uei' aus seinem
Garten, was machen wir dar.aus. In den Stuben starrt
uns dann etwas Ähnliches an, aber kein Leben, nichts aus
Gottes gütiger Hand, das wir pflegen und lieben kömiten.
L>amals, wir vermögen es kaum nachzudenk<Mi, als dei-
Garten sich an unsere Häuser heraiulrängli'. sich vom
Acker trennte, bat ov. man miige ihm doch die Steine
nehmen. Heule w(M'fen wir sie wiedei' hinein uml nennen
das Kunst.
IX, 11
DIE GARTENKUNST
221
[>M\n lieber den üarleii in seiner iMnfalt, keinen mit lieinen. Iieslia.lli will ieli eine Schilderuns;' dem Ijcvser er-
l'ranw üi'diii'er Kunst geseli\viini;'erten lieiliü;en Ilain, dui'ch sparen, her (lai-ten des Prof. Schultze-Xanmliurj;-, hat
dessen Fu.ijen im steingopt'lasterten lief sich Grasspitzen mich, wie wohl die meisten Besucher, in eine wohltuende,
und Keime zwäng'en, um ans Licht zu kommen. — Ge- angenehm-ruhi.ge Stimmung versetzt. Das lauschig Ab-
wili. der Henkeische Garten gehört denen, die mit sechs geschlossene, das Einfache und Ungewollte, das Aufrichtige
und Selbstverständliche, das Zweckmiifsige und liarmo-
NuUen rechnen und stärkerer Reize bedürfen als wi
.\ber denen, die ihn gesehen haben, ist er in Erinnerung
gelilieben in seiner Größe und sinnlichen l'racjit. Er liai-g
doch Leben zwischen Erde und Himmel.
nische, das dieser Schöpfung innewohnt, findet W'ieder-
hall in unserem Innern und gibt uns jene Stimmung, die
ich überall diu'chklingen hiire. wo ich Äufserungen über
diesen Garten in Wort und Schrift l)egegneto. — Was
iuBi^um5=nu5STELLuns rnnnnnEi[D'
5nRTEnnBTEIL B undC.
" rnnszsTOB i^zoo-
^^^(^/o-'^^^'^m^ÄmC, .
Lageplan zum Soudergarteu des Prof. P. Schultze-Mauraburg auf der Mannheimer Gartenbauausstellung.
III. Die Soudersäi'ten des Prof. P Scliiiltze Nauuiburg
und des Prof. P. IJelireiis.')
Wer die beiden Gärten mit eigenen Augen gesehen
hat, wird die zahlreichen hier beigefügten Bilder dankbar
begrüfsen. E)enn sie helfen uns, den Eindruck, den wir
dort gewonnen haben, wieder zu beleben — uns der
Empfindung zu erinnern, die uns beim Aufenthalt in
diesen Gärten überkam. Wir prüfen dann noch einmal
in Gedanken das Gesehene, der eine fühlt sich noch
mehr hingezogen — vielleicht mancher abgestofsen. Wer
die Gärten nicht besucht hat. wird in den Abbildungen
nur geringen Ersatz finden, in einer Beschreibung gar
■'■) Wir verweisen außerdem auf die im vorigen Hefte
unserer Zeitschrift abgedruckten Ausführungen von W. Singer-
Kissingen in seinem auf der Mannheimer Hauptversammlung
der D. G. f. G. gehaltenen Vortrage (Gartenkunst IX, Seite
200—204).
ist der Grundton dieses stimmungsvollen Akkords? —
Es ist die Wehmut. Wehmütig klingt es aus dem „Garten
unserer Kindheit", „aus der Jugendzeit": „Es war ein-
mal!" — Wehmütig klingt die Sehnsucht nach dem alten
Gärtchen vor Grofsmutters Haus, die Erinnerung an das
liebe alte Pastorat auf dem Lande, an stille Stunden
friedlicher Mufse. Sie sind dahin. Werden sie wieder-
kehren? Oder sind sie wirklich noch da? — — Dort in
jener kleinen Stadt findest du ein altes Häuschen mit
verblichenen Fensterläden; zwei Lindenbäume, ehrwürdige
Veteranen, ragen hinter der hohen efeubedeckten Mauer
hervor; ein Pförtchen mit zwei abgetretenen Stuten da-
vor gestattet uns einen Einblick in das stille kleine Para-
dies mit den geraden Buchsbaumhecken an langgezogenen
Kieswegen. Rittersporn und Eisenhut wuchern dort —
weiterhin auch einige Peuerlilien unten bei der Laube,
deren altersgraues morsches Holzwerk, das einst schön
222
DUO 0 A KT ICN KUNST
IX, 11
2. Wasserbecken, Wandbninnen und Gartenhaus mit Torrasse.
Aufnahmen aus dum Sondergarten des Prof P. Schultze-Naumburg auf der Mannhciinor Gartenbauausstellung.
IX. II
DIK GARTKNKl'NST
223
:3. Ivasenstück mit Obstbäiimea und Bhiinenrabatteii.
4. Seitenweg an der Mauer entlang.
Aufnahmen aus dem Sondergarten des Prof. P. Schultze-Naumburg auf der Mannheimer Gartenbauausstellung.
224
DIE GAETENKUNST
IX, 11
weifs gewesen sein mag, von dem Tauwerk ilicker ge-
drehter Gaisblattstämme aufrecht gehalten wird. A\'ir
treten ein wenig näher, wir sehen die langen Hecken
entlang, die den schmalen Weg wie in einen Schacht
einschliei'sen, der sich im Stammwerk der Apfelliäume
verliert — dahinten, wo die kleine Bank steht. Sie ist
Ich habe dieses
lieser Stadt
~^.
vor Alter schon ganz schief geworden.
Fleckchen Erde gesehen, es ist das letzte in
— und wenn die alte Haus-
hälterin, die dort einen freund-
lichen Lebensabend verbringt,
ihre Augen geschlossen
haben wird, wer wird das
Häuschen mit dem ihm ans
Herz gewachsenen Garten
dann noch lieben'.' .'Vngstlich
guckt es unter dem schützen-
den Schirm der weit über-
hängenden Lindenzweige her-
vor, als wollte es sagen :
„Ich passe nicht mehr zu
euch, ihr hohen, roten Häuser
mit greisem Zierat, ich bin
was anderes, ich verstehe
eure Sprache auch nicht —
schafft mich 'fort — meine
Zeit ist dahin." - — Vie-
len solchen altehrwürdigen
Stätten hat fade Geldgier und
ungesundes Strebertum den
Garaus macht — in kleinen
Städtchen und draufsen auf
dem Lande sind sie noch zu
finden, aber je grölser die
Städte, um so weniger woi-sen
sie uns Reste dieser guten
Zeit auf. Sie pafsten ja
auch nicht mehr hinein, weil
die Menschen so anders
geworden sind und wie die
xMenschen sind, so sind auch
ihre Häuser, ihre Gärten.
Das lauschig Abgeschlossene
wurde abgeschafft, vielleicht
weil es der Oberflächlichkeit
von heute zu langweilig ist,
allein zu sein, — das Einfache, das Ungewollte ist immer
seltener geworden, weil so viele es praktischiM- finden,
sich marktschreierisch bemerkbar zu machen, — das
Aufrichtige und Selbstvorsländlicho droht verloren zu
gehen, denn man meint klug zu sein, wenn man in sich
und anderen das Scheinwosen fördert, wenn man das
Selbstverständliche als zu gewöhnlich und als rückständig
gering achtet. Kann man es solchen Leuten verargen,
dafs ihnen das als zweckmäfsig gilt, vi'as solches Streben
begünstigt, und das als harmonisch, was solcher Lebens-
auffassung sich anpafst'.' Verargen — nein, aber wir
werden doch nicht mitmachen, uns nicht in ihrrn Iiicnst
Gk
Lageplan zum Sondergarten des Prof. Behrens auf der
Mannheimer GartenbauauastelluuK.
stellen, wenn wir sie ohne Kompals irren sehen. Prof.
Schnitze, Naumburg, ist es gelungen, in seinem Garten
einen Ton anzuschlagen, der viele von solchen Irrenden
zur Besinnung gebracht hat durch jene anklingende Seite
der Wehmut. Ist das nicht bei jedem Kunstwerk so?
— Dafs unsere Umwelt so selten das beste unseres
Innenlebens sättigt, macht uns wehmütig. Htmgrig nehmen
wir die selten gebotene Speise in uns auf. Gestärkt
freuen wir uns der Verwirk-
lichung einer Idee, die unserem
besten Inneren zu entstam-
men scheint, und in dieser
Freude steigert sich das Be-
wurstsein: „Zu was besserem
sind wir geboren" — ■ wir
sollen, wir wollen mithelfen,
dieses Bessere zu erlangen.
So hat der Garten des Prot.
Schnitze -Naumburg zu
mir gesprochen.
Anders spricht Prof.
Behrens, denn er will uns was
andex-es sagen. Wir wollen
vorsuchen, es aufzufassen,
wie es gegeben ist. Wollte
maa ein Theater danach be-
urteilen, wie bequem sich
darin wohnen läfst, so würde
die Kritik wohl ungünstig
ausfallen. Wir müssen den
Zweck im Auge behalten.
Prof. Behrens' Garten wird
nicht nur in der Ausstel-
lung, sondern auch in einem
alten Schlofspark, wo er m.
E. hingehört, als „Sonder-
garten" gelten und so auf-
gefafst werden müssen. Es
liegt etwas Festliches in solner
Prägung. Die hierzu er-
forderliche Steigerung seiner
gut gewählten Ausdrucks-
formen zu einem starken —
vielleicht allzustarken Pathos
nötigt mir Bewunderung ab.
Ich schätze diese festliche
Tonart und hcire ihr gern mitunter zu. Nur mag ich
nicht immer mitsingen. Man kann nicht andauernd fest-
lich gestimmt sein uinl das wird uns der Künstler wohl
auch nicht zumuten wolbdi. Ich sagte: allzustarkos Pathos
— vielleicht mag der massige im Steinmaterial übertrieben
wuchtige Bau mit der Zeit durch üppiges Schlinggewächs
in seiner Härte gemildert werden. Das blendend weifse
Gittorwerk dürfte trotz seiner schönen Proportionen noch
nicht ganz abgestimmt sein. Die blühenden Clenuitis-
ranken sollten in volleren tiefvioletten Akkorden den
kalten Rhythmus der Architektur melodisch begleiten.
l.)or einfarbig Mane Blmnenieppich wii'kt zu frostig-feier-
IX, 11
DIE GARTEN KUIS ST
1. Sitzplatz mit Pergola und Wasserbecken rechtsseitig vom Gartenhause.
11 Ij f
.!■! II \
i ii r
II II I
■
2. Durchblick durch die Spalierbogen.
Aufnahmen aus dem Sondergarten des Prof. Behrens auf der Mannheimer Gartenbauausstellung.
226
DIE GAKTENKUNST
IX, 11
lieh — er könnte ohne Schaden heiterer abgestimmt sein.
Donlven ^s•i^ uns dann diesen Gartentheatersaal beleiht von
bunter, aber ausgesuchter Gesellschaft in festlichen Ge-
wändern, so freut sich die Phantasie des farbonfnihon
Bildes, -welches m dieser künstlerisch gestalteten Umwelt
in diesem durch aul'serordentlich ansprechende Raum-
gliederung so wohlgelungene Sondergarten zur Wirklich-
keit, werden kann. W. Frhr. v. Eui;tlharLlt.
Die aiisdaiK'i'iuleii Stauden und ihre Bedeutung im
anierikauisclieu Gai'teu.
Von Richard Rothe iu Northeast Haiiiur. Maine, Verein-
Staaten N.-A.
In einem Lande, in dem es in ganz hervorragendem
Maße allgemeinster Brauch ist. die Innenraumo des Heimes
zu jeder Jahreszeit mit Blumen reichlich zu schmücken,
ist das winterharte Staudengewächs im Garten eine Not-
wendigkeit. Da die Amerikanerin ihre Vasen selbst füllt
und auf Haltbarkeit der Blumen starkes Gewicht legt,
braucht sie lange, straffe Stiele, und diese geben ihr im
Sommer viele blühende Perennen. Lieshalb räumt sie den-
selben schon aus Gründen der Nützlichkeit einen bevor-
zugten Platz ein. Xun erwächst aber dem Nützlichkeits-
gedanken weit häutiger der Wunsch nach auserlesener
Qualität, als der Liebhaberei; vereinigen sich jedoch beide
Beweggründe, dann erscheint das beste, in wiederum voll-
kommenster Ausbildung, gerade gut genug für den Haus-
garten.
Die in Deutschland nicht gerade seltene Empfehlung,
nach welcher diese oder jene Staude mit jedem Boden
vorlieb nimmt, in jeder Lage gedeiht, ohne jede besondere
Pflege alljährlich einen reichen Flor erzeugt und die dann
nur zu häufig zu der Meinung verleitet, als ob man aus-
dauernde Staudengewächse eben nur in den Boden zu
stecken braucht, um einen alljährlich wiederkehrenden
reichen Blütensegen recht mühelos zu haben, gibt man
hier glücklicherweise den winterharten Stauden nicht mit
auf den Weg.
Man weil.) also allgemein, dal.1 gerade Perennen
zum ungestörten Wachstum und bester Bntwickelung ein
weit reichlicher gedüngtes und sorgfältiger vorbereitetes
Erdreich am richtigen Standort bedürfen, als die kurz-
lebigeren Sommei'gewächse, und e.s braucht demnach bei
der Amerikanerin, die nun einmal in neun aus zolin
Fällen für den Garten die ausschlaggebende Stimme hat,
keiner grotien Überredungskunst, um die erforderlichen
Mittel bewilligt zu erhalten.
Unter diesen Verhältnissen ist es erklärlich, daLi wir
besonders hier im Osten und vorzugsweise 'in den weniger
heißen, nördlich gelegenen Neuenglandstaaten alljähi'lich einen
selten schönen und reichen I'''l(ir der vei-schiedensten Pe-
rennen aufzuweisen haben inid daß die Nachfrage nach
Pflanzenmaterial mit joder Saison eine regere wird. Nicht nur
das dem Nützlichkeitsprinzip entspringende Verlangen, die
besten Resultate in der Blumengewinnung zu erzielen, son-
dern noch nu;hr die gesunde Rivalität der Gartenbesit/.erinnen
in bezug auf die Vnllknninienheit ihrer Lieblinge, wirkt
ungemein belebend auf den allgemeinen landschaftsgärtne-
rischen Geschäftsgang. Durch das tägliche Anordnen ihrer
Blumen wird die Amerikanerin nicht nur gründlicher mit den-
selben bekannt, sondern sie eignet sich auch mit der Zeit
einen sehr ausgeprägten Farbensinn an. Gerade den letzteren
haben wir hier in Bar Harbor und Northeast Harbor, jenen
beiden Sommerressorts, die neben Newport alljährlich einen
grotien Teil der ersten Gesellschaftsklassen des Landes ver-
einigen, im unmittelbaren, persönlichen, geschäftlichen Ver-
kehr mit denselben zu bewundern vielfach Gelegenheit.
Dieser feine Geschmack im Zusammenstellen von Farben-
einheiten oder Kontrasten bekundet sich auch heute bereits
vielfach in der Anordnung der Staudenanpflanzungen. Ich
muß da unwillkürlich an jene Fahrt auf kleinem schnellen
Motorboot zurückdenken, die ich vergangenen Sommer, dem
Rufe eines begüterten Newyorkers folgend, nach dessen
mehrere Meilen ozeanwärts entfernter, klippenumsäumter
Waldinsel unternahm. Ich hatte den zum Schutze gegen
Sprühwellen umgehangenen Gummimantel und Südwester
abgelegt und erklomm das hohe felsige Ufer, und das erste,
was ich seitlich des freigelegten Rasenplatzes vor dem
Landhause erblickte, waren mehrere ausgedehnte Stauden-
gruppen, die sich an einen nahen Waldrand anlehnten.
Zu diesen Staudenanpflanzungen, die im besten Flor
standen, führte mich später die anmutige E'ame des Hauses
und ich war eben im Begritf, ihr zu ihren Kulturerfolgen zu
gratulieren, als sie, auf Parbenzusammenstellung kommend,
ausrief: „Nun sehen Sie aber jetzt einmal an, wie sich hier
die Farben gegenseitig geradezu beleidigen !" — Und
richtig, da blühten dunkelviolette .\conitum neben feurig-
rotem Phlox; das lebhafte Blau des L)elphiniuin formosum
lag im Streit mit dem leuchtenden Rosa gefüllter Malven;
Lilienarten safrangelb und tief orangefarben hatten das
Weinrot der Incarvillea rosea neben sich. ,,E»iese F'arben-
dissonanzen sind nachgerade unerträglich für meine Augen
Lassen Sie uns Harmonie in das Ganze bringen. Stellen
Sie mir bitte einen Bepflanzungsplan zusammen, in welchem
aut die Farben Rücksicht genommen wii'd, und lassen Sie
denselben während der nächsten Verjtflanzzeit ausführen."
Ich könnte diesem einen Beispiel noch eine ganze An-
zahl ähnlicher hinzufügen, die mehr oder weniger dartun,
wie unerläßlich es für jeden Landschaftsgärtner ist, der
für Gesellschaft.sklassen mit feinerem Geschmack arb(üten
will, gerade bei der Gi'uppierung V(in blühenden Stauden-
anpflanzungen die (jrundregeln der Fai'benlehre zu be-
obachten.
Unwillkürlieh denkt man d,i zurück an die überaus
feinen Winke, die, in bezug auf Schattierungen und
Ivontraste. die Altmeister d(n' deutschen Gartenkunst
für die Ki)mi)üsition von natürlichen Gehölzpll.inzungen
uns hinterlassen haben. Die Gegenwart ist fai-benfreudiger
geworden. Neueinführungen unter den Hliitenslräuchern
sowohl als auch besonders unter di'ii Siaudengewächsen,
sobald sie sich diu'ch einen reichen Floi- und reine Farben-
töne auszeichnen, linden erstaunlich schnelle Verbreitung
und verdrängen das Alte. Die Folge davon sind stärkere
l^llekte und bei unricliligei' Zus;inimenslellung der 'rön(^
IX, 11
DiK GA iiti:nkunst
3. Blick in den Garten vom Sitzplatz (Bild 1) ans
4. Der von Spalierwerk nmschlossene Platz vor der Gartenbühne.
Aufnahmen aus dem Sonderkarten des Prof. P. Behrens auf der Mannheimer Gartenbauausstellung.
228
DIE GARTENKUNST
]X, 11
HyaciiitUus candicaus. Aufnahme aus einem Privatgarteii in Nortlieast Harbor,
Maine, V. St.
verschärfte dns verfeinerte Auge empfindlich Ijeleidigende
Gegensätze.
Wh' sind uns klar geworden, dali jener Grad von
Farbensinn, der in der Zusammenstellung von Teppich-
beetanlagen oder unseren heutigen regelniäfligen Sommer-
blumenparterres nur mit unvermittelt starken, grellen,
besonders auch für die Fernwirkung berechneten Tönen
arbeitet, für die Gruppierung der Blütensträucher und der
zwar immer nur vorübergehenden, aber unendlich mannig-
facheren Farben der Blumen im Ötaudengarten, wo es oft
mehr auf vermittelnde Übergänge, als auf starke Kontraste
ankommt, nicht mehr genügt.
Der rein hand-
werksmäßige Land-
schnftsgärtner steht
hier drüben dieser
Tatsache noch vei-
ständnis- und
ahnungslos gegen-
über. Wer Stauden-
gewächse und ein-
jährige Florbiumen
für den Garten des
öfteren offenen
Auges gruppiert
und beobachtet hat.
«■eißsie schon lan^'c
zu würdigen.
Ich bemerkte
oben, dal.i im ameri-
kanischen ilairs-
garten der Xützlich-
keitsgedanke viel-
fach der vor-
wiegende ist und
Del|ilnnium fürmnsiiin in Kontrastwirkiinf^ mit diinkelf^riineiii Nadelluilz.
Aufnalnne aus Noitliiast llarbrir. Maine V. St.
daß demzufolge reichblühende Stauden-
gswächse immer schnelle Aufnahme
finden, l'nd so gab mir denn u. a. ver-
gangenen Sommer eine vorübergehend
hier weilende Dame einen Auftrag zur
Lieferung einer Anzahl neuerer Ein-
führungen, von denen sie je 10 und 20
Stück bestellte. „Schicken Sie mir aber
bitte diese Sachen sn. daß sie in der
zweiten Woche des Oktober eintreffen.
Ich möchte diesmal beim Ptlanzen selbst
zugegen sein. Meine ganze bisherige
Überredungskunst hat meinen sonst aus-
gezeichneten Gärtner noch nicht dazu
zu bringen vermocht, die Sorten zu-
sammen zu pflanzen. Er verteilt alles
einzeln über den ganzen Garten und
wenn ich von dieser oder jener Farbe
und Blume schneiden will, muß ich sie
mir erst überall zusammensuchen." —
Dieser Zwischenfall berührt eine alte
Gepflogenheit vieler Pachgenossen, die
die Amerikanerin an dieser Stelle aus
rein praktischen Gründen verurteilt. E)em praktischen Grunde
steht aber hier, wie ersichtlich, ein nicht minder beachtens-
werter theoretischer zur Seite. Dadurch nämlich, daß wir
truppweise pflanzen, verschaffen wir der Farbe des Flores
der einzelnen Varietät augenfälligere Wirkung. Erst nach-
dem wir im kleinen möglichst zwanglos die geschlossene
Einheit hergestellt, können wir Übergänge und wohlge-
fällige Kontraste in die Totalwirkung größerer gemischter
Anpflanzungen bringen. Das letztere wird hier drüben
vereinzelt mit mehr oder weniger sichtbarem Erfolge ver-
sucht, immer aber erzielt man im freien natürlichen Garten.
wo die Pflanze nicht zum Dekorationsstück für leblose
Architekturwerke
herabgewürdigt
wird, sondern in der
Hauptsache um
ihrer selbst will(>ii
gepflegt ist, die
weitaus besten
W'iikiingen.
.Nirji'cndsbesser
liißl sich dies beob-
aclilcn, als hier an
der Küste vonMount
Ik'sert, W(i wir für
das wundeiliarc
Farhenspiel som-
merlicher Blüten-
wo.n'cn das licri'-
liclii', fi'ische Hlau-
und Dunkelgrün
natürlicher Nadel-
waldungen .'ds
Hintergrund h.iln'ii.
Daß S(;inilcn im
IX, 11
DIE GARTENKUNST
229
Achillea iitnrmic;i Thf l'farl. Aufn;ihme aus dem Stauden- [{evier
Nursery, Northeast Harbor, Maine V. St.
architektonisc'hen
Hausgarten ge-
radezAi unentbehr-
lich sind, und nuin
besonders mit den
liiiehwüclisigeren
IVir die Zeit des
Flores dort eben-
falls prächtige
Bilder schaffen
kann, wissen wir
aus der Praxis.
^^'ir wissen
aber auch. dalJ wir
dann innuer mehr
mit .Massen ar-
beiten, d. h. die
Farben mehr kon-
zentrieren müssen.
Nun ist die Zeit-
dauer des Flores
gerade bei den
besten Perennen
eine begrenzte und viele davon neiimen schon unmittelbar
nach dem Verblühen ein nichts weniger als anziehendes
.\ussehen an. EMe Folge davon ist sehr oft nach kurzer
Herrlichkeit eine längere Periode des krassen Gegenteils
und und es bedarf gründlicher Kenntnis des Materials und
nicht minder eingehender Erwägung der vielen Eventuali-
täten, von sorgsamer Kultur gar nicht zu reden, um nicht
kläglich zu seheitern.
Vor meinem geistigen Auge steht da wieder jene
iJame in Philadelphia inmitten ihros kleinen sehr
geschmackvoll angelegten architektonischen Gartens. In
einer Zeitschrift hatte sie die durch die Camera .geschickt
festgehaltenen wunderbaren Ettekte. die
man mit gefüllten Malven und' mit Pa-
pa.ver (irientale- und E)igitalisvarietäten
er/.ielen kann, illustriert gesehen und
halte daraufhin das dort Dargestellte
kopiert Es war im .Vugnst. In der
iMalvenecke war der Pilz eljen da.bei.
die letzten von Bordelaiser Brühe blauen
Blätter zu zerstören, und wie Liigitalis
und orientalischer Mohn im August aus-
sieht, braucht nicht erst erklärt zu
werden. „Nächstes Jahr ptlanze ich
wieder Cannas und Pelargoniums. Ich
will doch einmal sehen, ob ich meinem
Garten nicht während des ganzen
Sommers ein nettes und reinliches Aus-
sehen geben kann-'. — Dem mit der
Menge in der Praxis täglich in un-
mittelbare Berührung kommenden Pach-
manne sind solche Vorkommnisse nichts
neues. Er wird sie aber jedesmal be-
dauern, wenn er sieht, daß der Garten-
und Blumenfreund aus Unkenntnis der
Ltinge Fehler be-
geht, deren Polgen
ihm die Prinuh^ a.n
seiner Liebhaberei
verderben.
i'bi'i' den
lidhen W'iTt der
Perennen als
(iartenzierden und
Schnittbhnnen-
erzougrr lniuichc
ich Fachgeuiisson
,i;-ogenüber keine
Worte zu ver-
liei'cn. Wir kiiniu'n
diesen Wi'rt rein
kulturell. s(i\vi(^
auch diu'ch si)r<;--
same, die Eiii'en-
heiten der ein-
zelnen Art und
Varietät berück-
sichtigende Grup-
pierung um ein bedeutendes erhöhen und deren ,vereinzelte
schwache Seiten weniger bemerkbar machen. Endlich lälit
sich bis zu einem gewissen Grade, durch eingehende Beach-
tung der Farbe und Zusammenpflanzen in kleine Trupps
oder Gruppen, sowohl innerhalb der freien natürlichen Au-
la,ge als auch im architektonischen Garten, ihre blumistische
Gesamtwirkung erheblich steigern.
In stark augenfälliger Weise verallgemeinern wird
sich ilie letzte Anordnungsweise in den Vereinigten Staaten
nicht, denn je efl'ektvoller und einheitlicher die Sache durch-
geführt werden Sdll, um so mehr wird man sich auf die
massenhafte Verwiuuiuns: wenis-er Formen und Farben
1er Mnt. Desert
Paeouien im .Sortimentsgarten der Mt. Desert Nursery in Bar Harbor,
Maine V.-St,
230
DIE GARTENKUNST
IX. 11
beschränken müssen. Demgegenüber steht das Nützlich-
keitsprinzip, nach welchem die blühende Staude im Haus-
garten neben ihrem Zierwert an Ort und Stelle zur Er-
zeugung von Schnittblumen aller Art l'iir den täglichen
Gebrauch da ist!
Ich bin mir vollkommen bewußt, dal! ich mit der
Schilderung der hiesigen Verhältnisse den im praktischen
Berufsleben stehenden Fachgenossen in meiner alten Heimat
nichts gesagt halie, was nicht dort bei dieser odi^r jener
Gelegenheit schon erlebt oder wenigstens ausgesprochen
worden ist. Auch die beigegebenen Illu«trationen, für die
ich die Aufnahmen gern sämtlich in Hausgärten gemacht
hätte, im Drange der Geschäfte aber nicht dazu kam,
geben die gesellige Gruppierung, wie sie für das stärkere
Betonen einer einzelnen Farbe hierzulande bisweilen ge-
bräuchlich, nur andeutungsweise wieder. Der Sortiments-
garten einer Nursery und das Staudenbeet eines Frivat-
gartens sind eben doch zwei verschietlene Dinge.
Die weiteste Verbreitung der blühenden Perenuen und
ihre Verwendungsarten, besonders auch im kleineren Haus-
garten, ist aber für den Landschaftsgärtner heute ge-
schäftlich so wichtig und hat für den Gartenbesitzer und
Blumenliebhaber so viele Freuden und so viel Nutzen im
Gefolge, daß, von deren hohen Zierwert ganz abgesehen,
meiner Ansicht nach nie zu viel darüber gesagt werden kann.
Welclieii speziellen Pflanzeiniiaterials bedarf die (Jarten-
kiiust moderner Rieiitunft?
(Das Baumaterial der heutigen Gartenkunst.)
Der im .Juli in Mannheim ins Leben getretene „Bund
deutscher Baumschulenbesitzer" hat bereits in seiner Gründungs-
versammlung manche für den Baumschulenbetrieb wichtige
Frage entweder eingehend erörtert oder angeregt und gestreift.
Einen recht breiten Kaum nahmen die Verhandlungen über das
Thema: „Welche Pflanzen und Formen sollen gezogen werden
und wie sollen sie beschaffen sein" ein. An der Lösung dieser
Frage will man in den Verbänden durch lebhaften Meinungs-
austausch weiter arbeiten und auch die Landschaftsgiirtner
und Gartenkünstler veranlassen, ihre Wünsche und Erfahrungen
kund zu gellen, damit der Baumscluilenliesitzer in den Stand
gesetzt wird, solches Material zu zielien. wie es die Garten-
kunst von heute bedarf.
Einen sehr wertvollen Beitrag zur Klilrunf; der Krage
lieferte Herr Freiherr von Engolhardt in seinem in der
(lartenkunst veröffentlichten, in der Sitzung der Gruppe Rhein-
land am 11. August in Benrath gehaltenen Vortrage: Das
Baumaterial der heutigen Gartenkunst. Im allgemeinen wird
sich auch der Baumschulbesitzer mit den Ausführungen des
Herrn von Engelliardt einverstanden erklären können, in-
dessen dürfte es sich lohnen, das Gesagte, soweit es in das
Gebiet der Anzucht und des Handels hinübergreift, einmal vom
Standpunkt des Züchters aus zu beleuchten. Das entspricht
der vom Vortragenden am Schlüsse ausgesprochenen Bitte und
beide Teile, der Züchter und der Landschafter, können nur
wünschen, daß durch Aussprache und Vorschläge von möglirlist
vielen Seiten eine praktische Grundlage gewonnen werde.
Es erübrigt sich, auf die wohldurchdachte, si^hwungvolle
Einleitung näher einzugehen, da der Vortragende im Verlauf
seiner Rede die Konsequenzen danuis zieht und in deutlichen
Worten sagt, welches Material seiner Auslebt nach in die
Gartenanlagen, wie man sie jetzt zu schaffen pflegt, hinein-
paßt. Und nicht allein das, er gibt auch Ratschläge in betreff
der Sortenwahl und schlägt für die heranzuziehenden Formen
kurze Bezeichnungen vor, die in den Plänen der Landschafter
als aucli in den Katalogen der Baumschulen zur schnellen und
leichten Orientierung dienen sollen. Die von ihm aufgestellten
Formeln sind ganz annehmbar, kurz und charakteristisch, aber
es dürfte doch etwas länger dauern, bis sie sich allgemein ein-
gebürgert haben. Bei den Baumschulbesitzern würde, wenn
der Bund die Saclie in die Hand nimmt, die Einführung nicht
schwierig sein, ob aber die Herren Gartenküustler sich sobald
dazu verstehen werden' Sie aber müssen den Anfang machen,
nach den Formeln zu bestellen, der Züchter paßt sich dann von
selber an, er wird jedes Mittel, das ihm die Abfassiina; des
Katalogs erleichtert, denselben einfacher und über.siclitlirlicr
gestalten kann, mit Freuden begrüßen, ist es docli (ilinehiu
manchmal sehr schwer, die Beschreibungen der Pfanzeii sn ab-
zufassen, daß sie wenigstens nicht alle wie naidi der Schablone
geschnitten erscheinen. Gänzlich entbebi-lich, wie der Vor-
tragende zu meinen scheint, ist der beschreibende Te.xt für ilen
Katalag nicht, denn der Züchter hat nicht immer mit Fach-
männern, sondern .auch mit pflanzenunkundigen Privaten und oft
auch mit Gärtnern zu tun, denen der Wert der Pl'lanzc erst
klar gemacht werden muß, er kann deshalb seine Bemerkungen
nicht auf die Verwendungsart allein beschränken, er muß auch
andere Eigenschaften hervorheben. Zugegeben muß allerdings
werden, daß namentlich, wo es sich um Neuheiten handelt,
der Mund etwas zu voll genommen wird, aber man darf doch
auch nicht vergessen , daß die übergroße Konkurrenz den
Züchter zu mancherlei Gepflogenheiten zwingt, die für den
Bestand seines Geschäfts durchaus erforderlich sind, er muß
sich eben der Allgemeinheit und ihren Bedürfnissen anpassen
und kann erst dann auf spezielle Wünsche Rücksicht nehmen,
wenn er überzeugt ist. daß sein Geschäft niclit darunter leidet.
Man bedenke auch, daß, ehe der wahre Wert einer Pflanze
festgestellt und allgemein anerkannt ist, der den meisten
Gewinn bringende Teil des Geschäfts schon gemacht ist: die
liebe Konkurrenz sorgt schon dafür, daß der anfangs günstige
Artikel rasch entwertet wird, besonders bei solchen Pflanzen,
die sich rasch und leicht vermehren lassen.
Ob der Besuch einer Baumschule, um die Pflanzen an Ort
und Stelle zu besehen, nur ein Notbehelf ist, wie von Engel-
hardt meint, darüber ließe sich streiten. Allerdings kann sich
der Landschafter ein weit sichereres l'rteil über eine neue
Sorte (besonders Staude oder Annuelle) bilden, wenn er sie eine
ganze Wachstumsperiode hindurch zu beoabachten Gelegenheit
hat, aber sind denn unsere Spezialisten weniger aufmerksame
Beobachter, sind sie nicht auch Kenner genug, um den Wert
oder Unwert — einer Staude z. B. — für diesen oder jenen
Zweck beurteilen zu krmneii. zumal, wenn die Landschal'ts-
gärtner und Gartenküns 1er ihnen genau sagen, wehdie An-
forderungen sie an ihr Material stellen'' Zu einem reellen
Züchter sollte man das Vertrauen haben, daß er über die von
ihm gezogenen und anpepriesenen Pflanzen keine in seinem
Interesse übertriebenen Angaben machen werde.
Das Hauptinteresse des Baumschulbesitzers an dem in
Rede stehenden Vortrage konzentriert sich naturgemiUJ auf die
vorgescldagenen und durch vortreffliche Zeichnungen zur An-
scliauung gebrachten l'drmen und auf die .Andeutungen in betrreff
der Soitenwahl für diese Formen. Diese Andeutungen können
.als Grundlage für eine weitere Verständigunp; aufgesehen
werden und der liund der llaumschulenbesitzer wäre die j^e-
eignete Instanz, eine allgenu'ine Aussprache in die Wege zu
leiten, die aber erst dann fruclitbi'ingend sein wird, wenn aucli
IX. 11
DIE GARTENKUNST
2;il
die Landschaftsgärtner und (lartenkiinstler ihre Erfahrungen
der Öffentlichkeit unterbreiten. Die gegebenen Andeutungen
lassen sich ja leicht erweitern. Es werden z. B. jetzt vielfach
passende Pflanzen zu Zierhecken verlangt. Große Posten von
Ligu.strum ovalifolium ließen sich zu diesem Zweck leicht
heranziehen, auch .'■^piraeen, Deutzien, Forsythien werden stark
begehrt, und diejenigen Pflanzen zu kultivieren, die früher in
gewissen festen Formen aus Holland bezogen wurden, jetzt
aber infolge des Zolles nicht mehr in Massen einkommen,
dürfte für unsere Züchter ein gewinnbringendes Geschäft sein.
Die neuerdings schon mehr angebotenen Wildrosen aus den
Klassen Polyantha. Kugosa, Rubrifolia und anderr. wie auch
deren Bastarde erfreuen sich scliou jetzt einer allgemeinen
Beliebtheit, sind aber noch nicht in genügender Menge vor-
handen. Von Koniferen soll nur auf die schöne hellgrüne
Thuja gigantea (Lobbi) und auf die verschiedenen breit oder
schmal pj-ramidal wachsenden Formen von (Jhamaocyparis
Lawsoniana verwiesen werden, die den vom Vortragenden ge-
stellten Anforderungen vollauf entsprechen würden.
Am allgemeinen möge hier schon dazu gesagt werden,
daß, wie der Vortragende selbst andeutet, die Anzucht der
vorgeschlagenen Formen nicht nur mehr geschulte Arbeits-
kräfte, sondern auch weit grölJere Kulturflächen erfordern, dit.
vermehrten Produktionskosten also auch eine Steigerung der
Preise nach sich ziehen würden. Krumm gewachsene Gehölze
aufs Geratewohl, so wie sie den Ausfall der Baumschule
bilden, zu verpflanzen, dürfte eiii sehr gewagtes Experiment
sein; solche Pflanzen haben meist im Druck gestanden, es
dauert Jahre, ehe sie wieder in Schuß kommen, und auch
dann können sie meist noch nicht den Anspruch auf das Prädi-
kat gut und zweckdienlich erheben. Will man krumme, schiefe
oder individuell gewachsene Pflanzen ziehen, so mul3 die
Anzucht von Jugend auf planmäßig geschelien, die Pflanzen
erfordern nicht, wie man annehmen sollte, weniger, sondern
weit mehr und sorgfältigere Pflege und vor allem mehr Platz.
Bei den durch Schnitt in regelmäßige Formen gebrachten
Sorten erhöhen sich die Ansprüche und Pflege noch bedeutend.
Die Notwendigkeit der Anzucht von Jugend an ist ein weiteres
Moment, weshalb der Baumschulbesitzer nicht ohne weiteres
an diese Kultur herantreten kann. Ein einjähriger Obstbaum
z. B. bildet die Grundlage für alle Formen, er kann auch im
Notfalle noch im 2. und 3. Jahre in jede beliebige Form
gebracht werden; hat man aber bei einer individuell oder krumm
oder als Kugel oder Wand heranzuziehenden Pflanze erst die
Anlage gemacht, so ist sie eben für jede andere Form un-
tauglich. Der Züchter wird jede Gelegenheit, die ihm Aussicht
auf gesteigerten Absatz bietet, mit Freuden ergreifen, er wird
sich den an ihn herantretenden Wünschen nach Möglichkeit
anzupassen suchen und es auch da an Entgegenkommen nicht
fehlen lassen, wenn es sich darum handelt, einzelne Sachen
heranziehen zu müssen, bei denen wenig oder gar kein Gewinn
zu erzielen ist, aber man wird ihm nicht verdenken, wenn er,
bevor über die zu ziehenden Sorten und Formen nicht völlige
Klarheit geschaffen ist, nur zögend an die Sache herangeht.
weil er befürchtet, dai5 er nach 4 oder 5 Jahren vielleicht
große Vorräte an speziell gezogenen Pflanzen anzubieten in
der Lage ist, die er nicht absetzen kann, weil die Richtung in
der Gartenkunst sich inzwischen wieder geändert hat oder
weil die von der Konkurrenz angebotene minderwertige Ware
den Preis gedrückt hat und er gezwungen würde, zu einem Preise
zu verkaufen, der den Kosten der Anzucht nicht entspricht.
Nur dann, wenn die Garantie gegeben wäre, daß für die ge-
wünschten Formen und Pflanzen angemessene Preise gemacht
werden krmnten und genügender und dauernder Absatz vor-
handen ist, nur dann wird der Baumschulbesitzer in der Lage
sein, Kapit.-il und .Vrbeitskraft im größeren Maßstabe an ein
solches l'nternohmen zu wagen.
Es wäre nun geradezu lächerlich, wollte man dem Land-
schaftsgärtner und Gartenkünstler zumuten, diese (iarantie zu
übernehmen. Aui-h sie können heute noch nicht wissen, was
über .') oder (i .lahren .verlangt wird und nach welclier Ividitung
hin sich der Geschmack weiter entwickelt, auch sie haben
sich den \on ihren Auftraggebern gestellten Anforderungen
anzupassen.
Nicht um die .Mengen der heranzuziehenden Pflanzen
liandelt es sich, denn ilarüber ist von Fall z\i Fall zu ent-
scheiden, sondern um die .Vuswahl der Sorten und Formen,
die wii- ziehen snlh^n, und hierüber uns klar zu werden, ist die
erste Aufgabe, die nur durch enges Zusammengehen von
Züchtern und Verbrauchern, durch eingeliendes Studium
seitens aller Beteiligten und vor allem durch regsten Meinungs-
austausch gelöst werden kann. Hierzu anzuregen, ist nicht
zum wenigsten der Zweck dieser Zeilen.
Langsur. G. J. tiarrelts.
Verschiedene Mitteilungen.
Axel rintelmaiiD-Ehrung. Vor kurzem wurde auch in
dieser Zeitsclirift ein .\ufruf veröffentlicht mit der Bitte, Bei-
träge einzusenden für eine Ehrung für Axel Fintelmann. Der
Aufruf war, wie bei der Beliebtheit Fintelmanns nicht anders
zu erwarten stand, auf fruchtbaren Boden gefallen und es haben
die eingegangenen Beträge bereits die Höhe von 2327 M. er-
reicht, wie in der Sitzung des Ausschusses am 9. Oktober be-
kannt gegeben wurde. In der Aussprache über die Art der
Ehrung wurde der Wunsch geäußert, zu versuchen, ob es nicht
erreichbar sei, ein Denkmal oder einen Gedenkstein an öffent-
licher Stelle zu setzen, vielleicht innerhalb einer Anlage, die
init dem Wirken Fintelmanns in besonders engem Zusammen-
hang steht. Es sollen nach dieser Richtung die nötigen Schritte
unternommen werden, ohne jedoch den ursprünglichen Plan
eines Grabdenkmals aus den Augen zu verlieren. Da es in-
sonderheit eine Ehrung aus dem Ivreise der Fachgenossen ist,
ergeht an alle, die mit an diesem Werke tätig sein wollen, die
Bitte, dem Ausschuß durch Einsendung von Zeichnungen,
Skizzen oder sonstige Hinweise ratend und helfend zur Seite
zu stehen. Dieser Bitte liegt der Gedanke zugrunde, daß das
Werk an Wert gewinnt, wenn der Entwurf von einem Fach-
genossen stammt; gleichzeitig aber sei die Bitte wiederholt,
durch weitere Geldsendungen die Summe zu vergrößern. Diese
wie auch alle übrigen .Sendungen sind an die Firma Gebr.
Borntaeger, Berlin SW. 11, Großbeeren Straße t), welche die Ge-
schäftsführung übernommen hat, zu richten. Zahn,
Verein ausländischer Gärtner von Paris und Um-
gebung. Der Zweck dieses in Paris bestehenden Vereins ist
es, nach dort kommenden Berufsgenossen mit Rat und Tat
zur Seite zu stehen und über einschlägige Verhältnisse nach
außerhalb schriftliche Auskunft zu erteilen.
Die Entwickelung des Vereins ist eine gute, er zählt zur-
zeit gegen .')0 Mitglieder, besitzt eine reichhaltige Bibliothek
und hält die gelesensten Zeitschriften der verschiedenen Länder.
Von interessanten Studienfahrten des verflossenen Halb-
jahres sind zu erwähnen: Ausfüge nach Orleans, Versailles,
dem Park von Rotlischild in Ferrieres. den Kulturgärten von
Vilmorin u* a.
Die Geschäftsstelle des Vereins befindet sich in .Sceaux
(Seine), nie Houdan li.
232
DIE GARTENKUNST
IX, 11
Schlufs der Mannheimer Jubiläumsausstellung. Die
Schlußfeier der Ausstellung und des Stadtjubiläums fand am
20. Oktober, nachmittngs 4 Uhr, im Musensaale des Rosen-
gartens statt, wo auch am 1. Mai der feierliche Eröffnungsakt
sich abgespielt hatte. Den Saal füllten die zur Feier Geladenen,
unter denen der badische Staatsmiaister v. Bodmann und der
Regierungspräsident der Pfalz, v. Neuffer, sich hefanden.
Oberbürgermeister Dr. Beck warf einen Rückblick auf die
Jubiläumsveranstaltungen und wies auf die wohlgelungenen
Ausstellungen hin, deren verdienstvollem Leiter, Bürgermeister
Ritter, er dankte. Letzterer feierte die Ausstellung als künst-
lerische, soziale und wirtschaftliche Tat und konnte verkündigen,
daß die Zeichner des Garantiefonds voraussichtlich nicht in
Anspruch genommen zu werden brauchen.
Minister v. Bodmann dankte der Stadt Mannheim für die
Ausstellung namens des badischen Landes und gab die ver-
liehenen fürstlichen PJhrenpreise und Staatsmedaillen bekannt.
Es erhielten fürgaitenkünstlerische Leistungen unter anderen :
Den Elirenpreis Sr. Maj. des Kaisers Fred. Henkel, i. F. Groß-
giirtnerei Henkel G. m. b. H., Darmstadt; den Ehrenpreis des
Prinzen Arnulf v. Bayern und die preußische große silberne
Staxitsmedaille Gebr. Siesmayer, Frankfurt a. JL; außerdem
ist dem Chef der Firma, Kgl. Garteubaudirektor Phil. Sies-
mayer, die II. Klasse des badischen Ordens vom Zähringer
Löwen verliehen worden. Die preußische große bronzene Staats-
medaille erhielt A. Buchner, München, die bronzene Staats-
medaille des Herzogtums Sachsen-Altenburg Fr. Brahe, Mann-
heim, die des Herzogtums Sachsen-Meiningen Gebr. Roethe,
Bonn.
Mit einem Hoch auf den Groiiherzog Friedrich II. erklärte
Minister v. Bodmann die Ausstellung für geschlossen. Ernste
Musik eröffnete und schloß die Feier, auf deren Programm-
gestaltung die herrschende Landestrauer naturgemäß von Ein-
fluß gewesen war.
Draußen in den Anlagen der Ausstellung herrschte an
diesem Schlußtage, begünstigt durch das herrlichste Herbst-
wetter, noch einmal ein außerordentlich lebhaftes Treiben und
am Abend flammten all die zahlreichen Beleuchtungseffekte
auf, um noch ein letztes Mal das märchenhaft schöne Bild er-
stehen zu lassen, das man an so manchem .Sommerabend hatte
bewundern können. Um Mitternacht aber erlosch die ganze
Herrlichkeit endgültig.
Preisausschreiben.
Mit einem Wettbewerb für Hausgäi'ten tritt der Verlag
der „Woche", nachdem er vor Jahresfrist ein recht ergebnis-
reich verlaufenes Preisausschreiben für Entwürfe von Sommer-
und Ferienhäusern veranstaltet hatte, jetzt an die Öffentlichkeit.
Ausgesetzt werden an Preisen im ganzen 10 (lOl) Mark.
Davon soll die Hälfte in Beträgen von (SOG — 1000 Mk. als
Preise für vollständige Gartenentwürfe, die andere Hälfte für
Zeichnungen von Gartenausstattungsstücken in Beträgen von
•">0 — 300 Mk. vergeben werden.
Als Preisrichter fungieren:
Chefredakteur P. Dobert, Berlin,
Gartendirektor F. Encke, Köln,
Gartendirektor W. Frhrr. v. Engelliardt, Düsseldorf,
Geh. Reg.-Rat Dr. Ing. H. Muthesius, Berlin.
Professor Bruno Paul, Berlin,
Architekt Richard Riemerschmid. München.
Professor Paul Schnitze-Naumburg, Saaleck b. Kosen.
Aus den Bedingungen ersehen wir, daß nur Einzelpersonen,
keine Firmen, sich beteiligen dürfen, daß die einzuliefernden
Beiträge Originalarbeiten sein müssen und sich, wenn irgend
möglich, auf der Wirklichkeit entnommene Fälle beziehen
sollen. Die zu entwerfenden Gärteu sollen sich einem frei-
liegenden Landhause anschließen und 1000 — 2000 qm Grund-
fläche haben. Für die besondere Gestaltung des Gartens sollen
die örtlichen Verhältnisse maßgebend und im allgemeinen die
regelmäßige Einteilung, entsprechend der in Aussicht ge-
nommeneu Größe des Gartens, zu bevorzugen sein, es sei denn,
daß die natürliche Bodengestaltung auf eine andere Art der
Lösung hinweise. Ausgeschlossen sollen sein Nachahmungen
von Naturszenerien in kleinerem Maßstabe, wie Felsschluchten,
Waldseen u. dgl., besonders, da wo sie dem Charakter der Urt-
lichkeit nicht entsprechen.
('anipanula gloniei'ata ilaliunca.
Aufnahmen aus der Mt. Desert Nursery, Bar Harbor, Maine V.-St.
Kür die Redaktion verantwortlich: Stadt-Gartendirektor Heicke, P'ranlti'urt a. M, — Verlag von Gebrüder Borutraeger, Berlin SVV. II,
Grofsbeeren Strafne 9. — Druck von A. W. Hayn'B Erben, Potadum.
IX, 12
DIE GAETENKUNST
23n
Von der Mannheimer Gartenbauausstellunp^ 1907.
IX. nie Soiidci'^iiiteii von Fr. Hnilic. (M'lir. Roetlic iiihI dcf (larlniliof der (ielir. Sie.siiiayer.
Scliliirslx'trarlitiiiijieii.
Äußere l^mständo sind
die Veranlassung, daß diese
Gärten erst jetzt einer Be-
sprecliung unterzogen werden.
Die Reihenfolge soll nicht
etwa als Maßstab diM- Wert-
schätzung gelten.
Vielleieht die uugünstigste
Stelle des Ausstellungsge-
ländes für die Anlage eines
Sondergartens hat Fr. Brahe
in Mannheim zugewiesen er-
halten — oder hat er sie sich
ausgesucht, um zu zeigen,
was man daraus machen
kiinneV Eine sehr häßliche,
nur teilweise durdi einigen
Baumwuchs gedecl<te, hohe
Backsteinbrandmauer be-
grenzte den Platz auf der
Südseite und entzog einem
großen Teil während der
meisten Tagesstunden die
Sonne. Auch mußte die ganze
Anlage so angeordnet werden,
daß der Beschauer die Sonne
vor sich, also im Gesicht hatte.
Trotzdem war ein reizen-
des Gärtchen zustande ge-
kiimmen. Die Gliederung der
i'und 1000 i^ m umfassenden
Fläche ist aus der hier buige-
gebenen Skizze ersichtlich:
sie ist streng geometrisch
gehalten, ohne daß dabei in
►jfe^^hl
Ja^jgti
orcHN'Tpflr?
iflUSSTE-LLUNßSQFIRTEN-FR. SRRHE Dflm"ENRRCniTEnT MflNNhEIM
Ijageplan des Sondergarteus von Fr. Brahe auf der
Mannheimer Gartenbauausstellung.
gesuchter Weise die Formensprache der Modernsten nach-
geahmt ist. Weshalb Brahe den Garten einen.,Römischen"ge-
nannt hat, ist mir nicht verständlich geworden — riimischo
Anklänge habe ich nicht gefunden. Aber es braucht doch
auch einer Sache, die an sich gut ist, nicht erst durch
'^ „Motive" u. dgl. Bedeutung beigelegt zu werden?
.2: Der eigentliche Zugang zum Garten wurde durch ein
(X> Gartenhaus (Seite 237) gebildet, das an die vorbeiführende
CSI Lindenallee sich anlehnte. Schade war es, das Br. den
dem Garten zugekehrten erkerartigen Ausbau dieses
Hauses nicht freigehalten, sondern zur Aufstellung des
Modelies einer von ihm entworfenen Gartenanlage benutzt
hatte. Hier würde der Beschauer den günstigsten Stand-
ort für einen durch die Pensterumrahmunt"- wirkunos-
voll zusammengehaltenen Ge-
samtüberblick über den Garten
gehabt haben.
Als eine sehr geschickte
Li'isung muß die Anord-
nung des Laubenganges an
der dem Gartenhause ge-
genüberliegenden Schmal-
seite des Gartens bezeichnet
werde, weil dadurch der
Blick gefesselt und beschäftigt
und von den unschTmen
kahlen Giebohvänden der
Nachbarschaft abgelenkt
wurde.
.\us der Gliederung des
Laubenganges ergaben sich
rocht hübsche Einzelheiten,
wie sie in den Bildern Seite
234u. 235 wiedergegejjen sind.
E>as warme Sandsteinrot
der das weiße Gebälk des
Laubenganges tragenden Pfei-
ler ging mit dem Grün des
Buschwerks gut zusammen
und rief eine behagliche
Stimmung hervor. Diese
wurde noch erhöht durch
die maßvoll gehaltene Aus-
stattung des Gartens mit
.guten Sitzgelegenheiten, hüb-
schen Plastiken, Brunnen-
anlagen u. dgl. Ein größeres
Wasserbecken in Marmor
gefaßt uud mit Kugelbuchs
und Säulenwacholder seitilich eingerahmt lag in der Mitte
des Laubenganges.
L)ie den Jahreszeiten entsprechend wechselnde Bepflan-
zung der Blumenbeete hätte etwas weniger nach dem
üblichen Schema (rote Geranien, Begonien usw.) gehalten sein
können. Diese kleinen Mängel beeinträchtigten aber durch-
aus nicht den harmonischen Gesamteindruck der Garten-
schüpfung.
Eine merklich entschiedenere Betonung des Modern-
Geometrischen drückte sich im Sondergarten der Bonner
Gartenarchitekten Gebr. Röthe aus. (Lageplan Seite 238.)
Auf zwei Seiten durch die Ausstellungshalle, an der dritten
durch die Lindenallee eingerahmt, war der Garten von dem
an der freien Schmalseite befindlichen Eingang aus ent-
234
DIE GARTENKUNST
[X, 12
wickelt. (Bild Seite 239). Stufen führten zu der ver-
tieft liegenden von lireiten Kieswegen begrenzten Rasen-
fläche, die — nach manches Beurteilers Ansicht — in
etwas übertriebener Strenge jeglicher Ausschmückung ent-
behrte. Dem Eingang gegenüber an der anderen Schmal-
seite blickte das hochgelegene Lusthaus des Darm-
städters Jacob Krug aus dem Grün der Bäume hervor,
beiderseits flankiert durch eine mit wildem Wein und
Clematis in allen Farben bewachsene Holzpergola.
Dem hier im Schatten sitzenden Besucher bot sich
ein reizvoller Überblick über den im hellsten Sonnenlicht ge-
badeten Garten. Zu
im Grundriß acht-
eckigen Nischen
mit Blumen-
schmuck und Sitz-
gelegenheiten wa-
ren die vier Ecken
der Gartenrtäche
ausgebildet (Bild
S. 241). Sie fan-
den wegen ihrer
eigenartigen
Anordnung vielen
Beifall. Steil ge-
haltene und mit
Sorgfalt augelegte
Böschungen ver-
mittelten allseitig
den Übergang zu
den höher gele-
genen Randpartien
des Gartens. Vor
der Treppe zum
Lusthauso war
im Rasen ein
kleine.? Marmor-
wasserbecken mit
plastischem Schmucke angeordnet; auch sonst waren noch
anderweitig Bildwerke von Juckoff zur Aufstellung ge-
langt. An verschiedenen kleinen Architekturen, Eingängen,
Treppen, Bänken u. dgl. bot der Garten anregende Vorbilder.
Und nun zu Siesmayers Gartenhot vor der Kunst-
halle. Eine 2'/2 '" unter dem Niveau der Umgebung
liegende rechteckige Fläche von 98 und 56 m Seitenlänge,
an der einen Seite von der schmucklosen Rückfront der
Gelegenheitsanbauten an die Billingsche Kunsthalie, an
den drei anderen von der nüchternen Absperrungsmauer der
Ausstellung begrenzt, zudem noch in zwei Teile geschnitten
durch eine höchst überflüssige Botonbrücko — daraus
sollte ein Schmuckhof gemacht werden!
Die Aufgabe ist so gut gelöst worden, wie es unter
den obwaltenden l'mständen überhaupt nur denkbar wai', und
ich glaube, dal) mancher .i;-|eich mir überrascht oben auf der
Treppe der vom Friedrichsplatze herführenden Überbrlickung
stehen geblieben ist, um das schöne Bild zu seinen Füßen
zu bewundern, als er zum ersten Male seine Schritte zur
Kunsthalle lenkte.
Ringsum waren die Mauern durch eine heekenartige
Pflanzung nach Möglichkeit verdeckt, und in Straßenhöhe
ein breiter von Blumenrabatten, wechselnd mit Kübelpflanzen,
begleiteter Weg im Viereck um die vertiefte Fläche herum-
geführt, wie aus der beigegebenen Skizze S. 242 ersichtlich
ist. Zu dieser hinab war der Übergang durch scharf und
sauber herausgearbeitete Hasenliöschungen vermittelt. I'nten
waren farbige Kiesstreifen und Blumenrabatten in den Rasen
eingeschnitten. E)as Ganze war in seinen \'erhältnissen
so glücklich abgewogen, in seiner Form so ruhig und
einfach gehalten, in den Farben so fein abgestimmt, daß
seinem Schöpfer
die rückhaltloseste
Anerkennung ge-
zollt werden muß;
vor allem aber
wegen der maß-
vollen Beschrän-
kung, die sich in
der ganzen An-
lage ausdrückte
und gerade
hier auf einer
Ausstellung, wo
alle anderen doch
mit vollen Händen
di(_> Püllo der
gärtnerischen
Schmuckmittel
verschwendeten.
Gewiß gab es
auch bei dieser
Anlage mancher-
lei, was anders
hätte sein können
— z. B. wären
an den vier
Ecken der
Anlage mächtige Taxuspyramiden anstatt der Nord-
mannstannen am Platze gewesen, an der Mauer entlang
hätte die Pflanzung noch höher und dichter sein können.
Wer das tadelt, der hat wohl kaum einen Begriff von
den Koston, die die Anlage und l'nterhaltung dieser übrr
5200 O m großen Fläche erforderte. Für die Bewertung
der künstlerischen Leistung waren es Nebensächlichkeiten.
Viel schwerer fiel die abscheuliche Betonbrücke ins Gewicht,
die in höchst störender Weise die Anlage zerschnitt und gegen
die Siesmayer sich seiir entschieden, aber erfolglos ge-
wehrt hat. Für den \'erkehr war sie entbehrlich und als
Ausstellungsobjekt — wir waren doch auf einer Gartenbau-
Ausstellung — durchaus nicht am Platze.
.\n iliriH- Stelle wäre lin breiter Kies- oder Mosaik-
weg durch die Anlage, zu dem beiderseits breite Frei-
tri'ppcn hiiiabfiihi'eii konnten, viel wirkungsvoller gewesen. —
Wir iniichteii liin-niit die Besprechung der Mannheimer
Gartenl)au-Ausstollung s<^liließnn, wenigstens soweit es sich
um die Würdigung von Einzdleistungen handelt und nur
noch einige Bemcrkiingi'n allgemeiner Natui' anknüpfen.
-Briinoennischu. ^VuliKiluiif aus dein .Sondergartea von Fr. lir.th
auf der Mannheimer Gartenbauansstellung.
IX. i:
Uli-; GAllTKNKl'NS-
•j:i."
Mittelpartif des L;uibengiiuges mit Wasserbecken.
3. Laubeugang — Seitenteil.
Aufnahmen aus dem Sonderaarten von Fr. Brahe auf der Mannheimer Gartenbauausstellung
236
DIE GARTENKUNST
IX, 12
Am Schlüsse einer solchen Veranstaltung drängt sich
naturgemäß die Frage auf: Haben sich die daran ge-
knüpften Erwartungen erfülltl Es kommt darauf an.
welcher Art die Erwartungen waren, die derjenige gehegt
hat. welcher eine solche Frage stellt. Das Interesse,
welches wir naturgemäß von Anfang an an der Ausstellung
genommen haben, galt der Frage: Wird sie uns garten-
künstlerisch weiterbringen'' Und diese Frage möchte ich
für meine Person mit Ja
beantworten.
Andere werden Nein
sagen! Wenn sie die Fragi'
in dem Sinne gestellt hatti'U,
als solle die Ausstellung dif
Überlegenheit der Land-
schaftsgärtner beweisen und
mit einem Fiaskn dei-
als Gartengestalter auf-
tretenden Professoren ab-
schließen, und dadurch die
Gartenkunst gefordert wer-
den, dann haben sie mit
ihrem Nein allerdings recht.
In dieser Beziehung hat die
Ausstellung nichts bewiesen.
Ganz gewiß bot sie Ge-
legenheit zu sehr lehrreichen
Studien und Beobachtun-
gen. Man konnte die erfreu-
liche W^ahrnehmung machen,
daß die neuzeitlichen Kunst-
bestrebungen einen recht
fühlbaren Einfluß auf
gartenkünstlerischem Ge-
biete auszuüben beginnen.
Zwar gab es auch Vor-
führungen, die man lieber
nicht hätte zulassen sollen,
die aber immerhin als
Maßstab zur Feststellung des allgemeinen Fortschrittes
eine zwar unfreiwillige, aber doch nicht überflüssige Auf-
gabe erfüllten. Ihnen gegenüber hoben sich sehr vorteilhaft
die Leistungen solcher Fachvertreter ab, die die erforder-
liche Aufnahme- und Entwickelungsfähigkeit besitzen, um
die Anregungen und Lehren der neuen Zeit ins Gärt-
nerische zu iiliersetzeii und in Verbindung mit Sarli- und
Fachkenntnis praktisch zu verwerten.
Man konnte lieobachten, wie der auf dem tiebiete der
Gartengestaltung entbrannte Wettstreit bei einer ganzen Reihe
grundverschiedener Aufgaben zu eigenartigen Lösungen
Veranlassung gegeben hatte. Dabei war es von besonderem
Interesse, im einzelnen zu verfolgen, wie die Beteiligten es
verstanden hatten, die Sache jeweils so aufzuziehen, daß
die Lösung mit den ihnen vertrautesten Mitteln erfolgen
konnte. Man braucht, um Beispiele hierfür heranzuziehen,
nur die beiden Extreme, die Schöpfungen von Läuger und
Henkel zu betrachten: bei jenem eine entschiedene und
weitgehende Bevorzugung der .\rchitektur, Plastik, K'cramik,
4. Bliclv in den Laubengang.
Aufnahme aus dem Sondergarten von Fr. Biah
Mannheimer Gartenbauansstellmie.
— beim anderen eine, wie Otto SchulzeElberfeld so treffend
gesagt hat, mit liebevollster Hingabe, größtem Geschick und
rafliniertesten Egoismus durchgeführte Zurschaustellung
herlichsten Pflanzenmaterials — beides unter Betonung
einer künstlerischen Auffassung vom Garten. Je nachdem
man persönlich der Läugerschen oder der Henkeischen
Auffassung näher steht, wird man sich in seinem Urteil
über beider Vorführungen beeinflussen lassen, aber bei der
großen Verschiedenartigkeit
der Gesichtspunkte, von
denen sie bei der Auffassung
und Lösung ihrer Aufgaben
ausgegangen sind, kann von
inner vergleichsweisen Be-
wertung, etwa wie bei dem
Wettbewerb um eine be-
stimmte Aufgabe, nicht die
Rede sein. Und was von
diesen beiden gilt, gilt auch
gleichmäßig tür alle ande-
ren. Behrens, Hrahe, Henkel,
Läuger, Röthe, Siesmayer,
Schultze-Naumburg — so-
viel Namen, soviele ganz
verschiedengeartete Auf-
gaben und Lösungen.. I lie
i'inzigen, die etwa einen
Vergleich gestatteten, weil
sie ziemlich ähnliche Auf-
galten sich gestellt und bei
ihrer Lösung auch an-
nähernd gleiche Wege ge-
gangen sind, sind Brahe
und Gebr. Röthe. Im übri-
gen kann man nur jeden
einzelnen Fall für sich
betx-achten: man kann unter-
suchen, welche Aufgabe
hatte sich der Betreffende
gestellt, welche Mittel hat er zu ihrer Lösung ergriffen,
wie ist ihm die Lösung gelungen. Trotz der Verschieden-
artigkeit der ausschlaggebenden Gesichtspunkte ergaben
sich zwar hier und da Gelegenheiten zu vergleichsweiser
Betrachtung, aber sie betrafen doch nur Einzelheiten.
Es hat deshalb auch keinen rechten Sinn gehabt, dall
seitens der .\usstellungsleitung eine Art von Prämiierung
der Sondergärten vorgenommen uiul durch Zuerkennung
von Preis(ui eine gewisse .\bstufung in ihrer Bewertung
zum Ausdruck gebracht worden ist.
Wenn dabei beispielsweise Siesmayerfiir seinen Garten-
hol' \oi' der Bdlingschen Kunsthalle den Ehrenpreis des
Prinzen Arnulf von Bayern, die Gebr. Röthe für ihren
Sondergarten die biduzene Medaille eines kleinen mittel-
deutschen Staates erhalten haben, so beweist das an sich
eigentlich gar nichts: denn Siesmayor hat die ihm zu-
gefallene Aufgabe, aus einer vertieft gelegenen Baustelle
gewissermaßen einen Schmuckhof zu schafl'en, auf seine
Art ganz ausgezeichnet gelöst. Er niulile dabei naturgemäl!
if der
IX, 12
niK GARTENKUNST
237
5. Der mittlere Teil des Giirtens.
6. Das Gartenhaus.
Aufnahmen aus dem ^ondergarten von Fr. Brahe auf der Mannheimer Gartenbauausstellung.
238
DIE GARTENKUNST
L\, 12
ganz anders zu Werke gehen und ganz andere Mittel
entfalten, als die Gebr. Röthe, die einen Hausgarten ge-
schaffen haben, wie er ihnen dem Platz und den Umständen
entsprechend erschienen ist.
Man hätte daher richtiger gehandelt, eine solche
Prämiierung zu unterlassen, die immerhin den Anschein
erwecken kann, als seien die Leistungen derjenigen minder-
wertiger, welche mit Preisen bedacht wurden, die nach
allgemeiner Auflassung weniger hoch geschätzt zu werden
pflegen als andere, und es haben diejenigen Aussteller kon-
sequent gehandelt, die erklärt liatten, ihre Gärten keiner
Prämiierung zu
unterwerfen
und sich außer
Wettbewerb zu
stellen. Damit
haben sie der
gleichen Auf-
fassnug Aus-
druck verlie-
hen, die auch
ich lür die
richtige halte.
Bei der gro-
ßen Verschie-
denartigkeit
der Gesichts-
punkte, welche
für die Ge-
staltung der
Sondergärten
maßgebend
waren, kann
man wohl
sagen, mir ge-
fällt diese
oder jene Vorführung besser, die ganze Art und Weise
ihrer Durchführung ist mir sympathischer — aber man
kann nicht von dem Unterliegen einer ganzen Gruppe von
.Vusstellern und dem Obsiegen einer anderen Gruppe
sprechen, womit nicht gesagt sein soll, daß es keine Ent-
gleisungen auf beiden Seiten gegeben habe.
Was, wenn man von zwei Gruppen unter den Aus-
stellern der Sondergärten reden will, sich feststollen ließ,
das war, daß die gärtnerischen Pachvertreter eine ganz
offenbare Überlegenheit in der Verwendung des Pflanzen-
materials besitzen, woran übrigens noch nie jemand ge-
zweifelt hat, und daß anderseits die Gartongestalter aus dem
Kreise der Kunstprofessoren aus Neigung, wie wohl auch
im uneinge-standenen Gefühl der Unsicherheit dem Pflanzen-
material gegenüber bei ihren Gärten den Nachdruek auf
die Ausstattung mit Architekturen, plastischem Sclunuck
u. dgl. legen und erklärlicherweise hierbei eine Über-
legenheit zeigen, die man nicht ernsthaft bestreiten sollte.
Dabei braucht man noch gar nicht gleich an den Läuger-
garten zu denken. Schon das eine einzige Bildwerk in
Schultze-Naumburgs Garton war so glücklich ausgewählt und
mit so f<dnem (Jefühl am richtigen Platze aufgestellt, daß
Lageplan des Sondergartens der Gebr. Roethe auf der Mannheimer Gartenbauausstellung.
Die eingeschriebenen Zahlen beziehen sich auf die Nummern der Bilder (Seite 239 — 241 ).
dagegen sämtliche Plastiken des mir sonst so sympathischen
Röthegartens nicht aufkommen konnten.
Und wenn vom Läugergai'ten gesagt wird, daß er
wegen des starken Vorherrschens der Architektur kaum
noch als Garten angesprochen werden könne, vielmehr
einzelne Teile nur den Charakter von Höfen gehabt hätten,
so hat das nur sehr bedingte Berechtigung und es kann
damit meiner .\nsicht nach gegen Läugors Auffassung
nichts bewiesen werden.
Willy Lange sagt zwar: Lien Garten bauen «mIci'
den Garten pflanzen, das ist hier die Frage. Ich kann
dem nicht ganz
zustimmen und
möchte sagen :
Man kann
d e n G arte n
pflanzen und
man kann ihn
allerdings
auch— bauen.
Meiner persön-
lichen Neigung
entspricht der
gepflanzte
Garten, und
glücklicher-
weise ist es
die Mehrzahl
der Menschen,
die Neigung
und Mit-
tel auf den ge-
pflanzten Gar-
ten verweisen.
Aber deshalb
kann es doch
auch Leute geben, die — um bei dem Beispiel zu lileiben
— sich einen Läugergarten zu bauen, Neigung und Mittel
haben — und wenn ein solcher Garten dann einem ver-
ständigen Gärtner in die Pflege gegeben wird, der dafür
sorgt, daß die Architekturen durch das in Mannheim kaum
angedeutete Schlingpflanzengerank umsponnen werden, daß
die Beete gut abstimmten farbigen Blumenschmuck erhalten,
daß es in dem Garten blühe in üppiger Fülle vom ersten
Frühlings- bis zum letzten Herbsttage, dann kann ich mir
denken, daß sich ein märchenhaft schönes Bild voll des reichsten
Pflanzenlebens entwickelt. Aber die Eigenarti,gkeit dieses
Bildes wird nicht in der Gruppierung des Pflanzenmatorials,
auch nicht in dessen eigener Schönheit beruhen, sondern
in dem architektonischen Gosamtaufbau, zu dem Läuni'i-
die Idee gegeben hat. \\'a.runi will man denn das nichl
rückhaltlos anorkonnon? Warum soll mau, um vnn dem
angezogenen Beispiel abgehend, allgemein zu spi'echeii,
sich nicht offen und ehrlich der anregenden l'^rfolge der
Mannheimer \usstellung treuen, ohne Rücksicht dara.uf,
von wem sie ausgegangen sind.
Ich meine, es wäre nachgerade höchste Zeit gowei-den,
den Blick auf das gi'oßo Ganze zu richten, anstatt
IX, 12
DIE GARTENKUNST
239
2. Blick vom Eingang in den Garten.
3 Blick schräg durch den Garten nach dem Hause zu.
Aufnahmen aus dem Sondergarten der Gebr. Roethe-Bonn auf der Mannheimer GartenbauaussteUung.
240
DIE GARTENKUNST
IX, 12
bei jeder Gelegenheit wioder aufs neue sicli als Hlitor von
Pacligrenzen aufzuspielen, die längst allseitig durchlirocheii
sind.
Die letzten Jahre haben uns unzweifelhaft eine
Fülle nützlicher und fördernder Anregungen gebracht.
In erster Linie haben wir sie dem allseitig wieder
erwachenden Interesse am Garton zu verdanken, und
wer das geweckt hat, sind allerdings nicht die Be-
mühungen von Gartenfachleutea gewesen, sondern
es ist die mit Macht einsetzende neuzeitliche
Bewegung zur Herbeiführung einer allgemeinen
künstlerischen
Wiedergeburt,
die auf allen
Gebieten
menschlichen
Schaffens nach
A u s d r u c k ringt
und schließlich
auch des Gar-
tens sich be-
mächtigt.
Sollen wir die
Förderung, die
sie bringt, ab-
lehnen, weil die
Bewegung nicht
in unseren eige-
nen Reihen ent-
standen ist? Kön-
nen wir die an-
regende Mitarbeit
von Vertretern
anderer Kunstge-
biete bei der sich
vollziehenden Wie-
dergeburt der Gar-
tenkunst zurück-
weisen, ohne
uns selber untreu zu werden?
Müssen wir sie nicht vielmehr mit lebhafter Freude
begrüKen, weil sie der von uns selbst vertretenen
Aufgabe „Förderung der Gartenkunst im weitesten
Sinne" außerordentlich nützlich ist-
Und wenn man sich wirklich in gänzlicher Verkennung
der allgemeinen Lage auf einen ablehnenden Standpunkt
1. Blick in den Laubengang zu selten des Lusthauses.
Aufnahme aus dem Sondergarten der Gebr. Roethe auf der Mannheimer
Gartenbauausstelluna;.
traurig wäre, welch eine Fülle von rückständiger Aut-
fassung noch fortgesetzt in den Köpfen derer steckt, die
von Berufes wegen mit allen Kräften die Vorwärtsbewegung
fiirdern sollten und sich statt dessen ein Sondervergnügen
daraus machen, dem Wagen Steine vor die Räder zu wälzen I
Sind wir es denn nicht uns und unserem Berufe
schuldig, jetzt endlich energisch mit zu wirken und
mit zu streben, nachdem — das muß einmal offen heraus-
gesagt werden — diejenigen, welche auf garten-
künstlorischem Gebiete innerhalb der Fachkreise
jahrzehntelang die Führung in Händen hatten,
s 1 c h d e r h a rj-
rendeu grollen
Aufgaben nicht
gewachsen ge-
zeigt haben?
Selten sind
die Zeichen der
Zeit so gründlich
miliverstanden,
selten die G e -
I e g e n h o i t a u s
eigene m A n -
triebe eine
kraftvolle Rc-
f 0 r m b e w e g u n g
einzuleiten und
ihr Wege und
Ziele zu weisen,
so gründlich
verpaßt wor-
den, als ge-
rade im Kreise
der deutschen
Gartenkünstler!
Mit nichtigem
Kleiuigkeitskrani
bat man die
kostbare Zeit
vertrödelt und mit wichtigtuendein Gebahren Dinge zu
Erfolgen zu stempeln versucht, die in \\'iiklichkoit Mill-
erfolge waren.
l^nd drang mal eine Stimme von außen herein und
mahnte an dir harrenden Aufgaben der neuen Zeit, dann
wurde d^r unbequeme Rufer belehrt, d.iß „WIR" deren
Erfordernisse doch viel besser kenneu, und wagte ein
stellen wollte, gegenüber der von allen Seiten heran- junger Stürmer in eigenem Kreise mal ein Wörtlein, das
drängenden Mitarbeitsbereitschaft, mit welchen Mitteln
könnte denn unter heutigen Verhältnissen das Ein-
dringen der neuzeitlichen Bewegung und ihrer Ver-
treter in das ängstlich gehütete Sondergebiot
der Gartenkunst gehindert werden? Wollen die
Fachgronzwächter etwa zum Büttel laufen, damit er jene
Leute, die ohne „Unsere" Erlaubnis im Garten zu schaflen
beginnen, beim Kragen nehme und in einen sicheren
Gewahrsam bringe, auf daß die Ruhe im Garten
nicht gestört wird?
Man könnte lachen darüber, wenn es nicht so tief
neue Gedanken verriet, dann bekam er es mit dem
Schulmeistcrstock auf die Finger, daß ihm die Lust ver-
ging, sich zum zweiten Male hören zu lassen. Das sind
die Resultate eines zwanzigjährigen Strebens, das
so glückverheißend begonnen hatte. — Muli ich
noch deutlicher werden?!
Und nun, nachdem es noch in zwölfter Stunde ge-
lungen ist, Türen und Fenster des Hauses weit zu öffnen,
so daß dio frische Luft der neuzeitlichen Bewegung alle
Räume erfüllen kann, möchte man gar versuchen, sie mit
Papier wieder zu verkleben, weil manchem an die stickige
IX, 12
DIE GARTENKUNST
241
• 1. Achteckiger Sitzplatz.
Autnahmen aus dem SonJerKarten der Gebr. lioethe-Boun auf der Mannheimer Gartenbauausstellun.:
242
DIE GARTENKUNST
IX, 12
nUi^^^TCl.LUNb-wnNNnEin 19Q7-
Stubenluft Gewöhnten der frische Luftzug zu lebhaft um die
Ohren wehtl
Gewill das Sprichwort sagt: \\'o gehauen wird, da
fliegen Späne, und mancher mag die bitteren Wahrheiten,
die ihm jetzt an den Kojjf fliogen, recht unangenehm
empfinden.
Aber das läßt
sich nicht än-
dern. Die
Fenster unse-
res Hauses
sind offen und
bleiben offen ;
dafür wird
schon gesorgt
werden, auch
wenn es Leu-
ten, die nebenan
wohnen, nicht
gefallen sollte.
Es ist ganz
naturgemäll
und selbstver-
ständlich, daß
nicht alles, was
jetzt an neuen
Ideen auf dem
Acker der Gar-
tenkunst ins
Kraut schießt,
gut ist und
dauernden
Wert hat. Das
hat die neu-
zeitliche Bewe-
gung mit jedem
ähnlichen Vor-
gang gemein-
sam. Um die
Spreu von dem
Weizen zu son-
dern und eine
von Rück-
schlägen freie
Keinsaat für
die Zukunft zu
gewinnen, muß
gesiebt und
Auslese gehal-
ten werden.
Das kann
nur erfolgreich
JLageplan des Gartenhofes der Gebr. Siesmayer vor der Kuiistbolle auf der
Mannheimer Gartenbauausstellnng.
Grundgedanke: Vertieftliegender Innenhof, von allen Seiten von Gebäuden uiiischlussen
ß e [) f 1 a n z u n g :
An der Wand der Kunsthalle entlang
standen kanadische Pappeln, da/.wischen
italienische Pappeln. Dieselben Pflanzen be-
fanden sich an den Ecken und an einzelnen
Stellen der Einfriedigung.
Zu einer Hecke vereinigt waren:
1. Thuya occidentalis, davor
2. Prunus Pissardi, zwischen diesen in
gleichen Abständen
3. Thuya occidentalis lutea, vor diesen eine
Eeihe
4. Oanna L. E. Bally, und als letzte Linie
.'). Ligustrum ovalifolium.
6. Buxus-Pyraniiden 1 auf flacher
7. Picea excelsa compacta I Böschung.
Die kleinen <^i)uadrate dienten Lorbeer-
bäumen zur Aufnahme.
8. Pyramid-Lorbeer. untcrpllanzt mit Chry-
santh. cor. n. pum. luteum,
9. Kugel-Lorbeer, untorpflanzt mit Chry-
santh. cor. n. pum. luteum.
Geschäftigkeit nur taubo Nüsse knacken. Mögen
sie an dieser Tätigkeit Freude und Befriedigung finden, wir
wollen uns an etwas anderem erfreuen: Wir wollen uns
freuen, daß wir die heutige Zeit voll regen Lebens und
Strebens mit erleben, wir wölben uns dieser schönen
1 Zeit würdig
I erweisen und
jeder an seinen
Platz unser
Toll beitragen,
daß die Hoff-
nungen erfüllt
werden, die sie
in jedem weckt,
dem die Sorge
f ü r d e n e n -
g e n K r e i s s e i -
n e r Sonder-
intoressen
n i c h t de n
Sinn für die
großen Ideale
der Gesamt-
heit verküm-
mert hat.
Und die Mann-
heimer Aus-
stellung, die
den Ausgangs-
punkt unserer
Betrachtungen
bildete? Nun,
es brauchen
darüber nicht
mehr viel Worte
gesagt zu wer-
den. Wer mei-
nen Darlegun-
gen beipflich-
tet, der wird mir
auch /ustim-
men, wenn ich
diese Ausstel-
lung einen be-
deutsamen
Markstein am
Wege der fort-
schreitenden
l'jntwickelung
der Garten-
kunst nenne,
wenn ich be-
Die Längsrabatten waren bepflanzt mit:
10. Pelargonium zonale Reformator, später
Salvia splend. Feuerball.
In den vier grossen Quadraten an den
Ecken standen:
11. Abies Nordmanniana,
12. Vinca minor,
13. Chrysanthemum coronariuni nannm pu-
milum luteum,
14. Zierweg, 1 m breit, bedeckt mit weili-
blauem Silberkies.
l.j. Evonymus japonica, oben zu einer Fläche
geschnitten, eingefaßt mit Efeu.
Kl. Bordüren aus Tropaeolum majus nanum
(rolden Queen, später Chrysanthenuini
indicum Soeur Melanie.
17. Zierweg, bedeckt mit rotem Naulieimev
Salinengrieü.
18. Pergobi, oben Pelargonium peltat. Charles
Turner, unten Pelargonium pcltat. Leo-
pard, an den Wänden Efeu.
in offener rückhaltloser Aussprache und in vorurteils-
losem Zusammenwirken aller, der berufenen und der
freiwilligen Mitarbeiter geschehen. Und wenn dabei
auch mal ein „Gemeinplatz" zum Vorschein kommt, so
hat das nichts zu bedeuten im Vergleich mit der Tätigkeit
gewisser Kreise, die heute noch in geräuschvoller
haupte, daß sie, wie kaum eine ihrer Vorgängerinnen, ge-
eignet war, das Verständnis und Interesse weitester Kreise
für die Kunst des Gartens zu erwecken, und wenn ich
hoffe, dal! ihre Nachwirkungen mit dazu beitragen werden,
den nent'ii gbinzvollon Aufschwung der Gartenkunst zu be-
schleunigen, den wir alle erwarten. Heicke.
IX. \-2
DIE GARTENKUNST
2i3
Auriiahiiif 1.
Aufnahme 2.
Aufnahmen aus dem üartenhof der Gebr. Siesmayer vor der Kunsthalle auf der Mannheimer Gartenbauausstellung
2U
Dl 1-; CA UTEN KUNST
IX,
i^^ii^^.'yZ^'^-fT
-J } ' ■>
''^'nh.
^^lh."
sk »■ -'ÄÄ^«f<«,.^a>„^,p^js^j^
'W:
Hecke eines Bauerngartens aus der Nähe von Sulingen (Prov. Hannovei').
Ht'itr;i^zuiEiit\vickeliiiif;s^t'.scliiclite<lesiiie(ler.siiclisisclieii
Baueriij;ai'teii.s.
Von Gartenarchitekt Rofs.
Liju Geschichte der Gartenkunst unterscheidet eine
ganze Anzahl von Stilarten, angefangen beim babylonischen
und ägyptischen, bis zum modernen oder deutscheu,
wie ihn der Franzose in ehrliiher Anerkennung der türh-
tigen Arbeit der jungdeutschen Landschaftsgärtner viel-
fach nennt. Aber der typische Garten des niederdeutschen
Bauern gehört keiner dieser Stilarten an. Sein Grundzug
ist fast durchweg die Zweckmäfsigkeit der Anlage zur
i'lrfüllung seiner wirtschaftlichen Aufgaben, er i.st die
Quintessenz des Nützlichkeitsprinzipes, und wenn man
seinem Wesen eine Stilbezeichnung geben soll — die
moderne wissenschaftliche Methodik will es ja so — dann
könnte man den Stil des niedersächsischen Bauerngartens
vielleicht den „Utilitätsstil-' nennen, und würde da.mit
allerdings weniger vornehm sprachdeutsch, alicr um so
trefTender sein Wesen gekennzeichnet haben.
Das nüchterne Prinzip der Nützlichkeit wiiusciit vor-
nehmlich eine bequeme Einteilung des Gartens, (Ue am
besten durch gerade, sich senkrecht schneidende Wege
erzielt wird. Je kleiner der Besitzer, je ärmer an Land-
besitz, um so ängstlicher die Ausnutzung des Bodens und
um soviel schmaler die Wege, um so geringer die Flüche,
die der Ziergärtnerei, der Amme der Gartenkunst, ge-
widmet werden kann.
Diesem Prinzip entspricht das Aussehen des Gartens
und der Blumenschmuck schliefst sich in seiner Ver-
wendung, sofern er in reicherem Mal'su vorhanden ist,
der im Interesse der leichten Bewirtschaftung und guten
Ausnutzung getroftenen Anordnung an, indem die Wege
seitlich von Beetstreifen begleitet sind, welche dem Schmuck
des Gartens, den Blumen, eingeräumt sind.
t>as ist der unverfälschte Typus nicht nur des nieder-
sächsischen, sondern des Bauerngartens in fast aller
Herren Lämler. \\'as dazu kommt, was aufserdem im
Garten vorhanden ist, kann erst das Besondert^ des nicdor-
sä(!hsischen Gartens ausmachen.
Ich bemerke von vornherein, dals dieses Besondere,
welches wir nicht selten finden, nicht das geistige Eigen-
tum des niedersächsischen Bauern ist, es ist nicht Heimat-
kunst, die aus der eigenen Scholle emporwächst und des-
halb eine einheitliche Wirkung erzielt, sondern es ist
entlehnt. Aber es ist einem stammverwandten Volke
entlehnt, das seinerseits die Anregung /.u seinem Schaffen
dem französischen Gartenstil dankt. 1 »a.s was nun zu-
meist im niedorsächsischen Bauerngarten iiulTälll, sinil
Rudimente, Fra,gmente des holländischen Gartenstiles. VwA
es sind nur i'echt dürftige, verstümnu'lte Reste.
Bck.iinillich grillen die Holländer seinerzeit die Ideen
des französischen Gartenstils auf und modifizierten sie,
indem sie diese ihren Verhältnissen anpafston. L)er }ilangel
an Grofsgrundbesitz drückte zunächst den Umfang der
Anlagen, die meistens sogar nur in sehr bosclu'idenen
Grenzen gehalten waren, die langen, mit aridiitcktouisi'hem
Ausbau uiul Wasserkünsten grofsartigen liufaiiges ver-
sehenen Bassins wichen \\'ass(>rgräben, und was dadurch
an Grofszügigkeit und vornehmer \\irkiing verloren ging,
IX, 12
DIE GARTENKUNST
245
sollte durch F\lpinmalerei er.set.zt werden. Demzufolge
entstand Jener Kleinschiniick. von dem wir Heste, leider
immer gerade die unvorteilhal't wirkenden, kleinlichen,
vielfach noch in unseren niedersiichsischen Bauerngärten
finden. Zunächst wurden die Hecken des französischen
Stiles, die bei aller Einförmigkeit eines gewissen impo-
santen Eindruckes nielit entbeliren, durch Einschnitte von
Fenstern, Toren, durch Einbau von lialbd(miartigen Lauben,
kleinen Nischen, Erkern usw. lebhafter in der Linien-
führung gemacht. Eiann .ging man dazu über, nach Arl der
Architekten \\'appentiere, Säulen, Vasen usw., die aber .gleich
den Hecken aus lebenden Pflanzen geschnitten wurden, auf
den Hecken anzul)ringen : Eiiizelbäume wui'den vcrsidmitten
zu Sesseln, Blumenkörben. Menschen- uml Tiergruppen, kurz
der Garten wurde zu einer Sa.nunlung gärtnerischer Kunst-
stücke und Spielereien. Statt einer Umgebung des Hauses
mit Blumenbeeten finden wir im holländischen Garten
seiner Zeit Gruppierungen von Muscheln aller Art und
glänzenden Steinen, dazwischen vielleicht einen Zwerg,
di'r aus einem Hörn einen dünnen Strahl ^\■asser bläst.
Die niedrige Buchsbaumeinfassung kam in Mode, und alles
wurde noch ülier das Mal's des französischen Stieles
verzerrt, so auch die Hecke, die von da ab ei'st in einigen
Metern Hiihe über dem Erdfioden beu-innen durfte, und
statt der Rosen setzte man bunte, glänzende Glaskugeln
an langen Stangen auf den Hasen usw.
fiiii nun sehen wir uns einmal die Zeichnungen an,
die Herr Kunstmaler liolts nach früher von mir gefertigten
Skizzen entwarf. Die Hecke als Lymfi'iedigung mit den
grotesken Verzierungen (Abb. 1, S. 244) stammt, wenn ich
mich recht erinnere, aus der (iegend von Sulingen in der
Provinz Hannover. Da ist die Einfahrt in ein (ikonomie-
anwesen in Oberneuland bei Bremen (Abb. 2, S. 24.'3),
tlankiert von hochstämmigen Hecken. Wer da olien im
Nordwesten zu Hause ist, der wird sicdi auch eines
Bauerngartens erinnern, der vor der Front einen Haufen
zeigt, komponiert aus Tuffsteinen und grofsen Muscheln, und
gekrönt mit ein(Mn (Inenien oder einem Engel als General-
schmuc
die Glasglocken sind auch heute noch
der Stolz eines jeden tleifsig behüteten Jjandgartens. Auch
die vielfache Anwendung des Buchsbaumes rührt von
damals her und viele werden auch schon jene in Form
eines Heukelkorbes geschnittenen Buchsbaumvasen gesehen
haben, die im Sommer mit Fuchsien oder Akelei, mit
fliegendem Herz oder Goldlack gefüllt werden. Fml al)
und zu findet man auch noch Künstler, wehdie Xamen-
züge, Tierfiguren, Personen und mancdierlei Gegenstände
aus lebenden Pflanzen S(dineiden. Ich .sah vor Jahren in
i ■
Einfahrt eines Ökonomieanwesens in Oberneuland bei T^remen.
24B
LUE GARTENKUNST
IX, 12
der Nähe von Leer ein Segelschiff aus Cornus mas. dorn
frühblühenden Hartriegel, mit Takelzeug und .Mannschaft
an Bord, und wer gelegentlich von Halberstadt nach
Wernigerode im Harz fährt, der strecke bei der Station
Minsleben den Kopf aus dem Fenster und er findet auf
der dem Stationsgebäude gegenübergelegenen Seite den
Stationsnamen, dessen einzelne Buchstaben von je einem
Baum des Weilsdorn gebildet werden. Und zu beiden
Seiten ist ein „wohlassortiertes" Möbellager sowie ein
reichhaltiger zoologischer Garten, fein säuberlich in Weils-
dorn ausgeschnitten, zu finden, alles das Werk eines
Bahnwärters bäuerlicher Abkunft. Und ich könnte mehr
Vergleiche anführen I
Es ist eigentümlich, dals diese Beeinflussung durch
die Manier der Holländer auffälligerweise sich auf die
Bevölkerung niederdeutschen Stammes beschränkt, be-
sonders aber nordwestlich vom Harz in direkter Linie
bis etwa nach E)üsseldorf in der Breite des Land-
striches bis zur Nordsee fühlbar wird, und dafs diese Linie
nahezu mit dem Verlaufe der Grenze zwischen dem nieder-
deutschen und dem mittelhochdeutschen Sprachgebiet zu-
sammenfällt. Dadurch wird eine Übereinstimmung des
Geschmackes dokumentiert, die einen interessanten Hin-
weis auf die nahen verwandtschaftlichen Beziehungen beider
Volksstämme auch in diesem Punkte bildet.
Die Bauerngärten, welche in weiterem Mafse solche
Anklänge aufweisen, verschwinden mehr und mehr. E)ie
Pflege dieser Gärten, besonders der Hecken, verlangt viel
Arbeit, die bei dem heutigen Mangel der Landwirtschaft
an Arbeitskräften nicht so gut geleistet werden kann.
Wie in den alten Trachten, Gewohnheiten, Sitten und
Gebräuchen, so weicht auch hier das Alte dem Neuen.
Läfst auch das Alte in ästhetischer Hinsicht viel zu
wünschen übrig, so hat es doch das Interesse, das die
Geschichte und Vergangenheit erweckt, und den Vorzug,
Abwechslung zu gewähren. Die Anlage der Gärten nach
moderner Art, wie sie heute von den Landwirten, die
sich den Luxus eines Ziergartens leisten können, betätigtwird,
läfst auch meistens sehr zu wünschen übrig, denn
dort wird arg gepfuscht. Und weil eine alte Tracht mit
Würde getragen — mag sie auch an sich nicht schön
sein — mir besser gefällt, als ein tadelloses Modekleid,
das von der Trägerin mit Ungeschick und dem eigenen
Unbehagen des Ungewohntseins spa.zieren geführt wird,
so gefällt mir ein solcher alter Garten mit all den fremden
Bestandteilen darin besser, als mancher moderne, dessen
Anlage an sich verfehlt ist. Mag jener viel Entlehntes
enthalten, es ist der Duft der Scholle, der Atem des Be-
hagens und der Hauch der Heimat, der ihn adelt. Und
deshalb bedauere ich, daf.s er schwindet,, dei' alte t,vpischi>
Bauerngarten der Niedersachsen.
Verschiedene Mitteilungen.
Grofs-Berlin. Der Gedanke der Berliner Architekten-
Vereine, einen einheitlichen Bebauungsplan für Groß-Berlin mit
einem Wald- und Wiesengiirtel zu schaffen (vgl. Gartenkunst IX.
Seite 187), rückt anscheinend seiner Verwirklichung näher. Es
sind in Konferenzen zwischen den mni']gebenden Persönlich-
keiten, in.sbosondere in Besprechungen zwischen dem Ober-
bürgermeister Kirschner und Geh. Baurat March, die Be-
dingungen für einen allgemeinen Wettbewerb zur Erlangung
von Bebauungsplänen für Groß-Berlin festgesetzt worden.
,\uch au den anderen beteiligten Stellen hat die Angelegenheit
gnlUtes Interesse und Aussicht auf Funlerung gefunden. Man
glaubt, in den ersten Monaten nächsten Jahres mit den Be-
dingungen des Wettbewerbes, bei dem mehrere hochdotierte
Preise, unter anderem ein 1. Preis im Betrage von 30000 M.,
ausgeworfen werden sollen, an die Öffentlichkeit treten zu
können. — Für die Durchfübrnng dieses an amerikanische Vors
bilder gemahnenden großzügigen Wettbewerbs darf die Bereit-
stellung einer Summe von 1G5000 M. erhofft werden. Die
Vorarbeiten werden in einem besonders gebildeten Bureau bo-
trieben.
Im Zusammenhange mit diesen Bestrebungen hielt Herr
Landesbaurat Prof. Tb. Goecke kürzlich im Verein für deutsches
Kunstgewerbe einen Vortrag über das Thema: Die bauliche
Ausgestaltung von Groß-Berlin. Wir erhielten darüber von
Herrn tlarteninspektor Zahn das nachstehende Referat:
Nachdem einleitend der Aus- und Aufbau von Groß-Berlin
als eine „Aufgabe der Kunst" bezeichnet und hierfür der Beweis
erbracht war, wurden die im Wettbewerbsprogramm gestellten
Forderungen besprochen und Vergleiche von Berlin und Um-
gegend mit Wien und London angestellt. Der Wald- und
Wiesengürtel Wiens fand hierbei eine ganz besondere Be-
achtung und Wertschätzung, ebenso wie die in London aus-
geführten gewaltigen Durchbräche, um dem Verkehr neue
Bahnen zu schaffen. Den Verkehrsanlagen über und unter
der Erde, als Hocli- und Schwebehahn und der am wenigsten
im Straßenbild auffallenden Untergrundbahn, sowie den leider
noch nicht genügend in Aufnahme gekommenen Verbindungen
zu Wasser auf den Kanälen, Flußliiufen und Seen wurde ein
besonderer Abschnitt gewidmet, auch nicht unterlassen, auf
die besonderen Keize der Verkehrsstraßen am Wasser hinzu-
weisen. Es ist bekannte Tatsache, daß gerade in und um
Berlin wenig Wert daraid' .gelegt wird, die Ufer der Allgemein-
heit zu erhalten, daß sogar Villenkolonien lediglich in lUick-
sicht der höheren Bewertung der angrenzenden Grundstücke
von diesem Fehler nicht freizusprechen sind. Für die Haupt-
straßen und freien Plätze wurde der Wiederaufbau von San
Franzisko als Beispiel angeführt, wo getrennte Gebiete für Ver-
waltung und Erziehung, für Erwerb, für Wohnung vorgesehen
sind. Jedes dieser drei wird einen ganz bestimmt ausgeprägten
Charakter erhalten. Das erste ist bestimmt, die monumentalen
Bauten in Gruppen an Plätzen, an Pracht- imd Kingstraßen
aufzunehmen. Das Erwerbsgebiet \inifaßt Fabriken und Handels-
häuser und endlich das dritte die Wohnungen; dieses Gebiet
s(j11 durch parkähnliche l'lätze, die untereinander in Ver-
bindung stellen, für die Bewohner besonders angenehm aus-
gestaltet werden. Neu, wenigstens füi- unsere Verhältnisse, ist
der Vorschlag, daß die Hausfronton dem Park, die Rückseiten
der Straße zugekehrt sein sollten. Dieser Vorschlag bringt so
recht klar und deutlich zum Ausdruck, daß Wohngebiet und
Park zusammengehören, die Strai.le in diesem Falle nur Zugangs-
weg. Wirtschaftsweg bedeutet.
IX, 12
Uli': CA KT ION KUNST
247
Die mit dein 'l'elegraphenberg, der nur Munumeutalbaiiten
erhalten soll, gezogene Parallele mit den Müggelbergen und
ihrer Ausgestaltung als monumentale Festhalle und weihevollen
Festplatz bringt ein ganz neues, aber der Beachtung wertes
Moment in (Iroß- Berlins künstlerischen Ausbau.
Kine weitere Parallele mit San Franzisko war die dort ge-
forderte Trennung der Fabrik- und Industriegebiete von den
Wohngebieten; maßgebend für ihre Lage sind Eisenbahnen
und Wasserstraßen. Wenn auch in und um Berlin diese so
notwendige Trennung noch nicht scharf genug durchgeführt
ist, so sind doch u. a. Anfänge dafür vorhanden in Oberschöne-
weide, in dem Gebiet an der Oberspree und Johanuistal.
Weiteren Ausbau können diese Fabrikviertel in den durch den
Teltowkanal aufgeschlossenen Gebieten erfahren.
Mehr übergreifend auf das gartenkünstlerische Gelnet
waren die nun folgenden Ausführungen. Den Wohnstraßen
und Innenanlagen wurde ganz besondere Beachtung geschenkt,
namentlich den letzteren, und sei hierfür auf den Vortrag ge-
legentlich der Flauptversammlung in Mannheim hingewiesen
und auf den in der Gruppe Rrandenliurg im Winter gehaltenen
'Wirtrag: Innenanlagen (vgl. Gartenkunst 1907. No. 5 u. (5).
Daß des Urhebers der InnengUrten. Camillo -Sittes, an dieser
.Stelle gedacht wurde, erscheint selbstverständlich. Einfamilien.
häuser, Landhausbebauung, Vorgärten können wir zusammen-
fassen, und sei e.s gestattet auf die Broschüre der Gesellschaft
für Gartenkunst: Gartenkunstbestrebungen auf sozialem Gebiete,
hinzuweisen, in der auch die Vorgärtenfrage, sowie die ^'orteile
geschlossen stehender Einfamilienhäuser im Sinne des Vor-
tragenden behandelt sind. Als „Gartenstädte", die mit allem
großstädtischen Komfort ausgestatt sein müssen, nannte der
Vortragende die l fer des Müggelsees, den Wald bei Falken-
hagen und Hermsdorf, die Havelufer gegenüber dem Grunewald,
und nicht zu vergessen im Süden die Seenkette bei Teupitz.
Ist so vom festen, dichten Kern die Bauweise schon
lockerer geworden im Laudhausgcbiet, so müssen auch ausge-
dehnte Flächen frei sein von jeglicher Bebauung. Ein „Grüner
Ring- muß die bebauten Flächen umziehen, muß auch als
innerer King vorhanden sein. .Sport-, Spiel- und Übungsplätze
ist dieser außer den Parkanlagen aufzunehmen bestimmt. Es
ist möglich, ihn im Gebiete Groß-Berlins zu schaffen, da ein-
zelne Teile in den bestehenden Parkanlagen bereits vorhanden
sind, und unter Einbeziehung des Grunewalds, der ausgedehnten
Flächen der jetzigen liieselfelder die nötigen Verbindungen
hergestellt werden können. Die Friedhöfe sind ebenfalls dem
grünen Gürtel einzugliedern.
Die Rückwirkung auf die vorhandenen Stadtkanlagen
werden bestehen in großen Straßendurchbrüchen; es sei bei-
spielsweise hierbei nur erinnert an die auf Befehl Napoleons III.
ausgeführten Durchbrüche in Paris durch den Seinepräfekten
Haußmann.
..Wer wird den Plan für Groß-Berlin entwerfen?" Diese
Frage bildete in ihrer Antwort den Schlußsatz der Ausführungen.
Schwerlich nur einer, und auch nicht in einem .Jahre. Ein
Stadterweiterungsamt ist damit zu betrauen. Die leitende
Persönlichkeit sei ein Städtebaukünstler, und mit ihm zusammen
müssen wirken Architekten und Künstler, ".Städtebau-, Ver-
waltungstechniker und Ingenieure. Diesen, und mit dieser
Ansicht hoffe ich mich eins mit meinen Faclikoliegeu, möchte
ich den Gartenkünstler eingereiht wissen. Zahn.
Das Schicksal des Mannheimer Ausstellungsgeländes.
Die Veranstaltung der Gartenbauausstellung 1907 auf dem
Gelände ehemaliger Pachtgärten im .Süden der Augustaanlage
hat über den Wert solcher mit reichem Baumbestand versehenen
Fläche manchem die Augen geöffnet, der sonst ohne viel
Sentimentalität sich darüber wegzusetzen pflegte, wenn alle
Gartenanlagon der Baus|iekulation geopfert wurden. Es wurden
mehrfach Stimmen laut und auch Erwägungen darüber
angestellt, ob man nicht dieses günstig gelegene Gelände mit
semem schönen Baumwuchs ganz oder teilweise als Garten-
anlage erhalten solle, die unmittelbar an die verkehrsreichste
Gegend von Mannheim und den schönen Friodrichsplatz an-
grenzend, von ganz besonderem Werte sein würde. Man hält
dem entgegen, daß die herrschende Wohnungsnot zur Be-
bauung des Geländes dränge. Sie ist vorhanden — allerdings!
Ja man kann sagen, sie grassiert in Mannheim und es wird
etwas geschehen müssen, um durch Bereitstellung von Bauland
dem Mangel an Wohnungen abzuhelfen und die unheimlich
holien Mietspreise herabzudrücken. Allein durch die Bebauung
des Ausstellungsgeländes wird dieser Wohnungsnot nicht im
mindesten abgeholfen: denn woran es fehlt, sind Wohnungen
für die Mittelstands- und Arbeiterbevölkerung. Das Aus-
stellungsgebiet an der als Prachtstraße gedachten Augusta-
anlage kann dafür nicht in Betracht kommen, und an
Wohnungen für die wohlluU)ende I'.evölkernngsschicht fehlt es
nicht.
Es liegt also keine zwingende Veranlassung vor, der Stadt-
verwaltung zuzumuten, das fragliche Gelände der Bauspeku-
lation preiszugeben. Sie sollte vielmehr, auch wenn es mit
Opfern geschehen müßte, die Umwandlung in eine Parkanlage
von dauerndem Bestand anstreben, zumal ja Mannheim im
Verhältnis zu seiner Fläche und Bevölkerungszahl arm an
Plätzen und Parkanlagen genannt werden muß. Gerade in
jener Gegend fehlt ein Erholungsaufenthalt im Grünen,
trotz der Nähe des Friedrichsplatzes: dieser mit seiner
reichen Ausstattung wird immer mehr den Charakter eines
prunkvollen Repräsentationsplatzes behalten, während eine zu
behaglichem Aufenthalt einladende Grünanlage mit lauschigen
Winkeln und schattigen Spielplätzen sich aus dem Ausstellungs-
terrain mit Ijeichtigkeit machen läßt — und zwar eine, die
nicht noch jahrzehntelanger Geduld und Pflege bedarf, um
heranzuwachsen!! Also anstatt hier dem Baumoloch zuliebe
ein Zerstörungswerk zu beginnen, sollte Mannheim anderen
Städten mit gutem Beispiel vorangehen und seiner bereits auf
170000 Einwohner angewachsenen Bevölkerung dieses Eden zu
dauerndem Genuß zu erhalten suchen.
Es würde das ein zwar unbeabsichtigter aber um so segens-
reicherer Erfolg der Gartenbauausstellung 1907 sein.
Bei der Preisverteilung im Wettbewerb für die gärt-
nerische Umgestaltung des Nordmarktes in Dortmund
wurden die Preise wie nachstehend verteilt: 1. Preis (ÜOO M.),
Motto: „Geometrie", Verfasse)'; Städtischer Garteninspektor
Jung in Köln. 2. Preis (400 M.), Motto: „Koh-I-Noor", Ver-
fasser: Gartenarchitekt Blumberger, Köln-Rodenkirchen. 3. Preis
(200 M.), Motto; „Zur Wohlfahrt der Bürger gebaut", Ver-
fasser: Gebr. Paetz, Gartenarchitekten Münster und Düsseldorf.
Zum Ankauf sind empfohlen: Motto: „Vier Pappeln". Verfasser;
Gebr. R<ithe, Gartenarchitekten in Bonn, und Motto: „Erholungs-
stätte", Verlasser; Gartenarchitekt Foeth und Architekt Bach-
niann. Köln-Lindenthal. Als Preisrichter waren tätig die
Herren: Oberbürgermeister Geh. Regierungsrat Schraieding,
Stadtbaurat, Kgl. Baurat Kullrich. Stadtbaurat Bovermann,
Rentner Julius Baumeister, Gärtnereibesitzer Stoffregen aus
Dortmund imd Herzogl. Promenadeninspektor Kreiß aus Braun-
schweig. Es waren .">1 Bewerbungen aus den Kreisen der
Gartenkünstler und Architekten Rheinlands und Westfalens
emsegangen.
248
DIE GARTENKUNST
IX, 12
Bücherschau.
House and Garden. Infolge einer 5 monatlichen Balkan-
reise komme ich erst jetzt ilazu. wieder über den Inhalt dieser
Zeitschrift zu referieren. Im Aprilheft finden wir einen inter-
essanten Beitrag von Marie v. Tschudi, gekennzeichnet durch
den Titel: ,To Paint the Landscape O'er. To Find a New and
Subtle Charm in Tree and Shrub celebrated in Song and Story,
in Music and in Rhyme". Die Unterlage dazu bietet die mit
guten Photos ausgestattete Schilderung der Besitzung „Overloigh"
in Neu-.Jersey, die dem Künstler .J. M. Dillon gehört. Die
Ausführungen über Baumgruiipierung u. dgl. m. bieten viel
Anregendes.
Das Maiheft wird eingeleitet mit
einem Beitrag von .Marv H. Carlisle
welche in Wort und Bild Skizzen aus
amerikanischen und englischen Gärten
gibt. Sind die Skizzen auch etwas
roh in der Technik, so zeigen sie doch
die charakteristischen Reize solcher
meis tarchitektonischer Anlagen in
ihrer Blüteufülle. — Es folgt dann ein
Artikel von Edward Thomas, der den
alten Garten von „Levenshall" in Kent
schildert. "Wir sehen die bekannten
verschnittenen und absonderlich ge-
formten Gebüsche und Einzelpflanzen,
die uns als lehrreiche Dokumente einer
glücklicherweise vergangenen Zeit :\n-
muten. — Für Gärtner lehrreich ist der
Aufsatz: „The Up-to-Date Nursery".
Das .luniheft ist im wesentlichen
der Architektur gewidmet, aber die
zahlreichen guten Pliotos sind vielfach
auch für Gartenkünstler sehr instruk-
tiv. Vor allem möchte ich auf einen
.\rtikel: „The Picture Qualitv of Eng-
lish Vill.age Cottages" hinweisen. Man
vergleiche mal mit diesen Bildern
unsere gewohnten Vorstadtvillen, und
wer Augen hat, zu sehen, der wiid
eminent viel lernen können. Und
dies auch aus dem kleinen Beitrag
von Elizabeth H.Fairley: „Three Gar-
den Plans". Wie ganz anders ge-
staltet diese Frau ihre kleinen Vor-
stadtgärten, als es bei uns noch immer
üblich ist. Ich will damit nicht sagen. dalJ mir alles sym-
p.athisch ist, sondern nur, daß sie nicht im Stile der be-
kannten „100 kleinen Haiisgärten" vorgeht.
Im .Juliheft ist nichts besonderes hervorzuheben. Höchstens
die Tatsache, daß sein Ausstattungsschmnck und sein Inhalt
reich wie gewöhnlich ist. Für das ,\ugusthoft gilt das gleiche.
Ein .\ufsatz darin von F. Mande Smith über „Artistic .lapanesc
Features for Gardens and Country Estatcs" zeigt z. T. Motive,
die mich wenig „japanisch" anmuten, oder solche, deren Ein-
beziehung in sonst wesensfremde .\nlagen nur sehr bedingt an-
zuraten ist.
September- und Oktoberheft sind ebenfalls ohne Beiträge
von vorwiegend gartonkünstlerischem Interesse. 0. K. S.
Dr. Hegi, Illustr. Flora von Mitteleuropa, illustr..
unter Leitung von Dr. G. Dunzinger. 2. F., Lehmanns Verlag,
München. — Von dieser trefflichen Tlora liegen weitere
Krummholzvegttation im Hochgebirge.
Bildprobe aus Hegi-Dunzinger: Illustrierte Flora
von Mitteleuropa.
Lieferungen vor, die das halten, was die erste versprochen hat.
In eingehender Weise werden die Giefäßkryptogamen zu Ende
behandelt. Es folgen die Koniferen (Gymnospermen) und ein
Teil der Monokotyledonen. Wieder können wir. auf die "guten
Abbildungen verweisen, sowohl der koloriei'ten Tafeln, deinen
jede Lieferung vier bringt, wie auch der dem Texte eingefügten
Federzeichnungen.
Nicht minder bilden die guten Habitusbilder nach Auf-
nahmen an den natürlichen Standorten besonders charak-
teristischer Arten eine schätzenswerte Beigabe. Einige solche •
Bilder aus dem Abschnitt über Nadelhölzer geben wir hier au
Seite 24:8 und Seite 249 wieder.
Für den (Tartenkünstler enthält die Flora außerdem in den
Angaben über die Zusammensetzung
der verschiedenen Formationen be-
achtenswerte Winke, wenn er beab-
sichtigt, Pflanzengruppierungen auf
ökologischer Grundlage zusammen-
zustellen (Schwarzföhrenwald, Krumm-
liolzregion usw.). H.
Hermann Muthesius: Land-
haus und Garten, Beispiele neuzeit-
licher Landhäuser nebst Grundrissen,
InnenrUumen und Gärten. München
1907.
Es ist ein anßerordentlicli an-
sprechendes Buch, dem ich diese
Zeilen widme. In 131 Textseiten, die
einer reichen und guten Bildersamm-
lung vorangehen, sind die neuzeitlichen
Gedanken über die Landhansbaukunst
reizvoll zu einem kleinen Essai zu-
sammengeschmolzen. Gleich im Vor-
wort beginnt der Verfasser verständ-
licherweise mit der Warnung vor dem
gar zu oft mißverstandenen Gebrauch
eines solchen Buches, als wäre es
eineVorratskammer von Mnsterhäusern
zur Auswahl oder gar Hausteilen, die
je nach Geschmack, oder sagen wir
lieber je nach Laune so oder so
zu einem sogenannten „modernen
i lause" zusammengestapelt werden
könnten. Diese Warnung Icanu nicht
oft genug wiederholt werden, weil die
Tatsache, daß jedes Werk angewandter
Kunst aus seinei besonderen Zweck-
bestimmung horaiis geboren werden
mulJ und somit einen Sonderfall bedeutet, auch bei der
Mehrzaldder „Gebildeten" noch lange nicht in IMeiscJi und
Blut übergegangen ist.
Was Muthesius zur Grundlage seinc^r jirägnanten .\us-
fiihrungen macht, ist die Sehnsucht nach Wiedererlangung
eines menschenwürdigeren Daseins, das in dem Getriebe dos
unruliigen Großstadtleliens verloren zu gelicu droht. Statt
gesunder Sammlung und Vertiefung sehen wir in der Groß-
stadt allentlialben ungesunde Zerstreuungen und \erflachung
überhand nolinu;n. Dabei kann die menschliche Persönlichkeit
nicht ausreifen und — wer die Sehnsucht danach laut werden
läßt, wird nicht selten vom enragierten Großstädter als ein
naives Kind oder als exklusiv-philiströser Sonderling angesehen.
Idealismus, Geradheit. Aufrichtigkeit, diese „kindlichen" Eigen-
schaften und ersten Bedingungen für gesundes Knnstwachstum
sind zerstört worden vom großstädtischen Unkraut des
IX, 12
DIE GARTENKUNST
249
Arren an der Baumgrenze,
Bililprobe aus: Hegi-Dunzinger, lUustr. Florn.
Materialismus und Geldprotzentums, des Seheinwesens und der
Phrase. Je stärker dieses Unkraut wuchert, um so tiefer sinkt
das Niveau des allgemeinen Kunstsinnes. Es ist kein Wunder,
daß unter solchen Verhältnissen auch heute noch eine After-
kunft sich breit macht, deren Ausgeburten von Muthesius
in scharfer, beißender Kritik an den Pranger gestellt
werden. Haus- und Gartenzerrbilder werden grell genug
beleuchtet — man wagt es fast, sich der Hoffnung hin-
zugeben, daß die verstockten Ohren endlich hOren und
die verblendeten Augen endlich sehen lernen — aber
immer noch liilJt sich der größte Teil des Publikums aus
seiner überaus bedauerlichen Verblendung nicht auf-
rütteln und von gewissenlosen und geldmachenden
(iauklern beschwindeln. Das wird so lange dauern, bis
endlich wieder der .Sinn für persönlich ausgestaltete
Häuslichkeit erwacht, bis endlich wieder die Seele des
deutschen Hauses ihr Selbstbewußtsein wieder gewinnt,
das beim Graben nach unedlen Scliätzen verschüttet und
fast erstickt worden ist.
Es ist zunächst nur eine „kleine Gemeinde", die
Muthesius Hoffnung gibt auf den herannahenden Sieg
echter, gesunder Kunst.
In seinen weiteren Ausführungen entwickelt Muthesius
die Anforderungen, die er an ein gut, d. h. zweckmäßig-
gebautes Landhaus stellt. Seine Auseinandersetzungen
sind mir insofern angenehm aufgefallen, als sie auf
außerordentlich feinsinniger Beobachtung eines persönlich
durchgebildeten, häuslich-harmonischen Familienlebens
beruhen. Indem Muthesius die einzelnen Käume des
Hauses zunächst einzeln aus ihrem Zweck heraus vor
uns erstehen läßt, indem er das Arbeitszimmer zu-
gleich mit dem Gedanken an den Platz des Schreibtisches
das Musikzimmer zugleich mit vernünftiger Aufstellungsmög-
lichkeit des Flügels räumlich formt, ja sogar die Morgonsonne
als stimmungsvollen Faktor beim Frühstückskaffee dabei nicht
außer Acht läßt, den gesundlujitlichon und woliuliclu/n
Forderungen und dann der häufig vernachlässigten Beziehung
der Käunu^ zu einander besondere Aufmerksamkeit zuwendet
— indem er so auf die Einzelheiten, auf die so wichtigen
Ivleinigkeiten, auf die zarten Feinheiten des Lebens eingehend,
von innen heraus, aus dem inneren Sinn und Zweck dos Land-
hauses als etwas Selbstverständliches auch seine äußere Gestalt
sich kristallisieren läßt, zeigt er sich uns als ein fein durch-
gebildeter Baukünstler.
Daher kann es uns nicht befremden, daß Muthesius hin-
sichtlich des Gartens ebenso hohe Anforderungen stellt. Man
kann ihm ganz zustimmen, wenn er Haus und Garten als
organische Einheit betrachtet wissen will und daß daher auch
beide „von demselben Geist ersonnen sein müssen" (p. XXV).
Jedoch m. E. mit der Bedingung, daß dieser eine Geist auch
das Baumaterial von Haus und Garten belierrsolit, weil er nur
in dem Fall beide zu gestalten, zu bauen vermag. Diese Be-
dingung scheint mir aber der V'jrfasser außer Acht zu lassen,
wenn er auf der erwähnten Seite schreibt: „Es läßt sich er-
hoffen, daß im \'er!auf einiger weiterer Jahre der Gedanke der
Einheit von Haus und Garten allgemeiner geworden sein wird
und daß auch die Gärtner sich dann bemühen werden, sich
dem Gedankenkreise der Ivünstler dienstbar zu machen."
Diesem Wunsch kann ich deshalb nicht beipflichten, weil ich
durcluius nicht jeden Architekten, der Häuser baut eo ipso als
„Künstler" bewerten kann und anderseits diese Eigenschaft
einem „Gärtner" nicht eo ipso abspreche. Ich vermute, daß
der Verfasser mir darin beistimmen wird, daß an dieser Stelle
seine Feder mit ihm durcligegangen ist und er allzu sehr pro
domo gesprochen hat. Um das Gleichgewicht und die Ge-
rechtigkeit zu wahren, wird er mir die Behauptung nicht übel
deuten, daß es auch künstlerisch feinfühlige „Gärtner" geben
dürfte, in deren Gedankenkreis sich ein „Bauunternehmer"
''^^-S.i.CAt.
Kieler iu dur Eljene.
Bildprobe aus: Hegi-Dunzinger, lUustr. Flora.
25Ö
DIE GARTENKUNST
IX, 12
liineinzubemülien hätte, um die gewünschte Einheit zu erzielen.
Kurz gesagt, es kommt nicht darauf an, wer von beiden der
Künstler ist, sondern daß ein Künstler da ist. Da aber heut-
zutage so vielseitige Künstlerpersönlichkeiten kaum zur Ver-
fügung stehen, wie sie die Zeit der Renaissance, die den
Architekten und Gartenkünstler, Maler und Bildhauer nicht
selten in einer Person vereinigt bieten konnte, was Muthesiiis
auf p. XXIX selbst auch feststellt, so werden wir uns in den
meisten Fällen auf ein inniges Zusammenarbeiten mehrerer
Künstler einigen müssen, von denen gebildetes Verständnis.
feiner Takt und sachliche Vertiefung gefordert werden miilj.
Es ist also ein gleich hohes Bildungsniveau, wie es Muthesius
beim Bauherrn und Architekten wünscht, auch hier Bedingung
für die Einheitlichkeit des Kunstwerkes.
Wenn ich mich den weiteren, freilich recht kna|ipen Aus-
führungen des Verfassers über die Gartengestaltung, besonders
auch der Forderung eines regelmässigen Gartens am Hause,
im allgemeinen anschliessen mulJ, so kann ich mir doch
viele, sehr viele Einzelfälle denken, die durchaus anders be-
handelt sein wollen. Mit der sclivver angreifbaren Behauptung
„der Palast auf der Graswiese ist keine künstlerische Einheit"
ist keineswegs die Notwendigkeit der regelmäßigen Garten-
anlage an jedem Hause erwiesen. Es ist z. ß. eine Sennhütte
auf der Graswiese wohl eine künstlerische Einheit und die
Sennhütte ist auch eine Art Landhaus, jedenfalls Architektur.
Gerade das Landhaus, von dem Muthesius hier spricht, wird
selten die Form des Palastes annehmen, der die Repräsentation
der aktiven Herrscherkraft mit besonderer Intensität künst-
lerisch zum Ausdruck bringt. Das Landhaus wird vielmehr der
passiv-rezeptiven Stimmung gerecht zu werden suchen, die
dem Alleinseinwollen, dem Land- und Natursuchen, dem unauf-
fälligen Sicheingliederu in die gewählte Umwelt entspricht.
Gewiß wird dabei, je nach der Persönlichkeit, bald ein Hin-
neigen zum Palast und Herrenhaus — bald zur Hütte und
Bauernhaus bemerkbar sein. In all den Zwischentonarten wird
aber die Annäherung zum einen oder anderen Pol ausschlag-
gebend sein für die Ausgestaltung des Gartens: Je näher zum
Palast, desto strenger und auffallender die regelmäßige Auf-
teilung, je näher zur Hütte, um so „ungewollter", gleichsam
zufälliger die Ausgestaltung des Gartens. Unter „zufällig"
verstehe ich nicht Landschaftsmaskerade oder den verldeinerten
Vierwaldstädter See. Aber — ein grader oder krummer Pfad
durch Heideland oder Waldboden, wie er z B. auf der Ab-
bildung Seite 40 zur Hausterrasse des Dr. Ing. II. Muthesius
führt, läßt sich sehr wohl bei einfacherer Architektur (etwa
Seite 149 und 198) direkt bis an die Haustüre geführt denken;
dann unter einigen großen Birken ein gemütliches Plätzchen
mit Bänken und Tischen, auf der Sonnenseite Rosen, Jasmin
und Syringenbüsche, ungeschoren, — dort einen krummen
Weg, weil man diesen oder jenen alten Baum nicht hat fällen
wollen oder weil das wellige, abschüssige Terrain den geraden
Weg als unzweckmäl5ig nicht gestattet und eine Terrassierung
viel zu teuer ist. Ich will damit nur sagen, daß das aufrichtig
wohnliche Gewordenseiu einer Hausumgebung nicht immer
regelmäßig sein muß. Es kann leider auch „regelmäßige Reiß-
brettphantasie" geben, vor der man heute schon warnen
muß. Vergewaltigungen des vorhandenen Naturbestandes durch
Verschneiden eiuer schönen Baumkrone zu einer Kugel oder
Entfernung malerischen Brombeer- und Schlehdorngebüsches
oder — Ausschaltung frei wachsender und blühender Sträucher,
weil die Heckenscheere überall arbeiten muß, weil kein Wachs-
tum und kein Werden das Auge des Besitzers mehr erfreuen
darf, weil alle Gewächse außer den Blumen auf den Beeten
dem architelvtonischen Gesetz des Fertigseins sicli beugen
müssen ....
Alles das sage ich nicht um dem regelmäßigen Garten
seine E.xistenzberechtigung abzusprechen, auch nicht um die
durchaus künstlerische Auffassung des regelmässigen Gartens
seitens des Verlasses irgendwie zu bemängeln — davon bin
ich weit entfernt — ich sage es nur. um einerseits der unein-
geschränkten Befürwortung oder gar Forderung eines regel-
mäßigen Hausgartens entgegenzutreten, die Mutliesius für not-
wendig zu halten scheint und andrerseits, um dieselben Ge-
fahren solcher Einseitigkeit zu zeigen, die den unregel-
mäßigen Garten so oft zu einem Zerrbild gemacht haben. Aus
den Worten des Verfassers dürfte man auf solche Einseitig-
keit schließen, während die Bilder uns weitere Gartenmöglich-
keiten (z. B. Seite 188) vorführen, die leider im Text nicht be-
sproclien sind; denn es hätte mancher Leser ein Interesse
daran, das Urteil des Verfassers darüber kennen zu lernen.
Nach meinem Empfinden sind manche „Gegenbeispiele" dar-
unter, etwa auf Seite KiS, 161, 13.^ oben, 50 oben, 34, 5. Sehen
wir von diesen Einzelheiten ab, denen ich mich nicht ]^nt-
halten konnte, meine abweichende Ansicht gegenüberzustellen,
so haben wir es in dem vorliegenden Werk mit der dankens-
werten Arbeit eines feinfühligen Künstlers zu tun, aus der wir
lernen können, nicht was wir machen sollen, sondern vor Allem
wie ein organisches Kunstwerk, ein Haus und ein Garten ent-
stehen soll, — nicht aus fleißiger Erlernung von Schul- und
Stilregeln herauskonstruiert, sondern herausgeboren aus leben-
diger Erfahrung, harmonischer Häuslichkeit, aus feingebildetem
Verständnis der Wohnbedürfnisse, aus fleißiger Vertiefung in
den einheitlichen Zweck von Haus und Garten.
Düsseldorf. Frhr. von Engelhardt.
In eigener Sache. Nachstehende Erklärung habe ich dem Herausgeber des „Kunstwart" mit der Bitte um Abdruck als
Ergänzung meines im ersten Novemberheft veröffentlichten Briefes übersendet,
„>Sie haben im ersten Novemberheft d. J. einen Privatbi-ief von mir in einen Ai tikel verflochten, der eine Darlegung Ihrer
Stellungnahme zu den Bestrebungen Willi Langes enthält. Zu der Veröffentlichung meines Briefes haben Sie meine Zustimmung
nicht erhalten und ilm unvollständig wiedergegeben, so daß sein Inhalt nicht melir dem Original, entspriclit Zu einem solchen
Vorgehen waren Sie nicht berechtigt
Ferner ist durch meine Bezeichnung Geschäftsfülirer der D. G. f. G. bei vielen Lesern und wohl auch bei Urnen der
vielleicht erklärliche Irrtum entstanden, als hätte ich im Auftrage der genannten Gesellschaft geschrieben und somit gleichsam
den .Standpunkt der Mcajorität dieser Gesellschaft Ausdruck gegeben. Vm jedes Mißverständnis zu beseitigen und weitere Irr-
tümer auszuschließen, stelle ich hiermit ausdrücklicli fest, daß ich lediglich als Privatmann meine .\nsicht ausgesprochen habe.
Dadurch ist jede Bezugnahme und jeder Angriff gegen die Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst hinfällig und bedeutungslos.
Wenn ich mein i)ersönliches rrteil über Willi Lange |)rivatim hart formuliere, so ist damit längst nicht gesagt, daß icli
deshalb meine Ansicht öffentlich denselben Ausdruck geben müßte. Daß mir die Veniffcntlichung „nicht un.ingenoluvi \v;ir", wie
ich mich in meiner Zuschrift an die „Garlenwell" ausdrückte, das bezieht sich lediglich auf den Inhalt meinei' Kritik, nicht
aber auf die Form.
Ich bitte Sie, diesen meinen Protest gegen die unbefugte Veröffentlichung meines Privatbriefes, sowie meine AulkLirung
über die J'ezeichnung als Geschäftsfülirer der D. ('■. f. G. im näclisten Heft Ihrer Zeitscin-ift abzudrucken.
Hochachtungsvoll Arthur Glogau, Hannover."
Nachschrift der Redaktion: Auf Grund der vorstehenden Erklärung des Heim Glogau ist der aussclilioßlich
private Charakter seines Briefes an den Herausgeber des Kunstwarls festgestellt. Wir bemerken unserseits, daß damit die
Angelegenheit für uns erledigt ist. Heicke.
Für dip Redahtion vprantwortlifh: Stadt-Qartendirektor Heicke, Frankfurt a. M. Verlag vim (1 1' lir ild pr BorntraPijpr, Berlin SW. 11,
Grofsbeeron Strafse 9. — Druck von A. W. Hayn'H Erben, Potsdam.'.
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